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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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25.11.2006
 

Stang im Glück
Jede Revision bringt Geld

Im Sommer 2005 erschien bei Langenscheidt "Die neue Rechtschreibung – kurz und schmerzlos" von Christian Stang (der Verlag läßt aus Kostengründen von Laien arbeiten).
Darin hieß es u. a.: "Bestimmte Verbindungen aus Substantiv und Verb waren bis zur Einführung der neuen Rechtschreibung fester Bestandteil in jedem 'orthografischen Gruselkabinett' und brachten auch geübte Schreiber ganz schön in Verlegenheit. So konnte man zwar (getrennt) Auto fahren und Klavier spielen, musste aber (zusammen) radfahren und eislaufen ... Doch zum Glück müssen Sie sich über diese widersprüchlichen Schreibweisen keine Gedanken mehr machen, denn jetzt werden diese Verbindungen konsequent getrennt geschrieben: Eis laufen, Kopf stehen (...)"

Inzwischen sind gerade diese Verbindungen wieder ins Gruselkabinett zurückgeschickt worden, ebenso wie manche der "300 Neuschreibungen, an denen sie nicht vorbeikommen": "jemandem Feind bleiben" usw.

Auch Stangs eigene Schreibweise ("aufeinander treffen") ist in vieler Hinsicht überholt, so daß sich die "Teilverbindlichmachung", auf die Verlag und Verfasser sich damals verließen, nochmals als Reinfall erweist.

Das Glück währte also nicht lange, zumindest für die Schüler, wohl aber für den fixen Reformvermarkter selbst: Zunächst für Mentor fertigte er 2006 eine neue Übersicht an. Darin steht:

"Verbindungen aus Substantiv + Verb (Namenwort + Zeitwort) schreibt man zusammen, wenn das Substantiv verblasst (also kaum noch als solches zu erkennen) ist. Da diese Regel auf weitere Verbindungen ausgedehnt wurde, musst du jetzt auch in den folgenden Fällen zusammenschreiben:
eislaufen, kopfstehen, leidtun, nottun
Ich laufe eis. Es tut mir leid.
Er steht kopf. Es tut not."

Auch das Langenscheidt-Büchlein hat er inzwischen neu bearbeitet. Jede Wendung der Reformer bringt Geld, das Perpetuum mobile ist endlich erfunden.



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Kommentare zu »Stang im Glück«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.05.2023 um 05.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#51016

Kurios: https://www.christian-stang.de/auszeichnungen

Fast jeder hat das Bundesverdienstkreuz, nur ich nicht. Ist das gerecht?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.08.2017 um 06.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#36083

Rechtschreibpapst und Orthografiegenie (Mittelbayerische Zeitung 22.8.17 über Christian Stang)

Bei Musil gibt es sogar ein geniales Rennpferd.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.06.2017 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#35305

Stang: Ich habe in meinem Duden Seiten mit Post-its markiert, die ich immer wieder brauche. Mein persönlicher Klassiker ist „zurechtkommen“, zusammen oder getrennt? (Interview mit der WELT, 8.6.17)

Wer schlägt so etwas nach? Ich brauche gar nicht nachzusehen, wie das in meinem eigenen Wörterbuch geregelt ist, nämlich so, wie es seit je geschrieben wurde. zurechtgekommen zum Beispiel gibt es fast genau ebenso oft wie zurecht gekommen. Das Schreibvolk hat sich so wenig um den alten Duden gekümmert wie um den neuen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2017 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#35243

Heike Schmoll würdigt Christian Stang (FAZ 2.6.17). Geboren ist er allerdings 1975, nicht 1957.

"Er glaubt, seine Grenzen zu kennen, scheint nur nicht immer den Verlockungen der Verlage widerstehen zu können."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2017 um 15.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#35226

Focus online läßt Christian Stang über den Inhalt des dritten Berichts referieren, den die KMK am Wochenende wohl absegnen wird. Dann gibt es wieder neue Bücher, neue Kurse, neue Quizze ...

(http://www.focus.de/wissen/mensch/sprache/ohne-ketschup-und-majonaese-schluss-mit-ketschup-und-majonaese-das-steckt-in-den-neuen-rechtschreibregeln_id_7190479.html)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.04.2017 um 23.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#34810

Vor zehn Jahren begann die Bankenwelt Kopf zu stehen.

FAZ, 1.4.2017, Seite 22
Aprilscherz? Wohl eher nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2017 um 07.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#34365

Stang ist jetzt auch Typograf:

Christian Stang: So setzen Sie Zeichen!: Grundwissen Mikrotypografie in 15 Schritten. Praesens 2016.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.08.2016 um 14.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#33142

Ein ganzes Tal steht Kopf

Auch wenn der MM (Wochenendbeilage 13.8.16, S. 21) als zusätzlichen Gag das Wort "Kopf" auf dem Kopf stehend abgedruckt hat, so steht es dabei nach aktueller Reform der Reform (seit der 24. Auflage des Duden von 2006) wieder "kopf".

Manchmal steht sogar die Welt Kopf
(MM, 16.8.16, S. 21)

Aber das ist dem MM sowas von egal.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2016 um 04.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#32821

Schlüsselkompetenz Rechtschreibung

Vom 1. Juni 2014 bis zum 31. August 2015 wird am Lehrgebiet Deutsch als Fremdsprache der E-Learning-Kurs „Schlüsselkompetenz Rechtschreibung“ mit Förderung durch die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) entwickelt.

