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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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29.11.2006
 

Duden diskriminiert Türken
Bemerkung zum neuen Duden-Universalwörterbuch

Das DUW wird schon mit dem Hinweis auf seine politische Korrektheit beworben.
Es teilt in einem kleinen Kasten mit, daß zwar nicht klar sei, woher das Verb "türken" komme, daß aber die Leute darin einen Hinweis auf die türkische Nationalität sehen, daß ferner nicht nur die türkischstämmigen Mitbürger, sondern ausdrücklich auch die türkischstämmigen Mitbürgerinnen sich dadurch diskriminiert fühlen und daß dieses Verb folglich im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt zu vermeiden sei.
Ich nehme bis zum Beweis des Gegenteils an, daß der Dudenredaktion die Empirie, auf die solche Behauptungen sich stützen müßten, nicht zur Verfügung steht, daß also die beleidigten Türken frei erfunden sind. Das Verb kommt übrigens ohnehin ziemlich selten vor. Wie oft kann sich ein türkischer Mensch also diskriminiert fühlen – und wie naiv müßte er sein? Ist nicht diese Unterstellung das eigentlich Diskriminierende?



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Kommentare zu »Duden diskriminiert Türken«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2013 um 10.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#23347

Hat jemand schon die 7. Auflage des Duden-Universalwörterbuchs in der Hand gehabt? Laut Werbung soll es darin schon 60 Kästen mit Warnungen vor politisch unkorrekten Wörtern geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2006 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6947

Ludwig Uhland hatte wahrscheinlich nichts gegen Türken, und so konnte er in jenen unbefangenen Zeiten die Zerspaltung eines Türken (Sagittalschnitt, vulgo Schwabenstreich) gar lustig schildern. Die bekannte Ballade spielt ja zur Zeit des Kaisers Rotbart lobesam, und das ist rund 1000 Jahre her. Aber daß unsere Landsleute nach Hause berichteten, sie hätten vor lauter Hunger die erwachsenen Sarazenen in Kesseln gekocht und die Kinder auf Spieße gesteckt und geröstet, läßt immerhin ahnen, warum die "Franken" in dieser Gegend immer noch keinen besonders guten Ruf haben.
Aber nun zur Sache! Wilhelm Havers hat sehr fein beobachtet, daß in Uhlands Vers:

"Zur Rechten sieht man wie zur Linken / Einen halben Türken heruntersinken"

das Wort "halben" stärker betont ist, als wenn man von einem Türkeireisenden sagt: "Er ist als ein halber Türke zurückgekommen".

Während es im Uhlandschen Falle tatsächlich um einen halben Türken geht, wird im zweiten Beispiel nur kommentiert, daß man sozusagen halbwegs von einem Türken sprechen könnte, so sehr hat der Mann türkische Gewohnheiten angenommen. Nicht auf der Ebene der Gegenstände, sondern auf der Ebene des Sprechaktes wird also kommentiert, daher die schwächere Betonung. Das gehört zu dem ungemein interessanten Kapitel der Grammatikalisierung oder, wie ich mit B. F. Skinner fortschrittlicher sagen möchte: zum Autoklitischen der Sprache. Leider haben unsere deutschen Sprachwissenschaftler im Gegensatz zu den angloamerikanischen die breite Diskussion über Skinners Begriff des Autoklitischen gar nicht mitbekommen, darum sind ihre Bücher über "Grammatikalisierung" auch so langweilig.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 08.12.2006 um 12.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6917

Die Ureinwohner von Neukaledonien (Südsee) sind stolz darauf, sich Kanaken zu nennen. In Deutschland hätten sie damit Probleme.
Bosniaken, wie sich die muslimischen Bosnier nennen, kommt auch nicht so gut an.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.12.2006 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6916

Wenn jemand Peter Madsack heißt und ich rede ihn mit "Herr Madsack" an, dann müßte das auch diskriminierend sein, so wie der Hase läuft.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 08.12.2006 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6915

Gründliches Aufräumen ... Aber was machen wir dann mit „Es ist etwas faul im Staate Dänemark“ und ähnlichem? – Abgründe tun sich auf ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.12.2006 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6914

