Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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18.10.2005
Stefan Stirnemann
Aus alten Regelwerken
Das neunzehnte Jahrhundert und wir
Das neunzehnte Jahrhundert ist die große Zeit rechtschreiblicher Regelwerke. Man spricht heute von Regelbüchern, der Name ist freilich schlecht gewählt: tatsächlich sind es schmale Hefte.
Es ist recht unterhaltsam, sie auszuwerten und zu vergleichen. Unter Umständen kann man die Arbeit vertiefen und erweitern, die Wolfgang Kopke geleistet hat: Rechtschreibreform und Verfassungsrecht (Tübingen 1995). Schwer zu lesen, da, wie schon der Titel zeigt, sehr umständlich geschrieben, ist Gunnar Böhmes „Zur Entwicklung des Dudens und seinem Verhältnis zu den amtlichen Regelwerken der deutschen Orthographie“ (Frankfurt/M. 2001).
Die Rechtschreibung des neunzehnten Jahrhunderts schwankte in einigen Bereichen. Verschiedene Gruppen setzten sich für tiefgreifende Änderungen, eigentliche Reformen ein. Um die Rechtschreibung zu vereinheitlichen und vor Reformen zu schützen, sollte die Berliner Konferenz von 1876 ein Regelwerk erarbeiten, das zunächst für alle Schulen galt. Weil die Teilnehmer entgegen der Vorgabe weitgehende Eingriffe in die Schreibgewohnheit vorschlugen (z.B. bei den Dehnungszeichen), wurde das Berliner Regelwerk nicht umgesetzt. Dafür erschienen im deutschsprachigen Raum verschiedene Regelhefte, die sich wesentlich an die Schreibgewohnheit hielten. Die Reihe eröffnete 1879 Bayern, es folgte im Jahr darauf Preußen, 1881 die Schweiz. Die preußischen Regeln waren von Wilhelm Wilmanns, wie er selber sagte, redigiert worden. Er verfaßte einen ausführlichen Kommentar dazu (die zweite Auflage unter dem Titel „Die Orthographie in den Schulen Deutschlands“, 1887). Wilmanns, mit seinen Arbeiten heute noch bedeutsam, war wie Konrad Duden Teilnehmer beider orthographischer Konferenzen. 1880 gab Konrad Duden sein „Orthographisches Wörterbuch“ heraus; er legte dabei seine eigenen Arbeiten, die Ergebnisse der Berliner Konferenz und Wilmanns Kommentar zugrunde. Seine Leistung bestand darin, daß er im Gegensatz zu den Regelheften einen großen Wortschatz bot. Gilt nicht auch heute, daß man, ist man beim Schreiben eines Wortes unsicher, nicht unbedingt eine Regel anwenden will, sondern froh ist, kurz nachschlagen zu können? Dudens Buch galt bald als „maßgebende Interpretation der verschiedenen amtlich angeordneten Orthographien“. So beschrieb es Duden selbst 1892 in einem Brief an einen Schweizer Drucker; das Wort ‚maßgebend’ wurde im zwanzigsten Jahrhundert in Deutschland rechtsverbindlich.
Es hielten sich aber nicht alle an den Duden, besonders die Behörden nicht. Folge: Zwiespalt zwischen Schule und Leben. Im Vorwort eines Buches jener Zeit steht: „Dem Wunsche des Verlegers, dies Buch in der Schulorthographie drucken zu lassen, habe ich in Berücksichtigung der obwaltenden Schulverhältnisse nachgegeben, freilich mit den Ovidischen Worten: ‚Video meliora proboque: Deteriora sequor’, was ich – in Anwendung auf die waltenden Mißverhältnisse – etwa verdeutschen möchte: Zwar Besseres sehend und wünschend, Duld’ ich doch Schlechteres hier.“ Der Verfasser ist Daniel Sanders, Teilnehmer der ersten Berliner Konferenz; auch er ist bis heute lesenswert. Sanders vertrat den Standpunkt: „Der allgemeine Schreibgebrauch muß als unumstößliche Richtschnur gelten.“
1901 wurde auf der zweiten Berliner Konferenz eine Einigung erzielt. Ich versuche, diesen etwas flauen Ausdruck zu erklären: Die Behörden übernahmen im wesentlichen die Vorschläge Wilmanns’ und Dudens; beide hielten sich recht eng an den Schreibgebrauch. Dieses „recht eng“ ist wiederum flau; wer 1901 noch gewohnt war, heute Abend zu schreiben oder im Allgemeinen, sah die Sache zweifellos anders. Der Schweizer Bundesrat hatte sich schon am 24. Dezember (ausgerechnet) 1892 festgelegt: „Der Bundesrath hat die Duden’sche Orthographie für die von der Bundesverwaltung angeordneten Drucksachen vom 1. Januar 1893 an obligatorisch erklärt und das Departement des Innern mit der Durchführung dieser Maßregel beauftragt.“
Nach der zweiten Berliner Konferenz wurden allmählich die vielen Varianten des Regelwerks von 1901 ausgeschieden (z.B. Abends); es versteht sich, daß mit zu vielen Varianten schwer umzugehen ist.
Ein Beispiel: die Trennregeln
In der „Anleitung zur deutschen Rechtschreibung“ für die „Unterrichts-Anstalten der Armee“ (Hannover 1861) – das Büchlein ist soldatisch sauber blau gebunden – heißt es: „Die zusammengesetzten Buchstaben ch, ck, ph, pf, sch, sp, st, ß, th, tz werden im Schreiben nicht getrennt, sondern für einen Buchstaben angesehen.“
In den Aufzeichnungen der Berliner Konferenz steht unter dem 11. Januar (1876): „Die Konferenz einigte sich zunächst dahin, daß die Buchstabenverbindung ck bei der Trennung in ihre Bestandtheile k-k aufzulösen und tz in t-z zu brechen sei. Auf die Erinnerung des Vorsitzenden, daß die Forderung sp und st im Anlaut der Silben ungetrennt zu behalten, nur auf der Nachahmung eines nicht einmal sicher gestellten Gebrauches in der lateinischen Sprache zu beruhen scheine, wurde für die Trennung dieser Buchstabenverbindung das gleiche Verfahren wie bei pf beschlossen. Dieselbe soll (…) durch die Beispiele ‚Las-ten, Wes-pe (aber Ge-spenst), klop-fen, aber em-pfangen’ veranschaulicht werden.“
Dem gegenüber hält das bayerische Regelheft von 1879 fest: „Die Buchstabenverbindungen st, tz, ck, x, pf, sp, ch, sch, th werden nicht getrennt, sondern immer zur folgenden Silbe gezogen.“
Duden1880: „Stehen mehrere Konsonanten im Inlaut, so kommt der letzte auf die zweite Zeile (…). (ck wird in kk aufgelöst).“
Berlin 1901: „Von mehreren Mitlauten kommt der letzte auf die folgende Zeile (…). ck wir dabei in zwei k aufgelöst (…). Nur st bleibt immer ungetrennt.“
Es gab also verschiedene Möglichkeiten, aus denen zu verschiedenen Zeiten verschieden gewählt wurde.
