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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.03.2008
 

Tristesse: „Sprache in der Politik“
Erinnerung nach fünf Jahren

Vor fünf Jahren erschien folgender "Aufruf zur Sprachdemo":

»Gegen den Willen des UN-Sicherheitsrats und damit völkerrechtswidrig führen die USA, gemeinsam mit Großbritannien und einigen weiteren Ländern, einen Krieg gegen den Irak, unter dem vor allem die irakische Zivilbevölkerung zu leiden hat. Aus Washington verlautet zudem, daß die Nachkriegsordnung im Irak nicht von der UNO, sondern von dem am Krieg beteiligten Ländern bestimmt werden soll. Beides halten wir für inakzeptable Erscheinungsformen des Imperialismus und rufen besonders die Medien und die Politik zu einem friedlichen sprachlichen Protest dagegen auf:
Der Krieg gegen den Irak wird in der Hauptsache von den englischsprachigen Ländern getragen, während die meisten Kontinentaleuropäer gegen diesen Krieg sind und eine Nachkriegsverwaltung unter der Aufsicht der UNO befürworten. Vor allem weil die Vereinigten Staaten in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in vielerlei Hinsicht den Status einer Leitkultur gewonnen hatten, sind in den vergangenen Jahrzehnten viele englische Ausdrücke (Anglizismen) in unsere Sprache aufgenommen worden und haben viele frühere französische Ausdrücke (Gallizismen) verdrängt. Wer unrechtmäßige, z.T. sogar unmoralische Politik betreibt, kann jedoch kein Vorbild sein. Die Arbeitsgemeinschaft ”Sprache in der Politik” ruft daher alle Deutschsprachigen dazu auf, anstelle der englischen wieder vermehrt französische Lehnwörter zu verwenden, also etwa statt ”Abstract” wieder ”Resümee”, statt ”Model” wieder ”Mannequin”, statt ”Ticket” wieder ”Billet”, statt ”Box” wieder vermehrt ”Karton”, vielleicht sogar demonstrativ statt ”Computer” ”Ordinateur” zu sagen und den Abschiedsgruß ”Adieu”/”Ade” auch in den Gegenden wieder zu pflegen, wo er sonst nicht gebräuchlich ist. Darüber hinaus könnten auch viele andere französische Wörter wieder häufiger verwendet werden, die im Deutschen seit langem üblich sind (wie z.B. Portemonnaie, Plädoyer, Garage, Zigarette oder Filet).
Diese friedliche Demonstration deutsch-französischer Solidarität richtet sich nicht gegen die englischsprachigen Länder, soll aber verdeutlichen, daß der Kurs des französischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundeskanzlers in der Irak-Frage (vor und nach dem Krieg) von der überwiegenden Mehrheit der Bürger gestützt wird und daß völkerrechtswidriges Verhalten dem internationalen Ansehen schaden kann.
Die Arbeitsgemeinschaft ”Sprache in der Politik” schlägt vor, mit den folgenden Ersetzungen zu beginnen:
Adieu/Ade für Bye bye
Bassin für Pool
Billett für Ticket
Bonvivant für Playboy
Budget [büdsche] oder Etat für Budget [badschet]
Chanson für Song
Chauffeur für Driver
Chef für Boss
Communiqué für Briefing
Conférencier für Showmaster (Scheinanglizismus)
Coupe für Cup (‘Pokal’)
D’accord für okay
Formidable für cool
Hausse für Boom
Hautevolee für High Society
Klassement für Ranking
Mannequin für Model
Equipe für Team
Etikett für Label
Fête für Party
Niveau für Level
Opinion publique für Public opinion
Ordinateur für Computer
Pointe für Gag
Sofa für Couch
Rendezvous für Date
Resümee für Abstract
Revue für Show
Souterrain für Basement
Tantieme für Royalty
Tournee für Tour
Trikot für T-Shirt
Tristesse für Sadness
Die Liste wird fortgesetzt.
Im Namen des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft "Sprache in der Politik" e.V.
Prof. Dr. Dr. h.c. Armin Burkhardt«

Ich habe diesen Aufruf gern befolgt und nur noch "Tristesse" statt "Sadness" gesagt, aber nun lese ich ganz aktuell auf der Homepage des Vereins folgendes:

"Wir haben unsere Webseite auf ein Content Management System (CMS) umgestellt. Damit sind wir in der Lage, neue Informationen noch schneller für Sie zur Verfügung zu stellen.
Zwei neue Funktionen helfen Ihnen, sofort über neue Ereignisse informiert zu werden. Wir verfügen jetzt über einen eigenen Newsletter. An diesen können Sie sich kostenlos anmelden und werden dann über jede wichtigen Information per E-Mail bequem informiert. Als zweite Funktion steht eine automatische Erzeugung von RSS Feeds zur Verfügung. Moderne Browser wie der Internet Explorer 7 oder der Firefox 2 sind in der Lage, diese Feeds darzustellen."

Das ist ja reinstes Denglisch!



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Kommentare zu »Tristesse: „Sprache in der Politik“«
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Kommentar von Kelkin, verfaßt am 19.03.2008 um 13.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11725

Daß Denglisch die jüngere Schwester der Dummheit ist, zeigt die im kritisierten Zitat enthaltene Aussage, man werde über Informationen bequem informiert. Unbequemer als überflüssig geht es nicht.

Der Denglischwahn hat mit den amtlichen Rechtschreibregeln insofern zu tun, als diese eine schleichende Angleichung an angelsächsische Schriftmuster darstellt:
1) Vermehrt stehen Bindestriche (die in der Praxis oft unterschlagen werden, was zu diskontinuierlichen Komposita führt).
2) Kommasetzung wird nahezu beliebig.
3) Integrierte Schreibungen betreffen vor allem Fremdwörter anderer Herkunft (Griechisch, Französisch, Italienisch).
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 19.03.2008 um 14.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11728

"Integrierte Schreibungen betreffen vor allem Fremdwörter anderer Herkunft". Im Prinzip ist das zwar so, aber es gibt davon aber auch wieder bekloppte Ausnahmen: Tipp, die z-Schreibung bei DIfferential, Potential (in diesem Fall sicherlich, weil die andere Schreibung im Englischen den Deformern nicht bewußt war), das f in -graphie, der Suddendeath, die Trennung Tee-nager und natürlich das Ass.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 19.03.2008 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11729

Tipp: OK
Z-Schreibung bei Differential: Differential ist nicht Englisch, sondern hat eine lange technisch-kulturelle Tradition; Zitat aus Wikipedia:
"Das Differential wurde spätestens ca. 100 v.Chr. in Griechenland erfunden, wo es in einem mechanischen Planetarium verwendet wurde (siehe Mechanismus von Antikythera), geriet jedoch in Vergessenheit und wurde später von Leonardo da Vinci neu erfunden. Das heute übliche Differentialgetriebe für Fahrzeuge wurde im Jahr 1827 von dem Franzosen Onésiphore Pecqueur erfunden."
Man Beachte die Schreibung mit -t-, obwohl Wikipedia den amtlichen Regeln folgt
Potential: dito
F in -graphie: Im Englischen lautet das Suffix -graphics. Integriert hieße das dann wohl -gräffix...
Der Suddendeath: Eine Ungeheuerlichkeit, Rechtschreibregeln für Fremdsprachen zu erfinden. Eine kulturelle (?) Anmaßung.
Die Trennung Tee-nager: In diesem Silbenquark werden auch Erbwörter verrührt.
Das Ass: Kein Englisch, es sei denn maskulin.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 19.03.2008 um 15.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11730

Hinsichtlich der Herkunft von Fremdwörtern wie Differential stimme ich ja zu, aber das Prinzip der Neuschreibung ist nun einmal die "synchrone Sprachkompetenz", die das Wissen um die Herkunft als Erkenntnisquelle verneint, falls es sich nicht um Amerikanismen oder wenigstens Anglizismen handelt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.03.2008 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11732

Das mathematische "Differential" stammt aus dem 17. Jahrhundert, als die Infinitesimalrechnung entdeckt wurde. Bedeutende englische Mathematiker sind von damals nicht bekannt.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 19.03.2008 um 16.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11733

Isaac Newton?
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 19.03.2008 um 16.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11735

Hallo Kelkin,

jeder Druck auf den "reload"-Button des Browsers postet Ihren Text jeweils neu.

(Anmerkung der Redaktion: Die wiederholten Einträge sind inzwischen beseitigt. Um solche Dubletten zu vermeiden, empfiehlt es sich, nach dem Abschicken des Kommentars auf "Kommentare aufrufen" zu klicken, weil das von der Seite mit der Eintragungsfunktion wegführt.)