Die politisch Korrekten neigen bekanntlich dazu, jeden Ausländer, den es nach Deutschland verschlagen hat, gleich als "Mitbürger" zu vereinnahmen. Aus dem gleichen Geiste stammt die Beseitigung des Wortes "Fremdenverkehr". Der Wiener Fremdenverkehrsverband, hat sich deshalb längst in "Tourismusverband" umbenannt, und des öfteren wird auch das Beispiel der Gemeinde Lutterbek in Schleswig-Holstein genannt, der eine höhere Behörde riet, das Wort "Fremdenverkehr" doch lieber durch "Tourismus" zu ersetzen. Anscheinend glaubt man, gegenüber Fremden nicht nett sein zu können. Die Bezeichnungen für Gast und Feind gehen gelegentlich auf dieselbe Wurzel zurück (lat. hostis, gr. xenos).

Unsere Multikultis stehen vor dem Dilemma, einerseits Respekt für das Fremde fordern zu müssen, andererseits die Fremdheit für bloße Einbildung zu erklären. Statt meinerseits eine Lösung vorzuschlagen, frage ich lieber: Wo ist das Problem?

Das Konzept, Völkerschaften grundsätzlich mit ihrer Eigenbezeichnung zu benennen, scheitert interessanterweise schon bei den Russen, denn der Duden vermerkt zum Eintrag "Russki": "auch abwertend". Das war aber nicht immer so. Wer mag daran schuld sein – die Nazis oder die Rote Armee?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.12.2006 um 06.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6858

Gegen "etwas kommt mir spanisch vor" hat ja in der Tat der DGB Thüringen schon gekämpft: "So kommt uns etwas "spanisch" vor, wenn es im Verdacht steht, nicht zu stimmen, weil wir SpanierInnen nicht trauen." Usw. in ganz gewaltigem Aufklärungs- und Erziehungseifer.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 02.12.2006 um 20.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6857

Es gibt noch so viel zu tun! Gründliches Aufräumen in der Sprache ist angesagt. Wir schütteln den Kopf über "böhmische Dörfer", dann "kommt uns vieles spanisch vor", wir verstehen kein "Kauderwelsch", "empfehlen uns französisch", und zum Schluß sitzen wir womöglich noch hinter "schwedischen Gardinen". Wenn das kein europäischer Rundumschlag ist!
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 01.12.2006 um 10.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6837

Lieber Serpel, bei Italienern, Rumänen, Ungarn und vor allem Amerikanern ist das alles etwas anderes. Sie dürfen ja nicht vergessen: wir Deutschen sind Täter. Alle! Und deshalb dürfen wir uns niemals dazu hinreißen lassen, auch nur im entferntesten etwas äußern zu können, was in uns diesen vermeintlich erloschenen Täterfunken wiederentfachen könnte.
Will sagen: Political correctness ist uns ein Segen, denn es schützt uns vor uns selbst.

Oder habe ich jetzt die GEW, die Bundeszentrale für politische Bildung, die Grünen, die Dudenredaktion und Dutzende 68er falsch verstanden?
Mein Weltbild schwankt...
 
 

Kommentar von Serpel, verfaßt am 01.12.2006 um 08.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6836

Nun, die Italiener sprechen auch gegenüber Österreichern ganz unverstellt von "Bolzano", "Alto Adige" usw., die Ungarn nennen Wien bis zur Staatsgrenze einfach "Bec", und die Rumänen haben für Deutsche nicht nur das Wort Germani, sondern auch das sehr abschätzige Wort Neamti. Der ganze angloamerikanische Sprachraum spricht von Krauts.

Aber wir legen uns selbst solche Verbote auf. Zu denen uns niemand zwingt.
 
 

Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 01.12.2006 um 01.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6835

Eine interessante Erfahrung, die Meg Palffy da gemacht hat. Sicher ist recht daran getan, in der Situation auf bestimmte Ausdrücke zu verzichten – auch wenn sie einem vielleicht mal auf der Zunge liegen sollten. Freunde und Bekannte, an denen einem liegt, – vor allem wenn sie humorige Gespräche möglicherweise weniger schätzen –, will man schließlich nicht ohne Not kränken (oder "beleidigen"). Ich bin allerdings etwas nachdenklich, wieso ich mir in vielen Jahren diesen Zwang nicht antun mußte, obwohl unter Deutschen "getürkt" zweifellos herabsetzend aufgefaßt wird. Es lag sicher daran, daß türkische Kollegen mehr als einmal die Gelegenheit beim Schopfe packten und bedeutungsvoll augenzwinkernd ihre frotzelnde Umgebung mit den witzigen Schelmereien Nasredins konfrontierten. Das hat dann eine andere Perspektive aufleuchten lassen, man blieb locker und gestattete dem Verb "türken" neue Facetten, wenn auch erstmal nur in kleinerem Kreis.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.11.2006 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6834

