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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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12.07.2006
 

Vier Farben sind nicht genug
Der Duden muß noch bunter werden

Wie der neue Wahrig, so unterdrückt auch der neue Duden die seit 1996 bzw. 2004 gültigen Schreibweisen, die in der Schule für die nächste Zeit weiterhin geduldet werden müssen. Sie hätten im jetzt vierfarbigen Duden verzeichnet und mit einer fünften, vielleicht sogar sechsten Farbe gekennzeichnet werden müssen.
Ein Schüler mag, wie er es in den letzten zehn Jahren nie anders gelernt hat, "Leid tun" schreiben – der Lehrer, mit dem neuen Duden bewaffnet, wird es zu Unrecht als Fehler anstreichen. Auch der Duden ist daher für die Schule nicht geeignet. Dies ist das erste, was ich zur Neubearbeitung bemerken möchte. Man braucht sich daher eigentlich gar nicht mehr mit diesem Machwerk zu befassen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man sieht, daß das Wort "dagewesen", eine Neuerung im amtlichen Wörterverzeichnis und vom Wahrig ausdrücklich als Ausnahme (vom Verbot der Zusammenschreibung mit "sein") vermerkt, als Stichwort einfach weggelassen ist. Nur unter "da" findet man zu "da gewesen" als Variante "dagewesen". Natürlich empfiehlt die Redaktion die Schreibweise "da gewesen", aber für die Substantivierung inkonsequenterweise "etwas noch nie Dagewesenes".

Manche Seiten flimmern geradezu vor den Augen, so bunt sind sie (z. B. S. 1126f.), aber sie sind noch bei weitem nicht bunt genug. Deutlicher könnte das Debakel der Reform nicht werden.



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Kommentare zu »Vier Farben sind nicht genug«
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Kommentar von Duden, 12. 7. 2006, verfaßt am 12.07.2006 um 19.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4745

Mannheim (ots) -

Der neue Duden kommt am 22. Juli 2006 in den Handel. Das Standardwerk "Die deutsche Rechtschreibung" aus dem Mannheimer Dudenverlag erscheint in 24., völlig neu bearbeiteter und erweiterter Auflage. Der Duden vermittelt die deutsche Rechtschreibung mit allen ab August 2006 für Schulen und Behörden verbindlichen Schreibungen, Worttrennungen und Regeln. Alle neuen Schreibungen und Worttrennungen sind zur besseren Übersicht rot hervorgehoben.

Premiere haben die "Duden-Empfehlungen": In allen Fällen, in denen die neue Rechtschreibung für ein Wort mehrere Schreibweisen zulässt, gibt der Duden erstmals eine Empfehlung. Die von der Dudenredaktion empfohlenen Schreibweisen sind durch gelbe Unterlegung gekennzeichnet. "Unsere Empfehlungen sind als Angebot und Entscheidungshilfe zu verstehen", kommentiert Matthias Wermke, Leiter der Dudenredaktion. Nach dem langjährigen Hin und Her um die Rechtschreibreform gebe es ein starkes Bedürfnis nach Klarheit und verlässlicher Orientierung. Medien, Unternehmen, Verlage, Lektorate, Korrektorate, Redaktionen und Privatpersonen, die Wert auf eine einheitliche Orthografie legen, werden von den Empfehlungen profitieren. "Jeder ist dazu eingeladen, dieses Angebot zu nutzen", betont Wermke und fügt lächelnd hinzu: "Bei uns im Dudenverlag sind die Empfehlungen selbstverständlich verbindlicher Standard für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und alle Produkte."

Besonders am neuen Duden sind auch sein Umfang und seine Aktualität. Umfangreich wie nie zuvor, informiert er über die korrekte Schreibweise von erstmals rund 130 000 Stichwörtern mit über 500 000 Beispielen, Bedeutungserklärungen und Angaben zu Worttrennung, Aussprache, Grammatik, Stilebenen und Etymologie. "Internettelefonie", "kleinreden", "Publikumsjoker", "Sudoku", "Telenovela" und "USB-Stick" gehören zu den mehr als 3 000 neu aufgenommenen Wörtern.

Der neue vierfarbige Druck, das neue Griffregister und die erstklassige typografische Gestaltung machen das meistgebrauchte deutsche Wörterbuch äußerst benutzerfreundlich.

Den unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen entsprechend wird die 24. Auflage des Standardwerks der deutschen Rechtschreibung auf allen etablierten technischen Plattformen zur Verfügung stehen. Digital bietet der Duden zusätzlich akustische Aussprachehilfe zu über 9 000 schwierigen Wörtern auf Basis der Vertonungen durch die Aussprachedatenbank der ARD.

Der neue Duden kommt - zum alten Preis - als 1 216 Seiten starkes Buch für 20 Euro, als Kombiprodukt aus Buch und CD-ROM (Expressversion) für 25,50 Euro, als CD-ROM für Windows, Mac OS X und Linux für 19,95 Euro sowie als Software für Handhelds für ebenfalls 19,95 Euro.

Der Dudenverlag startet darüber hinaus zusammen mit dem teilnehmenden Buchhandel pünktlich zum Erstverkaufstag am 22. Juli 2006 eine besondere Aktion. Jeder Kunde kann beim Kauf eines neuen Rechtschreibdudens (Buch, Kombiversion, CD-ROM) seinen alten Duden (nur Buch) in Zahlung geben und dafür vom teilnehmenden Buchhändler je nach Erhaltungszustand des Buches bis zu vier Euro vergütet bekommen. Die Aktion gilt in allen deutschsprachigen Ländern und endet am 31. Dezember 2006.