(jaja... das Denglisch ist Absicht ;-)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.03.2008 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11737

Zur Zeit der Entdeckung des "Differentials" durch Leibniz und Newton (die Leibnizsche Methode setzte sich durch) war die allgemeine Wissenschaftssprache Latein, teilweise auch Französisch.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 19.03.2008 um 22.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11739

Armin Burkhardts Zusammenstellung von französisch-englischen Paaren ist ein von vielen Sprachteilhabern des Deutschen mehr oder weniger bewußt genutztes Instrumentarium der Sprecherdiagnose i.S.v. "an ihrer Sprache werdet ihr sie erkennen". Man richtet sich irgendwie auf seinen Interlokutor ein, u.a. auch danach, ob dieser den privaten / staatlichen / dienstlichen usw. Haushalt Budget [büdschee] oder Budget [badschet] zu nennen pflegt. Dabei geht es keinesfalls darum, sich auf einen jüngeren oder älteren Sprecher (des einen oder des anderen Geschlechts) einzurichten, wie vorschnell geschlossen werden könnte, sondern um ein anderes Diastratum.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 20.03.2008 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11740

Hallo Kai,
Denglisch ist immer Absicht. Im Falle eigener Nachlässigkeit steckt die Absicht eines anderen dahinter (Stichwort Fremdbestimmung).
Meine Kritik beschränkt sich auf Wörter, die deutsche Wörter verdrängen (Event für Ereignis und Veranstaltung, Sale für Schlussverkauf und Sonderangebot), die kein echtes Englisch sind (Chefsteward, Wellness) und die sich nicht ins deutsche Laut- und Schriftbild einfügen (loaden, recyceln). In Ihrem Falle "jeder Druck auf den "reload"-Button des Browsers postet Ihren Text jeweils neu" wäre:
1) Druck das einzige deutsche Erb-Hauptwort. Das sollte Ihnen zu denken geben.
2) reload button = Aktualisierungsknopf (846 Google-Treffer)
3) Browser = Navigator (oder warum nicht 'Brauser' - haben Sie schon mal Browse gelutscht?)
4) posten = zustellen, übermitteln
Aber das ist hinsichtlich Rechtschreibregelung ein Nebenkriegsschauplatz. Dass die Reform zwar Zusammenschreibungsregeln für (Schein-)Anglizismen entwickelt, aber keine integrierten Schreibungen fördert, demoliert die deutsche Rechtschreibung zusätzlich. "Rappen für den Frieden" – wer fragt den Gaul nach seiner Meinung?
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.03.2008 um 10.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11741

Hallo Kelkin,

als Wissenschaftler muß ich Ihnen jedoch sagen, daß jeder kulturelle/wissenschaftliche Teilbereich des Lebens seine eigene Fachsprache hat (oft Englisch... manchmal Lateinisch – z.B. Medizin... manchmal Französisch – z.B. Ballett). Und das geschieht weniger aus Abgrenzung (wie z.B. bei der Jägersprache), als vielmehr aus Gründen der Eindeutigkeit/Verständlichkeit. Denn damit bleiben die deutschen Alternativbegriffe frei für die Kommunikation.

Und bei Computern sind es nunmal Anglizismen – tief ins deutsche eingebettet.

Und ein "Button" ist ein "Button" (die sind viereckig... haben aus deutscher Sicht nichts mit Knöpfen (zum Annähen) zutun) – diese gilt es jedoch nicht zu verwechseln mit den sogenannten "Radiobuttons" (die dafür aber rund wie Annähknöpfe sind, aus deutscher Sicht aber nichts mit Knöpfen (zum Draufdrücken) zutun haben).

Und der Browser ist der Browser – da wüßte ich nicht einmal aus dem Stegreif, was das englische Wort bedeutet (schnell mal nachgeschaut: to browse = schmökern, überfliegen).

Und wie will man "Reload-Button" eindeutig übersetzen: als "Wiederladen-Knopf"?

Und "posten" impliziert das Absenden von Web-Inhalten zum Zwecke der öffentlichen Darstellung (e-Mails sind nicht zur Veröffentlichung und werden nicht gepostet, sondern versendet)...

Sobald man solche Worte durch entsprechende deutsche Worte ersetzt, wird es lustig:

"jeder Druck auf den Neu-Laden-Knopf des Schmökerprogrammes veröffentlicht Ihren Text jeweils neu."

Das klingt dämlich und ist nicht eindeutig... also noch einmal umschreiben...

"Jeder Druck auf den Knopf mit dem Recycle-Symbol..."

Falsch... noch einmal neu...

"Jeder Druck auf den Knopf mit dem runden Pfeil (?) in der Knopfzeile Ihres Netzinhalte-Anzeigeprogrammes versendet Ihre in das Kommentarfeld eingetragenen Texte neu an den Anwendungsdienstrechner (= Server), wo sie in die Netz-Seite zusätzlich eingetragen werden."

So oder so ähnlich...

Ist das besser? Ist das noch eindeutig genug? Ist das kompakt genug?


Meine 2ct (2 Pfennige) dazu: Anglizismen sind okay (= in Ordnung? =!= in Unordnung?) – sie sind in vielen Fällen kürzer als ihre deutschen Pendants (= Gegenstücke?) und im Fachzusammenhang eindeutig.

Auch läßt sich SALE in vier freundlichen großen roten Buchstaben spiegelverkehrt auch für eine einfache Verkäuferin von innen an ein Schaufenster schreiben... wohingegen ein "Ausverkauf" oder gar "Schlußverkauf" (neuneudeutsch ja "Schlussverkauf") mit Sicherheit falsch geschrieben würde.

Und der "Service-Point" wäre auch als "Service-Punkt" akzeptabel. Aber als "Dienst-Punkt" ist er unakzeptabel. Und die meisten Touristen/Ausländer hätten bestimmt eine andere Erwartungshaltung bei einem "Service-Point" als bei einer "Information" (wo nicht informiert wird, sondern Information ausgehängt ist). Und was klingt runder: "Informiere dich am Service-Point" – oder – "Informiere dich an der Information"? Für letzteres würde der Lehre in einem Aufsatz vielleicht einen Fehler anstreichen.

Abschließend: Da ich ein Fan (Anhänger =!= Ventilator) englischer Autoren bin, kann ich sehr gut mit Anglizismen leben.



1) Druck das einzige deutsche Erb-Hauptwort. Das sollte Ihnen zu denken geben.
= müßte aber eigentlich sogar "Klicken" heißen... und diese Lautmalerei wird sich bestimmt auch aus dem Englischen ableiten. Zur deutschen Sprache paßt m.E. besser das "Klacken"!

2) reload button = Aktualisierungsknopf (846 Google-Treffer)
= Ist bei Mozilla aber der "Neu-Laden-Knopf" – und schon wieder eine Uneindeutigkeit.

3) Browser = Navigator (oder warum nicht 'Brauser' - haben Sie schon mal Browse gelutscht?)
= Der Navigator bestimmt, wo es hin geht... und das bin – beim Surfen – immer noch ich und nicht mein Surfbrett! Hier haben die Franzosen geschlampt.

4) posten = zustellen, übermitteln
= jedoch mit dem Zweck der Veröffentlichung und nicht nur zur Kenntnisnahme.
 
 

Kommentar von Kelkin, verfaßt am 20.03.2008 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11743

Hallo Kai (ich bleibe mal beim geilen Cool-Talk, ey),
Sie haben sich so Mühe gegeben, dass ich Sie nur darauf verweisen kann, mit Herrn Ickler darüber zu konferieren. Ich sehe schon, hier prallen Welten aufeinander. Mich verwundert doch immer wieder, mit welcher Vehemenz Deutsche sich zum Verfechter eines gefühlten Englisch aufschwingen. In diesem Verhalten sehe ich übrigens 'typisch deutsche' Verhaltensmuster am Werk. Zwei Bemerkungen zu Ihrer Argumentation:
1) Ob Sie ein deutsches Wort als 'lustig' empfinden, ist eine Frage der Gewohnheit. Bewußte Eindeutschungen, die niemandem mehr auffallen (weil sie geprägt wurden, als ein solches Vorgehen noch kein Grund zu öffentlichen Streitereien war) sind z.B. Hängematte, Gas, Büro, Bahnsteig, Atomsperrvertrag,...
2) Die Informatik ist zu sehr Bestandteil der Alltagssprache geworden, als daß man die Bereiche, von denen hier die Rede ist, als Fachsprache bezeichnen könnte. In anderen Sprachen findet man sehr wohl Eigenbezeichnungen für z.B. das 'at' (machen Sie sich mal im Internet kundig, wie das auf Französisch, Finnisch und Ungarisch heißt).
3) Wenn Sie sich Denglisch für die Informatik reservieren wollen (immerhin ein Gebiet, auf dem Zuse Pionierarbeit leistete), bitte sehr. Aber ich hoffe, mit Ihrer Unterstützung rechnen zu dürfen, wenn auch Sie komische Nebenwirkungen eher bei Wörtern und Wendungen verspüren wie Blockbuster (Sprengbombe), Servicepoint, Basement, Backshop, Brain up, Games für Kids usw. usf.
Hug, ich habe gesprochen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 20.03.2008 um 13.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11744

Dafür, daß Hängematte eine „bewußte Eindeutschung“ gewesen sein könnte, gibt es keine Anzeichen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.03.2008 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11745

Erfreulicherweise gibt es in Baumärkten, wo ja auch weniger Englischkundige einkaufen, noch "Information"sstände, an denen man mündliche Informationen bekommt. Ganz früher hieß das bei der Bahn "Auskunft".