Etwas Grundsätzliches
Im neunzehnten Jahrhundert wurde die Rechtschreibung vereinheitlicht, indem Grammatiker eine, wie sie dachten, begründete Auswahl aus zahlreichen Möglichkeiten trafen; eigensinnige Vorlieben, wie sie auch Konrad Duden hegte (z.B. die Kleinschreibung der Substantive) wurden nicht verwirklicht.
Diese Auswahl und Begründung läßt sich an den Regelheften verfolgen; man muß aber auch die Grammatiken jener Zeit anschauen: von Becker, Heyse, Bauer, Duden, Wilmanns und wie sie alle heißen. Wer in diesen Wald eintritt und anfängt, die Bäume zu zählen, bekommt leicht das große Baum-Sausen: Alles ist richtig, alles ist falsch, alles ist möglich, alles ist sinnlos.
Für den Kampf, den die Forschungsgruppe Deutsche Sprache auch auf ihrer Netz-Seite führt, unverzagt und beharrlich, nicht siegesgewiß, aber bereit, zum Sieg etwas beizutragen – für diesen Kampf ist die folgende Überzeugung leitend:
Die harte Auseinandersetzung, die im neunzehnten Jahrhundert stattfand, war unausweichlich: es ging um eine einheitliche Rechtschreibung. Die Arbeit jener Zeit (es ist die Arbeit eines ganzen Jahrhunderts) hat zu einem sinnvollen und brauchbaren Ergebnis geführt. Ob dazu die Staatsmacht nötig war, kann offenbleiben. In seinem „Lob der Rechtschreibung“ (2005) würdigt Horst Haider Munske die zweite Berliner Konferenz so: „Der Weg, den die Rechtschreibkonferenz vor über 100 Jahren gegangen war, hatte zwei Hauptziele: differenzierte Sprachangemessenheit und Klarheit für den Rechtschreibunterricht. Letzteres hat durch die immer dichter und komplizierter gewordene Regelung der Duden-Nachfolger gelitten. (…) Das berührt aber nicht die Grundqualität dieser Regelung, eine angemessene Rücksicht auf den Sprachwandel.“
Die Reform der Rechtschreibung von 1996 dagegen war unnötig. Seit 1996 wiederholen wir das Gespräch des neunzehnten Jahrhunderts, aber nicht auf derselben Höhe über Meer - im Gegenteil tief im Sumpf.
Jetzt geht es darum, die zahllosen minderwertigen oder falschen Varianten loszuwerden, die uns unfähige Sprachforscher beschert haben. Die Grundfrage dabei ist, was in der Schule gelehrt werden soll. Sodann ist die Rolle des Staates zu bestimmen. Aus allen Zeitungen, jetzt vor allem den deutschen, lächeln uns Politikerinnen und Politiker zu. Sie mögen lächeln, aber sie sollen die Sprache in Ruhe lassen.
Am 22. Februar dieses Jahres hielt Reiner Kunze in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (München) eine Rede. Er richtete sich vor allem an Herrn Zehetmair: „Die verantwortlichen Politiker argumentieren (…), die Reform dürfe nicht zurückgenommen werden, weil die Bürger ein Anrecht auf Verläßlichkeit der Politik haben. Verlaß darauf, daß der Staat von etwas, das im wesentlichen als falsch erkannt wurde, nicht wieder abgeht, kann aber doch kein Postulat sein für richtige Politik.“
Herr Zehetmair war grippehalber abwesend. Hätte er Reiner Kunze gehört, er wäre sogleich gesund geworden.
In Fragen der Rechtschreibung gibt es keine Grippe.
Es gibt Arbeit zu erledigen.
Wer mitarbeiten will, ist willkommen.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 19.10.2005 um 11.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2112
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Lieber Herr Stirnemann, Sie führen mit einem Zitat von Daniel Sanders vor, daß es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine Diskrepanz zwischen der amtlichen Schulorthographie und dem freien Schreibgebrauch außerhalb des staatlichen Regelungsbereichs gegeben hat. Diesen Zustand haben wir heute wiederum, freilich mit dem Unterschied, daß die amtliche Schulorthographie von 1901 in der pedantischen Ausdifferenzierung durch die Dudenredaktionen des 20. Jahrhunderts in die Rolle des freien Schreibgebrauchs geschlüpft ist. Die meisten Menschen hierzulande hatten sich damit abgefunden, daß man die deutsche Rechtschreibung nicht bis ins kleinste beherrschen kann. Wer überhaupt etwas von den Bemühungen um eine Rechtschreibreform mitbekommen hatte, setzte auf sie große Hoffnungen. Diese Menschen waren 1996 sehr enttäuscht. Das Gros der Mitbürgerinnen und Mitbürger blieb dagegen stumm. Rechtschreibung ist nun einmal so. Nun sagen Sie zu meinem Hinweis auf die Ähnlichkeit der Situationen: "Wer zwingt uns zu dieser Wiederholung? Verantwortungslose Politiker, die verantwortungslosen Sprachforschern sozusagen Weisungsbefugnis geben." Obwohl inzwischen manches bekannt geworden ist, kennen wir die Vorgeschichte der Wiener Absichtserklärung von 1996 nicht in allen Einzelheiten. Deutet nicht vieles darauf hin, daß auch die Politiker der Überzeugung waren, eine Rechtschreibreform müsse eine gute Sache sein? Hat bei den beteiligten Sprachwissenschaftlern nur Geltungssucht gepaart mit fachlicher Inkompetenz eine Rolle gespielt? Über das Ergebnis sind wir uns einig: Die Rechtschreibreform ist völlig mißraten und hat vor allem den Deutschschreibenden nicht die Erleichterungen gebracht, die sie erhofft hatten. Wie soll es nun weitergehen? Die Literatur in deutscher Sprache erscheint weiterhin in der stark ausdifferenzierten Rechtschreibung, die vor 1996 auch amtlich galt. Daran wird sich so bald nichts ändern. Soll dies aber wieder die Norm für jedermann werden? Auf dieser Netzseite ist (kontrovers) der Gedanke einer abgestuften Kompetenz bzw. einer abgestuften Obligatorik diskutiert worden. Wäre das nicht das mindeste, wenn es zu einem Neuanfang käme? Vielleicht zieht sich am Ende der Staat doch noch aus dieser Angelegenheit zurück. Würde dann die deutsche Rechtschreibung verludern? Die angelsächsischen Länder sind immer gut mit diesem Zustand gefahren, allerdings mit einer Rechtschreibung auf niedrigerem Anspruchsniveau. Es geht nur um die Wortschreibungen, die zwar reichlich unsystematisch den gegenwärtigen Lautstand repräsentieren, aber immerhin eindeutig sind. Die Verfasser von Gebrauchs- und Sachtexten haben es heutzutage leicht, sich mit jeder Art von Rechtschreibung abzufinden. Ausgeklügelte Computerprogramme sind an die Stelle der individuellen Rechtschreibkompetenz getreten. Mir geht es aber um die privaten Schreiber, d. h. die meisten von uns, die es leid sind, wegen eines im Sinne einer hohen Norm fälschlich groß oder getrennt geschriebenen Wortes von Beckmessern verachtet zu werden. Wer hier nur beunruhigt ist, hat ein Fell, das tiefsten Schlaf in der kältesten Winterhöhle verbürgt.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.10.2005 um 06.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2120
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Mir geht es aber um die privaten Schreiber, d. h. die meisten von uns, die es leid sind, wegen eines im Sinne einer hohen Norm fälschlich groß oder getrennt geschriebenen Wortes von Beckmessern verachtet zu werden.