Aktuelle, verbindliche und einheitliche deutsche Rechtschreibung aus dem Hause Duden: Am 22. Juli 2006 werden auch die Produkte zur Rechtschreibprüfung für Microsoft Office und OpenOffice.org in neuer Version vorliegen. Besitzer der Versionen "Duden Korrektor 3.5" und "Duden OpenOffice.org Suite" werden ihre Software kostenlos online aktualisieren können. Mehr Informationen gibts auf der Homepage der Rechtschreibexperten unter http://www.duden.de.

Duden - Die deutsche Rechtschreibung

24., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage
Herausgegeben von der Dudenredaktion
Auf der Grundlage der neuen amtlichen Rechtschreibregeln
Rund 130 000 Stichwörter mit über 500 000 Beispielen, Bedeutungserklärungen und Angaben zu Worttrennung, Aussprache, Grammatik, Stilebenen und Etymologie
1 216 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-411-04014-8, ISBN-10: 3-411-04014-9
Ladenpreis 20,- EUR [D]; 20,60 EUR [A]; 35.10 sFr.
Dudenverlag Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich
2006

Buch plus CD-ROM für Windows, Mac OS X und Linux (Office-Bibliothek Express)
ISBN-13: 978-3-411-70924-3, ISBN-10: 3-411-70924-3
Ladenpreis 25,50 EUR [D]; 26,30 EUR [A]; 47.- sFr.

CD-ROM für Windows, Mac OS X und Linux
(Office-Bibliothek)
ISBN-13: 978-3-411-06535-6, ISBN-10: 3-411-06535-4
Ladenpreis (unverbindliche Preisempfehlung):
19,95 EUR [D]; 20,70 EUR [A]; 36.80 sFr.

CD-ROM-Systemvoraussetzungen:

Windows:
- PC mit Pentium-Prozessor oder leistungsfähiger
- Windows 2000/XP

Mac OS X:
- MAC OS X 10.2 oder höher

Linux:
- PC mit Pentium-Prozessor oder leistungsfähiger
- getestet unter Suse 10.0

Für alle Betriebssysteme gilt:
- mindestens 180 MB freier Festplattenspeicher
- CD-ROM-Laufwerk


(news aktuell, 12. Juli 2006)
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 09.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4755

Ha! Alten Duden in Zahlung geben! Damit sie dieses Schundwerk vernichten können (oder zur nächsten reformerischen Peristaltik einfach eine neue Auflagenzahl draufkleben).
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 13.07.2006 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4759

Also eine weitere Verschlimmbesserung der Situation. Schulen werden erfreut hören, daß man die neuen Wälzer wegen der fatalen Unvollständigkeit nicht kaufen muß, sondern meiden sollte. Diese wichtige Erkenntnis sollte schnellstmöglich verbreitet werden, um Verschwendung von Steuergeldern zu verhüten. Die Landesrechnungshöfe informieren!
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 13.07.2006 um 13.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4761

Komiker

Der Rücknahmebetrag richtet sich also nach dem Erhaltungszustand des DUDEN. Je gebrauchter, desto mehr gibt´s zurück - oder? Aber was haben die mit den zurückgegebenen Exemplaren vor?

Wermke verkündet "lächelnd", daß die Empfehlungen im eigenen Hause vorgeschriebener Standard sind. Da lächeln wir gern mit.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 14.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4763

Aufruf


DUDEN-Bücherspende für Sibirien!
Mannheim hilft: Gelbe Wärme für den nächsten Winter!

Ich rufe alle Besitzer jeglicher Duden-Auflagen jenseits der 21. auf, ihre Ausgaben dem Deutschen Roten Kreuz für die Unterstützung sibirischer Landfamilien zu übergeben. Durch diese Aktion können im Winter zahlreiche arme Menschen vor dem sicheren Kältetod bewahrt werden!

Der Duden, einmal im Ofen richtig warmgeworden, ist ein echter Gluthalter und liefert eine Energieleistung, die sich mit der eines lausitzer Briketts vergleichen läßt. Duden-Stapel sind deshalb ideale nachwachsende Energieträger mit einer weitgehend neutralen CO2-Bilanz.

Auch im heimischen Dauerbrandofen oder Kamin sorgen die kleinen Energiepakete für knisternde Gemütlichkeit. Während Oma auf der Dudenglut ihre zauberhaften Bratäpfel macht, liest Opa im Kreise der ums Feuer gelagerten entzückten Enkel Grimms Märchen in traditioneller Rechtschreibung vor. Auch Papa freut sich: Im Bücherregal ist endlich wieder Platz, und das Sodbrennen ist plötzlich auch weg!

Heizen mit dem Duden – das ist saubere Energie für morgen. Immer verfügbar! Immer billiger! Und immer gelber! Achten Sie auf die Umwelt und geben Sie dem Duden die Chance, sich endlich irgendwie nützlich zu machen!

Die Spende ist als Fachliteratur zu hundert Prozent absetzbar!
 
 

Kommentar von Bundesverband nachwachsende Energie, verfaßt am 13.07.2006 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4766

Rückgetauschte Duden-Exemplare für Heizzwecke können bei menges@bifab.de palettenweise angefordert werden.
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 13.07.2006 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4768

Mein Duden von 1986 (19. Auflage) hat 792 Seiten, bei jetzt 1216 Seiten sind also innerhalb von 20 Jahren 424 Seiten hinzugekommen, das entspricht einer Steigerung von 53,5 %. Die Anzahl der Stichwörter ist in diesem Zeitraum lediglich um 18,2 %
von 110.000 auf 130.000 gestiegen, während die Zahl der Beispiele mit 500.000 nach Duden-Angaben gleichgeblieben ist. Sind also 35,3 % mehr Seiten eine Folge der Rechtschreibreform? Beweist nicht allein das überproportionale Wachstum der Seitenzahl des neuen Duden, daß die Rechtschreibung verkompliziert wurde, anstatt sie zu vereinfachen?