Ich warte bisher vergeblich auf die Übernahme der englischen giftbox für die Geschenkepackung. Nur in Mitgift ist diese Bedeutung von gift noch erhalten. Die Plattdeutschen sagen "Dat gift et nich."
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.03.2008 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11746

Da wir die besten unserer Wissenschaftler in den 30'ern exiliert und dann auch noch den unseligen Krieg verloren haben, ist Deutsch als Sprache der Wissenschaft leider passé/passee (auch so ein Wort, das sich gesprochen besser als geschrieben in die Sprache einfügt).

Es mag ja sein, daß die Sprache der Informatik heute keine echte Fachsprache mehr ist... aber deshalb Worte umbenennen halte ich für ein geradezu peinliches/kleinliches Unterfangen. Zumal man sich über informatische Themen mit Menschen aus aller Welt unterhält und es recht praktisch ist, daß ein "Button" ein "Button" und ein "Dialog" ein "Dialog" ist. Und wenn, dann muß natürlich alles eingedeutscht werden, und dann muß man seine "Darstellungen" natürlich mit "Kleinweich-Kraftpunkt" vorführen?

Auch mag ich Konrad Zuse nicht zu sehr überhöhen, denn dann sind wir schnell bei Ada Byron und wieder im Englischen... um dann ganz zum Schluß auch noch bei Heron aus Alexandria zu landen. Wobei ich mir da gerade die Frage stelle, ob Sie "deutsch" Alexandrien oder "modern-deutsch" Alexandria sagen würden?

Auskunft finde ich ansonsten gut. Auch, wenn man seltenst in der Auskunft der Bahn eine Auskunft erhält – wohl aber Information(en)... und davon sehr viel... insbesondere unnötige! :-)

Die "giftbox" sollte es dann schon bei Douglas "come in and find out" geben. Schließlich sind die meisten Parfums (= Duftwässer) nicht trinkbar und so gäbe es gar keine Doppeldeutigkeit.

Und die Hängematte ist m.E. so alt wie die Menschheit... und da wäre es schon sehr merkwürdig, wenn es nicht ein originäres Wort wäre. Schließlich hat ja auch jeder Kulturkreis sein eigenes Wort für gebratene Hackfleischbällchen!
 
 

Kommentar von David Weiers, verfaßt am 20.03.2008 um 14.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11747

Immer wenn ich in den Kaufhof gehe und die erste Pappe mit der Aufschrift "SALE" mir dort entgegenschreit, kann ich nicht umhin, ein halblautes (lies uns sprich:) "Saale" vernehmen zu lassen.
Irgendwann erklärt mich deshalb auch bestimmt mal jemand für verrückt. Aber das ist mir egal, ich hab' meinen Spaß!

Service-Point ist grausam. Das muß wirklich nicht sein. Information (meinethalben auch schlichtweg Auskunft) tut's doch genauso. Und "informiere dich an der Information" sagt ohnehin kein Mensch; "Geh zur Information"/"Frag bei der Information/Auskunft" ist kürzer und einfacher. Und daß es bei der Bahn nur noch Counter gibt, ekelt mich auch irgendwie an. Ebenso geht mir dieses ewige Ticket auch sowas von auf die Nerven, daß ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit Fahrschein, Fahrkarte und entsprechende Zusammensetzungen (Einzelfahrschein usw.) verwende.
Man kann's mit Anglizismen nämlich sehr wohl übertreiben, und es hat ja nun weiß Gott nicht immer was mit Überempfindlichkeit oder gar Deutschtümelei zu tun, wenn man sich gegen sie wehrt.

Was die Informatik angeht, ist mir vor einiger Zeit einmal "händisch" aufgefallen. Es wurde im Sinne von "manuell"/"per Hand" gebraucht. Ist das Fachjargon oder Neuschöpfung?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.03.2008 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11748

Bei vielen Wörtern aus dieser Liste (nicht bei allen) würde ich weder den englischen noch den französischen Ausdruck vorziehen, sondern den deutschen (z.B. Fahrkarte oder Eintrittskarte statt Ticket oder Billett).
Aber mich wundert, daß die Liste nicht die Wörter Journalist und Journal, d.h. [shornalist] statt [dshornalist] enthält, die mir im Gespräch mit Jugendlichen und im Deutschlandfunk sogar bei manchen älteren Sprechern immer am meisten weh tun.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.03.2008 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11749

Ich weiß nicht, gerade der Fall SALE (4 Buchstaben, 4 Zeichen) mahnt uns doch, die Sache etwas gelassener zu sehen und dem Humor eine Chance zu geben. Kurz nach Weihnachten waren landauf, landab in den Schaufenstern von GALERIA KAUFHOF riesige Plakate mit dieser hübschen Aufschrift zu sehen. Im letzten Moment waren den Verantwortlichen aber Zweifel an der Sinnhaftigkeit jener Wortwahl gekommen. Hatten sie recht daran getan, den guten alten SCHLUSSVERKAUF (14 Buchstaben, 14 Zeichen) mir nichts, dir nichts aufs Altenteil zu verbannen? Ergo setzten sie auf einen Schelm anderthalbe und reichten in der zweiten Zeile ein neckisches [reduziert] (9 Buchstaben, 11 Zeichen) nach. Dieserart haben sie nicht nur ein selbstgeschaffenes Problem überzeugend gelöst, sondern nebstdem ungezählten Passanten an den finstersten Tagen des Jahres ein leises Schmunzeln aufs Antlitz gezaubert. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.03.2008 um 14.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11750

Laut Großem Wahrig ist "händisch" österreichische Umgangssprache, und so habe ich es auch zuerst von österreichischen Informatikern gehört.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.03.2008 um 15.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11751

"händisch" als Gegenteil von "automatisch" bzw. als "Tätigkeit in den Eingeweiden des Betriebssystems" (das bedeutet heute ja schon: In einer "Shell" [= auf deutsch umständlich "Kommandozeileninterpreter" genannt] tippen und nicht aut "Button" Klicken) ist recht gebräuchlich!
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 20.03.2008 um 17.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11752

Zu Einzelnem in der Liste von Armin Burkhardt könnte man noch folgendes sagen:
Adieu / Ade für Bye bye
„Adieu, Sweet Amaryllis“ vertonte John Wilbye (1574-1683). In Trier sagt man einfach „Dschö“.
Chanson für Song
Einem Song wie etwa dem Lied von Mackie Messer mangelt es ein wenig an der rechten Stimmung.
Pointe für Gag
Unter letztem figuriert meist nichtsprachlich bzw. witzlos oder brachial Erheiterndes.
Sofa für Couch
Chaiselongue klänge noch französischer (und teurer).
Tristesse für Sadness
Im Augenblick steht nicht zu befürchten, daß uns Tristesse abhanden kommt, das so Genannte kommt uns ohnehin öfter als lieb.
Der Computer (Rechner) kam aus dem anglophonen Raum über uns. Der Ordinateur kann also weiterhin an seinem angestammten Platz arbeiten. Fernsehen usw. wird vorerst (aus ähnlichem Grunde) nicht von Broadcasting oder Television verdrängt, trotz RTL. Das Kunstwort Kino und das Kurzwort Foto darf man wohl vorläufig noch benutzen, ohne als völlig verpilzt zu gelten. Die entsprechenden Amerikanismen sind etwas umständlich.
Mit ein bißchen Selbständigkleit in der Nomination hätte die [esemes] ohne weiteres nicht nachgeplappert, sondern der [teetee] (Telefontext) heißen können. Dieser Zug wurde verpaßt.
Die DB könnte ihren "Service-Point" auch "Service-Punkt" nennen und ihre "BahnCard" schlicht "Bahn-Karte", aber eben schlicht, und nicht aufgedonnert wie die ganze Firma.
Der "Winterschlußverkauf " (WSV) und der "Sommerschlußverkauf" (SSV) könnten auch "Ausverkauf" heißen. Eigenartigerweise assoziiert man letzteren mit Geschäftsschließung usw. während ähnliches niemandem bei "Schluß" ohne stagioni in den Sinn kommt.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.03.2008 um 19.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11753

"Telefontext" finde ich richtig gut. Leider ist "Teletext" schon durch den Videotext besetzt. Allerdings muß man es dann aushalten können, von den Verkäufern als ungebildet angesehen und mit englischen Ausdrücken zugemüllt zu werden. Man kann allerdings mit technischen Fragen kontern, die manche Verkäufer überfordern.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.03.2008 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11754

Ich finde, daß die Möglichkeit englische und französische Worte einzustreuen der Sprache eine weitaus größere Ausdrucksfähigkeit gibt. So sind m.E. Gag und Pointe auch nicht vergleichbar... die Pointe hat Stil, bei einem Gag kann einem aber auch schon mal (sprichwörtlich) das Lachen im Halse steckenbleiben.