Lieber Herr Professor Jochems, man kann doch nicht etwas für unbrauchbar erklären, was sich als "hohe Norm" beschreiben läßt, nur weil ein paar charakterlich defekte Menschen meinen, es habe jeder gemäß dieser hohen Norm perfekt zu sein.
Also: Die Privatfrau Stefanie Müller klimpert mit Freude auf dem Klavier. Es klingt anders als bei Maurizio Pollini. Ein Bekannter, Herr Beck-Messer, bemerkt den Unterschied und verachtet Frau Müller. Nun kritisieren Sie wegen des Verhaltens von Herrn Beck-Messer die Art, wie Maurizio Pollini Klavier spielt.
Oder: Der Privatmann Werner Schulze bereitet zu Hause ein Schnitzel mit Beilage zu, für sich und seinen Freund Martin Schneider. Das Schnitzel von Herrn Schulze gerät ganz gut, aber im Kochbuch sieht das Schnitzel noch schöner aus, und das Schnitzel im Nobelrestaurant schmeckt noch besser. Herr Schneider bemerkt dies und verachtet seinen Freund Herrn Schulze. Nun kritisieren Sie wegen des miesen Charakters von Herrn Schneider das schöne Kochbuch sowie das Nobelrestaurant.
Ich würde das eher so interpretieren: Herr Beck-Messer und Herr Schneider sind nicht ganz dicht. Da können Maurizio Pollini, der Kochbuchverlag sowie die Betreiber des Restaurants nichts dafür. Frau Müller und Herr Schulze sollten überprüfen, mit wem sie Umgang haben. Vielleicht macht es ihnen aber gar nichts aus, daß ihre Bekannten jeweils auf eine hohe Norm versessen sind, weil sie wissen, daß die meisten Menschen irgendeinen Schaden aufweisen. Vielleicht sind die beiden Bekannten ja sonst angenehme Menschen.
Merke: Nobody is perfect. Ein paar komische Vögel begreifen wie zum Beispiel Herr Beck-Messer begreifen das nicht - es ist ihr spezielles lächerliches Merkmal. Für mich sind solche Personen kein Grund, sogleich gegen schöne Kochbücher zu eifern oder das Musizieren der Meister zu bejammern.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 20.10.2005 um 09.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2121
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Helmut Jochems: „Die Literatur in deutscher Sprache erscheint weiterhin in der stark ausdifferenzierten Rechtschreibung, die vor 1996 auch amtlich galt. Daran wird sich so bald nichts ändern. Soll dies aber wieder die Norm für jedermann werden?“
Wie soll die Literatur in deutscher Sprache weiterhin in der vor 1996 „amtlichen“ Rechtschreibung erscheinen, wenn in diese in den Schulen gar nicht mehr unterrichtet wird und nicht mehr praktiziert werden darf, ja als „falsch“ gilt? Auch sprachlich qualifizierte junge Menschen werden zwangsläufig in der „neuen“ Rechtschreibung schreiben. Mit der Folge, daß durchaus gute oder gar literarische Texte entstehen, die in unseren Augen und auch absolut gesehen nicht so gut sind, wie wenn sie in „unserer“ Orthographie geschrieben wären, aber da der direkte Vergleich immer mehr verloren gehen wird oder die qualitativen Unterschiede von den nachwachsenden Schreibern gar nicht mehr wahrgenommen werden, merkt den absoluten Qualitätsverlust gar niemand mehr. Oder das Ganze dreht sich um und die absolut besseren Texte in „vorreformierter“ Rechtschreibung werden wegen ihrer „Fehlerhaftigkeit“ als minderwertig empfunden.
Es wäre schon wünschenswert, wenn die orthographische Qualität, die vor 1996 unsere literarischen und alltäglichen Texte gekennzeichnet hatten und die jetzt vom Aussterben bedroht ist, wieder zur Norm für jedermann würde. Jedermann war ja – anders als seither – imstande, sich an sie zu halten, von marginalen Unsicherheiten abgesehen.
