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04.03.2007
Antwort des Schweizer Bundesrates
„Mit dem neuen Regelwerk ist der grösstmögliche Konsens erreicht worden.“
Am 21. 2. 2007 hat der Schweizer Bundesrat Filippo Leuteneggers Anfrage zur Neuen deutschen Rechtschreibung beantwortet. Am Sachverstand des Bundesrates darf gezweifelt werden.
Hier die Antwort:
Der Bundesrat wird in seinem "Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2006" die Abschreibung des Postulats 04.3462 Riklin beantragen, mit der Begründung, dass im überarbeiteten amtlichen Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, das der Rat für deutsche Rechtschreibung im Frühjahr 2006 vorgelegt hat, gewichtige Mängel des ursprünglichen neuen Regelwerks behoben und der grösstmögliche Konsens in der Rechtschreibung erreicht wurden; die Gefahr, dass die Einheitlichkeit in der deutschen Rechtschreibung verloren gehen und dass Schule und Praxis auseinanderdriften könnten, ist gebannt.
Zu den einzelnen Fragen äussert sich der Bundesrat wie folgt:
1. Mit dem neuen Regelwerk, das im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung mehr Freiheiten lässt, sind wieder vermehrt Bedeutungsdifferenzierungen durch unterschiedliche Schreibung möglich. Die Idee, mit der Schreibung könnte die Bedeutung ganz genau ausgedrückt werden, muss aber ohnehin aufgegeben werden, da die Zahl möglicher Bedeutungsnuancen unbegrenzt ist, in der Schreibung jedoch jeweils höchstens zwei Varianten möglich sind (zusammen oder getrennt, gross oder klein).
2. Wie einleitend ausgeführt, ist mit dem neuen Regelwerk der grösstmögliche Konsens erreicht worden.
3. Das überarbeitete Regelwerk lässt in Bereichen, die besonders umstritten oder einer eindeutigen Regelung nicht zugänglich sind, Varianten in der Schreibung zu. Damit wird den Schreibenden die Möglichkeit eröffnet, mit unterschiedlichen Schreibungen Bedeutungsunterschiede auszudrücken, und die natürliche Entwicklung der Schreibregeln wird nicht künstlich in eine Richtung gedrängt. Die Bundeskanzlei lässt im Grundsatz die vom Regelwerk erlaubten Varianten zu. Für Einzelfälle aus dem spezifischen Wortschatz der amtlichen Texte des Bundes (Recht, Politik, Verwaltung, gewisse Fachsprachen) hat sie allerdings – nach reiflicher Abwägung der Entscheidungen anderer (Wörterbücher, Verlage, Schule etc.) – Variantenpriorisierungen vorgenommen, um eine gewisse Einheitlichkeit im Erscheinungsbild der Texte zu wahren und um Auslegungsprobleme zu vermeiden, die durch eine schwankende Schreibung der Begriffe in Erlasstexten und Botschaften entstehen könnten.
4. Schulen haben u. a. die Aufgabe, Menschen die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens beizubringen und sie in ihrer sprachlichen Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Dazu müssen sie Sprachnormen – auch Rechtschreibregeln – vermitteln sowie die Fähigkeit, damit sinnvoll umzugehen. Indem die Schule Sprach- und Schreibregeln vermittelt, wirkt sie notgedrungen ein Stück weit auf den Sprach- und Schreibgebrauch in der Gesellschaft ein. Den Vorwurf der Sprachlenkung kann man ihr deshalb aber nicht machen.
5. Wie ausgeführt, hat der Rat für Rechtschreibung das zurzeit Mögliche erreicht. Es ist sehr wichtig, dass nun Ruhe und Konstanz einkehren. Das neue Regelwerk lässt der Rechtschreibung die nötige Freiheit, sich weiterzuentwickeln. Diese Entwicklungen wird der Rat beobachten und zu gegebener Zeit im Regelwerk berücksichtigen.
6. Die Schulen unterstehen zumeist kantonaler Hoheit. Auch da, wo schulische Bereiche in den Kompetenzbereich des Bundes fallen, hat der Bundesrat weder die Kompetenz noch den Willen, den Schulen in Fragen der Lehrmittel Vorschriften zu machen.
7. Wie ausgeführt, hält der Bundesrat die Einheitlichkeit der Rechtschreibung in dem Masse, in dem dies möglich ist, für erreicht. Auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre muss bezweifelt werden, ob es möglich ist, Konsens herzustellen darüber, was "sprachrichtige Rechtschreibung" ist. Dieses Ideal mag Ansporn für sprachwissenschaftliche Forscherinnen und Forscher sein. Es wäre jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt und möglicherweise grundsätzlich verfehlt, wenn die politischen Behörden eine Konferenz einberufen würden, an der die "Einheitlichkeit und Sprachrichtigkeit der Rechtschreibung wiederhergestellt" werden sollte.
Zuständig: Bundeskanzlei (BK)
Erstbehandelnder Rat: NR
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Kommentare zu »Antwort des Schweizer Bundesrates« |
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Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 05.03.2007 um 12.31 Uhr
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"Der grösstmögliche Konsens" und "das zurzeit Mögliche" sind erreicht. Ruhe und Konstanz können nun einkehren, Gefahr der Spaltung ist gebannt? Gebrauchtwagenhändler Z. war anscheinend auch in Bern erfolgreich.