PS: Was wiegt die neue Schwarte eigentlich? Ist das Gewicht auch "benutzerfreundlich" – insbesondere für Schulkinder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.07.2006 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4769

Nach Durchsicht des neuen Duden kann ich folgendes feststellen: Die Redaktion versucht mit ihren "Empfehlungen" fast durchweg, die Arbeit des Rechtschreibrates zu unterlaufen. Sie befindet sich auf der Linie Gallmanns (gegen Eisenberg). Zwar sind die in so vielen langen, mühevollen Sitzungen wiedergewonnenen Schreibweisen - selbstverständlich - verzeichnet, aber durch die gelb unterlegten Empfehlungen, die ja vom Duden in die Redaktionssysteme der Zeitungen geschleust werden sollen, werden sie gleich wieder unwirksam gemacht. Als Begründung wird angegeben, daß die Reformschreibungen einfacher in Regeln gefaßt werden können. Die Qualität der Schreibweisen spielt keine Rolle. Es bleibt also bei exzessiver Getrenntschreibung (mit Verben und Partizipien: "Händchen haltend", "Not leidend", "frei laufende Hühner") und bei sinnstörender Großschreibung ("bei Weitem", "aufs Schönste" usw.). Das muß besonders für Zehetmair ein Schock sein, hatte er doch auf Pressekonferenzen zufrieden grinsend berichtet, nun sei die Unterscheidung von "sitzenbleiben" (in der Schule) und "sitzen bleiben" (auf dem Stuhl) wieder möglich. Der Duden will davon nichts wissen: "Die Grundregel, nach der zwei Verben getrennt geschrieben werden, ist so eindeutig und einfach, dass wir ihre Anwendung auch bei übertragenem Gebrauch empfehlen." Ergebniszusätze werden durchweg vom Verb getrennt geschrieben ("klein schneiden" usw.) Die Großschreibung fester Begriffe soll nach Duden auf ein Minimum beschränkt werden, Kleinschreibung nach Möglichkeit durchgesetzt werden ("der runde Tisch" - ohne Variante nur so angegeben!). In allen kritischen Punkten entspricht der Wahrig viel besser den Ergebnissen des Rechtschreibrates. Nur der Dudenverlag hat auch die Stirn, den jetzt erreichten Zwischenstand als "definitv", "endgültig" und "abgeschlossen" zu bezeichnen - eine glatte Propagandalüge.
Ich kann mich nicht entsinnen, daß aus dem Hause Duden je ein solches Machwerk gekommen wäre; man hat ja dort kein solches Malheur wie den Götze-Bertelsmann von 1996 im Keller.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4771

Neuere Duden-Ausgaben sind v. a. deshalb viel opulenter, weil sie viel mehr unbedruckte Fläche enthalten als früher. Damit spiegeln sie rein umfangsmäßig außerdem noch vor, ein Großwörterbuch zu sein, ohne daß dies inhaltlich der Fall ist.

Je mehr Papierfläche unbedruckt ist, desto besser ist es übrigens auch für den Kaminzug, der dann nicht so schnell versottet.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.07.2006 um 19.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4778

Über die Pressekonferenz vor einem Monat, in der Brockhaus-Vorstandssprecher Alexander Bob die 24. Duden-Auflage ankündigte, berichtete dpa am 12. Juni u.a.: "Bei der Frage 'Grafik' oder "Graphik" etwa plädiert der Duden künftig für erstere Variante, weil diese die gebräuchlichere sei. Empfohlen wird auch 'sogenannt' in einem Wort, genauso wie 'abscheuerregend'. Nach welchen Kriterien die Empfehlungen ausgesprochen werden, will der Verlag im Vorspann des Standardwerkes erläutern."

Man fragt sich im nachhinein, welchem Zweck diese Konferenz diente, außer dem, sich Bertelsmann gegenüber rechtzeitig in Position zu bringen. Weiter stellt sich die Frage, wieviel die Springer AG wußte, als sie sich auf die Kooperation mit Duden einließ. Es scheint hier - und das ist noch die freundlichste Deutung - eine Katze im Sack durchgereicht worden zu sein, mit Zehetmair als erstem Mann in der Reihe und zugleich als Spiritus rector. Auch sonst ist sein Eifer bei der Befriedung der Rechtschreiblandschaft bemerkenswert. So führte er vor der Entscheidung der MPK am 30. März ein Gespräch mit dpa, das den Zeitangaben der Agentur zufolge nur in den frühen Morgenstunden stattgefunden haben kann. Ich glaube nicht, daß er jetzt besonders schockiert ist.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 13.07.2006 um 20.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4781

Der Rechtschreibrat als Haufen "frei laufende Hühner", der höchstens noch gackern kann!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 13.07.2006 um 20.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4782

Schockiert wäre der alte Fuchs, wenn die FAZ sich im August, oder wann sonst es zum Schwur kommen soll, auf die Seite ihrer Leser stellte.
 