Der komplett internetgestützte Kurs soll ab dem Wintersemester 2015/16 den Studierenden aller bayerischen Hochschulen zur Verfügung stehen. Das Projekt ist nach dem Kurs Deutsch als Fremdsprache für Mediziner, Deutsch als Fremdsprache für Juristen, Phonetik Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als zweite Fremdsprache - German after English das fünfte Online-Kursangebot, das das Lehrgebiet in Kooperation mit der vhb entwickelt. Erstmals richtet sich ein derartiges Projekt jedoch nicht ausschließlich an internationale Studierende, sondern es sollen auch muttersprachliche Studierende von diesem Lernangebot, das in enger Kooperation mit dem Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur und mit der Orthografie- und Normberatungsstelle des ZSK erarbeitet wird, profitieren.

Projektpartner:
Virtuelle Hochschule Bayern
Universität Bayreuth
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Projektteam:
Christine Kramel
Andreas Legner
Christian Stang

Laufzeit:
6/2014 bis 8/2015


Wer hätte gedacht, daß die Rechtschreibung einmal eine staatlich geförderte "Schlüsselkompetenz" an bayerischen Universitäten (!) werden würde?
 
 

Kommentar von roemer, verfaßt am 25.01.2016 um 09.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#31441

Vielleicht ist Herr Stang ja ein Monarch-Slave!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.01.2016 um 05.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#31440

Trennen Sie die folgenden Wörter nach den neuen deutschen und nach den in der Herkunftssprache üblichen Regeln: pädagogisch, examinieren, Quadrat, Monokel, Pseudonym, Vitamin, Signal, Kognak, Signum, Monarch (Christian Stang: Rechtschreibung! Augsburg 2014)

Wenn wir nur wüßten, wie die alten Römer Vitamin getrennt haben!

Stang hat es in Regensburg gleichsam zu akademischen Weihen gebracht. Aber was ist von einer Universität zu halten, die jemanden dafür bezahlt, daß er für sie im Duden nachschlägt? (Und das, nachdem die deutsche Rechtschreibung "vereinfacht" worden ist!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2013 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#24101

Christian Stang hat auch ein Kartenspiel gemacht: „Wo hat der Rauhaardackel sein h gelassen?“

(Dieser Hinweis soll nicht als Werbung mißverstanden werden.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.08.2011 um 20.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#19169

Als Vermeidungsschreibung der neuen Großschreibungsmanie gibt es für fast alle Beispiele geeignete Adverbien. Nur klingen sie nicht so gehoben und literarisch, sondern eher "gewöhnlich", was ja wörtlich genommen gar keine Abwertung ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.08.2011 um 04.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#19168

Mit einem "übrigens" (das ich auch sehr liebe) kann man Gedanken anknüpfen, die kaum etwas mit der Sache zu tun haben. Stang weiß natürlich, daß die Bemerkung über "Betttuch" überhaupt nichts an der miserablen Rechtschreibreform ändert. Er verdient als Duden-Autor nicht schlecht an der Reform, möchte es sich aber auch nicht mit den Sprachwissenschaftlern verderben, zu denen er ja leider nun mal nicht gehört. Daher auch seine Briefe an selbige in bewährter Rechtschreibung und seine Vermeidung jeder offenen Reformpropaganda. Ein "übrigens" kommt da gerade recht: man insinuiert, muß aber, falls doch etwas schiefgeht, nichts gesagt haben. Das funktioniert nun schon etliche Jahre, kommt auch bei Zeitungen gut an. So bleibt man immer im Geschäft.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 23.08.2011 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#19167

Wie schön, daß wir jetzt wieder auf der Höhe der Zeit von vor 130 Jahren sind:

»Übrigens: Der „Urduden“ von 1880 schreibt das Wort „Betttuch“ mit drei „t“. Damit liegt der 1. Duden ganz auf der Höhe der Zeit. Die seit 1. August 2006 für Schulen und Behörden verbindliche neue Orthografie schreibt das „Betttuch“ kein bisschen anders.«

(Christian Stang in der NWZ online, 22. Juli 2011; www.nwzonline.de)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.02.2011 um 16.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17941

Ich glaube, Zusammenschreibungen waren mit dieser Regel gerade nicht gemeint. Man kann die Regel dann auf das Verb anwenden. Silbe ist also in Ordnung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.02.2011 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17939

zur "Regel, wonach beim Partizip II das Präfix ge- gesetzt wird, nämlich genau dann, wenn der Infinitiv auf der ersten Silbe betont ist" (#17774):

Müßte man hier nicht besser "auf dem ersten Wort" statt erste Silbe sagen? Bei Zusammenschreibungen von mehrsilbigen Wörtern mit Verben ist oft nicht die erste Silbe betont, die Regel gilt aber trotzdem, wenn der Ton auf dem ersten Wort liegt:
zurückkommen, vorbeigehen, ...

