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14.04.2008
Lob der Rechtschreibung
Nun auch auf koreanisch
In Korea ist eine Übersetzung von Horst H. Munskes "Lob der Rechtschreibung" erschienen. Hier das Nachwort (mit Erlaubnis des Verfassers):
Nachwort für koreanische Leser
Ich freue mich sehr, daß mein kleines Buch über die deutsche Rechtschreibung jetzt auch koreanischen Lesern in ihrer Muttersprache zugänglich wird. Ihnen möchte ich im folgenden ein paar zusätzliche Informationen geben über die Hintergründe und die Geschichte der deutschen Rechtschreibreform, die seit 1987 vorbereitet wurde und 2007 einen vorläufigen Abschluß gefunden hat. Denn dies Buch ist gewissermaßen ein Kind dieser Rechtschreibreform.
Zunächst war ich ein eifriger Anhänger der Reform und habe als Mitglied zweier Fachkommmissionen aktiv an ihrer wissenschaftlichen Vorbereitung mitgewirkt.
Mir schienen ihre Ziele plausibel: Vereinfachung der Regeln und eine systematische Darstellung, damit die Erlernung richtigen Schreibens für Schüler leichter wird. Auch in der Öffentlichkeit wurde diesem Konzept zunächst kaum widersprochen. Als jedoch die konkreten Änderungen an der bisherigen Rechtschreibung bekannt wurden, brach ein Sturm der Entrüstung aus. 'Verbessern – ja, aber ändern – nein' schien die vorherrschende Meinung, etwa nach dem Motto des deutschen Sprichworts 'Wasch mich, aber mach mich nicht naß'. Über zehn Jahre lang, von 1996 bis 2007, hielt die Auseinandersetzung um die Rechtschreibreform die deutsche Öffentlichkeit in Atem. Es war eine Kulturdebatte, an der sich zahlreiche engagierte Journalisten, Lehrer und Sprachwissenschaftler, Schriftsteller, Verleger, Juristen und – in Leserbriefen – unzählige Bürger beteiligten. Eltern riefen im Namen ihrer Kinder die Gerichte gegen die Einführung neuer Schreibregeln in den Schulen an, in einem Volksentscheid fiel die Reform durch, doch schließlich verhinderte das oberste deutsche Gericht eine völlige Niederlage der Politik. Denn nicht nur die Reformvorschläge selbst fanden heftigen Widerstand. Dieser richtete sich schließlich vor allem gegen den Anspruch der Kultuspolitiker, sprachplanerisch in die deutsche Sprache einzugreifen. In Umfragen stimmte die große Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Rechtschreibreform.
Ihr weitere Schicksal läßt sich so zusammenfassen: Je mehr der Kritik durch Verzicht auf bestimmte Neuerungen nachgegeben wurde, desto unwirksamer und unnötiger wurde sie. Vor allem ein Einwand fand nun Beachtung: Vereinfachungen durch die Reform dürften nicht zur Beseitigung wichtiger sprachlicher Unterscheidungen führen. Dies mache die Rechtschreibung nicht besser, sondern schlechter. Nun entdeckte man viele Vorzüge der bisherigen Rechtschreibung, die bislang wegen einiger kleinerer Mängel in Vergessenheit geraten waren. Erst ihre Bedrohung machte sie sichtbar. Mich hat die intensive Beschäftigung mit den überkommenen Regeln, das Gespräch mit vielen Kritikern und die Empörung über den tölpelhaften Umgang der verantwortlichen Politiker mit der deutschen Sprache schließlich zu einem entschiedenen Reformgegner werden lassen. Das hat sich in zahlreichen publizistischen Beiträgen niedergeschlagen.