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Kommentar von H. J., verfaßt am 20.10.2005 um 09.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2122
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Lieber Herr Wrase, es muß doch etwas nicht in Ordnung sein, wenn Schriftsteller erklären, in puncto Rechtschreibung verließen sie sich auf das Lektorat ihres Verlages. Daran hat die Rechtschreibreform bekanntlich nichts geändert. Wenn Herr Zehetmair seine Aufräumarbeit beendet hat, werden die Verlage ohnehin in umfangreichen Style Sheets festlegen müssen, welche Variante sie durchgehend verwenden wollen. Eindeutig bleiben dann fast nur Wörter, die ohnehin niemand schreibt ("der sich schnäuzende Tollpatsch"). Ich habe auf dieser Netzseite gelegentlich aus Büchern zitiert, in deren Orthographie persönliche Schreibgewohnheiten ihrer Autoren nicht völlig eingeebnet waren. Wir können nicht einerseits unsere Rechtschreibung dafür loben, daß sie viel stärker als andere die orthographische Präzisierung der Ausdrucksabsicht gestattet, die entsprechenden Ausdrucksmittel aber rigoros reglementiert. Herr Munske schreibt gerade: "Wir erinnern uns hier an die Vorschrift, alles übrige klein, aber alles Weitere groß zu schreiben, folgendes klein, aber das Folgende groß." (S. 88) Oder zu jemanden kaltstellen 'jemanden seines Einflusses berauben' und etwas kalt stellen 'zum Auskühlen abstellen': "Hier überlagert ein zusätzlicher Wunsch nach Differenzierung des wörtlichen und des übertragenen Gebrauchs eine allgemeine Regel - durchaus ein Fall, der Anlaß gibt zum Nachdenken über eine komplexe Regeldichte." (S. 100) Wir alle wissen, daß das Prinzip der Reform, möglichst viel groß zu schreiben, die Leserfreundlichkeit der Großschreibung der eigentlichen Redegegenstände aufhebt. Die vermehrte Getrenntschreibung ist sogar ausgesprochen kontraintuitiv, weil sie den Schreiber dazu zwingt, sich über durch die Betonung klar ausgedrückte Unterscheidungen hinwegzusetzen. Für diesen Unsinn plädiert niemand. Nach der Lektüre der Kapitel 9 und 10 von "Lob der Rechtschreibung" fragt man sich aber, wie die Schule und das allgemeinen Schreiben nach der weiterhin für "Qualitätsschreibprodukte" befürworteten und beachteten Norm wegkommen.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.10.2005 um 11.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2123
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Lieber Herr Professor Jochems,
ich weiß gar nicht, warum Sie die Rechtschreibung vor der Reform immer mit dem Duden gleichsetzen, mit dieser autoritär auftretenden Ausgeburt einer unfähigen Redaktion. Bitte hören Sie doch mal damit auf, sonst reden wir alle noch hundertmal aneinander vorbei.
Ich für meinen Teil habe schon öfter deutlich gesagt, daß ich den Duden (auch schon vor der Reform) für Schrott halte. Eine Ansammlung von Schlamperei, unplausiblen Entscheidungen und willkürlichen, völlig unrealistischen Festlegungen (in den Bereichen, in denen es drauf ankommt), nebst einem erstaunlichen Mißverhältnis von Eintragungen, die niemand brauchte, und Begriffen, die oft recherchiert werden, die aber im Duden nicht aufgeührt wurden, woran sich bis heute wenig geändert hat.
Inzwischen hat doch Professor Ickler sein Wörterbuch herausgebracht und mehrfach verbessert; das entsprechende Verständnis von Rechtschreibung haben wir hier hundertmal diskutiert: Deskription des tatsächlichen Gebrauchs. Einfach, einleuchtend, befreiend.
Also, im Ickler lese ich, daß man kaltstellen oder kalt stellen geschrieben hat und folglich auch schreiben kann, in beiden Bedeutungen.
Und was soll an folgendes und das Folgende schwierig sein? Was heißt da "aber", nur weil beides ungefähr dasselbe bedeutet? Auch abends und des Abends bedeuten dasselbe, werden "aber" verschieden geschrieben. Damit gibt es keine ernstzunehmende Schwierigkeit (von ABC-Schützen abgesehen, für die das noch keine Materie ist). Schwierig ist vielmehr die neue, vordergründig einfacher aussehende Parallelschreibung das Folgende und Folgendes. Die Schreiber bringen mir immer wieder folgendes an, auch wenn ich ihnen schon dutzendweise rückgemeldet habe, daß man das nach neuer Rechtschreibung (auf welche diese Schreiber verpflichtet worden sind) groß zu schreiben habe.
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Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 20.10.2005 um 12.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2124
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Helmut Jochems: „es muß doch etwas nicht in Ordnung sein, wenn Schriftsteller erklären, in puncto Rechtschreibung verließen sie sich auf das Lektorat ihres Verlages. Daran hat die Rechtschreibreform bekanntlich nichts geändert.“
Warum soll da etwas nicht in Ordnung sein? Es gibt unter professionell Schreibenden ziemlich viele, die sich in puncto Rechtschreibung nicht völlig sicher fühlen, auch wenn in der Regel vor der Reform alle ziemlich fehlerfrei geschrieben haben. Aber ein gewissenhafter Autor wünscht eben eine Kontrolle durch jemanden, dem er die perfekte Kenntnis der Rechtschreibung unterstellt, auch im Hinblick auf Flüchtigkeitsfehler. Das heißt noch lange nicht, daß es ihm egal ist, in welcher Rechtschreibung seine Texte gedruckt werden, er setzt im Gegenteil voraus, daß deren Qualität durch das Lektorat garantiert wird.
Die Rechtschreibreform hat die Situation bekanntlich insofern geändert, als den Autoren von vielen Verlagen vorgeschrieben oder nahegelegt wird, in neuer Rechtschreibung zu schreiben, auch wenn sie dies nicht wollen oder können. Ihre Texte werden von den Lektoraten in neue Rechtschreibung korrigiert, mit allen uns nur allzu bekannten Irrtümern, Verschlechterungen und Blüten.
Das Wichtigste für einen Autor ist verständlicherweise, daß seine Texte publiziert werden. Wenn das nur um den Preis geschieht, daß er die Rechtschreibung nicht selbst bestimmen kann, wird er dieser zwangsläufig eine untergeordnete Rolle zumessen. Er bestimmt ja auch nicht, in welcher Schrift sein Text gedruckt wird und auf welchem Papier.
Es zeichnet sich im Bereich der professionellen Schreiber eine Entwicklung ab, die überall in der Schreibgemeinschaft festzustellen ist: Die Neigung, nicht durch Beharren auf „alte Rechtschreibung“ unangenehm aufzufallen, und völlige Gleichgültigkeit gegenüber der Qualitätseinbuße, die alles Geschriebene dadurch erleidet. Vielleicht sogar eine Art Stolz darauf, dies alles nicht ernstzunehmen, wie es ja auch eine Eitelkeit gibt, die sich in besonderer Vernachlässigung alles vermeintlich Äußerlichen gefällt.