Die Regel funktioniert verblüffend gut, als Muttersprachler wendet man sie wohl automatisch an, ohne sich ihrer bewußt zu sein. Besonders gut sieht man das an Zusammenschreibungen, die sich nur in der Betonung unterscheiden:
úmfahren - ich habe es umgefahren
umfáhren - ich habe es umfahren
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2011 um 09.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17856

Korrektur: Nicht Stang, sondern Sick hat sich als "fleischgewordenen Duden" bezeichnet. Aber gewissermaßen zu Unrecht, denn Sick muß jedesmal nachschlagen, während Stang alles auswendig hersagen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2011 um 09.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17777

Regina Jerichow hatte ja vor Jahr und Tag schon einmal den "Rechtschreib-Papst" Stang vorgestellt, wobei ihr besonders imponierte, daß er kein studierter Sprachwissenschaftler ist: "Zwar trägt er keinen Professorentitel, sondern ist ein Privatgelehrter mit mittlerer Reife, doch hat sein Name in der Fachwelt einen guten Klang."
Letzteres wollen wir doch nicht hoffen.

In Wirklichkeit geht es darum, daß der Langenscheidt-Konzern nach der Entlassung eines großen Teils der qualifizierten Mitarbeiter seine Arbeiten an schnell und billig arbeitende Externe auslagert. Die Ergebnisse verkaufen sich gut, sind aber aus fachlicher Sicht indiskutabel.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2011 um 15.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17774

Hatte ich eigentlich meine zusammenfassende Darstellung von Stangs Verdiensten hier schon mal eingerückt? Sie ist schon etwas älter, aber aus gegebenem Anlaß will ich sie noch einmal aus der Kiste holen:


Orthographische und grammatische Schriften eines Laien wären nicht der Erwähnung wert, hätte sich nicht der in Schwierigkeiten geratene Verlag Langenscheidt/Duden in den letzten Jahren darauf eingelassen, einen Teil seiner sprachpraktischen Veröffentlichungen von einem solchen Laien, dem Regensburger Postangestellten Christian Stang, erarbeiten zu lassen. Der Schaden für die Verbreitung der deutschen Sprache ist nicht zu übersehen.

Stief, Christine/Stang, Christian: Langenscheidt German Grammar in a Nutshell. Deutsche Grammatik - kurz und schmerzlos. Berlin u.a. 2002.