Während die Schulen bereits 1996 mit dem Unterricht der neuen Regeln beginnen mußten, blieben die meisten Verlage und Zeitungen zunächst bei den bisherigen Regeln. Es drohte der Verlust der Rechtschreibeinheit, die 1901 in der zweiten Berliner Rechtschreibkonferenz erreicht und über hundert Jahre vom 'Duden' behütet worden war. Mehrmals wurden deshalb die Reformregeln korrigiert. Neue Rechtschreibwörterbücher ersetzten die alten. Sie alle sind inzwischen wertlos. Denn 2006 wurden die meisten zweifelhaften Reformvorschläge auf Empfehlung eines neu gegründeten Rechtschreibrates zurückgenommen. Seit dem 1. August 2007 ist ein überarbeitetes Regelwerk für die Rechtschreibung in allen Schulen und Behörden verbindlich. Auch die meisten Buch- und Zeitungsverlage haben sich inzwischen diesen Regeln angeschlossen, um die bedrohte Einheit der deutschen Rechtschreibung wiederherzustellen. Zufrieden ist aber niemand. Politiker äußern einmütig, nie wieder würden sie eine Rechtschreibreform versuchen. Die einstigen Befürworter klagen, die wichtigsten Reformziele seien nicht erreicht worden und die einstigen Kritiker bemängeln, einige Fehler der Reform seien noch immer nicht ausgebessert.
Rückblickend kann man dennoch feststellen: es gibt einen Sieger dieser Auseinandersetzung: die Tradition der deutschen Rechtschreibung. Sie ist in allen wesentlichen Zügen, die sich seit dem Buchdruck entwickelt haben und die von den klassischen deutschen Schriftstellern des 18. und 19. Jahrhunderts mitgeprägt wurden, bewahrt geblieben. Inzwischen wissen wir mehr als je zuvor über die Entstehung, die Funktion und den Wert vieler Rechtschreibregeln. Und wir wissen mehr über die Vorzüge und die Handikaps einer Alphabetschrift. Das dürfen wir als den Gewinn der langen Beschäftigung mit der Rechtschreibreform verbuchen.
Mein Anliegen war es, nach dem Ende der öffentlichen Auseinandersetzungen die wichtigsten Einsichten über die deutsche Rechtschreibung zusammenzufassen und zu erklären, "warum wir schreiben, wie wir schreiben" – wie es der Untertitel ankündigt. Lange habe ich nachgedacht über die Frage, warum der Widerstand gegen die Rechtschreibreform so heftig war und warum er so emotional geführt wurde. In den ersten Kapiteln gebe ich darauf eine Antwort. Sollte einmal ein koreanischer Politiker auf die Idee kommen, das Alphabet Hangeul zu reformieren und um wesentliche Züge seiner Tradition zu berauben, ich vermute, er würde ähnliche Erfahrungen machen wie die deutschen Politiker mit ihrer Rechtschreibreform.
Dies Buch erklärt die bisherige Rechtschreibung, wie sie in Tausenden von Bibliotheken deutscher Literatur vertreten ist und wie sie im wesentlichen bis heute gilt. Nur wenige Änderungen durch die Reform sind erwähnenswert. Die häufigste Neuerung betrifft die Verwendung des Sonderzeichens ß. Es wurde nun eingeschränkt auf bestimmte Fälle. Viele nicht-deutsche Autoren ersetzen jedoch alle ß durch ss, wie es seit langem in der Schweiz üblich ist (siehe dazu Kapitel 7 und 8). Dies ist also eine erlaubte Vereinfachung.
Die Großschreibung wurde, zum Teil fakultativ, auf einige adverbiell gebrauchte Wendungen und pronominal gebrauchte Adjektive ausgedehnt (siehe dazu Kapitel 9).
Umfassende Auskunft über die geltenden Regeln geben in ihren jüngsten Auflagen zwei Rechtschreibwörter: DUDEN und WAHRIG (siehe Literaturverzeichnis). Sie unterscheiden sich geringfügig in der Auswahl zulässiger Varianten. Die angesehenste deutsche Tageszeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, folgt dem WAHRIG. Diese und wenige weitere neuere Titel zur Rechtschreibung habe ich in das Literaturverzeichnis aufgenommen.
Ich danke an dieser Stelle meinem Schüler, Prof. Dr. Jinhee Lee, für die Mühe der Übersetzung vom Deutschen ins Koreanische. Und ich hoffe, daß diese koreanische Ausgabe meines Büchleins dem Verständnis der deutschen Sprache dient und auch einen Beitrag leistet, den außerordentlichen Rang traditioneller Schriftsysteme zu erkennen.