 

Kommentar von Kündiger, verfaßt am 13.07.2006 um 20.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4784

Ich habe meine Abos der ZEIT und meiner regionalen Tageszeitung nach deren Umstellung auf den Deformschrieb gekündigt, und ich werde nicht zögern, auch der FAZ zu kündigen, sollte ich gezwungen werden, in ihr wieder ein "dass" lesen zu müssen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.07.2006 um 04.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4785

Theodor Ickler:
Nach Durchsicht des neuen Duden kann ich folgendes feststellen: Die Redaktion versucht mit ihren "Empfehlungen" fast durchweg, die Arbeit des Rechtschreibrates zu unterlaufen. Sie befindet sich auf der Linie Gallmanns (gegen Eisenberg). Zwar sind die in so vielen langen, mühevollen Sitzungen wiedergewonnenen Schreibweisen - selbstverständlich - verzeichnet, aber durch die gelb unterlegten Empfehlungen, die ja vom Duden in die Redaktionssysteme der Zeitungen geschleust werden sollen, werden sie gleich wieder unwirksam gemacht. Als Begründung wird angegeben, daß die Reformschreibungen einfacher in Regeln gefaßt werden können. Die Qualität der Schreibweisen spielt keine Rolle. Es bleibt also bei exzessiver Getrenntschreibung (mit Verben und Partizipien: "Händchen haltend", "Not leidend", "frei laufende Hühner") und bei sinnstörender Großschreibung ("bei Weitem", "aufs Schönste" usw.).

Na super. Not leidend, frei laufend, bei Weitem, aufs Schönste als Duden-Empfehlung, das wird nicht ohne Wirkung bleiben. Andererseits werden sich die besseren Schreibweisen notleidend, freilaufend, bei weitem, aufs schönste nur unwesentlich zurückdrängen lassen, jedenfalls niemals ausrotten lassen. Das bedeutet, daß man die Einheitlichkeit der Rechtschreibung jetzt nun wirklich vergessen kann. In allen diesen Fällen ist die "Begründung" der Duden-Redaktion auch vollkommen unrealistisch, daß die empfohlenen Schreibweisen den Schreibern entgegenkämen, weil sie sich angeblich leichter aus Regeln ableiten ließen. Für mich ist diese Begründung eine reine Lüge. Ich nehme an, der Duden versucht die ungeeigneten Schreibweisen vor allem deshalb durchzusetzen, damit die Verwirrung möglichst groß bleibt und immer mehr Kunden die Notwendigkeit empfinden, auf Lexika und Software des Hauses Duden zu vertrauen. Die reine Lust an der Zerstörung muß es nicht sein, aber die reine Geldgier, das ist ein plausibles Motiv des Mannheimer Zerstörungsdrangs.

Ich frage mich auch: Mit welcher Begründung will der Duden eigentlich jemals seine Empfehlungen revidieren und beispielsweise die bessere Schreibweise bei weitem empfehlen, die im ganzen 20. Jahrhundert selbstverständlich war? Die Rückkehr zur Vernunft wäre nur noch möglich, wenn der Rat für Rechtschreibung die Schreibweise bei Weitem abschafft, ähnlich in tausend anderen Fällen von ungeeigneten Empfehlungen. Das ist nicht zu erwarten, denn mit welcher Begründung will der Rat für Rechtschreibung eine reformierte Schreibweise aus der Welt schaffen, die der Duden empfiehlt und über seine Korrekturprogramme verbreitet? Der Duden ist ja selber im Rat wortführend vertreten.

Die Frage ist, wie sich zum Beispiel die Schweizer Zeitungen verhalten, die sich vernünftigerweise vorgenommen haben, wo immer möglich die bewährte Schreibweise zu verwenden, zum Beispiel bei weitem. Die Folge wäre, daß man in der Schweiz (überwiegend) bei weitem schreibt, in Deutschland gemischt bei weitem und bei Weitem. Dieselbe Front ergibt sich bei allen Verlagen, die noch auf eine Spur von Textqualität und Leserfreundlichkeit Wert legen. In der Werbung hingegen wird man sich vermutlich achselzuckend an den Duden-Richtlinien orientieren, vor allem mangels irgendeiner anderweitigen Möglichkeit der Einigung auf Schreibweisen. Somit wird die Uneinheitlichkeit ein neues Maximum erreichen, und ein Ende ist nicht abzusehen.

Mich befriedigt daran immerhin, daß unsere Warnungen, die Reform werde ein unglaubliches Durcheinander der Schreibweisen erzeugen, solange sie in Kraft bleibt, noch deutlicher als bisher bestätigt sein werden. Sogar den dümmsten Lehrern traue ich zu, daß sie über die Reform verzweifeln, wenn sie laut Duden plötzlich bei Weitem etc. empfohlen bekommen. Wie viele Millionen Male werden sie die Frage stellen: Soll ich jetzt bei weitem oder bei bei Weitem schreiben, unterrichten, empfehlen, korrigieren? Dasselbe in allen anderen Fällen der falschen Empfehlungen.

Viel Freude werden auch die Kultusminister damit haben. Ihre Lügen werden noch unverschämter sein als bisher.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz korr, verfaßt am 14.07.2006 um 07.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4787

Die nicht zu verhindernden Folgen von „bei Weitem“ und anderer Beliebigkeiten

Im Aschendorff Verlag (Münster) ist ein vom Material her liebevoll ausgestattetes Buch herausgekommen (2002) mit Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Mitglieder des Rotary Club Warendorf, also allesamt Bürger mit angesehenen Berufen und höherer Schulbildung, berichten ihre Kriegserlebnisse. Im Gegensatz zur äußeren Aufmachung entbehrt die textliche Darstellung jeder verantwortlichen Sorgfalt. Man bemüht sich um Neuschrieb. Die Zerstückelungen und die manischen Großschreibungen stören beim Lesen. Man muß sich schon fragen, welches Sprachgefühl Personen haben, die Sätze wie diesen für druckreif erklären (auch der Fallfehler ist im Original so enthalten):

„Meine Erlebnisse habe ich damals Niemanden erzählen können. Es hat mich niemand danach gefragt.“ (Seite 75)

Diese Passage gab dem Buch übrigens seinen Titel: „Es hat mich niemand gefragt“. Umso schlimmer ist, daß nicht auffällt, wenn ein und dasselbe Wort hintereinander einmal groß und einmal klein geschrieben daherkommt.