Daß es einmal mehr Konsens und Konstanz gegeben hat, ist bereits vergessen.
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Kommentar von AH, verfaßt am 05.03.2007 um 13.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5744
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Schade, ich hatte mir nach vielversprechenden Anzeichen von den Schweizern mehr erwartet als von den Deutschen. Die Antwort plappert weitgehend nur die offizielle deutsche Sprachregelung nach. Man spürt förmlich, wie die Schweizer bei den Deutschen Formulierungshilfe geholt haben: Der "größtmögliche Konsens" ist erreicht (so schnell erreicht Politik ihr Wissenschaftsmaximum!), Rechtschreibunsicherheit (Varianten) ist etwas Gutes (aber nicht in amtlichen Rechtstexten), Schulen haben Falsch als Richtig zu lehren, die Lernmittelverlage dürfen das Ganze dirigieren aufgrund ihrer wirtschaftlichen Interesssen.
Ich kann die Initiatoren in der Schweiz nur ermuntern, gegen diese Anrufbeantworter-Durchsagen weiterhin argumentativ vorzugehen.
Vielleicht nützt es dort, wo immerhin noch Diskussion herrscht, eher als in Deutschland, wo Grabesruhe angesagt ist und zur Zeit die letzten
Pflöcke per Lernstandserhebungen und zentrale Prüfungen eingerammt werden.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 05.03.2007 um 16.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5745
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Abfertigungen dieser Art gehören natürlich zum politischen Alltag. Welche Verwaltung geht schon in sich, nur weil sie eine parlamentarische Anfrage zu beantworten hat?
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.03.2007 um 17.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5746
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"Konsens" herrscht höchstens zwischen Regierung und Verlagen, aber keineswegs zwischen Regierung und Volk.
"Das zurzeit Mögliche" ist eine reine Behauptung, das glauben nur Regierung und Verlage; dem Volk will man das nur glauben machen.
Wird Lüge durch genügend häufige Wiederholung zu Wahrheit?
Die Aufgabe und Herausforderung ist es, beide Behauptungen zu widerlegen.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.03.2007 um 20.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5747
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Ich lernte noch:
Sich mit einem Problem "auseinanderzusetzen" bedeutet, sich damit zu beschäftigen (Auseinandersetzung). Zwei geschwätzige Schüler "auseinander zu setzen" bedeutete, sie auf getrennte Sitzplätze zu setzen.
Nach der ersten Reform wurde kategorisch gelehrt, sich mit einem Thema "auseinander zu setzen" und zwei geschwätzige Schüler "auseinander zu setzen".
Nach der letzten Reform wird nun gelehrt, es hieße sich mit einem Thema "auseinanderzusetzen" und zwei geschwätzige Schüler "auseinanderzusetzen" (Auseinandersetzung).
Was ist nun richtig?
Der Schweizer Bundesrat legt sich nicht fest, allerdings bringt er mich auf neue Ideen (Permutationen zwischen GZS und GKS):
"Auseinander zu Setzen", Auseinander zu setzen" , auseinander Zu Setzen", ...
Immerhin bestätigt der Bundesrat "gewichtige Mängel" im ursprünglichen Regelwerk (und damit im Schulunterricht über die letzten 10 Jahre); vielleicht werden in einer ähnlichen Stellungnahme in einigen Jahre auch dem aktuellen Regelwerk "weitere unbereinigte Mängel" bescheinigt, wer weiß?
Die jetzigen Schüler müssen der Schulrechtschreibung halt flexibel gegenüberstehen...
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Kommentar von David Weiers, verfaßt am 06.03.2007 um 07.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5748
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Das Problem ist ja, daß man nur dann etwas flexibel gegenüberstehen kann, wenn man ausreichenden Weitblick besitzt, also sich sprichwörtlich so weit in der Materie verbiegen kann, daß die Substanz nicht kracht. Und diese Fähigkeit haben die Schüler nicht, denn sie sind nun einmal Schüler. Außerdem dürfen sie sie ja gar nicht haben: ansonsten ließe man sie mit dieser dämlichen Reform in Ruhe.
Diese Formulierung mit dem "zurzeit Mögliche[n]" ist ja nicht nur peinlich und anmaßend, sondern auch ungeschickt: man gibt ja zu, daß es durchaus Steigerungen zum Besseren gibt.
Wozu diese Angriffsfläche präsentieren? Da sind 96er-Urreform-Anhänger irgendwie konsequenter.
Tststs … ging ja mächtig in die Hose die Sache mit der "Endgültigkeit" …
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.03.2007 um 13.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5766
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Der "größtmögliche Konsens" wäre dann erreicht, wenn es den Lehrern sowas von egal ist, ob die Schüler "neu" oder "alt" schreiben, Hauptsache, nicht ganz falsch. Etwa so wie bei der französischen Rechtschreibreform, bei der beide Schreibweisen erlaubt sind.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 12.03.2007 um 13.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=534#5767
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Genau das, was Germanist sagt, erhoffe ich für die Zukunft.
Dann würden auch die Buchbestände der Bibliotheken ihren Wert behalten. Es ist ja noch nicht aller Tage Abend. Und vielleicht gilt es unter den Jungen irgendwann einmal als chic, "daß" zu schreiben.
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