Erlangen, im November 2007
Horst Haider Munske
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2014 um 06.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#26370
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Herr Munske hat im ZDF mit Peter Hahne und Sascha Lobo über den Zustand der deutschen Sprache diskutiert:
http://www.idea.de/nachrichten/detail/gesellschaft/detail/stirbt-die-deutsche-sprache-aus-87383.html
Zur Rechtschreibreform sagte er:
Und schließlich lernten Kinder in den Schulen nicht mehr, richtig deutsch zu schreiben. Es sei kein Fortschritt, dass Jungs und Mädchen an Grundschulen immer häufiger so schreiben dürften, wie sie die Worte hörten. Haider-Munske war zunächst Mitglied der Kommission für die Rechtschreibreform gewesen, hatte diese dann aber verlassen. Zur Begründung erklärte er, er habe den Eindruck gehabt, dass Leute, die die inneren Regeln der deutschen Sprache nicht verstanden haben, „einfach wild darauf los reformieren wollten“.
(Den Namen hat das Magazin nicht richtig verstanden.)
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Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 18.04.2008 um 10.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11933
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Sind nicht die "fünf oder sechs Grundregeln", von denen ppc spricht, die eigentlichen Kommaregeln?
Im Duden finden sich ja nicht die Regeln, sondern eine Regeldarstellung, die die Duden-Redaktion ersonnen hat.
Ich habe seinerzeit in der Schule ohne Duden die Kommaregeln gelernt, und da kamen wir tatsächlich auf fünf oder sechs Stück.
Was mich an den meisten Regeldarstellungen stört, ist, daß sie dauernd mit Einzelheiten überfrachtet werden wie "Konditionalsatz", "Konjunktion" etc. pp., die für die Frage, ob ein Komma steht, unerheblich sind. Selbst die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebensatz ist von nachrangiger Bedeutung; ob ein "und" gesetzt ist, spielt auch fast nie eine Rolle.
Und ich stimme ppc zu, daß es nun wirklich in Ordnung ist, wenn ich damit 99% aller Fälle abdecke und nicht hundert.
Früher wurde immerzu darauf hingewiesen, daß es ein Märchen sei, daß vor einem "und" niemals ein Komma stehe. Das ist nach der RSR zwar auch noch so, aber es gibt einen Fall mehr, in dem es wegfällt. Und viel weniger Leute als früher wissen resp. sagen, daß auch vor einem "und" ein Komma stehen kann.
Die Kommafehler, die mir am häufigsten auffallen, sind das fehlende schließende Komma bei einem eingeschobenen Nebensatz und das fehlende Komma vor "und", vor allem aber das überzählige Komma nach einem erweiterten Subjekt, das ich als sehr lesehemmend empfinde.
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Kommentar von ppc, verfaßt am 18.04.2008 um 10.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11932
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Ich stimme zu.
Jedoch war die alte Regelung für den Leser bestimmt, um ihm das (Vor-) Lesen zu erleichtern. Die neue (PISA-optimierte) Regelung behindert das (Vor-) Lesen in ähnlicher Form wie die endlosen, scheinbar unstrukturierten englischen Schachtelsätze ohne Punkt und Komma. Aber wer liest seinen Kindern denn schon vor? Und dazu noch mit den Pausen an den richtigen Stellen im Satz und auch noch mit korrekter Betonung? Glotze ist ja so viel bequemer.
Im übrigen habe ich auch nie alle Kommaregeln beherrscht, aber mit fünf oder sechs Grundregeln war ich zumindest in der Lage, 99% aller Komma[s|ta] korrekt zu setzen, und die anderen hätte eh kaum jemand bemängelt. Voraussetzung ist natürlich, daß man die Grammatik beherrscht und Haupt- und Nebensätze unterscheiden kann. Das können die meisten Zeitgenossen nicht, woraus sich die genannten Fehler erklären lassen.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 18.04.2008 um 00.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11930
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Ein paar Randbemerkungen
Zum fehlenden Komma:
Meiner Erfahrung nach ist das Weglassen des schließenden Kommas einer der häufigsten Kommafehler überhaupt. Dieser Fehler unterläuft auch professionellen Schreibkräften.