Immerhin gibt es noch die Kommunistische Partei von Böhmen und Mähren.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.11.2006 um 21.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6833

Ich schlage vor, höflich Turkistan zu sagen statt abwertend Türkei. Turkistan wird der kulturellen Besonderheit der dortigen Menschen in aufmerksamer Weise sprachlich gerecht.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.11.2006 um 21.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6832

Für die Tschechen ist der deutsche Name "Tschechei" durch den Geheimbefehl Hitlers vom 21.10.1938 zur "Erledigung der Rest-Tschechei" und der deutsche Name "Böhmen und Mähren" durch die Errichtung des "Reichsprotektorats Böhmen und Mähren" am 16.3.1939 "verbrannt".
 
 

Kommentar von Metallkante, verfaßt am 30.11.2006 um 19.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6831

Lieber Herr Weiers,

ich habe früher mein Geld mit dem Verfassen von Präambeln verdient, vielleicht blieb da etwas hängen.
 
 

Kommentar von Serpel, verfaßt am 30.11.2006 um 19.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6830

Man kann einfach Böhmen sagen und gut.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 30.11.2006 um 19.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6829

Der Name "Türkei" – ein Skandal

Seit einst der des Deutschen und seiner Suffixe (samt ihrer "Bedeutung") sicher perfekt mächtige Vaclav Havel dem Helmut Kohl eingeredet hatte, daß "Tschechei" ein Pejorativum ist, verwende ich in meinem (freilich arg restringierten) Idiolekt nicht mehr Pejorativa wie "Slowakei, Türkei, Mongolei" oder gar "Walachei", sondern nur "Slowakien, Türkien, Mongolien, Walachien" usw. Mit meiner Helmut Kohl folgenden peinlichen politischen Korrektheit stoße ich allseits und allerorten auf mich langsam deprimierendes Unverständnis. Bis heute verstehe ich nicht, warum allein Vaclavens Landsleute in einem politisch-historisch einmaligen Akt ihren deutschen Landesnamen bestimmen durften. Den Slowaken und vielen anderen Völkern indes wird dies bis heute böswillig verwehrt, so daß sie weiterhin täglich mit deutschen Pejorativa diskriminiert, stigmatisiert usw. werden. Dagegen ist das recht umgangssprachlich anmutende Verb türken geradezu ein Lässigkeitsfehler im Umgang, savoir vivre bzw. bon ton.
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 30.11.2006 um 19.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6828

Wenn man in jeder harmlosen Bezeichnung eine Diskriminierung verortet, führt man selbst die Zurücksetzung durch, gegen die anzugehen man vorgibt.

Ach, liebe Metallkante, das ist ja so schön ausgedrückt, daß ich mir den Satz direkt in Schönschrift übers Bett hängen möchte. Im Ernst: Ja, Sie haben ja sowas von recht!


Meg Pallfy schrieb: Ebenso möchte ich darüber informiert werden, falls ein Wort veraltet oder in anderer Weise nur mit Einschränkungen gebräuchlich ist.

Ist ja auch nur recht und billig, aber wer entscheidet denn, mit welchen Einschränkungen ein Wort gebräuchlich ist? Doch sicher nicht der Duden, das ist klar. Ist es denn nicht vielmehr auch eine Modeerscheinung, überall auf eine vermeintlich "böse" Bedeutung eines Wortes hinweisen zu müssen? Ich denke, schon. Und wenn ich nicht jeden Trend mitmachen muß, wie Sie ja ganz richtig schreiben, dann muß ich auch nicht diese vollkommen überzogene Political-correctness-Masche mitmachen, die zur Zeit eine jede Unterhaltung mit Angehörigen einer sogenannten Randgruppe potentiell zur Qual werden läßt; und einem vielleicht sogar eine Klage einbringt, wenn man's denn verbockt und nicht den neuesten Duden parat hat, nicht wahr?