Daß nach Zwielauten immer wieder ein ss geschrieben wird, muß nicht wundern, da „heiß“ einfach kurz klingt. Schlimmer ist der Zerfall der Sprachstruktur, und damit verbunden, der Rückgang des strukturellen Denkens. Immer öfter begegne ich, vor allem in Lehrerpost, großgeschriebenen Superlativen und Attributen. Sobald direkt vor einem Adjektiv ein Artikel steht, scheint der Zwang zum Großschreiben besonders stark zu wirken. Wenn selbst Lehrer mit ihrer Muttersprache auf Kriegsfuß stehen, wie sollen da Schüler Rechtschreibung und Grammatik lernen! Inzwischen etablieren sich auf dem Lernhilfenmarkt zwielichtige Angebote: unseriöse Verleger haben den Markt als „Geldmaschine“ entdeckt und bedrucken Papier mit Buchstaben. Oft schon habe ich mich gefragt, weshalb Lehrer Machwerke kaufen, die sich „Lernhilfe“ nennen, aber selbst von Fehlern strotzen. Offensichtlich fallen den Pädagogen selbst gröbste Schnitzer nicht mehr auf. Oder sie sind ihnen gleichgültig. Die Folgen sind verheerend: ein Fehlerkreis.

Die Latte bei Anforderungen herunterzusetzen hat sogleich und ausnahmslos zur Folge, daß man sich an das niedrigere Niveau anpaßt. Der Mensch ist ein bequemes Tier. Er strengt sich nicht ohne Not an. Offensichtlich werden durch die falschen Schreibweisen heute die einfachsten Satzstrukturen nicht mehr durchschaut. Doch ungerührt wird von den Verantwortlichen das Zerstörungswerk fortgesetzt. Das gleiche erleben wir bei den sogenannten „Gesundheitsreformen“. Das Karussell der Besitzstandswahrung dreht sich immer schneller. Und wo sich staatliche Organe einmischen, bleibt endlich kein Stein auf dem anderen. Auf eine Umkehr der Vernunft muß man nicht hoffen. Die untragbar gewordenen Umstände selbst werden eines Tages eine Neuordnung erzwingen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4788

Noch immer führt der Duden heute Früh als mögliche Schreibweise an, obwohl "die Früh" nicht einmal als Stichwort verzeichnet ist; nur unter "Frühe, die" steht es als Kurzform, aber heute Frühe ist ja gänzlich ausgeschlossen. Die Streichung dieses Fehlers liefe allerdings auf das Eingeständnis hinaus, daß auch die Reformschreibung heute Abend usw. unberechtigt ist, weil hier für ein Substantiv kein Platz ist. Auch der Duden läßt offen, ob es neulich Abend heißen soll, denn das Adverb neulich fehlt in der geschlossenen Liste der Zeitangaben, die mit Großschreibung der Tageszeiten einhergehen sollen. Auf diese Lücke ist jahrelang hingewiesen worden.

Disstress wird empfohlen gegenüber Dysstress und zugleich als griechisch-englisch gekennzeichnet, was aber nur für das zweite zutrifft, die eigentliche Gegensatzbildung zu Eustress; daher sind die beiden unterschiedlichen Bildungen auch keine bloßen Schreibvarianten voneinander.

Duden empfiehlt BaföG; das ist unrealistisch, Bafög ist längst häufiger und wird sich durchsetzen, ebenso wie Backup gegenüber dem ausdrücklich empfohlenen Back-up (bei sonst weitgehender Verschmähung des Bindestrichs durch die Duden-Empfehlungen).
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 14.07.2006 um 09.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4789

"Nur der Duden ist der Duden" steht in der Werbung. Das ist als platte Tautologie zwar keine Lüge, aber eine horrende Unwahrhaftigkeit, weil der Duden nicht mehr das ist, was er mal war, mit dieser Aussage aber darauf baut, daß das alte Vertrauen in diesen Namen noch da ist.
Was er jetzt aber eigentlich IST, steht natürlich nicht in der Werbung - wer wüßte das auch bündig zu sagen, um es z.B. einem Ausländer zu erklären? Ein Abbild deutscher Schriftwirklichkeit ist Duden24 nicht. Die "Empfehlungen" vollenden die Zerstörung dieser früheren Funktion. Er zeigt nicht mehr, wie in deutscher Sprache geschrieben wird, sondern wie nach der Vorstellung einer Personengruppe geschrieben werden sollte. Wen hätte das zu interessieren? Wem könnte das nützen? Wer braucht das? Ohne Umwege gleich nach Sibirien damit, im September muß man da schon wieder heizen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 09.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4790