Ähnliches gilt für das/daß bzw. dass/daß. Prof. Ickler hat ja immer wieder darauf hingewiesen, daß dies seit jeher die Hauptfehlerquelle bei der Schreibung des s-Lautes war. Mir unterläuft auch gelegentlich dieser Fehler.
Ich halte es deshalb für eine Zeitverschwendung, ständig derartige Fehler aufzuspießen. Genauso fruchtlos ist es, die RSR für solche Fehler verantwortlich zu machen. Den Beweis dafür wird niemand antreten können.
Zum syntaktischen Komma (ppc):
Ich höre immer wieder, daß das "syntaktische" Komma im Deutschen ein so großer Vorteil sei. Worin besteht denn eigentlich dieser Vorteil? Worin besteht überhaupt der Unterschied zum "semantischen" oder "stilistischen" Komma? Ist der eigentliche Zweck des Kommas nicht immer, die Bedeutung (Semantik) eines Satzes klarzustellen?
Falls die englische Kommasetzung tatsächlich "chaotisch" sein sollte, so vielleicht deshalb, weil es in der angelsächsischen Welt niemals einen Monopol-Duden gab. Haben aber nicht immer wieder viele Teilnehmer an diesem Forum – darunter Prof. Ickler – das ehemalige Duden-Monopol als ein Übel beklagt? Wie ist das wiederum mit der Forderung nach "Einheitlichkeit der Rechtschreibung" zu vereinbaren?
Außerdem: Wenn ich versuche, alle Verästelungen der Kommaregeln des alten Duden zu verstehen, so könnte mir auch das Wort "chaotisch" in den Sinn kommen.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 17.04.2008 um 16.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11925
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Die einstigen Befürworter klagen, die wichtigsten Reformziele seien nicht erreicht worden und die einstigen Kritiker bemängeln, einige Fehler der Reform seien noch immer nicht ausgebessert.
Man kann diesen Satz von Herrn Munske auch anders lesen, als er bislang diskutiert wurde, denn die Verben stehen im Präsens. Daher sind die einstigen Befürworter weiterhin Befürworter und klagen als solche, daß die wichtigsten Reformziele nicht erreicht worden seien. Wären sie keine Befürworter, warum sollten sie darüber klagen? Genauso sind die einstigen Kritiker immer noch Kritiker und bemängeln weiterhin, daß einige Fehler der Reform noch immer nicht ausgebessert seien. Wären sie keine Kritiker, warum sollten sie dies bemängeln?
Aus dem "einstig" kann man m.E. lediglich herauslesen, daß Munske die Ansicht vertritt, daß diese Positionen keine Rolle mehr spielen – weil es mit der Debatte, die auf die weitere Entwicklung einen Einfluß haben könnte, vorüber sei; siehe auch den Anfang des übernächsten Absatzes: "... nach dem Ende der öffentlichen Auseinandersetzungen ..."
Unerwähnt läßt er dabei lediglich die jüngste Entwicklung in der Schweiz (SOK). Ob nun daraus noch einmal eine öffentliche Auseinandersetzung größeren Umfangs wird, muß sich allerdings erst noch zeigen.
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Kommentar von ppc, verfaßt am 16.04.2008 um 09.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11916
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1. Es war früher einmal ein großer Vorteil der deutschen Kommasätzung (von "Satz"), daß sie syntaktisch und nicht semantisch definiert war, im Gegensatz zur chaotischen englischen. Jetzt nicht mehr. Stattdessen in vielen Büchern: Jedes "unnütze" Komma muß ausgemärzt ("merzen" gibt's nicht, hat wohl was mit März und April zu tun) werden.