Damit ist aber die Möglichkeit einer Selbstregulierung der Rechtschreibung, von der man sich eine Selbstheilung versprechen möchte, jedenfalls vorläufig ziemlich reduziert.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 20.10.2005 um 14.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2125
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Selbstregulierung wird nicht mehr gut funktionieren, schon weil kaum einer wirklich selber schreibt, sondern sich auf den spell checker verläßt. Dummerweise ist jede Software überfordert mit dem Reformschrieb.
Die Zahl der Varianten sollte so klein wie möglich sein, aus nicht nur diesem Grund. Der Rat hat sie leider bisher nur vermehren können. Immerhin stehen jetzt Neu-Varianten nur noch gleichberechtigt neben alten Schreibungen - soweit diese noch belassen oder wieder zugelassen wurden - sie sind keine Vorzugs-Varianten mehr. Wenn das Abschaffen von Neu-Varianten (und seien sie grammatisch noch so falsch) nur über allzu viele Leichen möglich wäre, bleibt nur, daß sie durch intensiven Nichtgebrauch wieder obsolet werden. Man will ja zurückkehren zur observierenden und registrierenden Pflege, also zur Selbstregulierung. Läuft das aber darauf hinaus, daß dann alles üblich und damit richtig wird, was WinWord durchläßt? Vieles wird wohl darauf ankommen, wie der nächste Duden aussieht und wie die Agenturen dann damit umgehen. Der Bedarf für Hausregeln wird ja eher größer, natürlich mit eigener Software. Es sei denn, es kommt noch irgendein Urteil...
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Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 20.10.2005 um 15.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2126
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Wir haben keinen Grund, kleinmütig zu sein. Ich selbst arbeite für einen Verlag an einer Übersetzung, habe aber sicherheitshalber von vornherein erklärt, daß für mich nur die herkömmliche Rechtschreibung in Frage kommt. Mag sein, daß aus meiner Haltung nicht in jedermanns Urteil die hohe Weisheit Germaniens spricht (wie aus dem gelehrten Professor Topsius im Roman des portugiesischen Schriftstellers Eça de Queiroz), doch halte ich das für ein Gebot intellektueller und politischer Hygiene.
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Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 20.10.2005 um 15.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2127
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Helmut Jochems: es muß doch etwas nicht in Ordnung sein, wenn Schriftsteller erklären, in puncto Rechtschreibung verließen sie sich auf das Lektorat ihres Verlages.
In allen Sprachen verlassen sich Schriftsteller auf Lektoren. Gabriel García Márquez etwa hat erklärtermaßen Probleme mit der spanischen Orthographie. Was die englische angeht, so verstehe ich nicht den Sinn der Aussage, daß sie eine Rechtschreibung auf niedrigerem Anspruchsniveau sei; schwerer zu erlernen als die deutsche ist sie jedenfalls, und natürlich lassen sich auch englischsprachige Schriftsteller ihre Rechtschreibfehler von Lektoren korrigieren. Einen Literaturnobelpreisträger, der für seine Sprache sehr ernsthaft eine eigene neue Schrift forderte, weil er die herkömmliche Orthographie in lateinischer Schrift insgesamt für unbrauchbar hielt, hatte meines Wissens überhaupt nur das Englische. Demgegenüber ist die Liebe deutschsprachiger Literaturnobelpreisträger zur herkömmlichen deutschen Orthographie doch recht hoch.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 20.10.2005 um 20.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2128
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Wenn Schriftsteller sich bei der Rechtschreibung auf die Lektoren verlassen, kann es aber doch eigentlich mit der Vermittlung wesentlicher Bedeutungsunterschiede durch die Rechtschreibung nicht so weit her sein. Was wäre denn, wenn der ahnungslose Lektor womöglich die "heiß geliebten" in die "heißgeliebten" Bratkartoffeln verwandeln würde, oder gar - horribile dictu - "der folgende" in "der Folgende", "alles Mögliche" in "alles mögliche"?
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Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 20.10.2005 um 20.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2129
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Der Schriftsteller bekommt vom Lektor dessen Verbesserungsvorschläge vorgelegt und akzeptiert sie oder akzeptiert sie nicht. Manches weiß der Lektor besser, manches möchte der Schriftsteller trotzdem anders haben. Im Idealfall ist der Weg zum fertigen Buch lang, in der Realität freilich, wie Volker Hage kritisiert, leider immer kürzer.
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Kommentar von H. J., verfaßt am 20.10.2005 um 21.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2130
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In aller Bescheidenheit darf ich darauf hinweisen, daß die Beispiele in meinem letzten Beitrag aus Lob der Rechtschreibung von Horst Haider Munske stammen. Des weiteren schlage ich vor, daß in einer Art Rütlischwur alle Beiträger von "Schrift & Rede" geloben, es gehe ihnen um die Wahrheit, nicht um Rechthaben. Wir führen ja eine interne Diskussion, nicht eine mit Gegnern. George Bernard Shaw als Gewährsperson hilft uns wenig, denn wenn seine Vorstellungen verwirklicht würden, hätte Englisch als Weltverkehrssprache ausgedient. Gabriel García Márquez wollte im Spanischen das "h" abschaffen, was vergleichbar ist mit dem Vorschlag, hierzulande künftig "Weinachten" zu schreiben. Und was schließlich die Nobelpreisträger deutscher Zunge angeht, wäre Thomas Manns Verhältnis zum orthographischen Rigorismus wohl eine Glosse wert. Wir sollten uns kein Urteil über die mangelnde Zivilcourage vieler unserer Zeitgenossen anmaßen, schon gar nicht, wenn Prinzipientreue nur mit großen persönlichen Opfern zu erkaufen wäre. Der 1. August 2005 war eine Niederlage für alle, die seit 1996 unermüdlich die von fachlicher Ignoranz und staatsbürgerlicher Dickfelligkeit geprägte sogenannten Rechtschreibreform angeprangert haben. Nun hilft es nicht mehr, die schlimmsten Exzesse der Neuregelung ins Lächerliche zu ziehen. Wer in der Auseinandersetzung der nächsten Jahre ernstgenommen werden will, muß jetzt sagen, wie es mit der deutschen Rechtschreibung weitergehen soll, und zwar im Ausgang von der gegenwärtigen Situation. Was von 1901 bis 1995 geschehen ist, läßt sich ebensowenig vom Tisch wischen wie die Fakten, die sieben bis neun Jahre Neuschreibung in der Schule, in der kommunalen und staatlichen Verwaltung, in der Wirtschaft und in den Medien geschaffen haben. Unsere Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat ein anderes Bildungsprofil als vor hundert Jahren, was Folgen für die Schreibkultur hat. Es wäre undemokratisch, im Namen eines elitären Bildungsverständnisses Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Schreibgemeinschaft auszugrenzen, die selbstverständlich ein Anrecht darauf haben, daß ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten berücksichtigst werden. Andererseits sollten wir nicht vergessen, daß in der neuen Medienkultur die Bedeutung von Lesen und Schreiben immer stärker zurückgeht. Unsere gegenwärtige Diskussion über die Wichtigkeit von Differenzschreibungen ist ein Nachhutgefecht, das die orthographische Zukunft nicht aufhalten wird.