Der Versuch auf Teufel-komm-raus inzwischen assimilierte Worte durch deutsche Kunstprodukte zu ersetzen wirkt sehr viel schwerfälliger, als wenn man "abgelutschte" deutsche Worte wie Auskunft oder auch Winterschlußverkauf durch Service-Point oder SALE (natürlich immer nur in Großbuchstaben) ersetzt.

Couch und Sofa klingen weitaus bequemer als Chaiselongue. Aber ganz bestimmt gibt es im Möbelhausgewerbe eine feste Definition, was genau was ist – mit DIN-ISO-EN und Euro-Siegel. Schließlich weiß man heute auch nicht mehr mit Gewißheit, was nun Marmelade, Fruchtmus (komischerweise auch nach Neuschrieb ohne SZ oder Doppel-U) oder Gelee ist – gemäß EU-Satzung, versteht sich.

Wer Adieu sagen will soll das tun... wer Bye-Bye sagen will, der hat auch meinen Segen... ich bleibe bei Tschüß!
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 20.03.2008 um 19.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11755

Mit ein bißchen Selbständigkeit in der Nomination hätte die [esemes] ohne weiteres nicht nachgeplappert, sondern der [teetee] (Telefontext) heißen können. Dieser Zug wurde verpaßt.

Die "SMS" heißt eigentlich gar nicht so. "SMS" ist der "Short Message Service", über den man Kurzmitteilungen verschicken kann. Ich spreche in diesem Zusammenhang stets von Kurzmitteilungen, denn SMS (also den Dienst) zu verschicken ist schlicht unmöglich.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 20.03.2008 um 19.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11756

Aber Herr Bluhme, haben Sie noch nie ein Glas Wasser getrunken? Und finden Sie es (sprachlich) nicht auch ungemein praktisch, daß Studenten – pardon: Studierende Bafög beziehen können?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 20.03.2008 um 20.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11757

Herr Lindner,
"Kommandozeileninterpreter" ist allenfalls eine mißglückte Übersetzung des nicht minder umständlichen "Command Line Interpreter" (CLI), was streng genommen nicht gleichbedeutend mit "Shell" ist.
"Auf deutsch" ist mir weder eine "Kommandozeile" noch ein "Interpreter" bekannt. Wirklich auf deutsch müßte es wohl eher "Befehlszeilenübersetzer" heißen.
Für "Shell" oder CLI kann man auf deutsch "Befehlseingabe" sagen, was mir nicht ungebührlich umständlich erscheint.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 20.03.2008 um 21.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11758

Als es noch Großrechner aus deutscher Entwicklung gab, hieß die Shell "Entschlüßler" . Aus einem Handbuch zu Telefunken BS3 für TR440:
"Die Steuerinformation in Form von Kommandos ... wird von einem speziellen Operator, dem (Programmiersystem-)Entschlüßler, ausgewertet. Der Entschlüßler veranlaßt daraufhin den Start der geforderten Operatoren."
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 20.03.2008 um 21.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11759

Auch wenn inzwischen schon sehr viel zu diesem Thema geschrieben wurde, will ich noch rasch etwas nachtragen, was in der Verkürzung im Deutschen oft übersehen wird.

Das ubiquitäre Wort SALE ist auch im Englischen eigentlich eine Abkürzung, ähnlich wie die beiden von Herrn Schatte genannten WSV und SSV. Der Begriff, der dann den Engländern irgendwann zu lang wurde, heißt nämlich "end-of-season sale". Damit ist also tatsächlich der Schlußverkauf am Ende einer Saison gemeint. (Früher gab es in England auch noch die beliebten "January sales". Aber ich bin im Januar fast nie dort, um sagen zu können, ob die wohl noch existieren.) Die Verkürzung zu "sale" bedeutet nun – wenn man es streng nimmt – nur noch "Verkauf". So wie die Deutschen früher immer die Abkürzungen WSV und SSV im Geiste auflösten, denken sich auch die meisten Engländer immer das Saisonende mit. Denn einen normalen Verkauf im Sinne von "sale" gibt es ja schließlich das ganze Jahr über. Nun sind in Deutschland inzwischen die gesetzlichen Bestimmungen über die Schlußverkäufe geändert worden. Die klassischen Winter- und Sommerschlußverkäufe sind – ebenso wie gutes Deutsch – vom Aussterben bedroht und somit spricht doch eigentlich nichts mehr ganzjährige Ramschverkäufe, eben SALEs.

Karstadt hat einen neuen Werbespruch auf alle Tüten drucken lassen, der ob seiner Intelligenz hoffentlich nicht für sehr viel Geld bei einer Werbeagentur gekauft wurde: "Schöner shoppen in der Stadt." Da stelle mer uns janz dumm und fragen ebenso intelligent zurück: "Kaufst du noch, oder salest du schon?"
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.03.2008 um 21.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11760

Ein Interpreter führt jeden gelesenen Befehl sofort aus. Ein Übersetzer oder Compiler setzt alle Befehle in eine Maschinensprache um, die dann später (wiederholt) als ein lauffähiges Programm gestartet werden können, möglicherweise von einem übergeordneten Steuerprogramm, das verschiedene Programme in Folge ausführt.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 20.03.2008 um 21.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11761

Die Chaiselongue kann man nicht einfach mit dem Sofa oder der Couch gleichsetzen, die ja im Grunde nur um etliche Sitzbreiten gestreckte Sessel sind. Die Chaiselongue hat im Unterschied zu ihnen weder keine noch zwei Armpolster, sondern eine einseitige Stütze. Das prädestiniert sie für ihren Platz im (–>) Boudoir.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 20.03.2008 um 22.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11762

@Germanist: Der Entschlüßler führt Programme sofort aus. Der Compiler hieß bei Telefunken auch "Übersetzer", der Linker "Montierer", das Steuerprogramm "Abwickler". Die Funktion der Shell wird also von den Komponenten Entschlüßler und Gesprächsabwickler zusammen ausgeführt, wobei der Entschlüßler sich mit der Zuordnung der Programme zu Kommandos und der Auflösung von Parametern befaßt, der Abwickler eher die Funktion eines Programmmonitors (Steuerprogramm) hat. Wenn wir Shell mit Schale, dem Teil, das außen (dem Programmbenutzer) sichtbar ist, übersetzen, ist der Entschlüßler also die Entsprechung.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 20.03.2008 um 22.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11763

als alter Amigaianer ist für mich die Übersetzung von CLI zur Shell schon korrekt – "Befehlseingabe" klingt aber auch recht gut.

Natürlich läßt sich jeder Fachbegriff irgendwiegeartet ins Deutsche übertragen... aber dabei bleibt letztlich die Eindeutigkeit auf der Strecke, die wir aufgrund der Fremdworte ja besitzen. Denn gerade im Deutschen weiß jeder Informatik-Hansel, was ein Compiler ist – würde man ihn aber "Übersetzer" nennen, dann müßte der Informatiker vielleicht nachfragen, ob nicht doch der Depp gemeint ist, der das Handbuch vom Koreanischen über das Japanische ins Deutsche verschlimmbessert hat.

BTW: "Schöner shoppen in der Stadt" ist aber wirklich selten dummes Deutsch... daran merkt man, was aus Karstadt (und der Werbewirtschaft) inzwischen geworden ist. Darauf einen Schoppen Wein!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.03.2008 um 00.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11764

Besonders schön finde ich die EDV-Wörter "Linker" und "linken". "Binder" und "binden" wäre aussagekräftiger, aber das klingt wohl zu sehr nach Landmaschine.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 21.03.2008 um 04.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11765

Herr Lindner,
dann müßten wir aber doch die armen Angelsachsen bedauern, die nicht über so schön eindeutige Fremdwörter verfügen. Diese bedauernswerten Geschöpfe müssen mit den ganz normalen Wörtern ihrer Muttersprache auskommen. So z.B. mit "compiler", was so viel wie "Zusammensteller" bedeutet (fast bedeutungsgleich mit "assembler"). Nur aus dem Zusammenhang können sie erraten, was mit dem im "Deutschen" so eindeutigen "Compiler" gemeint ist.
Dabei ist "Übersetzer" eigentlich viel treffender, denn der Compiler übersetzt ja tatsächlich von der Programmier- in die Maschinensprache.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 21.03.2008 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11766

Herr Achenbach,

Ich denke, die begrenzte Ausdrucksfähigkeit des Englischen ist Segen und Fluch. Deutsch hätte niemals (ohne massiven diktatorischen/imperialen Zwang) Weltsprache werden können, denn dafür ist es zu kompliziert. Aber fast jeder auf der Welt spricht heute freiwillig (irgendwie) Englisch – dabei ich bin nur froh, daß ich kein englischer Muttersprachler bin, denn bei 8 von 10 Sprechern kommt doch nur furchtbarstes Pidgin zustande... und in den Ohren von englischen Muttersprachlern muß sich das wirklich furchtbar anhören. (Wobei mir auch scheint, daß in GB alle Leute – außer der Queen – irgendeinen Dialekt sprechen.)