Die Großschreibung "bei Weitem" usw. (ein rundes Dutzend Fälle) stammt ja bekanntlich nicht aus der Reform von 1996, sondern aus dem Kopf des Reformers Gallmann, der auf allen Gebieten ein erklärter Feind des in Jahrhunderten gewachsenen Schreibgebrauchs ist. Wie er glaubt, daß es richtig sei, so muß geschrieben werden, und zwar ohne "Ausnahmen"! Erstaunlicherweise hat Gallmann schon die Kommission dazu bringen können, ihm zu folgen, und den Rat natürlich erst recht (der hat es, genauer gesagt, gar nicht erst thematisiert). Unterstützung könnte er von Ratsmitglied Schrodt bekommen haben (dessen Diktion ich übrigens hier schon mal unter der Maske eines Pseudonymus vernommen zu haben meine); er ist ja der Meinung, daß "universalgrammatisch" nach Präpositionen stets ein Substantiv stehen müsse, also "von Hier nach Dort" usw.
Folgt man den Zufallswindungen der Reform, so ist man um so erstaunter, daß nun die Dudenredaktion mit fliegenden Fahnen auch den widersinnigsten Eingebungen nachrennt. Statt der deutschen Sprache zu dienen, sorgt man sich um den "Anfänger und Wenigschreiber", wie seinerzeit in Augst-Kreisen (GEW etc.)
 
 

Kommentar von Peter Schubert, verfaßt am 14.07.2006 um 09.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4791

Der Gesetzgeber liefert heute häufig zu seinen Texten auch gleich eine amtliche Abkürzung mit, die im Bundesgesetzblatt abgedruckt wird. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz wird danach mit BAföG abgekürzt, mit großem A und großem B.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 14.07.2006 um 10.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4793

| Der Gesetzgeber liefert heute häufig zu seinen Texten
| auch gleich eine amtliche Abkürzung mit, die im
| Bundesgesetzblatt abgedruckt wird. Das
| Bundesausbildungsförderungsgesetz wird danach
| mit BAföG abgekürzt, mit großem A und großem B.

Tatsächlich! Unsere Bürokraten verblüffen den Bürger doch immer wieder. Zu erwarten gewesen wäre die Abk. "BAFöG" (die sich natürlich im Netz auch findet). Die amtliche Abk. ist meines Erachtens nach unlogisch.

Amtliche Versionen von diversen Gesetzen finden sich übrigens unter http://www.gesetze-im-internet.de/ (Die "Amtliche Regelung" natürlich nicht, die ist bekanntlich kein Gesetz).

Normalerweise werden substantivische Namensbestandteile mit Großbuchstaben abgekürzt, das gilt nach BRaZ sogar für ausländische Wörter in substantivischen Fügungen. Ich hätte somit erwartet, daß das Wort "Förderung" mit einem großen F abgekürzt wird.

Aber, wer weiß? Vielleicht ist der Namensbestandteil "förderung" ja in dieser Zusammensetzung Adverb oder gar Pronomen? In der Wendung "heute Früh" ist das Adverb schließlich auch Substantiv.

Ist schon vertrackt mit den Wortarten im Deutschen!


Wenn jetzt einer einwendet, das "f" erkläre sich daraus, daß die "-förderung" Teil eines Kompositums sei und ein "Ausbildungs-" nicht allein stehen könne, dann möge er bitte dazufügen, warum man die "-ausbildungsförderung" dann mit großem "A" abkürzt, wo doch ein "Bundes-" auch nicht allein stehen kann.

So man dann aber die Binnenkleinschreibung des Kompositums zu Ende denkt, bleibt nur die Abk. "Bafög", denn ein "Bundesausbildungsförderungs-" kann allein ja auch nicht stehenbleiben.

:-)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 11.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4794

Die Allgemeinen Studentenausschüsse haben sich zwar in ihrer ebenso allgemeinen Verblödung zu "Allgemeinen Studierendenausschüssen" umbenannt, einfach weil sich Vernunft und Sachverstand niemals gegen die Politische Korrektheit durchsetzen können, aber sie nennen sich offiziell immer noch "AStA". In der Normalsprache wird daraus "Asta". Als Pluralform ist denn auch schon immer "Asten" im Gebrauch, was manche tatsächlich "ASten" schreiben (auch wenn Word sofort Einspruch erhebt). Auflösen müßte man es dann wohl in "Ausschussen". Buchstabenwörter, kurz gesagt, gleichen sich an: "Nato", "Radar", "Gulag" usw., dagegen ist kein Kraut gewachsen und auch kein Duden.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 14.07.2006 um 11.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4795

Wofür steht nochmal BRaZ?
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 14.07.2006 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4796

BAföG

= Bund(es) (= von wem Initiiert; Bund oder Land oder Kommune)
= Ausbildungsförderung(s) (= worum geht es)
= Gesetz (= was ist es; Verordnung, Gesetz, etc.)

Die Abkürzung ist strukturell logisch. Der Name ist (wie so oft) eine Worthülse... was hat denn schon die Ausbildungsförderung mit dem Überweisen von Geld für Studenten zutun (Azubis werden ja üblicherweise vom Lehrherren und nicht vom Bund bezahlt).
Bundes Studentenbeihilfe Gesetz wäre daher wohl sinniger = BuStuG... äh... Basta!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 14.07.2006 um 11.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4797

Es braucht die Rechtschreibung nicht zu interessieren, wie die Juristerei die Systematik ihrer Abkürzungen betreibt. Für das Wort Bafög, wie es in der nichtjuristischen Sprache vorkommt (z.B. als Erklärung für die Geldquelle eines Studenten), reicht die einfache Schreibweise völlig. Zur Frage nach BRaZ: "Bässte Rechtschreibung aller Zeiten", wimni.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 14.07.2006 um 11.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4798

Ich fragte nach BRaZ und Herr Lindner erklärt mir BAFöG.