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Kommentar von Calva, verfaßt am 20.10.2005 um 22.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2131
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Eine Frage am Rande, da hier auch über Schriftsteller und Lektoren bzw. Verlage gesprochen wird:
An wen sollte man sich richten, wenn man sich über schlechtes und fehlerhaftes Deutsch (egal welches Regelwerk) beschweren will ? Was ist erfolgversprechender ?
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Kommentar von Jörg Metes, verfaßt am 20.10.2005 um 23.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2132
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Helmut Jochems: Es wäre undemokratisch, im Namen eines elitären Bildungsverständnisses Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Schreibgemeinschaft auszugrenzen, die selbstverständlich ein Anrecht darauf haben, daß ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten berücksichtigt werden.
Tatsächlich hat hier auch niemand gefordert, im Namen eines elitären Bildungsverständnisses irgendwen auszugrenzen. Was, lieber Herr Jochems, unterstellen Sie uns da nur immer?
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Kommentar von H. J., verfaßt am 21.10.2005 um 09.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2134
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Lieber Herr Metes, "Sie" und "wir" greift in dieser Sache nicht. Der Kreis der Kritiker der Rechtschreibreform war nie eine Einheitsgewerkschaft, und ich darf mich immerhin rühmen, seit den Anfängen im Spätherbst 1996 dazuzugehören. 1998 war ich Koordinator der Professoren-Initiative. In den vergangenen neun Jahren ist mir ebenfalls manches gegen den Strich gegangen, besonders die vorübergehende Rechtslastigkeit, die uns viele Sympathien gekostet hat. Ich habe aber die Flinte nicht ins Korn geworfen, weil ich meine Berufserfahrungen in einem sprach- und literaturwissenschaftlichen Fach und mein Hintergrundwissen über die Anfänge der Rechtschreibreform meinte in die sich dahinschleppende Auseinandersetzung einbringen zu sollen. Das werde ich weiterhin tun. Prof. Munske zeigt in seinem neuesten Büchlein, "warum wir schreiben, wie wir schreiben" (S. 7). Dabei stößt er auf eine "komplexe Regeldichte", von der wir aus eigener Erfahrung wissen, daß sie die erreichbare Kompetenz selbst beruflicher Schreiber übersteigt. Deshalb rege ich an, Überlegungen darüber anzustellen, wie man mit diesem Problem künftig umgehen soll. Der dirigistische Lösungsversuch der Reformer ist gescheitert. Wer weiß es aber besser?
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Kommentar von Bardioc, verfaßt am 21.10.2005 um 12.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2135
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Unsere Gesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat ein anderes Bildungsprofil als vor hundert Jahren, was Folgen für die Schreibkultur hat.
Ja, ganz recht, vor hundert Jahren war der Besuch des Gymansiums die Ausnahme, heute ist er beinahe die Regel. Wer geht heute noch in die Hauptschule?
Es wäre undemokratisch, im Namen eines elitären Bildungsverständnisses Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Schreibgemeinschaft auszugrenzen, die selbstverständlich ein Anrecht darauf haben, daß ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten berücksichtigst werden.
Was hat Rechtschreibung mit einem elitären Bildungsverständnis zu tun? Rechtschreibsicherheit gewinnt man durch vieles Lesen, darüber sind sich die Reformgegner doch ziemlich einig, und lesen können heutzutage fast alle! Es kommt auch nicht so sehr darauf an, was man liest, sondern daß es in einer in
sich stimmigen Rechtschreibung gehalten ist. D. h., insbesondere auch das Lesen von Belletristik führt zu guten Rechtschreibkenntnissen. Leider findet das -- soweit mir bekannt ist -- im Icklerschen Wörterbuch nicht so sehr Berücksichtigung. Wir sollten uns doch nicht auf das Argumentationsniveau der Reformer herablassen, die in der klassischen Rechtschreibung ein Herrschaftsinstrument sehen. Dann müßte auch z. B. die Mathematik ein -- noch viel besseres -- Herrschaftsinstrument sein.
Wenn Sie zum Arzt gehen, Herr oder Frau H. J., dann wünschen Sie doch auch die beste Behandlung, nicht eine nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten des behandelnden Arztes! Und wenn er keinen (finanziellen) Bedarf oder nicht die Möglichkeit hat, Sie bestmöglich zu behandeln, dann erwarten Sie doch, daß er Sie an einen anderen Arzt mit besseren Behandlungsmöglichkeiten verweist. -- Oder etwa nicht?