2. Soweit ich verstehe, muß das von mir bemängelte Komma auch nach Reformschreib gesetzt werden, weil dort ein Nebensatz oder so etwas ähnliches (à la "... beklagen, daß ... nicht erreicht worden sei") endet, bevor der zweite Hauptsatz kommt. Die allseits beliebten Kommahasser scheitern nämlich genau dann, wenn dort ein "und" steht, aber zusätzlich ein erweiterter Infinitiv oder Nebensatz endet.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 16.04.2008 um 00.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11914
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Das Komma vor dem und (oder oder), das zwei Hauptsätze verbindet, ist das einzige Komma, das ich in dem Sinne bewußt setze, als mir dabei die Befolgung einer Norm bewußt ist. Das liegt vermutlich daran, daß dieses Komma in häufigen Fällen wie "Der Hund bellt, und die Katze miaut" tatsächlich entbehrlich ist (wie Munske in seinem "Lob" an anderer Stelle gegen die herkömmliche Norm einwendet: Er hat also auch diesmal keinen "Fehler" gemacht, sondern ist nur seiner eigenen Einsicht gefolgt).
Andererseits ist dieses Komma in vielen Fällen für den Leser sehr hilfreich. Es in dem in unseren Kreisen beliebten Beispielsatz "Vater schlachtete zu Weihnachten eine fette Gans und die kleine Tochter des Nachbarn lud er zum Essen ein" nicht zu setzen, ist insofern ein ganz handfester Fehler, als dies den Leser zunächst in die Irre führt.
Was nun? – Paradoxerweise führt hier gerade eine scheinbar auf den Schreiber fixierte (und in vielen Anwendungsfällen überflüssige) Norm zu einem leserorientierten Schreibverhalten. Das Pflichtkomma entlastet den Schreiber nämlich von der sonst fallweise zu treffenden Entscheidung, ob seine Formulierung dem Leser nur mit oder auch ohne Komma auf Anhieb eingängig ist. Damit wird es den realen Produktionsbedingungen von Texten gerecht. Der Sonderfall ist also sozusagen eine List der Vernunft.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 15.04.2008 um 21.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11913
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Mir geht es wie rrbth: auch mich irritieren neuerdings Texte mit Schweizer s-Schreibung. Ich lese häufig solche Texte ...
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Kommentar von b.eversberg, verfaßt am 15.04.2008 um 19.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11912
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6.410 Belege gibt es für "verwähren" (257.000 für "verwehren"), heute in "Bild der Wissenschaft" zufällig gesichtet. Auch dies ganz klar ein Neufehler.
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Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 15.04.2008 um 18.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11911
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11500 Belege findet mein Google für 'ersätzen' (#11899).
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 15.04.2008 um 17.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11910
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Da mein Kommentar direkt angesprochen wurde, möchte ich auch direkt darauf eingehen:
Ich habe nicht den Eindruck, beckmessernd an das Nachwort Horst Haider Munskes herangegangen zu sein. Das Buch selbst steht als mutiges und zugleich auch sehr unterhaltsam geschriebenes Dokument außerhalb dieser Diskussion (ganz egal, ob man mit dem Kompromißvorschlag Munskes auf Seite 68 nun einverstanden ist oder nicht).
Jedes Komma auf die Goldwaage zu legen, erscheint mir allein deshalb wenig sinnvoll, weil doch das Buch samt neugeschriebenem Nachwort komplett auf koreanisch vorliegen wird. Da kann uns doch vorerst ein Komma, das nach dieser oder jener "Norm" gesetzt ist, gleichgültig sein. Ich jedenfalls kann kein Koreanisch, um die Übersetzung nachher auf mögliche Kommafehler hin überprüfen zu können.
Ein bißchen anders sieht das mit dem Wort einstig aus, das ja wohl im Sinne von "ehemalig" übersetzt werden muß. Hier schwingt meiner Meinung nach tatsächlich mit, daß durch die vorerst letzte Reformstufe vom August 2006 nun so etwas wie Rechtschreibfrieden hergestellt sei. Deshalb bleibe ich dabei, daß hier etwas im dunkeln ist. Überhaupt scheint – auch wenn ich nun womöglich wieder Herrn Icklers Zorn auf mich ziehe – das herrschende Rechtschreibchaos etwas zu harmlos beschrieben zu sein. Ich will jetzt nicht wieder im Verdacht stehen, kleinkariert zu sein:
Umfassende Auskunft über die geltenden Regeln geben in ihren jüngsten Auflagen zwei Rechtschreibwörter: DUDEN und WAHRIG (siehe Literaturverzeichnis). Sie unterscheiden sich geringfügig in der Auswahl zulässiger Varianten.