Sind wir hier auch schon im Babylonischen Sprachgewirr?
 
 

Kommentar von Peter Schubert, verfaßt am 14.07.2006 um 14.01 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4799

Wenn das Gesetz gemeint ist, wird man wohl die amtliche Abkürzung schreiben müssen. Wenn Geld gemeint ist, ist wohl Bafög, ohne Binnen-Versalien, die richtige Schreibweise - wenn einem keine bessere Bezeichnung einfällt.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 14.07.2006 um 14.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4800

BRaZ: Beste Rechtschreibung aller Zeiten
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 14.07.2006 um 14.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4801

"Die neue, 24. Auflage des Dudens vermittelt die deutsche Rechtschreibung mit allen ab August 2006 für Schulen verbindlichen Schreibungen, Worttrennungen und Regeln."
Das ist die momentane Erklärung aus Mannheim, was der Duden sein will. Immerhin: nichts mehr von Behörden (vorige Woche stand das da noch).
Unvollständig und beschönigend ist die Aussage gleichwohl immer noch. Ärgerlich ist das Fehlen jedes Hinweises, daß es noch gültige Schreibungen gibt, die schon nicht mehr drinstehen. Die Werbeaussage grenzt damit an Irreführung, weil ja suggeriert wird, dies sei nun genau die richtige Handreichung für den korrigierenden Lehrer.
Aufklärungsarbeit ist also dringend geboten, zweifellos wird Prof. Ickler diese leisten und hoffentlich wird sich das rumsprechen.
Mannheim könnte, kleiner Tip, "Voraussichtlich gültig ab Aug. 2007" auf die Banderole schreiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 15.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4802

Ich hatte beim Verlag angefragt, auf welche rechtliche Grundlage man sich stütze, wenn man erkläre, die Reformschreibung sei für Behörden verbindlich. Eine Antwort wurde mir bisher nicht zuteil, aber vielleicht ist die Werbeabteilung inzwischen zur Vorsicht angehalten worden.

Anfragen an die Güthert'sche (um mal diese neue Schreibweise zu erproben) werden anscheinend auch nicht mehr beantwortet, aber das kann am Urlaub liegen.
 
 

Kommentar von Peter Schubert, verfaßt am 14.07.2006 um 15.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4803

Die rechtliche Grundlage ist das Weisungsrecht des Vorgesetzten. Das gibt es nicht nur bei Behörden, sondern auch bei Privatunternehmen, in der Fabrik, bei Chef-Ärzten, beim Chef-Anwalt, bei allen. Wenn der Vorgesetzte anordnet, dass in einer bestimmten Rechtschreibung geschrieben wird, z. B. in der von Schiller oder von Adelung, ist der Angestellte trotzdem völlig frei, so zu schreiben, wie er will. Er muss sich nur gewärtigen, bald überall schreiben zu dürfen, wie er will.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4805

Das ist schon klar, aber wo sind denn die Erlasse, die ja für jeden Bereich gesondert verkündet werden müßten? Auch wir Professoren müssen außerhalb der wissenschaftlichen Arbeit, wo uns keiner was vorschreiben kann, Verwaltungstexte verfassen, aber ich kann mich nicht erinnern, daß jemals eine Anordnung bezüglich der Rechtschreibung auf meinen Tisch gelangt wäre. Gerade jetzt wäre es interessant zu wissen, welche Rechtschreibung dem Bundesinnenministerium usw. vorschwebt. Der Dudenreklame geht die Formel "Schulen und Behörden" allzu leicht von den Lippen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2006 um 17.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4808

Zunächst eine kleine Beobachtung zum Wahrig, mitgeteilt von einem unserer Mitstreiter:

(Infokasten)
"Soiree: Obwohl das aus dem Französischen stammende Fremdwort Soiree am Wortanfang [soa-] ausgesprochen wird, schreibt man es wie in der Herkunftssprache: Soiree."

Das gilt nur für die erste Silbe, die Schreibweise in der Herkunftssprache ist natürlich: soirée.
-
Dazu nun folgende Ergänzung: Der Wahrig gibt wenigstens eine annehmbare Aussprache mit stimmlosem [s] am Anfang. Der Duden stellt die vulgäre Aussprache mit stimmhaftem [z] dagegen. Ähnlich in vielen vergleichbaren Fällen. Das war aber nicht immer so. Die Vulgäraussprache, die alle Bildungsanstrengungen unserer Schulen unterläuft, kam erst vor einigen Jahren in den Duden, im Fall von Soiree erst zwischen dem Reformduden 1996 und dem ersten Revisionsduden 2000. Insgesamt paßt die Vulgarisierung der Ausspracheangaben natürlich bestens zur Verrohung der Rechtschreibung. Ich habe auch die Silbentrennung mal in diesen bildungspolitischen Konvoi eingeordnet. Kein Wunder, daß diese unsere Kultusministerinnen darüber sehr glücklich sind.
 
 

Kommentar von Hans Noggel, verfaßt am 14.07.2006 um 17.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4809

Mal ein paar Fragen an die Juristen unter uns: Verliert eine Urkunde, ein behördliches Erlaß oder dergleichen an Rechtskraft, wenn nicht die vom Dienstherrn vorgegebene Orthographie verwandt wird? Was geschieht allgemein bei Rechtschreibfehlern? Gilt eine in der nichtempfohlenen Rechtschreibung verfaßte Schrift als förmlich ungenügend?
Dann die arbeitsrechtliche Seite: Reicht ein solcher Text für ein Disziplinarverfahren bei Beamten?
Ist das Verweigern der neuen Rechtschreibung ein Grund für eine Abmahnung oder gar Kündigung?
 