Inwiefern werden Menschen mit geringen Rechtschreibkenntnissen dadurch aus der Schreibgemeinschaft ausgegrenzt? Inwieweit ist ein Autofahrer mit geringen fahererischen Kenntnissen und Fertigkeiten (ein Verkehrsanfänger) dadurch von der Verkehrsgemeinschaft ausgegrenzt? Wenn man einen deskriptiven Ansatz vertritt, dann kann und darf es Ihre Argumentation nicht geben, dann würden sich geeringere Rechtschreibkenntnisse durch die Deskription im nächsten Regelwerk niederschlagen. Es kann aber nicht nur um reine Deskription gehen, da Rechtschreibung die Aufgabe hat, für das Verständnis des Geschriebenen zu sorgen. Rechtschreibung ist Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck oder Mittel der Selbstdarstellung. Die von Ihnen immer wieder angeleierte ''sozioorthographische'' Argumentation führt zu keinem Ergebnis; sie ist sogar beleidigend, weil sie denjenigen mit tiefergehenden Rechtschreibfertigkeiten implizit unterstellt, andere ''ausgrenzen'' zu wollen. Rechtschreibung ist ein Wissensgebiet wie jedes andere Wissensgebiet auch. In der Schule lernt man die Grundlagen; wer mag, kann sie durch privates Interesse oder ein Studium vertiefen. Was die Rechtschreibung betrifft, so ist dies immer leicht möglich, auch für ärmere Leute, schließlich gibt es ja öffentliche Bibliotheken. Was ein Studium betrifft, so kostet das viel Zeit und Geld. BAFöK ist und war da nie hinreichend. Deswegen müssen gerade ärmere Studenten, die ja auch von den Eltern unabhängig sein wollen bzw. müssen, nebenher arbeiten, was aber ihr Studium verlängert. Dafür werden sie heute durch horrende ''Langzeitstudiengebühren'' bestraft. Außerdem ist die Einführung von allgemeinen Studiengebühren geplant. Dies grenzt bestimmte Leute von der Bildung aus, nicht die Rechtschreibung. Desweiteren werden Eliteuniversitäten eingerichtet, während die ''normalen'' Universitäten Mittel gestrichen bekommen.
Wenn man Gerechtigkeit in bezug auf Bildung haben will, darf man nicht die Bildung abschaffen, sondern Bildung muß weiterhin für alle zugänglich sein, d. h. keine Studiengebühren und Abschaffung des Fetischs ''Semesterzahl''. Desweiteren sollten Studenten für Studienleistungen belohnt werden, außerdem sollten sie rechtlich einen Sonderstatus besitzen, damit sie sich gegen Angriffe, z. B. Mobbing, besser wehren können, denn ein Student, der Opfer von Mobbing ist, wird dadurch am Studium gehindert.
Die Argumentation mit dem ''eliltären Bildungsverständnis'', das bestimmte Leute aus der ''Schreibgemeinschaft'' (ein hochtrabender Begriff für etwas heute zumeist selbstverständliches) ausgrenzen würde, geht doch ziemlich an der Realität vorbei.
Andererseits sollten wir nicht vergessen, daß in der neuen Medienkultur die Bedeutung von Lesen und Schreiben immer stärker zurückgeht. Unsere gegenwärtige Diskussion über die Wichtigkeit von Differenzschreibungen ist ein Nachhutgefecht, das die orthographische Zukunft nicht aufhalten wird.
Es mag sein, daß dies in der heutigen Medienkultur so ist. Aber das kann sich auch wieder ändern. So habe ich vor einigen Jahren aufgehört, Fernsehen zu schauen, weil mich dies mental stark belastet hat. Seitdem geht es mir besser. Mittlerweile weiß ich, daß auch z. B. Herr Ickler kein Fernsehen mehr sieht. Wer weiß, vielleicht
macht das Schule.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.10.2005 um 15.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2136
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Prof. Munske zeigt in seinem neuesten Büchlein, "warum wir schreiben, wie wir schreiben" (S. 7). Dabei stößt er auf eine "komplexe Regeldichte", von der wir aus eigener Erfahrung wissen, daß sie die erreichbare Kompetenz selbst beruflicher Schreiber übersteigt. Deshalb rege ich an, Überlegungen darüber anzustellen, wie man mit diesem Problem künftig umgehen soll.
Ich schlage vor, mit diesem früheren Problem so umzugehen wie Professor Ickler, dann ist es nämlich so weit wie möglich beseitigt.
Die Beiträge von Professor Jochems klingen immer so, als stelle das Wörterbuchkonzept von Professor Ickler keine Verbesserung gegenüber dem Duden dar und als sei die Rechtschreibung, die wir verteidigen, identisch mit dem mißratenen Normengestrüpp im alten Duden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2005 um 17.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2137
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Das private Schreiben interessiert den Orthographen nicht, es ist weder Maßstab noch Gegenstand seiner Bemühungen. So ist es auch nichts Besonderes, wenn jemand vor der Veröffentlichung seines Textes einen Korrektor ranläßt, weil die professionelle Herrichtung eines Textes höhere Qualitätsanforderungen stellt. Das ist wohl in allen Sprachgemeinschaften so, nicht nur „hierzulande“, wie Herr Jochems sagt. Wenn wir bei Bodo Friedrich lesen, daß das Wort "Sonnenblumenkernen" von 3000 Schülern auf 236 verschiedene Weisen geschrieben wurde und "Nässe" immerhin noch auf 55, dann müssen wir zugeben, daß es nicht an der alten Dudennorm gelegen haben kann und daß keine Reform daran das mindeste ändern würde.
Übrigens werden Texte auch auf anderen Ebenen lektoriert oder sonstwie verbessert. Auch formgerechte Briefe kann nicht jeder schreiben. Das sagt sowenig über die Sprache wie jenes über die Orthographie.
Der alte Duden hatte seine Mängel, darüber sind wir uns einig; er war durch einen unglücklichen Gang der Dinge von Staats wegen mit der Orthographie identisch erklärt worden – für die Schule, aber wir wissen ja, daß de facto die Ausdehnung des Anspruchs auf die ganze Sprachgemeinschaft nie zu verhindern ist. Das ist nun vorbei, und diese Aufhebung des Privilegs ist ganz sicher das einzige, was nicht mehr zurückgenommen werden wird. Für alles andere würde ich meine Hand nicht ins Feuer legen.
Der alte Duden einerseits, die „Beckmesser“ (Doderers Schulmeister) andererseits – was kümmern uns die? Beide sind kein Einwand gegen die bisherige Rechtschreibung.
Ich kann mir nicht denken, daß in öffentlichen Texten (Zeitung usw.) irgendwelche Abstriche an der besten erreichbaren Rechtschreibung gemacht werden könnten. Was soll „die Norm für jedermann“ denn heißen? Natürlich nur für jedermann, der etwas veröffentlicht bzw. mehr oder weniger amtlich/dienstlich zu schreiben hat. Das vielzitierte Bewerbungsschreiben wird immer eine Textsorte bleiben, mit der man sich die größte Mühe gibt, Liberalisierung hin, Liberalisierung her. Die „abgestufte Kompetenz“ oder „Obligatorik“ wird immer nur den Umgang mit Abweichungen betreffen, ist also etwas Pädagogisches.