Laut Vorwort und Einbandtext ist das Buch auch zur Vorbereitung auf das „Zertifikat Deutsch“ geeignet; allerdings wird nicht näher mitgeteilt, worin diese Zertifikatsorientierung besteht.
Das Buch ist auf englisch in einem munteren Ton verfaßt, der dem Ausländer die Angst vor der schweren deutschen Sprache nehmen soll. Die Vereinfachung ist sehr weit getrieben, doch sollte dabei die sachliche Korrektheit nicht auf der Strecke bleiben. Unter diesem Gesichtspunkt gehe ich den Text einmal durch.
Das Büchlein beginnt mit der Behauptung, dem Substantiv gehe „almost always“ ein Artikel vorher. Ich sehe einen Leitartikel der FAZ durch, der zufällig neben mir liegt, und finde gut 50 Substantive ohne Artikel. Das ist keine Kleinigkeit und mit der später angeführten Liste von Ausnahmen kaum angemessen berücksichtigt. Auch ist es nicht zulässig, Artikellosigkeit und „Nullartikel“ ohne weiteres zu identifizieren, denn zwischen beiden Konzepten liegen theoretische Welten. Auf S. 16 stellen die Verfasser die abenteuerliche Behauptung auf, die Negation des bestimmten Artikels werde mit nicht gebildet, das unmittelbar vor den Artikel gestellt werde: Das ist nicht der Bus ins Stadtzentrum. Aber die Satznegation hat mit dem Artikel gar nichts zu tun und steht hier nur zufällig davor.
Das Genus wird in schlechter Tradition als eine verdeckte Eigenschaft der Substantive behandelt, die am Artikel zum Vorschein komme. In Wirklichkeit „hat“ das Substantiv kein Genus in dem Sinne, wie die genusfähigen Wörter es haben, sondern das Genus der Substantive besteht darin, daß sie genusfähige Artikel und Adjektive regieren.
Der Possessivartikel ist mit „Besitz“ nicht zureichend beschrieben, und „the person doing the possessing“ trifft nur einen Teil der Möglichkeiten.
Bei den Reflexivpronomina sollte die Kasusverschiedenheit erwähnt werden, die in den Beispielen vorliegt: Johann wäscht sich die Hände und Die Kinder verstecken sich im Schrank. Irreführend ist der Satz, daß -einander in Verbindung mit Präpositionen gebraucht werde; es wird selbstverständlich auch ohne solche Verbindung gebraucht.
Der Unterschied zwischen attributivem und prädikativem Gebrauch des Adjektivs wird seltsamerweise auf die scheinbar einfache Frage reduziert, ob das Adjektiv vor oder nach dem Substantiv stehe (S. 51). Darauf kommt es aber gar nicht an, denn das prädikative Adjektiv kann durchaus vor dem Substantiv stehen: Schöner ist das andere Zimmer. Deshalb ist die Darstellung flektierter und unflektierter Adjektive (S. 55) geradezu falsch.
Zu den „Adverbs of manner“ wird fälschlich auch das Satzadverb leider gerechnet. (S. 60)
Daß ganze Phrasen anstelle eines Adverbs gebraucht werden können (S. 61), ist ein Versuch, die Ebene der Satzglieder ganz zu umgehen; das dürfte kaum gelingen.
Die semantische Erklärung der Modalpartikeln (S. 62ff.) ist völlig mißlungen, da jedesmal spezielle Kontextbedingungen oder Komponenten einer bestimmten Satzbedeutung irrigerweise in die Modalpartikeln hineininterpretiert werden, etwa nach dem Muster: „Ich wollte ja nur fragen – You want to justify yourself.“ – was natürlich mit der Modalpartikel überhaupt nichts zu tun hat. Auch ist eigentlich in dem Satz Eigentlich müsste ich für meine Prüfung lernen überhaupt keine Modalpartikel, zu deren definierenden Eigenschaften ja gerade die Unzulässigkeit im Vorfeld gehört. Die Liste S. 64 gibt so nichtssagende Erklärungen wie:
„doch - You’re emphasising something.
eben - You’re emphasising your feelings.
halt - You’re emphasising your emotions.“
usw. - Das ist natürlich indiskutabel.
Die Verfasser behaupten, das Subjekt werde so nahe wie möglich zum Verb gestellt. Das ist offensichtlich unzutreffend, vgl.: Nächste Woche findet in München entgegen den ursprünglichen Verlautbarungen doch noch ein Treffen der Tarifpartner statt – ein völlig normaler Satz, aber das Subjekt steht nicht unmittelbar hinter dem Verb.
Das Modalverb möchte wird keineswegs nur oder bevorzugt in der gesprochenen Sprache gebraucht (S. 77).
Die Verfasser halten an der Lehre von den „trennbaren Verben“ fest, statt auf den rein orthographischen Charakter dieser Besonderheit hinzuweisen. Dadurch verbauen sie sich den Weg zu jener (ihnen vielleicht gar nicht bekannten) Regel, wonach beim Partizip II das Präfix ge- gesetzt wird, nämlich genau dann, wenn der Infinitiv auf der ersten Silbe betont ist.
Daß über Vergangenes „almost always“ im Perfekt gesprochen werde, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu; die Verfasser scheinen süddeutsch geprägt zu sein (vgl. auch S. 141: weil wir im Stau gestanden sind). So kommt es auch zu fragwürdigen Beispielsätzen, was den Tempusgebrauch betrifft:
Bevor wir weggefahren sind, hatte ich alle Pflanzen gegossen. (S. 103)
Als „colloquial“ wird - wegen des Indikativs in der indirekten Rede - folgendes angeführt:
Michael sagte, dass er am Samstag nicht zur Party kommen kann. (S. 110)
Die Verfasser bieten auf S. 104 einiges Übungsmaterial zur Umsetzung in das Plusquamperfekt, doch muß der Benutzer annehmen, daß die fettgedruckten Sätze auch so schon akzeptabel sind:
Nachdem wir einen Nachsendeauftrag bei der Post stellten, fuhren wir in den Urlaub.
Sollten die Verfasser anderer Meinung sein, hätten sie aus lernpsychologischen Gründen eine weniger irreführende Darbietungsweise wählen sollen.
Nicht richtig ist die Regel: „In any one sentence you use werden only once.“ Bei Das wird schon gut werden klammern die Autoren dementsprechend das werden ein, zweifellos zu Unrecht.
Der Konjunktiv II wird auf S. 111 von der würde+Infinitiv-Fügung unterschieden (das Beispiel scheint nicht zu passen! Auch auf S. 113 erwartet man verbrächte statt würde verbringen); später umfaßt er die Umschreibung als Sonderform.
In schriebe ist keineswegs ein „Umlaut“ zu erkennen! (S. 114) Dagegen liegt in fährst, nimmst usw. wirklich Umlaut vor, die Verfasser scheinen ihn jedoch mit dem Ablaut der starken Verben zu verwechseln (S. 86).
Ein schwerer Mißgriff unterläuft den Verfassern auf S. 123, wo sie ein Passiv der Modalverben lehren (modal verb form + past participle + werden in the infinitive) und mit folgenden Bespielen veranschaulichen:
Marianne soll befördert werden.
Marianne sollte befördert werden.
Marianne hat befördert werden sollen.
Marianne hatte befördert werden sollen.
Aber in allen diesen Fällen handelt es sich um das Passiv von befördern, nicht vom Modalverb sollen. Dies würde ja wird gesollt usw. lauten. Was den Verfassern dagegen völlig entgeht, ist hier wie auch später (S. 139) der Ersatzinfinitiv (sollen statt gesollt), der Ausländern viel Kopfzerbrechen bereitet.
Die angebliche Präposition bis regiert keineswegs den Akkusativ, denn in bis nächsten Mittwoch handelt es sich um den adverbialen Akkusativ.
Daß der Relativsatz „normalerweise“ unmittelbar hinter dem Substantiv steht, das er näher bestimmt (S. 144), ist nicht richtig, vgl. Dem Gesetz zufolge dürfen nur Zellen verwendet werden, die bereits vor dem 1. Januar 2002 gewonnen worden sind. (FAZ 24.12.02) - Hier ist die Extraposition des Relativsatzes völlig normal.
Zur Infinitivkonstruktion soll folgendes eine Alternative sein: Wir versuchen, dass wir Ihren Auftrag schnellstmöglich bearbeiten. (S. 147) - Das ist doch etwas seltsam.
Ein weiterer schwerer Fehler ereignet sich S. 149f. Hier postulieren die Verfasser eine von Adjektiven und Partizipien abhängige Infinitivkonstruktion:
Es ist gesund, viel Gemüse und Obst zu essen.
Viele Leute finden es unhöflich, ohne Entschuldigung deutlich zu spät zu kommen.
Aber hier sind die Adjektive Prädikativa und regieren keineswegs die jeweiligen Infinitive! Es gibt kein „gesund/unhöflich + Infinitiv mit zu“ usw.
Das Buch ist in reformierter Orthographie (Stand von 1996, inzwischen zweimal revidiert)gesetzt und enthält daher grammatische Fehler wie das tut mir Leid.