 

Kommentar von Peter Schubert, verfaßt am 14.07.2006 um 18.22 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4811

Zu Ihren Fragen, Herr Noggel:

Zu 1.): nein
zu 2.): nein
zu 3.): nein
zu 4.): ja
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.07.2006 um 18.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4812

Französische Fremdwörter mit stimmlosem "s" in der Originalsprache:
Saison, Salade, Salon, Salut, sans, Santé, Satellite, Satin, Sauce, savoir, Savon, Scandale, Scène, Science, Séance, Semaine, Sens, sentir, séparer, septante, Sérénade, Sergent, sérieux, Service, siècle, Sieur, Silence, simple, sincère, Soir, Solitude, Sommelier, Sottise, sous, Souvenir, Suite, superbe, supèrieur, sur.
Statt zu Verhunzen sollte man es mit Wilhelm Busch oder Fritz Reuter halten; Sprachen mit kyrillischer Schrift schreiben diese Wörter sowieso phonetisch.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 15.07.2006 um 06.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4820

"Soiree: Obwohl das aus dem Französischen stammende Fremdwort Soiree am Wortanfang [soa-] ausgesprochen wird, ...

Au niveau professionnel: soirée [swa're]
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2006 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4821

Schon recht; es gibt Probleme mit den Sonderzeichen, daher das -oa-, wo eigentlich ein kleiner Bogen unter dem o die halbvokalische bzw. konsonantische Aussprache andeuten sollte.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 15.07.2006 um 14.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4834

| Verliert eine Urkunde, ein behördliches Erlaß oder
| dergleichen an Rechtskraft, wenn nicht die vom
| Dienstherrn vorgegebene Orthographie verwandt wird?
| Was geschieht allgemein bei Rechtschreibfehlern?

Eine Urkunde in nichtamtlicher Rechtschreibung verliert nicht allein deswegen ihre Rechtswirksamkeit. Sofern ein Fehler in einer Urkunde klar als Tippfehler erkennbar ist, gilt das, was offenkundig gemeint ist, nicht das, was dort steht. Dem steht nicht entgegen, daß man trefflich darüber streiten darüber kann, was gemeint war.

| Gilt eine in der nichtempfohlenen Rechtschreibung
| verfaßte Schrift als förmlich ungenügend?

Juristische Standardantwort No. 1: "Es kommt darauf an."
Normalerweise nicht.

| Dann die arbeitsrechtliche Seite: Reicht ein solcher
| Text für ein Disziplinarverfahren bei Beamten?

Man kann von einem Beamten nur verlangen, was er kann. Wenn er sich außerstande erklärt, die neuen Rechtschreibregeln zu beherrschen, kommt man ihm nicht so leicht bei. Ein beflissener Chef könnte ihm allerdings ein 'Word' in der neuesten Version zur Verfügung stellen und ihm dann auftragen, am Text jeweils so lange zu ändern, bis 'Word' nichts mehr unterschlängelt.

| Ist das Verweigern der neuen Rechtschreibung ein
| Grund für eine Abmahnung oder gar Kündigung?

Bisher ist kein entsprechender Fall bekanntgeworden. Allerdings kenne ich einen Fall, in dem man einen Lehrer aus dem Dienst gemobbt hat, weil er von der Altschreibung nicht lassen wollte.
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 15.07.2006 um 14.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4835

| (Infokasten im Wahrig)
| "Soiree: Obwohl das aus dem Französischen stammende
| Fremdwort Soiree am Wortanfang [soa-] ausgesprochen
| wird, schreibt man es wie in der Herkunftssprache:
| Soiree."

| Das gilt nur für die erste Silbe, die Schreibweise in der
| Herkunftssprache ist natürlich: soirée.

Das stimmt. Dafür muß man allerdings erstmal wissen, daß der Akzent keine reine Verzierung ist, sondern in der Herkunftssprache durchaus seine Bedeutung hat. Im Grunde geht es uns Deutschen nicht anders, wenn ein Amerikaner einen deutschen Text vermeintlich buchstabengetreu wiedergibt und dabei alle Umlaute durch ihre Grundbuchstaben ersetzt.

| Der Wahrig gibt wenigstens eine annehmbare Aussprache
| mit stimmlosem [s] am Anfang [an]. Der Duden stellt
| die vulgäre Aussprache mit stimmhaftem [z] dagegen.
| Ähnlich in vielen vergleichbaren Fällen. Das war
| aber nicht immer so. Die Vulgäraussprache, die
| alle Bildungsanstrengungen unserer Schulen unterläuft,
| kam erst vor einigen Jahren in den Duden, ...

Na ja. Ich halte das Wort "Soirée" für ein ausgesprochen bildungssprachliches. In der Tat mag es sein, daß es in der heutigen Trivialschule keine Rolle mehr spielt, ein entsprechendes Elternhaus wird den Kindern die richtige Aussprache schon beibiegen.

Man kann die Ersetzung des stimmlosen s durch ein stimmhaftes natürlich auch als Zeichen der Eindeutschung interpretieren. Mir fällt es ganz besonders beim Wort "Sex" auf, das nun wirklich in aller Munde ist und das hierzustadt selbstverständlich mit stimmhaftem S am Anfang gesprochen wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2006 um 08.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=550#4861

Die Vulgarisierung hat System. Duden gibt an [fu:t] (in Fastfood usw.), [ko:t] (für Code). Wahrig bleibt bei der gepflegteren Aussprache, die inzwischen alle Kinder in der Schule lernen.
 
 

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