Ich habe da keinen genauen Überblick... aber nach dem normannischen Altfranzösisch gibt es wohl später keinen externen Einfluß mehr – was wohl an der Insellage liegen muß. Und selbst heute, wo 1/4 der US-Amerikaner Spanisch sprechen, assimiliert das Amerikanisch kaum spanische Worte.

Übrigens:

Der "Compiler" übersetzt nicht... er *ersetzt* Klartextbefehle (printf, scanf, getc, if{}, etc.) durch passende Assembly-Miniprogramme. Findige Leute haben diese optimierten Miniprogramme/Programmcodes (optimiert nach klein oder schnell, je nach Compiler-Option) irgendwann einmal geschrieben und sie in Compiler-Bibliotheken zusammengefaßt. Der Compiler sucht aus den Bibliotheken den jeweils besten Programmcode heraus. Ein fertig compiliertes Programm besteht zwar aus Assembly-Befehlen... aber dabei handelt es sich nur um verkettete Ersetzungen durch den Compiler.

Der "Linker" hängt an den compilierten Programmcode Assembly-Programme (nicht mehr "Mini") an, die er der sog. Standard-Bibliothek entnimmt. Das wären dann komplexere Funktionen/Klasssen, wie z.B. Dateizugriffe, Vergleichsoperationen, etc. ... die man nicht jedesmal selbst neu schreiben mag. Die Standardbibliothek gehört noch zur Programmiersprache.

Schließlich gibt es noch Funktionen/Klassen des Betriebssystems – GUI-Aktionen, komplexe Dateizugriffe, etc.. Deren Bibliothken sind auf den Computern vorhanden (früher bei Windows MFC, heute gerne auch .NET) und müssen nicht an den Programmcode gelinkt werden.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 21.03.2008 um 11.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11767

Für diejenigen, die sich für den in den 70er Jahren erreichten Stand der Eindeutschung von Elektronenrechnerdokumentation interessieren, hier ein Verweis, wo sich Dokumente zum TR440 befinden.

http://www.bitsavers.org/pdf/aeg-telefunken/tr440/

Der von mir oben zitierte Satz stammt aus dem Assemblersprache-Handbuch.

Es wurden auch verschiedene Standards als DIN-Normen herausgegeben, z.B. erinnere mich an Normen zu FORTRAN IV und GKS (graphic kernel system).

In der früheren DDR hat eine Gruppe um I.O. Kerner die Sprachdefinition zu Algol68 ins Deutsche (revid. Bericht 1976) übersetzt. Ich zitiere hier einen Satz aus Abschnitt 2.2.2:

In einer Implementierung wird das spezielle-Programm [t.c.] "kompiliert", d.h. in ein "Objektprogramm" übersetzt, das im Code der realen Maschine geschrieben ist.

Die 1972er Übersetzung des ursprünglichen Reports von 1968 war in seiner Eindeutschung übrigens noch wesentlich radikaler.
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 21.03.2008 um 20.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11768

Und finden Sie es (sprachlich) nicht auch ungemein praktisch, daß Studenten – pardon: Studierende Bafög beziehen können?

Ehrlich gesagt habe ich diese Formulierung nie verstanden. Wie kann man ein Gesetz beziehen? Doch nur, wenn man den Bundesanzeiger abonniert...
 
 

Kommentar von Tobias Bluhme, verfaßt am 21.03.2008 um 20.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11769

Besonders schön finde ich die EDV-Wörter "Linker" und "linken". "Binder" und "binden" wäre aussagekräftiger, aber das klingt wohl zu sehr nach Landmaschine.

IBMs "Montageprogramm", die "Speicherkacheln", "Mehrpfadverarbeitung" oder das "Ziegelsteinseiltänzer Leserprogramm" sind auch nicht besser. Jedenfalls haben mich diese Entgleisungen gelehrt, manche Dinge nicht zu übersetzen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 21.03.2008 um 23.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11770

Der Fahrstuhl (würde er heute erfunden, könnte er niemals so schön heißen) in unserer Firma ist zweisprachig:
"Aufzug fährt nach oben -/ Going up" sagt er zum Beispiel.

Und da heißt es dann immer, Englisch sei kürzer. Ja klar, wenn man mogelt, dann schon.

Wie kommt es eigentlich, daß die Amerikaner nur Shell oder Sale sagen und jeder weiß, was gemeint ist? Wir könnten ja auch einfach Schale oder Verkauf sagen, tun wir aber nicht.

Kennt jemand noch den alten Witz mit dem dreifach getrockneten Gras und dem Heu? Der geht jetzt so:
Sag mal, so schnell Du kannst: dabbelju dabbelju dabbelju.
Antwort: we we we.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 22.03.2008 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11771

Zu Herrn Riemer: Wie kommt es eigentlich, daß die Amerikaner nur Shell oder Sale sagen und jeder weiß, was gemeint ist? Wir könnten ja auch einfach Schale oder Verkauf sagen, tun wir aber nicht.

Genau das versuchte ich mit meinen womöglich zu langatmigen Ausführungen zur Abkürzung "sale" zu illustrieren. Ohne die entsprechende sprachkulturelle Sozialisation klappt es nämlich nicht, oder zumindest nur arg verfälschend. Deshalb sind ja auch diese Begriffe, die dann z.T. auch lediglich als Abkürzungen von uns übernommen wurden, Fremdkörper. Wir haben gewissermaßen nur die Symbole übernommen, vielfach ohne den sie erklärenden Kontext zu kennen.

Ich nehme mal ein ähnliches Beispiel. Frankreich hat den Sprachpurismus in vielen Fällen so weit getrieben, daß man gelegentlich darüber lächeln kann (was ich auch tue). Aber die Konsequenz, mit der diese französischen Übersetzungen von fast allen Generationen angenommen werden, (weitgehend) ohne hitzige Debatten zu entfachen, ist auch wieder geradezu bewundernswert (was ich ebenfalls tue).

So ist dort problemlos aus dem "Jumbo-Jet" der "grand transporteur" und aus dem ursprünglichen Markennamen "Walkman" der "baladeur" geworden. (Ich übergehe mal das inzwischen französisch gewordene "week-end" und das "sandwich", da beide bereits vor dem 20. Jahrhundert aus England, und nicht den USA, übernommen wurden.) Natürlich ist längst auch die elektronische Post übersetzt worden. Und zwar eben genau als "courier électronique". Das ist den meisten Franzosen aber – wie unser guter alter Winter- oder Sommerschlußverkauf – viel zu lang. Deshalb kann ich einem französischen Freund statt einem "courier électronique" nun auch einfach ein "c. e." schicken. "Je t'envoies un c. e." ist ganz normales Französisch. Wollte ich nun in Deutschland das wenig schöne Wort "E-Mail" (leider muß der Bindestrich sein, da "Email" etwas anderes ist) auch durch "c. e." ersetzen, hätte ich wieder ein ähnliches Problem wie bei "sale". Es würde einfach der kulturelle Kontext fehlen, der "c. e" in Frankreich entsprechend einbettet.

Gern gebe ich auch zu – um damit meinen Sermon zu beenden –, daß mir noch keine akzeptable Eindeutschung für die blöde elektronische Post eingefallen ist. An der "E-Post", die ich so meist im Briefkopf verwende, stört mir der Bindestrich. Und "c. e." klingt nur gesprochen sehr schick [se œ], gedruckt macht das nicht viel her. Also werde ich mich davor hüten.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 22.03.2008 um 14.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11772

Mein arg verspäteter Vorschlag (polnisch "musztarda po obiedzie") die SMS den TT (i.S.v. Telefontext, d.h. nicht i.S.v. nie abgekürztem Teletext) hat keine Aussicht auf Verwirklichung; auch nicht das Verb teten. Er sollte lediglich zeigen, daß es gegangen wäre, wenn man denn gemocht hätte. Die deutschen Monopolkonzerne DB, Telecom und Großkonzerne wie Siemens, Daimler, VW usw. würden sich dem freilich mit aller ihrer Kraft widersetzen und ihrem Firmen-Denglisch zum Durchbruch verhelfen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.03.2008 um 21.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11773

"sprachkulturelle Sozialisation" (Herr Höher, #11771)

Noch ein Beispiel für ein Wort, das es im Deutschen nicht gibt:
Jetlag, laut Wikipedia "Beschwerden, Unwohlsein und Schlafprobleme, die aufgrund einer plötzlichen Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus nach Flugreisen entstehen".

Wieso haben Englischsprachige so ein kurzes Wort für so einen komplizierten Sachverhalt? Wikipedia leitet es ab "von jet = Düsenflugzeug und lag = Zeitdifferenz".
Aber eigentlich sind das auch nur Abkürzungen. Genaugenommen ist jet = Strahl/Düse und lag = hinterherhinken/nachlaufen. Ein Düsenflugzeug könnte man im Deutschen entsprechend als Düser abkürzen, den Jetlag somit als Düsernachlauf oder Düserverzug, fast so kurz wie im Englischen. Klingt witzig auf deutsch, aber nur, weil wir es nicht gewöhnt sind, und im englischen Sprachraum macht man sich eben nichts daraus.