Fragen Sie doch mal bitte rum: "Fühlen Sie sich als Angehöriger einer Randgruppe nicht schrecklich randständig?" Auf die Antworten bin ich gespannt...

Das alles erinnert mich an den Bericht einer Kommilitonin, die im Rahmen des Themas "feministische Theologie" (ganz furchtbar!) einmal konfrontiert wurde mit Fragen der Art "Meine Damen, fühlen Sie sich nicht diskriminiert? Merken Sie nicht, wie sehr Sie alle diskriminiert werden?"...

Und nebenbei (ich finde mal wieder kein Ende... Rheinischer Redefluß, tut mir leid): Es gibt da wohl einen "neuen Knigge". Ich frage mich nur, wer so viel Zeit und so wenig Hirn besitzt, daß er auch nur daran denkt, sich diese "Richtlinien" zu verinnerlichen... Ganz ehrlich: Was soll das?!
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.11.2006 um 18.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6827

"Abgesehen davon finde ich es nicht statthaft, wenn ein Privatverlag in Eigenregie Wörter bewertet und mir vorschreibt, welches Wort ich wie gemeint haben muß." (Meg Ryan, #6825) Die Verleger von Büchern, die einem darstellen/suggerieren/vorschreiben, wie man sich "in allen Lebenslagen" richtig benimmt, um eben — unter welchen Umständen auch immer — voranzukommen oder wenigstens nicht als ganz hintenan angesehen zu werden, die leben davon jedoch auch. Es gehört schon einige Lebenserfahrung dazu, zu wissen, daß richtiges Verhalten eben nicht in allen Lebenslagen den Vorschriften die Ratgeber entspricht. — Zu "kompetent": Frau Irene hat diesen Verlagen die Marktlücke gezeigt, und die Käufer solcher Bücher sind den Wochenzeitschriften schon etwas entwachsen und haben sogar ein Bücherregal.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.11.2006 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6826

Das ist das erstemal, daß ich überhaupt von Türken höre, die das Wort "türken" kennen und beleidigend finden. Vielen Dank! Ob der Dudenverlag massenhaft Belege für solches Anstoßnehmen gesammelt hat? Zu klären wäre noch, ob der Betreffende oder Betroffene von sich aus darauf gekommen ist oder ob ihm seine vermeintliche Betroffenheit nur eingeredet worden ist. Wenn ich irgendwo im anderssprachigen Ausland erführe, daß "gedeutscht" (aber das ist noch zu deutsch flektiert) dort soviel wie "vorgetäuscht" bedeutet, würde es mich eher amüsieren. Sprache geht eben sonderbare Wege, das weiß doch jeder halbwegs Gebildete.

Interessant ist bloß, daß Wörter, wenn irgend jemand, und sei es der unwissendste Eiferer, sie einmal gebrandmarkt hat, ihre Unschuld auf unabsehbare Zeit verloren haben. So ging es bekanntlich mit dem "Wörterbuch des Unmenschen". Wer konnte danach noch das harmlose "betreuen" verwenden?
 
 

Kommentar von Meg Ryan, verfaßt am 30.11.2006 um 16.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6825

Also, ich besitze "Das große Schimpfwörterbuch", und da sind alle einschlägig inkriminierten Wörter samt den Erklärungen schwarz gedruckt.

Abgesehen davon finde ich es nicht statthaft, wenn ein Privatverlag in Eigenregie Wörter bewertet und mir vorschreibt, welches Wort ich wie gemeint haben muß. Was ich meine, bestimme ich selbst.

Zudem ist gerade der Dudenverlag/BI dafür auch nicht besonders kompetent, nicht nur, weil das BI sich im Dritten Reich ja auch für die andere Seite übermäßig ins Zeug geworfen hat (Meyer 8 usw.).
 
