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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.04.2005
 

Zwiebelfisch auf Abwegen

Aus der heutigen Schweriner Volkszeitung:

Frage: Die Rücknahme der Rechtschreibreform wurde vergangenen Sommer auch beim „Spiegel“ heiß diskutiert. Wie ist Ihre Position dazu?
Bastian Sick alias Zwiebelfisch: Mit einer Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung hätte auch der „Spiegel“ zu einer seltsamen Zweiteilung der Republik beigetragen. Es wurde ein Mittelweg eingeschlagen zwischen alter und neuer Rechtschreibung, den ich für richtig halte. Der „Spiegel“ geht nun schrittweise dazu über, den Unsinn der Rechtschreibreform im eigenen Heft wieder rückgängig zu machen.

Herr Sick scheint den Widerspruch gar nicht zu bemerken. Der allmähliche Rückgang des „Spiegel“ zur bewährten Rechtschreibung ist uns nicht entgangen, und wir loben ihn dafür, wenn auch nur gedämpft. Denn es ist ja nicht gerade sehr mutig, ein den Lesern gegebenes Versprechen zum zweitenmal nicht ohne Umschweife einzulösen, sondern nur auf verängstigten Schleichwegen. Aber dem Vorwurf der Sprachspaltung entgeht man nicht, wenn man statt einer zweiten Rechtschreibung (die immerhin die allbekannte, erstklassige wäre) eine fünfzehnte oder vierzigste einführt.



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Kommentare zu »Zwiebelfisch auf Abwegen«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2021 um 03.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#45428

Sick mokiert sich in den „Sprachnachrichten“ über Mund-Nase-Schutz, weil er glaubt, hier fehle des Fugen-n. Daß es massenhaft gebraucht wird, stört ihn nicht.
Bindestrichkomposita folgen nicht unbedingt den Regeln der gewöhnlichen Zusammensetzung: Arzt-Patient-Verhältnis, Meter-Kilogramm-Sekunde-System. Dadurch wird der koordinative Charakter (Dvandva) des ersten Teils deutlicher. Es geht nicht um einen Nasenschutz für den Mund.

In Sägemehl ist nach Sick das n weggefallen, weil es nicht gut sprechbar sei. Aber es gibt viele Zusammensetzungen mit Säge-, für die das ebenso abwegig ist; weggefallen ist da nichts.

Soweit zu "Deutschland bekanntestem Sprachexperten" (Sprachnachrichten).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2020 um 04.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#43309

Karfreitag ist einer der höchsten Feiertage im Christentum. An diesem Tag wird dem Tod Jesu Christi gedacht.

(https://www.swp.de/panorama/Ostern-Karfreitag-2020-Feiertag-Schultag-Tanzverbot-44427552.html)

Der Text fährt übrigens fort:

Jesus wurde ans Kreuz genagelt und hat die Sünden der Menschheit damit auf sich genommen.

Über dieses „damit“ könnte man lange nachdenken. Außenstehenden müßte man es jedenfalls erklären. Auch was die Sünden der Menschheit waren und wie es danach weitergegangen ist.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.07.2018 um 23.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#39000

Ja, das meinte ich mit den Ausnahmen (den Sprung stehen usw.).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 06.07.2018 um 22.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38999

Die Verben der Bewegung können in ihrem Geltungsbereich transitiv oder intransitiv sein: Er ist die 100 m in ... Min. geschwommen oder er hat die 100 m in ... Min. geschwommen usw.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.07.2018 um 14.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38997

Wann wären schon einmal zur eindeutigen Unterscheidung der beiden Bedeutungen von gesessen oder der beiden von gestanden unterschiedliche Hilfsverben wirklich notwendig? Ich glaube, nie.

Das Verb gestehen ist transitiv, stehen intransitiv, also ergibt sich meist schon daraus ein völlig unterschiedlicher Satzbau. Zum Beispiel ist
gestanden, daß ...,
schon wieder völlig eindeutig, auch ohne aufs Hilvsverb zu sehen.

Die wenigen Ausnahmen erledigt dann der Kontext. Den Satz
Matti Nykänen hat gestanden
würde wohl jeder anhand der Situation auf Anhieb richtig verstehen, nämlich daß er entweder einen Sprung von der Schanze oder seiner Frau einen Seitensprung gestanden hätte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.07.2018 um 03.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38988

Sicks Darbietungen auseinanderzunehmen wäre zeitraubend und zwecklos. Die wohlwollenden Besprechungen seiner Bücher und Veranstaltungen sprechen ihm nach, daß er ja gar nicht mit den Sprachwissenschaftlern konkurrieren, sondern nur unterhalten wolle, und man habe sich schließlich amüsiert wie schon lange nicht mehr. Und daß wir Profis ja nur neidisch seien (Gesamtauflage 4 Millionen – mehr, als alle Germanisten zusammen je erreichen werden. So auch die "Sprachnachrichten", in denen er eine ständige Kolumne hat).
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.07.2018 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38987

Interessant ist auch das Partizip Perfekt "gestanden": Weil "stehen" und "gestehen" das gleiche Partizip Perfekt haben, muß man zur eindeutigen Unterscheidung zu "gestehen" das Perfekt "hat gestanden" und zu "stehen" das Perfekt "ist gestanden" bilden. Allerdings kommt es nach meiner Erfahrung im Deutschunterricht darauf an, welche Meinung der Lehrer hat. Hier ist es zwecklos, mit Fakten zu argumentieren zu versuchen (im Gegensatz zu den anderen Fächern).
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.07.2018 um 21.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38986

Auch ohne das Hilfsverb müssen ist der von Sick angedeutete süddeutsche Bedeutungsunterschied von
ist gesessen (auf dem Stuhl) und
hat gesessen (im Knast, österr. im Häfen)
nur die halbe Wahrheit.