Die Ursache dafür, daß auf englisch solche Wortbildungen möglich sind, auf deutsch aber zur Zeit nicht, also was Herr Höher als sprachkulturelle Sozialisation bezeichnet, würde ich so beschreiben:

1. Englischsprechende haben sich eine Art lässigen Umgang mit der Sprache angewöhnt, was vielleicht irgendwie ihre ganze Art zu leben, besonders in Amerika (Take it easy!), widerspiegelt. Deutsche nehmen es dagegen gern etwas genauer. Entweder sind wir dadurch dann etwas umständlicher, oder wir benutzen das nur vermeintlich genauere Fremdwort.
2. Während es früher auch bei uns originelle Wortschöpfungen gab (Staubsauger, Handschuh, Fahrstuhl, Feierabend, ...), haben sich mit der Globalisierung eher sprachliche Faulheit, Phantasielosigkeit und Gleichgültigkeit breitgemacht. Man äfft nach, was modern ist und spart sich so eigene neue Wörter. Also kein Düserverzug o.ä.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 23.03.2008 um 20.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11775

Ein kurzes Wort wie "lag", das für sich genommen u.a. schon Zeitverschiebung bedeutet, gibt es halt leider im Deutschen nicht. Daher wirken so kurze und prägnante Wortkreationen wie "Jetlag" auf uns halt schon sehr attraktiv, finde ich.

Da kann man eher schon fragen, warum man statt Training (schon länger eingedeutscht) heute "Workout" sagt und warum in letzter Zeit der "Workflow" auch für ganz banale Arbeitsabläufe immer zahlreicher Anwendung findet?
Das Modewort "chillen" schließlich, offenbar eine Eindeutschung des amerikanischen Umgangssprachenausdrucks "to chill out", greift ebenfalls stark um sich. Frägt man jemanden, was er tut, während er "chillt", ist die Antwort zumeist: nichts.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 23.03.2008 um 21.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11776

"To chill" mußte ich vor kurzem nachschlagen, weil das ZEIT-Magazin glaubte, sich damit unbedingt schmücken zu müssen. Aber was ist denn bitte Workflow? Mein Wörterbuch gibt keine Auskunft. Bei der Arbeit zerfließen vor Anstrengung und Schweiß?
 
 

Kommentar von Patrick, verfaßt am 24.03.2008 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11777

"Workflow" bedeutet so viel wie "Arbeitsaufwand", i.e. im besonderen die Zeit, die man mit der Bewältigung einer bestimmten Aufgabe beschäftigt ist...
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 24.03.2008 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11778

Unter "Workflow" versteht man die Abfolge, wie man eine Arbeit erledigt. Also was ist der erste Schritt, was der zweite usw., um ein gewünschtes Ergebnis (effizient) zu erreichen. "Am Workflow zu feilen" ist eine häufig verwendete Floskel.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.03.2008 um 13.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11780

"Workflow" hieß früher wohl schlicht und einfach "Zeitplanung", im Sinne von Arbeitsorganisation.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 24.03.2008 um 15.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11781

Zur Frage von Klaus Achenbach:
Der – leicht verkorkste – fragliche Satz
„Franz Müntefering war der Meinung, Parteivorsitzender der SPD zu sein, müsse jeder erstreben
enthält einen Attributsatz von monströser Bedeutung zu Meinung. Dieser spiegelt indirekte Rede vor und enthält die IK Parteivorsitzender der SPD zu sein als Akkusativobjekt.
Die Duden-Regel, die bei Objekt-IK ein Komma verlangt und es bei (vorangestellter) Subjekt-IK verbietet, verbessert bei kurzen IK sicher den Lesefluß, bei längeren indessen wäre es zuweilen leserfreundlich, wenn man eins setzen „dürfte“. Aus grammatischer Notwendigkeit (i.S.v. Monosemierung usw.) ist die Duden-Regel nicht herzuleiten.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 24.03.2008 um 15.07 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11782

Der Beispielsatz der Duden-Grammatik
„Sich selbst zu besiegen ist der schönste Sieg“
scheint recht ungünstig, weil den Gesamtsatz ein Kopulaprädikat konstitutiert. So entsteht die im Deutschen nicht immer leicht zu beantwortende Frage, ob die IK das Subjekt oder (ausnahmsweise?) das nominale Prädikativ repräsentiert. In diesem Falle steht die IK als Subjekt, was seine Übersetzung in eine Sprache mit Prädikativ im casus rectus zeigt.
Im Deutschen kann die Substitution des nominalen durch ein nicht-nominales Prädikativ wie in dem Satz
„Sich selbst zu besiegen ist am schönsten“
Aufklärung bringen, womit allerdings die reizende Verdoppelung des Mophems {sieg} verloren geht. Grammatische Exerzitien stehen halt Stilbemühungen immer irgendwie entgegen.
 
 

Kommentar von Christoph Schatte, verfaßt am 24.03.2008 um 15.09 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11783

Horst Ludwig (92#3050) störte in der »SZ« der Satz
„Der Sprinterkönig aus Berlin [bekräftigte] jahrelang […], sauber zu sein – nur um später des Dopings überführt zu werden”,
weil keine finale IK vorliegt, sondern eine scheinfinale (auch solche PK und Adverbialangaben gibt es), die das über ihm stehende nur zum Wackeln bringt.
In Grammatiken stehen meist plakative Sätze wie „Er öffnet die Tür / Büchse, um sie gleich wieder zu schließen“. Im Gegensatz zu finalen IK, die – wie Oliver Höher (92#3050) klarstellt – uneingeleitet sein können, verlangen die immer nachgestellten scheinfinalen immer eine Einleitung mit um (auf daß funktioniert allein final). Das verschweigen die meisten Grammatiken, weil ihnen Sätze wie
„Ihren Schäfer zu erwarten, schlich sich Phyllis in den Garten“
unbekannt sind, was die Aufgabe der Verbreitung der deutschen Sprache unter den „Arglosen im Ausland“ nicht einfacher macht, denn die Regel für das obligatorische um in scheinfinalen IK fällt damit unter den Tisch.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 24.03.2008 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11785

Lieber Herr Schatte,

können Sie Ihre drei letzten Kommentare nicht noch einmal im Diskussionsforum eintragen, denn dort gehören sie hin? Vielen Dank.

Liebe Redaktion,

bitte löschen Sie doch anschließend meine Frage. Ebenfalls vielen Dank.
 
 

Kommentar von Lw, verfaßt am 25.03.2008 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11786

Die wörtliche Übersetzung von Workflow, Arbeitsfluß, erfaßt dessen Bedeutung m.E. noch am besten. Bei Arbeiten, die sich in eine Kette wohldefinierter Schritte gliedern lassen, wäre auch die Übersetzung Arbeitsablauf akzeptabel. Der Begriff Arbeitsablauf harmoniert mit der Begriffsbildung in der traditionellen deutschen Organisationslehre, die den Begriff Organisation zerlegt in eine Aufbau- (Gliederung in Abteilungen, Stäben etc.) und eine Ablauforganisation (wer erstellt, prüft, gibt frei etc., wer berichtet wann, wem, was). Handelt es sich um Arbeiten, bei denen häufig auf unvorhersehbare Ereignisse reagiert werden muß, die Organisation nur schwach steuerbar ist (bspw. innerhalb eines Firmennetzwerkes oder eines losen, internationalen Forschernetzwerk), ist der Arbeitsablauf häufig nicht in allen Einzelheiten planbar. Stößt nun ein Forscher auf eine interessante Frage, der er nicht selbst oder nicht alleine nachgehen möchte, so bietet ihm ein System zur Unterstützung der Zusammenarbeit (engl.: Collaborative Environment System, CES) in der Regel die Möglichkeit, die Frage in das System zu stellen, wo sie dann von Kollegen aufgegriffen wird, oder das CES signalisiert ihm, welcher Kollege im Moment ansprechbar ist, und er setzt sich direkt mit einem der Kollegen in Verbindung. Das "Workflow Management System" – in diesem Fall ein Teilsystem des CES – hat dabei die Aufgabe, die Einhaltung der zuvor vereinbarten Regeln sicherzustellen oder zumindest deren Einhaltung effektiv zu unterstützen (eventuell müssen Berichte erstellt, Gelder beantragt werden etc.).

Der Workflow (Arbeitsfluß, Arbeitsablauf) ist Teil der Arbeitsorganisation (s.o. Organisation: Aufbau und Ablauforganisation).
Die Zeitplanung hingegen ist wiederum ein Teil der Ablaufplanung. In der Ablauforganisation werden Verfahren und Abläufe festgelegt, bspw., unter welchen Umständen eine Ethikkommission hinzuzuziehen ist, wer ein Dokument abzeichnet, freigibt, über die Geheimhaltungsstufe befindet etc. All dies kann die Zeitplanung beeinflussen, ist aber nicht Gegenstand der Zeitplanung.
Die Übersetzung "Arbeitsaufwand" ist eindeutig falsch. Wenn die Arbeit zwischendurch ruht, ist die Arbeit nicht mehr im Fluß, der Workflow unterbrochen, dennoch erhöht sich der Aufwand nicht.