Duden: Deutsche Rechtschreibung – kurz gefasst. Von Christian Stang. Mannheim 2003

Die Darstellung ist sehr stark vereinfacht, so daß man den Eindruck gewinnen könnte, die reformierte Rechtschreibung sei tatsächlich einfacher als bisher. Dieser Eindruck soll wohl auch durch den Beispielsatz verstärkt werden: Die neue Rechtschreibung ist leichter zu erlernen als die alte. Das ist bekanntlich die Propagandaformel der Reformer, und der Verfasser weiß so gut wie die Dudenredaktion, daß sie nicht zutrifft.
Unter dem Titel „Die Laut-Buchstaben-Zuordnungen“ gehen mehrmals Lautliches und Graphisches durcheinander. So ist die „Wiedergabe der Kurzvokale“ nicht als „Schärfung“ aufzufassen, denn diese ist ein rein lautliches Phänomen. Unter „Die Wiedergabe der s-Laute“ werden im ersten Abschnitt lautliche, im zweiten schriftliche Phänomene abgehandelt (S. 10f.).
Zu ungenau ist die Angabe, Vokale würden „ohne Hilfe eines anderen Lautes“, Konsonanten „mithilfe eines anderen Lautes ausgesprochen“ (S. 7). Das gilt nicht für die Aussprache, sondern für die isolierte Anführung, etwa beim Aufsagen des Alphabets. Die Systematik von ck und tz wird auf S. 8 nicht angemessen dargestellt, so daß es zu überflüssigen Ausnahmen kommt.
Ganz schief ist die Formulierung: „Im Bereich Getrennt- und Zusammenschreibung wird die Schreibung zweier im Text aufeinander folgender Wörter geregelt.“ (S. 15) Ein großer Teil der Regeln betrifft Zusammensetzungen, also gerade nicht „aufeinander folgende Wörter“. Derselbe Fehler findet sich allerdings schon in den amtlichen Regeln (Vorbemerkungen zur Getrennt- und Zusammenschreibung).
Natürlich ist es absurd, so verschiedene Konstruktionen wie aneinander denken und durcheinander bringen (S. 16) unter den gemeinsamen Begriff „Verbindungen aus -einander plus Verb“ zu stellen. Das sollte man den Reformern (Klaus Heller vor allem) überlassen.
Dankenswerterweise stellt Stang deutlicher als der amtliche Text heraus, daß tatsächlich Apostrophschreibungen wie Manfred's Schnellgerichte (S. 42) jetzt vorgesehen sind. Allerdings ist weiterhin unklar, was der Zusatz bedeuten soll, „gelegentlich“ werde so geschrieben; solche vage statistischen Angaben haben in einer Regel nichts zu suchen.
Die schlimmsten Fehler der Neuregelung wie Recht haben, Leid tun usw. hat Stang unterdrückt, die genannten Wörter werden gar nicht erwähnt. Immerhin führt Stang das neuschreibliche Pleite gehen an, ohne auf die grammatische Unmöglichkeit hinzuweisen. (All dies haben die beiden amtlichen Revisionen inzwischen geändert.)
Leider wird die sehr umfangreiche Gruppe der weiterhin groß zu schreibenden Nominationsstereotype („feste Begriffe“ wie Gemeine Stubenfliege, Rote Taubnessel usw.) überhaupt nicht behandelt. Damit fehlt ein wesentlicher Teil der deutschen Orthographie. Stang bringt auch Begriffe wie Regierender Bürgermeister unter die Rubrik der Eigennamen, obwohl die amtliche Regelung darauf besteht, daß es keine sind (§ 64).
Die Großschreibung bei Jung und Alt usw. wird auf „Paarformeln zur Bezeichnung von Personen“ bezogen – ein Begriff, der keine Entsprechung im amtlichen Regelwerk hat.
Zur Schreibung der Tageszeiten: „Das Adverb (Umstandswort) früh kann nach den genannten Wörtern klein- oder großgeschrieben werden gestern früh /Früh.“ (S. 30) Das ist nicht im Sinne der Reformer, die erst nachträglich hier auch die Großschreibung zugelassen haben, weil sie irrigerweise meinten, daß nach der Datumsangabe auch das Substantiv (die) Früh stehen könne.
Stangs eigene Schreibweise wieder aufgenommen (S. 36) entspricht zwar der Dudenauslegung der neuen Regeln, nicht aber den neuen Regeln selbst, da wieder hier nicht die Bedeutung „nochmals“ hat (§ 34).
Zur Zeichensetzung sagt Stang einleitend: „Die Satzzeichen gliedern den Text, machen ihn übersichtlich und zeigen Pausen für das Vorlesen an.“ Damit wird die weitgehende Grammatikalisierung insbesondere des Kommas vollkommen ignoriert und eine veraltete rhetorische Funktion wiederhervorgeholt, die auf mittelalterliche Bräuche des lauten Vorlesens zurückgeht.
Eine Regel wie „Das Komma steht zwischen Satzteilen die durch Konjunktionen (Bindewörter) miteinander verbunden sind“ (S. 36) ist irreführend formuliert, und die Beispiele passen teilweise auch nicht dazu.