 

Kommentar von Meg Palffy, verfaßt am 30.11.2006 um 15.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6824

@ R.M.

patronisierende Ratschläge an die Adresse der Wörterbuchbenutzer

Ja, das ist kein schöner Stil. Leider hat die ganze Rechtschreibreform eine unangenehm belehrende Grundtendenz. Vielleicht, weil sie auf dem Mist der Kultusministerien gewachsen ist und über die Schulen durchgesetzt wird. Da rutschen manche Autoren in einen besserwisserischen Lehrer-Habitus, der gegenüber erwachsenen, kompetenten Sprecherinnen und Sprechern des Deutschen nicht angemessen ist.

Wer nicht den je neuesten Duden parat hat, ist in permanenter Gefahr, sich in der Wortwahl zu vergreifen.

... sofern er denn meint, jeden sprachlichen Trend unbedingt mitmachen zu müssen, ja. Jenseits der Modewörter empfinde ich unseren Sprachgebrauch aber nicht als so wechselhaft, daß man Gefahr läuft, den Anschluß zu verlieren. Man darf diese Wörterprägeritis nur nicht zu ernst nehmen. ;o)

Herzliche Grüße,
Meg Palffy
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.11.2006 um 14.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6823

Die Kennzeichnung bestimmter Wörter als vulgär, pejorativ, obsolet usw. ist eine Sache, patronisierende Ratschläge an die Adresse der Wörterbuchbenutzer sind eine andere.

Daß sich das Terminologiekarussell munter weiterdreht, ist für die Wörterbuchredaktionen eine feine Sache. Schon muß vor dem Gebrauch des Begriffs Frauenbeauftragte gewarnt werden, und Ich-AG ist sowieso obsolet. Wer nicht den je neuesten Duden parat hat, ist in permanenter Gefahr, sich in der Wortwahl zu vergreifen.
 
 

Kommentar von Meg Palffy, verfaßt am 30.11.2006 um 13.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6822

@ B. Eversberg,

über die Farbgestaltung des neuen Duden kann man nur leise lächeln, da sind wir uns vermutlich einig.

Allerdings möchte ich auf eine Kennzeichnung pejorativer Wörter in Wörterbüchern nicht verzichten, wie auch immer diese Kennzeichnung im Einzelfall drucktechnisch / typographisch umgesetzt sein mag. Wenn ich ein Wort nachschlage, über dessen Verwendung ich mir nicht sicher bin (denn genau dann schlage ich nach), dann erwarte ich eine Angabe darüber, falls es sich um ein pejoratives Wort handelt.

Ebenso möchte ich darüber informiert werden, falls ein Wort veraltet oder in anderer Weise nur mit Einschränkungen gebräuchlich ist. Es geht dabei nicht um "politische Korrektheit", sondern um das Vermeiden peinlicher Situationen in Gesprächen. Der Sprachgebrauch umfaßt eben auch Konnotationen und Aspekte des Sprachniveaus. Diese Informationen gehören in ein Wörterbuch.

Herzliche Grüße,
Meg Palffy
 
 

Kommentar von Meg Palffy, verfaßt am 30.11.2006 um 13.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6821

Sehr geehrter Herr Germanist,

wenn sich ein Pole auf Polnisch gegenüber irgendjemandem als "Polak" bezeichnet, dann benutzt er ein Wort seiner Muttersprache. Wenn dagegen ein Deutscher einen Polen auf Deutsch als "Polack" bezeichnet, verwendet er ein deutsches Schimpfwort.

Sicher stimmen Sie mir zu, daß das nicht ganz dasselbe ist?

Herzliche Grüße,
Meg Palffy
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 30.11.2006 um 12.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6820

Sollten die Polen sich gegenüber Deutschen besser nicht mehr "Polak, Polaka, Polacy" nennen?
 
 

Kommentar von B. Eversberg, verfaßt am 30.11.2006 um 12.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6819

Duden könnte alle bereits als politisch inkorrekt erkannten Wörter rosa drucken, alle möglicherweise beleidigenden magenta. Sicher gibt es viele Wörter, deren Potential noch unerkannt ist. Statt nun gleich alles magenta einzufärben, sollte Duden besser einen allgemeinen Aufruf erlassen, daß jedefrau und jedermann der Redaktion solche Wörter melde, um das Wortgut in dieser Hinsicht empirisch abzusichern. Beizeiten kann daraus ein eigenes Kompendium entstehen, ohne welches unter dem Arm kein politisch handelnder Staatsbürger mehr das Haus verlassen dürfte. Folgerichtig wäre dann der Einbau dieser Daten in jede Rechtschreibsoftware, die dann wahlweise automatisch oder mit Rückfrage einen Austausch vornehmen könnte. Damit hätte man die Sache endlich vom Tisch. Künftige Rechtschreibreformer wären von der Behandlung solcher, dann ja nicht mehr im Umlauf befindlichen, Wörter entlastet.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 30.11.2006 um 11.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6818