Tatsächlich hat doch die Zahl der Varianten dergestalt zugenommen, daß keiner mehr richtig durchblickt und die Rechtschreibung den Anschein von Beliebigkeit bekommen hat. Noch dazu unterscheiden sich die beiden Wörterbücher erheblich voneinander. Nun wäre das aber vielleicht etwas zu viel der ungeschminkten Realität für ein Einführungsbuch, das noch dazu in Korea auf koreanisch erscheint.
Oder vielleicht doch nicht, denn damit komme ich zu meinem letzten Punkt, nämlich dem Publikationsland der Übersetzung. Mit China, Japan, Rußland und Indien hat Korea bekanntlich ein vollkommen anderes Alphabet als das lateinische gemeinsam. Ich lasse Indien mal außen vor und gehe nun alphabetisch vor:
1) China hat mit ungefähr 1,32 Mrd. Einwohnern 9 Universitäten, die germanistische Seminare oder Institute (German Departments) haben.
2) Japan mit seinen rund 127 Mio. Einwohnern immerhin 6 derartige Universitäten.
3) Korea mit seinen rund 48,6 Mio. Einwohnern dagegen 13.
4) Rußland schließlich mit 142 Mio. Einwohnern hat wieder nur 10 bis 11 derartige Universitäten.
(Quelle: http://www.germanistik.net/universitaten.htm#korea)
Das bedeutet, daß das Land mit der geringsten Einwohnerzahl die meisten Universitäten mit einem germanistischen Institut hat. Deshalb würden die Koreaner mit ihrer so offen bekundeten Liebe zur deutschen Sprache und Literatur es auch gewiß vertragen, wenn ihnen der desaströse Zustand der deutschen Orthographie am Ende des Jahres 2007 etwas direkter geschildert wird. Zugleich schmälert das ja keineswegs die Leistungen und Verdienste Horst Haider Munskes und ich hoffe damit auch wieder auf das Wesentliche zurückgekommen zu sein: das Ansehen der deutschen Sprache im Ausland.
Leider habe ich jetzt keine Zahl der germanistischen Dissertationen von Koreanern, die auf deutsch verfaßt wurden, vorliegen. Ihre Zahl müßte aber ebenfalls sehr beachtlich sein.
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Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 15.04.2008 um 15.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11909
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Die häufigste Neuerung betrifft die Verwendung des Sonderzeichens ß. Es wurde nun eingeschränkt auf bestimmte Fälle. Viele nicht-deutsche Autoren ersetzen jedoch alle ß durch ss, wie es seit langem in der Schweiz üblich ist (siehe dazu Kapitel 7 und 8). Dies ist also eine erlaubte Vereinfachung.
Aber genau das ist nach der RSR nicht mehr (so ohne weiteres) möglich:
-ss- signalisiert seitdem unbedingt einen davorstehenden kurzen Vokal
Nicht bei Wendungen wie "aussenden", "weissagen" oder "Lieblingsschokolade". Mit der RSR muß man nun auch erkennen, ob ein zusammengefügtes Wort o. ä. vorliegt, will man anhand von ss bzw. ß die Vokallänge erkennen ("Vokallänge" ist allerdings ein Wort, bei dem Konsonantenverdoppelung auch ohne RSR kein Längenhinweis ist).
Die "bestimmten Fälle", von denen Munske spricht, sind nun auch gerade das Problem. Und hier entstehen die meisten Unsicherheiten und Fehler – allerdings nicht bei der Entscheidung zwischen ß und ss, sondern bei der zwischen s einerseits und ß/ss andererseits, so daß es keine wirkliche Vereinfachung wäre, jedes ß durch ss zu ersetzen.