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Kommentar von H. J., verfaßt am 21.10.2005 um 18.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2138
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Lieber Herr Wrase, wie können Sie übersehen, daß ich einer der wenigen wirklich überzeugten Icklerianer bin? Ich hänge das nur nicht an die große Glocke, um die fundamentalistische Kritik nicht auf diese Fährte zu locken. Als wir uns über "überschwänglich" stritten, klangen Sie noch anders. Schön, daß wir jetzt einer Meinung sind.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.10.2005 um 19.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2139
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An Professor Jochems!
Mein lieber Professor, das weiß ich doch, daß Sie ein überzeugter Unterstützer des Kollegen Ickler sind. Deswegen ist es ja so schwer zu ertragen, daß Ihre Beiträge in dieser Hinsicht oft so komisch klingen, so, als ob das gar nicht der Fall wäre. Jetzt endlich weiß ich: Sie möchten es nicht an die große Glocke hängen. Da haben Sie mich reingelegt, denn zum Ausgleich habe ich es an die ganz große Glocke gehängt, daß ich es für eine prima Lösung halte, wofür Professor Ickler plädiert. Könnten Sie Ihre Anhängerschaft, die Sie mit uns teilen, nicht wenigstens an ein zart läutendes Glöcklein binden? Dann müßten wir übrigen uns nicht genötigt fühlen, wild gegen Ihre vornehme Zurückhaltung anzubimmeln und dabei auch noch Ihre strategischen Absichten zu durchkreuzen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2005 um 06.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2140
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Die Beiträge von Herrn Jochems sind stets von tiefer Sachkenntnis geprägt. Wieviel ich ihm verdanke, läßt sich hier gar nicht sagen, und außerdem führen wir seit Jahren einen fruchtbaren nichtöffentlichen Dialog. Wo es um Prognosen geht, sind wir manchmal nicht derselben Meinung, weil die Zukunft nun mal das Unangenehme - oder Angenehme - an sich hat, daß wir sie noch nicht kennen.
Es liegt mir übrigens ganz fern, eine Anhänger- oder gar Jüngerschaft um mich zu scharen, wie es die Reformer gern darstellen. Mein Vorschlag zur Lösung der Krise, im Rechtschreibwörterbuch konkretisiert, ist so naheliegend wie im einzelnen diskutierbar. Warum bleiben wir nicht dabei, statt die Mitstreiter fundamentalistisch einer Dauerprüfung zu unterziehen, ob sie auch ja recht orthodox sind? Hier diskutieren viele Leute, die wirklich etwas zu sagen haben. Solange jemand nicht unflätig wird oder gar nicht zu uns paßt, ist er willkommen.
Für die weitere Diskussion möchte ich noch mal zusammenfassen:
Gelegentliche defätistische Anwandlungen teile ich nicht, aber darüber braucht man nicht zu reden, weil es sich zeigen wird.
Die bisherige Rechtschreibung wird mit Recht kritisiert, wenn man sie mit dem alten Duden gleichsetzt. Das muß man aber nicht. Ob sie zu schwierig war, kann man nur erkennen, wenn man sie erst einmal so gut wie möglich darstellt. (Das ist als notwendige Vorarbeit jeder Reform seinerzeit versäumt worden, wie auch Munske beklagt.)
Bleibt noch das Problem einer abgestuften Kompetenz als Ziel. Ich habe mich darüber gerade geäußert, es gibt aber noch weitere Argumente; kratzbaum ist gerade verreist, wird aber sicher noch einmal darauf zurückkommen.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.10.2005 um 10.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=348#2141
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Also, ich hatte meine Anrede an Professor Jochems nicht als Überprüfung seiner Rechtgläubigkeit gemeint. Die Aufforderung, daß wir alle als Bekenntnis zu unserem Anführer im Gleichklang die Glocken schallen lassen sollten, war natürlich mit einem heftigen, freundlichen Lidschlag versehen. Ich bin selber schon öfter dem Meister (Vorsicht, Achtung, Warnung: Das war jetzt auch wieder freundliche Ironie) respektlos gegen den Karren gefahren. Und wenn ich darauf abhebe, die Lösung der Probleme, die auch die Rechtschreibung vor der Reform schon gehabt hat, sei doch schon weit gediehen, während Professor Jochems so tut (oder so zu tun scheint), als müsse man noch hilflos nach einer Alternative zum Duden suchen, beziehe ich mich auch nicht auf die Person Th. Ickler, sondern wohlverstanden auf das Konzept: auf jene alternative Darstellung der Rechtschreibung, die mittlerweile schon länger in einem Wörterbuch zu besichtigen ist.
Professor Jochems beklagte zum Beispiel: ... eine "komplexe Regeldichte", von der wir aus eigener Erfahrung wissen, daß sie die erreichbare Kompetenz selbst beruflicher Schreiber übersteigt. Deshalb rege ich an, Überlegungen darüber anzustellen, wie man mit diesem Problem künftig umgehen soll. Der dirigistische Lösungsversuch der Reformer ist gescheitert. Wer weiß es aber besser? Voraus ging als Beispiel etwa die Schwierigkeit, je nach Bedeutung kalt stellen und kaltstellen zu schreiben, strikt verschieden (und völlig unrealistisch, als habe man nicht selbstverständlich [überwiegend zusammen]geschrieben: eine kaltgestellte Speise).
Also, ich kann nicht anders: Auf mich wirkt das so, als werde die Auflösung dieser typischen Duden-Zumutungen gar nicht zur Kenntnis genommen, die im Ickler bereits vorliegt. Wie kann man sonst fragen: "Wer aber weiß es besser?"
Was den drohenden Personenkult um eine verehrenswerte Person betrifft, wird dieser leider dadurch nicht in die Schranken gewiesen, daß sie selbst ihr Desinteresse daran glaubhaft bekundet. Das gilt erst recht für den Vorwurf des Personenkults auf derjenigen Seite, die ihn wirklich betreibt: Das sind die Gegner, die jene Person als Inbegriff des Destruktiven, Unbelehrbaren, Verirrten usw. usf. darstellen möchten. Was könnte man tun? Da müßte man schon einmal richtig miese Eigenschaften des Betreffenden veröffentlichen und hervorheben. Mir fällt leider nichts ein, kann jemand aushelfen? Ich glaube, dies müssen wir den Gegnern von Professor Ickler überlassen, auch wenn sie sich dabei regelmäßig aus dem Reich der Phantasie bedienen, eingeschlossen die blöd ergebene Jüngerschaft, die sie da zwecks Horrifizierung des Bedrohlichen an die Wand malen.
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