Um zum Thema des Tagebucheintrags zurückzufinden:
Frau Limbach berichtete in irgendeinem Interview darüber, daß sie in osteuropäischen Ländern häufig auf Juristen stieß, die Deutsch gelernt hatten, weil sie sich mit unserem Grundgesetz, den einschlägigen Kommentaren und Urteilen auseinandersetzen wollten. – Welcher Naturwissenschaftler veröffentlicht in Deutsch? Leider geht die Vernachlässigung des Deutschen in den Naturwissenschaften einher mit einer kritiklosen und einseitigen Übernahme überwiegend amerikanisch geprägter Philosophie. Herr Achenbach bedauert in 988#11765 die Angelsachsen, die mit den Wörtern ihrer Muttersprache auskommen müssen. In der Tat entfalten sich Wissenschaften, Philosophie und Kultur dann frei und lebendig, wenn ein jeder seine Sicht, sein Erbe einbringt und die Sicht des anderen auf sich wirken läßt. Durch Nachäffen macht man sich zum Affen, nicht zu einem Partner.
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 25.03.2008 um 14.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11787

@LW

Insbesondere glaube ich (*), daß man in seiner Muttersprache "kreativer denken" kann. Wer als Wissenschaftler beim Lesen und Verfassen von "Papers" ("Artikel" ist ja wohl auch nur ein eingedeutschter Anglizismus) jeweils hin und zurück übersetzen muß, der vergeudet m.E. einen guten Teil seiner Erkenntnismöglichkeiten. Zudem führt das auch dazu, daß Fachtexte zunehmend schwammiger formuliert werden, da sich viele Wissenschaftler kaum mit den Feinheiten des Englischen/Amerikansichen auskennen und dann doch lieber unverfänglicher formulieren.
Vorbei sind die Zeiten, als nur noch wichtige Erkenntnisse veröffentlicht wurden. Heute sind viele Fachzeitschriftenartikel nur noch endlose Kettentexte ohne als Ziel ein Endergebnis zu präsentieren. Sie dienen dann nur noch dem Zweck, die laufende Arbeit des Wissenschaftlers vor seinen Geldgebern/Kollegen zu dokumentieren.

(*): Ich muß das so glauben, denn ich habe dazu keine verläßlichen Informationen gefunden. Da unsere Wissenschaftsoberen ja ein angelsächsich verschultes und auf Englisch abgehaltenes Universitätssystem haben wollen, gibt es wohl auch kein großes Interesse dagegensprechende Fakten zu finden, zu erforschen oder gar zu veröffentlichen.
 
 

Kommentar von PaulW, verfaßt am 25.03.2008 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11788

Zu #11786: "Welcher Naturwissenschaftler veröffentlicht in Deutsch?"
Diese Frage kann ich für mich jedenfalls eindeutig mit "ja" beantworten. Mehr als 90% meiner bislang fast 80 Publikationen sind in deutsch verfaßt. Der Grund: Obwohl ich fließend englisch spreche, kann ich mich doch in deutsch wesentlich detaillierter ausdrücken und zwar in einer Weise, daß auch alle Feinheiten, die in meinem Fachgebiet (Biologie, Ökologie, Verhaltensforschung) besonders wichtig sind, aus dem Text erkennbar sind. Außerdem liebe ich meine Muttersprache, mit der ich gerne in einer Weise arbeite, daß ich solange an dem Text feile, bis er das ausdrückt, was ich rüberbringen will. Wenn ich alles in englisch schreiben würde, so wären meine Texte zweifellos oberflächlicher. Um dem Mangel an (deutschen) Sprachkenntnissen vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum Rechnung zu tragen, füge ich jeweils eine ausführliche Zusammenfassung (summary) bei, weil ansonsten meine Publikationen im heutigen Wissenschaftsbetrieb kaum noch Berücksichtigung fänden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2008 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11789

Gerade aus der Osterpause zurück, möchte ich nur zu Newton eine Anmerkung machen: Die "Principia" hat er zwar auf lateinisch geschrieben, die "Opticks" aber schon auf englisch. Das ist wissenschaftsgeschichtlich recht bedeutsam.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 26.03.2008 um 12.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#11790

"Jetlag" ist mir mit "Düserverzug" zu umständlich übersetzt – und auch ein Beispiel dafür, daß vielfach der deutsche Begriff einer Sache aus dem englischen als Übersetzung gebildet wird, oftmals überdies zu spät. Die Sache zu beschreiben, erscheint mir sinnvoller. "Flugmüde" wäre dann die deutsche Entsprechung. Bitte jetzt keine Spitzfindigkeiten, daß man auch ohne Zeitverschiebung vom Fliegen müde werden kann. So eindeutig ist "Jetlag" auch nicht. Trotzdem sei mir jeder willkommen, der sich einen besseren Ausdruck einfallen läßt.

"Telephontext" ist klasse! Ich werde mich bemühen, das Wort durch häufige Verwendung zu verbreiten. Bei vielen dürfte es auch zum passiven Wortschatz gehören, so daß es nicht zu Verständnisschwierigkeiten kommen muß. Für SMS etabliert sich ohnehin (punktuell) das Verb "texten" parallel zu "simsen" und "Simse" als Hauptwort.

Der "Rechner" ist allgemein üblich. Wenn ich zu einem Button "Schalter" sage und zu "reload" "durchladen", versteht mich auch jeder. "Kommandozeile" ist auch recht deutsch, den Mac-Finder muß man nicht mit "ei" aussprechen (der Desktop heißt dort sowieso "Schreibtisch"), und wenn ich die "Virtual Machine Ware" "Gaukler" nenne, sind das allenfalls im ersten Moment böhmische Dörfer.

Des weiteren ist Englisch nicht seiner Einfachheit wegen Weltsprache geworden, sondern durch die vielen Kolonien und vor allem durch das Sendungsbewußtsein der US-Amerikaner, die sich seit eh und je zu schön sind, etwas anderes als ihre Muttersprache zu verwenden.
Französisch hingegen ist schon weit vor der kolonialistischen Ausbreitung Weltsprache geworden; und an Kompliziertheit steht das dem Deutschen sicher in nichts nach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.05.2011 um 09.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#18572

Ob sich die AG "Sprache in der Politik" schon eine Meinung zum Libyen-Einsatz gebildet hat? Sprachliche Folgerungen werden immer schwieriger.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.09.2013 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24113

Ob die Gruppe um Armin Burkhardt, den Erfinder der "Politolinguistik" (s. Wikipedia unter diesem Schlagwort), sich auch zu Syrien geäußert hat? Es ist stiller geworden.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 25.09.2013 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24114

Zum "Sendungsbewußtsein der US-Amerikaner, die sich seit eh und je zu schön sind, etwas anderes als ihre Muttersprache zu verwenden" (#11790): Dabei wollen wir nicht vergessen, daß gerade die deutschen Einwanderer ihre besondere Bildung damit zeigten, daß sie Englisch sehr schnell lernten und viel schneller als so manche andere Einwanderungsgruppe bei der lokalen Bildung unter einfachsten Umständen mithalfen.

Und wenn ich mir die Liste im Startbeitrag hier ansehe, finde ich, daß die meisten englischen Bezeichnungen da kürzer sind als die französischen Ursprungs. Aber natürlich wünsche ich der frankophilen "Arbeitsgemeinschaft 'Sprache in der Politik'" da und besonders den fähigen Verdeutschern überhaupt viel Glück, denn die deutsche Aussprache dieser englischen Wörter in den Funkmedien und in Flughäfen und wo auch immer sonst klingt mir alles andere als angenehm in den Ohren.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 25.09.2013 um 20.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24115

Das ist ein Mythos. Die deutschsprachige Kultur in den USA wurde erst im 1. Weltkrieg zerschlagen. Bis dahin war sie vor allem im Mittleren Westen sehr lebhaft gewesen.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 25.09.2013 um 21.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24116

Ich habe den Verdacht, daß "durchschnittliche" US-Amerikaner andere Sprachen nicht lernen können, höchstens Spanisch, weil das die zweitleichteste Grammatik nach Englisch hat.

Wenn man Australiern, Afrikanern und Indern zubilligt, Englisch auf ihre Art auszusprechen, muß man das auch Kontinentaleuropäern erlauben. Von Franzosen gesprochenes Englisch klingt auch ziemlich ungewohnt. Die durchschnittlichen US-Amerikaner sprechen kein Englisch, sondern irgendeinen unverständlichen Dialekt.
 
 

Kommentar von B.Troffen, verfaßt am 25.09.2013 um 22.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24117

Für deutschlernende Ausländer kommt erschwerend hinzu, daß wir englische Wörter auch so korrekt wie möglich englisch auszusprechen uns bemühen. Die Lernenden tun also gut daran, schon Englisch zu können oder es zugleich mitzulernen. In *diesem* Punkt hätten es Amerikaner mit dem Deutschen wohl leichter als andere.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.09.2013 um 08.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24119

Die durchschnittlichen US-Amerikaner sprechen kein Englisch, sondern irgendeinen unverständlichen Dialekt.