Zur Silbentrennung gibt Stang in Übereinstimmung mit der Dudenredaktion an, daß in Fremdwörtern auch die Buchstabengruppe str geschlossen auf die neue Zeile kommen kann. Das entspricht jedoch nicht der klaren Regelung nach § 110. Wie Stang brieflich mitteilt, hat der Reformer Augst ihn bereits auf den Fehler hingewiesen und zur Begründung der neuen Regelung angeführt, mit der neuen Trennbarkeit von st entfalle auch die alte Behandlung von str in Fremdwörtern. Damit setzt sich Augst allerdings ins Unrecht, denn § 110 zählt insgesamt Ausnahmen von der Grundregel auf, so daß auch str ohne weiteres hätte aufgenommen werden können.
Scheuringer, Hermann/Stang, Christian (2004): Die deutsche Rechtschreibung. Geschichte – Reformdiskussion – Neuregelung. Wien.
Es handelt sich um eine Neubearbeitung von Scheuringers Geschichte der deutschen Rechtschreibung. Wien 1996, vermehrt um eine Darstellung der Neuregelung und der jüngsten Revision durch Stang.
Beide Autoren bekennen sich zur Neuregelung, die sie auch mit diesem Werk weiterverbreiten wollen. Dazu gehört auch das Verächtlichmachen der Reformkritiker, besonders durch Scheuringer, während Stang, der auch im Schriftverkehr mit Reformkritikern (stets in der bewährten Rechtschreibung) immer sehr vorsichtig ist, zu größerer Sachlichkeit neigt.
Scheuringer scheint ein Opfer seines eigenen reforminduzierten Wortspiels zu werden, wenn er schreibt: „Rechtschreibung beinhaltet doch auch: 'Ich habe Recht!' Wer Recht hat, hat auch Macht und Einfluss.“ (S. 11)
Scheuringer behauptet, ohne (explizite) Rechtschreibregeln gebe es keine Rechtschreibung, sondern nur einen „Usus scribendi“ (dies schreibt er stets so, also falsch im Sinne der Neuregelung). Allerdings spricht er später (S. 17) doch auch in bezug auf die Frühzeit von einer „Orthographie“. Er gibt sich keine Mühe, die Systematik der bisherigen, in Jahrhundert enwickelten Schreibweisen zu erfassen.
Scheuringer spricht einerseits von der „stillen und wissenschaftlichen Arbeit“ des Internationalen Arbeitskreises (S. 93), höhnt aber an anderer Stelle über die Klage der Frankfurter Erklärung, daß „die hinter der Reform stehende Expertengruppe 'anonym' und im stillen Kämmerlein ohne Beteiligung der Öffentlichkeit gearbeitet habe.“ (S. 122)
Nicht nur Kultusminister Zehetmair hat aber in jenem Spiegel-Interview 1995 eingeräumt, daß die Öffentlichkeit so gut wie gar nicht informiert sei, es gibt auch viele andere Bestätigungen, z. B. von IDS-Direktor Stickel: „Aber wurde nicht doch etwas falsch gemacht bei der Reform, zumindest bei ihrer Umsetzung? 'Doch. Alle hätten wirklich mehr tun müssen, die Öffentlichkeit zu informieren und ihre Zustimmung zu gewinnen.'“ (DIE ZEIT 46, 1996, Gespräch mit Dieter E. Zimmer)
Scheuringer behauptet, die Getrenntschreibung entspreche der sprachgeschichtlichen Entwicklung, während Stang gerade umgekehrt und richtiger vom „natürlichen Trend zur vermehrten Zusammenschreibung“ spricht, der die Reformer entgegenwirken wollten.
Die Bezeichnung der Tageszeiten in heute abend und abends hält Scheuringer für „Adjektive“ (S. 110).
„In Zukunft wird genauso behandelt werden wie und und ganz normal auf die nächste Zeile rutschen, also: Zu-cker.“ (S. 113)
Warum das keineswegs „normal“ ist, erwägt er nicht.
Scheuringer bedauert, daß bei Fremdwörtern die morphologische Trennung zulässig bleibt, weil die neue Rechtschreibung damit „dem elitären Anspruch des Bildungsbürgertums weiterhin entgegenkommt“ (S. 114). - Das sind die kulturrevolutionären Töne der siebziger Jahre. Erst wenn man Nost-algie verbietet und nur Nos-talgie zuläßt, ist Bildung nicht mehr an der Schreibweise zu erkennen.
Orthographische Fehler:
der erste, als erster usw. wird regelmäßig klein geschrieben
ersterer
zu den Publikationen noch Mentrup (2004), Letztere eine höchst ausführliche Geschichte ... (hier muß Letztere klein geschrieben werden)
den Halleschen Rektor
ähnlich tief greifend gestaltet sich ...
die Heysesche s-Regelung
klein zu schreiben
gleichlautend (erst nach der Revision wieder zulässig)