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Kommentar von Kelkin, verfaßt am 15.04.2008 um 15.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11908
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Sehr geehrter Herr Ickler,
die bisherigen Kommentare sind keineswegs polemisch, vielleicht könnte der Verfasser sogar von ihnen profitieren, wenn das Buch noch nicht in Druck ist. Der Kommafehler ist nun mal real, und statt von 'einstigen' Kritikern, Befürwortern etc. zu sprechen (was ein herbeigeredetes Ende der Diskussion suggeriert), könnte der Autor den Satz unter Verwendung eines 'damals' umbauen oder den Verweis auf die Vergangenheit ganz tilgen.
Natürlich überwiegt die inhaltliche Brisanz: Man kommt sich vor wie in einer propagandaverseuchten Diktatur, über die man echte Informationen nur von Dissidenten und ausländischen Berichterstattern erhält.
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Kommentar von rrbth, verfaßt am 15.04.2008 um 10.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11905
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Die häufigste Neuerung betrifft die Verwendung des Sonderzeichens ß. Es wurde nun eingeschränkt auf bestimmte Fälle. Viele nicht-deutsche Autoren ersetzen jedoch alle ß durch ss, wie es seit langem in der Schweiz üblich ist (siehe dazu Kapitel 7 und 8). Dies ist also eine erlaubte Vereinfachung.
Aber genau das ist nach der RSR nicht mehr (so ohne weiteres) möglich:
-ss- signalisiert seitdem unbedingt einen davorstehenden kurzen Vokal bzw. Diphthong.
Mir geht es so, daß ich Schweizer Texte – im Gegensatz zu früher – nicht mehr ohne Irritationen lesen kann.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.04.2008 um 06.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11903
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Für mich enthält der Text keine solchen Implikationen. Übrigens handelt es sich um das unkorrigierte Manuskript, die koreanische Ausgabe liegt mir nicht vor. Aber nicht nur deswegen wundert mich der rigorose Normanspruch an die Kommasetzung. Welcher Maßstab liegt denn zugrunde, und warum sollte Herr Munske sich danach richten müssen?
Und überhaupt: Könnten wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, statt Fliegenbeine zu zählen? Der Text ist deutlich genug und ein eindrucksvolles Dokument, aber wenn ich gewußt hätte, daß er solche Kommentare nach sich zieht, hätte ich mir die Wiedergabe sparen können.
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Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 14.04.2008 um 17.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11902
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So verdienstvoll es prinzipiell ist, das Ansehen der deutschen Sprache im Ausland zu retten und dabei nicht wieder obrigkeitshörig und kritiklos das Lob der Reform(en) zu singen, so bleibt doch etwas dunkel:
Die einstigen Befürworter klagen, die wichtigsten Reformziele seien nicht erreicht worden und die einstigen Kritiker bemängeln, einige Fehler der Reform seien noch immer nicht ausgebessert.
Dieser Satz impliziert meinem Verständnis nach zweierlei: Erstens könnten die einstigen Befürworter nun womöglich selbst zu Kritikern geworden sein und zweitens hätten die einstigen Kritiker nun gar nichts mehr zu kritisieren. Denn einstig bedeutet doch wohl, daß etwas einmal in einer bestimmten Weise war und nun nicht mehr ist, bzw. nicht mehr so ist.
Sollte das tatsächlich der intendierte Sinn des Verfassers sein? Gibt es nun wirklich weder Befürworter, noch Kritiker?
Analog könnte man auch fragen, was eigentlich eine Leiche in der Gerichtsmedizin zu suchen hat, wenn es doch weder einen Täter gibt, noch jemanden, dem an der Aufklärung der Tat gelegen ist. Auffällig ist doch, daß wir tagtäglich die Leiche der deutschen Sprache (als corpus delicti) in Zeitungen und diversen anderen schriftlichen Äußerungen sehen können.
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Kommentar von ppc, verfaßt am 14.04.2008 um 14.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=999#11899
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"Die einstigen Befürworter klagen, die wichtigsten Reformziele seien nicht erreicht worden KOMMA und die einstigen Kritiker bemängeln, einige Fehler der Reform seien noch immer nicht ausgebessert."
Ein üblicher Kommafehler, wie er seit 1996 zunehmend in Mode gekommen ist, nach dem Motto: "und" ersätzt das Komma.
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