Das gilt aber erst recht für das Deutsche und die deutschen Muttersprachler. Im übrigen ist amerikanisches Englisch, egal, wo man sich aufhält, allemal verständlicher als das, was die "durchschnittlichen" Briten zu bieten haben. Man versuche einmal, mit seinem Schul-Englisch in Newcastle, Liverpool oder Glasgow zurechtzukommen! Demgegenüber ist "Southern" (um nur ein Beispiel zu nennen) ein Klacks.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 26.09.2013 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24120

Ein Führer auf der King Ranch (Southern Texas) leierte seinen eintönigen Sermon ab, jeder Satz dieselbe Melodie, erzählte etwas über das Ranching.
Mein Begleiter, Dozent an einem College, selbst Texaner vom Norden an der Grenze zu Arkansas, bat am Schluß in etwas trockenem Humor: Please repeat in English.
Das hätte auch in der Oberpfalz geschehen können.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 26.09.2013 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24121

Dialektsprecher in Deutschland bemühen sich immerhin, mit Auswärtigen Hochdeutsch zu sprechen, und meistens geht es auch irgendwie. Es gibt allerdings Einwanderer, die nur den örtlichen Dialekt gelernt haben, weil sie hier nicht mehr zur Schule gehen mußten. Gegen landschaftliche Akzente ist natürlich nichts zu machen. Z.B. ist es interessant, herauszuhören zu versuchen, aus welcher Gegend Bayerns oder Österreichs ein Dialektsprecher stammt.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 26.09.2013 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24122

"Die deutschsprachige Kultur in den USA wurde erst im 1. Weltkrieg zerschlagen. Bis dahin war sie vor allem im Mittleren Westen sehr lebhaft gewesen." (#24115) — Das widerspricht gar nicht dem, was ich in #24114 sagte. Und richtig ist zwar, daß mit dem Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg das deutsche Kulturleben in diesem Land großen Schaden erlitt, wo bis dahin im Mittelwesten z. B. die Grabinschriften der deutschen Einwanderer auf deutsch waren, daß aber hier im Mittelwesten von 1923 an z. B. auch die Grabinschriften der schwedischen Einwanderer nicht mehr auf schwedisch waren.
Und in den letzten 60er Jahren nahm ich noch eine Studentengruppe zu einem lutherischen Gottesdienst in einem kleinen Ort hier, wo der Pastor noch jeden Sonntag einen Gottesdienst auf deutsch hielt. Wenige Jahre später konnte ich mir zu dieser Exkursion nur noch einen Sonntag im Monat auswählen. Meine Studenten und ich waren die einzigen kräftigen Stimmen unter den kleinen dünnen Stimmchen bei den Kirchenliedern, und die Leute waren sehr glücklich darüber, daß wir gekommen waren und da bei ihrem Gottesdienst mithalfen. Ich fragte den Pastor, warum er noch Gottesdienste auf deutsch hielt, schließlich sprächen doch alle schon seit langem auch zu Hause fast nur noch englisch, und bekam zur Antwort: "Deutsch ist die Sprache ihrer Seele. So wurden sie getauft und konfirmiert, und so leben sie Gott zu Ehren ihr Leben lang." Pastor Koepp sprach halt noch sehr gut deutsch.

"Die durchschnittlichen US-Amerikaner sprechen kein Englisch, sondern irgendeinen unverständlichen Dialekt" (#24116). Das dachte auch schon Prof. Higgins, als er Eliza Doolittle Englisch beizubringen versuchte. — Bei den "Australiern, Afrikanern und Indern" ist Englisch eine zweite Muttersprache. Das ist sie bei den Kontinentaleuropäern nicht. Und verboten ist in dieser Hinsicht sowieso nichts. Aber nicht alles, was erlaubt ist, klingt deshalb schon "angenehm in den Ohren". Das muß übrigens ich sogar nach einem halben Jahrhundert Aufenthalt hier immer mal wieder bemerken. Trotzdem rede ich weiter, wie ich es gewohnt bin. Schließlich sprechen ja alle US-Amerikaner kein Englisch, sondern bloß irgendeinen Dialekt.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 27.09.2013 um 15.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24132

(...) Spanisch, weil das die zweitleichteste Grammatik nach Englisch hat. Man verwechsle nicht Morphologie mit Grammatik (ein sehr verbreitetes Mißverständnis)! Auch nach jahrelangem Englischunterricht können die meisten sich nicht vernünftig in dieser Sprache ausdrücken. Es gibt ganze Bücher über die Standardfehler, die Deutsche machen, wenn sie versuchen, englisch zu sprechen, z. B. Straßennamen mit Artikel oder (kann sein, daß ich es schon einmal erwähnt habe) die Werbung eines Bonner Ladens "experience since 75 years" usw. usf. Wenn es nach der Morphologie geht, haben Chinesisch und andere asiatische Sprachen die allereinfachste "Grammatik". Aber gerade deswegen ist der Satzbau ja so unendlich schwer.
In der "Redezeit" auf WDR5 war gerade vor einigen Tagen ein Sprach"wissenschaftler" (Hirschhausen?), der sich überschlug darin, unsere Sprache werde und soll englischer werden, das sei so viel geschmeidiger ohne die ganze lästige Deklination und so. Aber wie geschmeidig ist das Deutsche heute mit seinem flexiblem Satzbau! Stop to think!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.09.2013 um 08.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24137

Die richtige Anwendung der Präpositionen (Verhältniswörter) ist ein Hauptproblem in jeder (indoeuropäischen) Sprache, weil diese nicht auf gemein-indogermanische Wurzeln zurückgehen, sondern erst viel später in jeder Sprachfamilie oder sogar Einzelsprache erfunden wurden. Sogar in den untereinander sehr verwandten slawischen Sprachen können die Präpositionen ganz unterschiedlich sein und dieselben Wörter ganz verschiedenes bedeuten. Bei den Präpositionen ist Englisch irgendwie eine Singularität.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 28.09.2013 um 10.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24138

"Die richtige Anwendung der Präpositionen (Verhältniswörter) ist ein Hauptproblem in jeder (indoeuropäischen) Sprache" (#24137) klingt mir äußerst präskriptiv. Wenn in einer Gegend z. B. des nordamerikanischen Sprachgebietes "wait for" und in einem anderen für dasselbe "wait on" gesagt wird (wobei letzteres ja ziemlich gut neben deutsch "auf j-n warten" steht), was ist da nicht richtig angewendet? Wenn alle in der Drogerie sagen, sie brauchten was "für den Husten", und ich mir im stillen denke, daß sie ja eigentlich was "gegen ihren Husten" brauchten, — wer hat's hier richtig?
Zur "späten Erfindung" der Präpositionen in Einzelsprachen: Ich verstehe nicht, was damit gemeint ist. Sie mögen häufig auf Adverbien zurückgehen, habe ich mal gelernt; unser "nach" und "nahe" zeigten das noch ganz gut. Daß dieselbe Präposition ganz verschiedene Bedeutung haben kann, z. B. in "mit j-m kämpfen" / "fight with s.o.", — na und? Das ist bei anderen Wortarten auch der Fall, nehmen wir nur mal unser "Gott", "schnell/bald", "sitzen", "wir" (als Plural majestatis/modestatis). Inwiefern ist "[b]ei den Präpositionen [...] Englisch irgendwie eine Singularität"?

Zu "Stop to think!" (#24132): Sowas gehört mit angreifender Sprache («ein Sprach"wissenschaftler"») in einen Brief nicht nur an die "Redezeit"-Redaktion von WDR5, sondern an die Redaktion der Kulturabteilung des WDR überhaupt. Daß man sich an den Namen dieses "Wissenschaftlers" nicht erinnert, ist dazu gar nicht nötig.

Berichtigung: Im letzten Absatz von #24122 habe ich bei den "Australiern, Afrikanern und Indern" zuviel in mein Zitat übernommen. Australier gehören natürlich nicht in diese Gruppe.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2013 um 12.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=988#24140

Die Präpositionen gehören zu jenen Wörtern, deren Gebrauch sich besonders schnell ändert und auch regional stark variiert (am Tisch, am Boden vs. auf dem Tisch, auf dem Boden usw.). Ich möchte noch auf einen besonderen Punkt hinweisen, der in diesem Zusammenhang wenig beachtet wird. Die meisten Präpositionen haben ja eine räumliche Grundbedeutung. Nun kann man verschiedene Metaphern bilden, die einen Sachverhalt zwar verschieden modellieren, aber mit gleichem Ergebnis. z. B. sich vor jemanden stellen vs. sich hinter jemanden stellen. Hierher gehört auch gut gegen den Husten vs. gut für den Husten. Das eine ist nicht richtiger als das andere, aber ein Ausländer kann das alles natürlich nicht wissen.
 
 

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