Stang will die Neuregelung „einschließlich ihrer letzten Modifikationen vor der amtlichen Alleingültigkeit ab 1. August 2005 im Detail“ darstellen (S. 6, ähnlich S. 124). Als die Verfasser dies schrieben, wußten sie noch nicht, daß wenige Wochen nach dem Erscheinen des Buches der neue „Rat für deutsche Rechtschreibung“ zusammentreten würde, um die „letzte“ Fassung der Reform in eine allerletzte umzuwandeln. Die gesamte Darstellung ist also bereits überholt; sie ist aber noch aus einem anderen Grunde ohnehin unbrauchbar. Stang klammert nämlich den umstrittensten und von der Revision am stärksten betroffenen Teil, die Getrennt- und Zusammenschreibung nach § 36, vollständig aus. Eine Begründung findet man nicht, das Kapitel fehlt einfach. Glaubt Stang im Ernst, der Leser würde das gar nicht bemerken?
Es ist zwar richtig, daß die Bindestrichschreibung zur Entschärfung der neuen Dreibuchstabenregel die Großschreibung des Erstgliedes in Adjektiven wie Sauerstoff-frei zur Folge hat (S. 132); man sollte aber erwähnen, daß der Duden (K 25) und auch die Rechtschreibkommission gerade deshalb von der Bindestrichschreibung abraten.
Von den griechischen Fremdwörtern mit ph behauptet Stang, nur die Stämme phon und graph würden fakultativ mit f geschrieben: „Die Schreibung aller anderen griechischen Fremdwörter wird nicht verändert.“ (S. 134) Offenbar hat er Delfin und Fantasie übersehen, ebenso das nicht zugehörige Kolofonium. Es trifft auch nicht zu, daß die Eindeutschung Filosofie „zu keiner Zeit in Betracht gezogen“ worden wäre – so inkonsequent waren die Reformer nun auch wieder nicht.
Die volksetymologischen Schreibungen wie Zierrat bleiben unkommentiert.
Die Darstellung der neuen ss-Regel ist geradezu irreführend, weil sie das Kriterium der Betonung unterschlägt. Nach Stangs Formulierung müßte es zu Tausenden von Fehlschreibungen wie Erlebniss usw. kommen.
„Das Wort Spaß wird trotz der unterschiedlichen Aussprache immer mit ß geschrieben.“ (S. 128) – Die Revision läßt für Österreich auch Spass zu (das schon länger im ÖWB steht, aber noch nicht im neuesten Duden).
„Das Wort selbständig kann auch selbstständig geschrieben werden.“ (S. 132) – Nein, das Wort selbständig wird selbständig geschrieben, und das Wort selbstständig wird selbstständig geschrieben. Das ist ganz genauso wie bei Rindsbraten und Rinderbraten: beide Wörter bedeuten dasselbe, aber sie sind verschieden gebildet und daher nicht dasselbe Wort in veschiedenen Schreibweisen.
Die Nichttrennung der Buchstabengruppe str (wie in Lustrum, Magistrat) ist entgegen Stangs Meinung seit 1996 nicht mehr zulässig (S. 139).
In irrewerden sieht Stang ein „Substantiv“ als ersten Bestandteil.
Die Behauptung, daß zusammengesetzte Fremdwörter mit unselbständigem Erstglied stets zusammengeschrieben werden (Afrolook), wird durch das kurz zuvor angeführte Moto-Cross (mit Bindestrich) widerlegt. (S. 150)
Die Großschreibung von Fachausdrücken wie Roter Milan ist keineswegs ein Ergebnis der Revision von 2004.Die Einschränkung auf biologische Begriffe war eine Fehldeutung der Regelung von 1996. Die nochmalige Erwähnung von botanischen und zoologischen Fachausdrücken (das Fleißige Lieschen) ist ein ungeschickter Versuch, die bisherige Deutung mit der neuesten zusammenzuführen.
„Paarformeln für die Bezeichnung von Personen werden grundsätzlich großgeschrieben.“ (S. 155)
Der Begriff der Paarformel hat keine Entsprechung in der amtlichen Regelung, sondern ist eine Interpretation. Falsch ist die folgende Auskunft:
„Nach der bisherigen Regelung musste zwischen ungebeugten und gebeugten Paarformeln (groß und klein vs. die Großen und die Kleinen, arm und reich vs. die Armen und die Reichen) differenziert werden.“ In Wirklichkeit unterschied der Duden zwischen wörtlichem und übertragenem Gebrauch („jedermann“), ganz unabhängig von der Beugung.
In der Reihe der neuen, z. T. grammatisch falschen Großschreibungen (Leid tun, Pleite gehen) fehlt Recht haben. (S. 155)
Während sehr vieles fehlt, erwähnt Stang überflüssigerweise manches, was vor 12 Jahren geplant war, aber nicht durchgesetzt werden konnte.
Die Abbildungen sind z. T. sehr schlecht.
Druckfehler:
Laboratium (Laboratorium), Grizzylbär (Grizzlybär)
Das Buch beweist, daß selbst Leute, die sich unablässig mit der Rechtschreibreform beschäftigen, längst den Überblick verloren haben. Das Buch wurde „gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Wien“.