Das Thema wurde nicht ideologisch sondern sprachhistorisch diskutiert; und mit einer eleganten Eskimorolle verabschiede ich mich jetzt stolz wie ein Spanier mit einem Engländer in der Hand auf Französisch, um einen Amerikaner zu essen und eine Russenmaß zu trinken.
 
 

Kommentar von Meg Palffy, verfaßt am 30.11.2006 um 10.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6817

Ob sich "die Türken" (wer genau soll das sein?) diskriminiert fühlen "dürfen" oder nicht, können wir hier wohl kaum entscheiden. Daß das Verb "türken" eine pejorative Bedeutung hat, wird niemand bestreiten.

Ein langjähriger Bekannter, der türkischer Abstammung ist, hat mir mal gesagt, daß er das Wort nicht mag, weil er es beleidigend findet. Ich habe es mir inzwischen abgewöhnt – das ist für mich einfach eine Frage der Höflichkeit. Man muß das Thema nicht unbedingt ideologisch diskutieren.

Herzliche Grüße,
Meg Palffy
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 30.11.2006 um 10.14 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6815

Meines Wissens gehen die Benennungen 'türken' und 'einen Türken bauen' auf Kriegslisten der Belagerer von Wien zurück: In der Nacht vor ihrem Rückzug sollen sie lebensgroße Puppen vor Lagerfeuer gehockt und dann heimlich das Lager abgebrochen haben. Das verschaffte ihnen Zeit gegenüber Verfolgern.

Somit verbirgt sich inter den im Duden-Wörterbuch 'angeschwärzten' Benennungen eigentlich eine Verneigung gegenüber der Intelligenz dieses Volkes. Kein Türke dürfte sich dadurch diskriminiert fühlen, daß eine europäische Sprache noch nach Jahrhunderten die Hochachtung widerspiegelt, die einem ehemaligen Kriegsgegner entgegengebracht wird.

Wie steht es übrigens um die politische Zukunft von Wörtern wie Krawatte (von Kroate) oder Schlawiner (von Slowene)?
 
 

Kommentar von Metallkante, verfaßt am 30.11.2006 um 08.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6813

Die amerikanischen Schwarzen und die deutschen Schwulen haben es andersherum gemacht und die Bezeichnungen "black" und "schwul" in ihrem Sinne besetzt. Ein Schwuler muß sich nicht diskriminiert fühlen, wenn man sagt, er sei schwul. Auch die Juden haben nach dem Dritten Reich ganz selbstverständlich und selbstbewußt gesagt, daß sie Juden sind. Weder haben sie ihre alten bildhaften Nachnamen abgelegt (die sie sich ja nicht selbst ausgesucht haben) noch die Vornamen Israel und Sarah für obsolet erklärt. Und das alles ist gut so. Die Zigeuner hätten es ebenso machen können mit diesem uralten Begiff. Mir macht es auch nichts aus, in Italien Teutone, in Frankreich Allemanne, in England Germane und im Slawischen sonstwie (Niemz, Neamz) genannt zu werden.

Wenn man in jeder harmlosen Bezeichnung eine Diskriminierung verortet, führt man selbst die Zurücksetzung durch, gegen die anzugehen man vorgibt. Diese deutsche Liebenswürdigkeit gegenüber Minderheiten war schon immer die andere Seite tiefer Verachtung.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 29.11.2006 um 23.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=730#6812

Aus der Zeit vor der türkischen Besiedelung Mittel- und Nordeuropas: „Türck soll so viel heissen als ein zerstörer, ... darumb nemen sie es gar für übel auff, wann man sie nennt Türck SCHWEIGGER reyszbeschr. (1619) 140“ (zitiert im DWb). Der Nürnberger Verfasser, Salomon Schweigger, berichtete aus eigener, in Konstantinopel gewonnener Anschauung.
 
 

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