Langenscheidt: Die neue Rechtschreibung – kurz und schmerzlos. Von Christian Stang. 2005

Das Heftchen ist mit 5 Euro ungewöhnlich teuer; auf dem Einband steht „SUPERPREIS“.
Den Einband schmückt eine Art Siegel mit der Inschrift „lt.Kultusministerkonferenz verbindlich ab 1.8.2005“.
Das Vorwort verbreitet die von den Kultusministern in die Welt gesetzte Legende, daß nur für die vom Rat bereits besprochenen Bereiche Änderungsvorschläge zu erwarten sind.
Obwohl der Verfasser wissen dürfte, daß Formen wie Pleite gehen usw. grammatisch falsch sind, propagiert er die gesamte Reform ohne jede Andeutung besserer Einsicht.
Der Bindestrich „zur besseren Lesbarkeit“ bei drei gleichen Buchstaben führt zu Brenn-Nessel, Press-Sack usw., völlig korrekt, und zu den Adjektiven Fett-triefend, Schnee-erhellt (diese Rarität schleppt sich seit Jahrzehnten durch die Rechtschreibliteratur), See-erfahren, für die es im amtlichen Regelwerk keine Beispiele gibt und von denen die Reformkommission zuletzt wegen der unerwünschten Großschreibung abgeraten hat.
Triumph hält der Verfasser für ein griechisches Wort.
he-ran ist keineswegs eine Trennung nach Sprechsilben.
In irrewerden, wettmachen stecken keine ursprünglichen Substantive.
Warum soll der erste Bestandteil von feilbieten nicht selbständig existieren?
Das Verbot von Zusammenschreibungen mit sein soll „ganz ohne Ausnahme“ gelten. Das ist nicht wahr, denn die amtliche Revision hat schon wieder beisammengewesen, zurückgewesen.
Die Möglichkeit der Zusammenschreibung von mehrteiligen Fremdwörtern ist nicht auf das Englische beschränkt. (S. 31) Dies bezieht sich vielmehr nur auf Verb+Adverb.
Die Großschreibung fester Begriffe ist nicht auf Botanik und Zoologie beschränkt; Stang widerspricht sich gleich danach selbst, indem er „bestimmte Fachsprachen“ erwähnt. (S. 36) Außerdem widerspricht er sich im Glossar (zu „Eigenname“).
Die Schreibung der Tageszeiten ist falsch dargestellt, denn die bisherige Entsprechung zu morgen abend war Donnerstag abend; daneben gab und gibt es weiterhin den Donnerstagabend.
Es ist unrichtig, daß andere groß geschrieben wird, wenn es nicht als Zahladjektiv gebraucht wird. (S. 38)
Die „Duden-geprüfte Wörterliste“ am Ende des Heftes enthält als angebliche Altschreibung „Feind - jemandem feind bleiben“. Das suggeriert irreführenderweise, daß es bisher nur das Substantiv gegeben habe, das dann seltsamerweise klein geschrieben wurde, so daß die Neuregelung als konsequente Bereinigung erscheinen könnte.
noch mal wird seit 2004 wieder getrennt geschrieben.
Der ganze Komplex Aufsehen erregend, Eisen verarbeitend ist ausgelassen, kommt nur indirekt im Wörterverzeichnis vor. Überhaupt fehlt alles Problematische, die Darstellung ist höchst unvollständig und gibt keinen zutreffenden Eindruck von den Schwierigkeiten der Reform.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.01.2011 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17773

Aus Christian Stangs Feder stammen unter anderem die Werke Langenscheidt – Die neue Rechtschreibung – kurz und schmerzlos sowie Rechtschreibung und Grammatik – leicht gemacht. Nun, wer es schafft, die reformierte Rechtschreibung schmerzfrei zu vermitteln oder die schwere deutsche Grammatik mit einem Büchlein leicht zu machen, der hat einen Verdienstorden tatsächlich verdient!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2011 um 10.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#17770

Herzlichen Glückwunsch zum Verdienstorden! Wie Herr Stang selbst sagt, ist das die erste Stufe zum Bundesverdienstkreuz, für das er aber erst 40 werden muß. Das wird schon noch.

www.nwzonline.de

Stang gibt vor, nicht zu wissen, wer ihn vorgeschlagen hat. Ich tippe auf den Duden, als dessen fleischgewordene Manifestation er sich selbst ja betrachtet.

Ich war es jedenfalls nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2009 um 17.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#14227

Sogar die FAZ porträtiert den Wunderknaben. Nach der Lektüre habe ich keine rechte Lust mehr, Stangs Produkte zu kritisieren. Mögen Duden und Langenscheidt mit ihm glücklich werden!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2009 um 18.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=723#13982

Die Nürnberger Nachrichten interviewen Christian Stang, den "Sprach-Papst". Auszug:

"Stang: Der ewig falsche Apostroph ist unsäglich. Ich habe dazu auch mal einen Beitrag veröffentlicht. Aber die neue Rechtschreibung besagt, man könne ihn akzeptieren, wenn er hilft, Unterschiede klar zu machen. Zum Beispiel den: Die Imbissbude von der Andrea ist nach geltender Rechtschreibung «Andreas Imbissbude«. Damit wird aber zunächst aus dem weiblichen Vornamen ein männlicher. Deshalb erlaubt das neue Regelwerk zur Verdeutlichung die Schreibweise «Andrea‘s Imbissbude«.

NN: Das ist doch Unsinn. Wäre der Budenbesitzer der Andreas, dann hieße es eben Andreas‘ Imbissbude...

Stang: Aber das weiß doch heute kein Mensch mehr!"

Beachtenswert ist die sachkundige Feststellung der Redakteurin Elke Grasse-Reitzner. Stang könnte übrigens noch einen Satz anfügen. Denn warum weiß heute kein Mensch mehr, wozu der Apostroph eigentlich dient? Weil die Reform unter kräftiger Mithilfe Christian Stangs es in Vergessenheit gebracht hat!

Im selben Gespräch behauptet Stang übrigens, heute müsse man Preßsack mit drei s schreiben, und vergißt zu erwähnen, daß dies nur für die Schule gilt.
 
 

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