Wie im Norddeutschen hat gesessen zweideutig ist, ist im Süddeutschen ist gesessen in der gleichen Weise zweideutig, wie eine Google-Suche nach "im Häfen gesessen" eindrucksvoll zeigt.

Erst in letzter Zeit scheint sich im Süddeutschen vielleicht zur Bedeutungsunterscheidung die Form er hat gesessen (fürs Gefängnis) zu vermehren. Meine eigene Theorie ist, das machen Süddeutsche erst, nachdem sie wegen der norddeutschen Klugscheißerei gezwungen waren zu begründen, warum sie normalerweise er ist gesessen sagen.

Einem meiner Söhne wurde aber in der Schule in Mannheim einmal "hat gesessen" (kein Gefängnis gemeint) als Fehler angestrichen. So herum geht es natürlich auch nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2018 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#38984

In den "Sprachnachrichten" des VDS erörtert Sick den Wechsel von "sein" und "haben" bei Positions- und Bewegungsverben. Ich beschränke mich auf den Schluß über das Süddeutsche:

Erst „ist“ (Uli Hoeneß) jahrelang auf der Bayern-Tribüne gesessen, dann „hat“ er eine Weile woanders sitzen müssen.

Sick bemerkt also nicht, daß das „haben“ hier vom Hilfsverb „müssen“ gesteuert wird und nicht von „sitzen“.

Die Herausgeber haben es offenbar auch nicht bemerkt, wie vieles andere.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2017 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#37396

Neben der Possessivkonstruktion mit dem Dativ (dem Genitiv sein Tod) gibt es auch die mit Genitiv + Possessivum:

Wir sind betrübt über der Herren ihre Traurigkeit. (Goethe nach Boisserée 3.8.1815)

Also gewissermaßen die "türkische" Lösung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.07.2017 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#35644

Die Umschreibung von Das ist jedem seine Sache mit
Das ist jedermanns/eines jeden Sache
hat wohl deswegen einen etwas anderen Sinn, weil die Betonung von seine unweigerlich auf jeder/-n übergeht. Daher könnte man die ursprüngliche Bedeutung mit einem zusätzlichen Wort zurückholen:
Das ist eines jeden eigene Sache.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.07.2017 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#35640

Der vielbesprochene possessive Dativ könnte gestützt werden durch die häufige Wendung: Das ist jedem seine Sache. Eine glatte Alternative ist nicht in Sicht. Man müßte umschreiben (jedermanns/eines jeden), aber das hätte nicht genau denselben Sinn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.07.2017 um 15.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#35583

Das genannte Heft der "Sprachnachrichten" ist Luther gewidmet. Sein Sendbrief wird gefeiert und zitiert:

Ich kann Psalmen und Propheten auflegen. Das können sie nicht.

In einem späteren Beitrag wird über Leute gespottet, die in Fraktur langes s und f nicht unterscheiden können, aber das kommt ja hier nicht in Betracht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.07.2017 um 11.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#35579

Im neuen Heft der "Sprachnachrichten" vom VDS begründet Sick (nicht zum erstenmal), warum diesen Jahres falsch ist, und der ganze Artikel ist so töricht, daß die Tastatur Schaden nähme, wenn ich es hier wiedergeben wollte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.03.2017 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#34698

Sick schreibt jetzt regelmäßig in den "Sprachnachrichten" des VDS. Im ersten Beitrag knöpft er sich vierzehntägig/vierzehntäglich vor oder vielmehr die, wo es verwechseln. Natürlich schreibt er sehr brav jedes Mal und aufs Neue.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2016 um 05.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#33609

„Sprachsünden“ – sollte das mehr als eine Metapher sein (wie „Verkehrssünder“)? Der Drang, den Mitmenschen wegen ihrer Redeweise am Zeug zu flicken, ähnelt dem Bestehen auf Rechtgläubigkeit. Der Grad der Empörung überrascht oft. Die Zeitungen bringen ja nur einen winzigen Teil der sprachkritischen Leserbriefe.
Für Eduard Engel war die Vermeidung von Fremdwörtern zwar auch eine patriotische Pflicht (besonders in Kriegs- und Nachkriegszeit), aber zuerst ging es ihm um Verständlichkeit, und am meisten verurteilte er das Imponiergehabe, die Unwahrhaftigkeit. Das war die einzige „Sprachsünde“, die er kannte.
Soll nicht jeder auf seine Art reden und glücklich werden? Wenn ich einen Schriftsteller wegen grammatischer Schnitzer kritisiere, dann deshalb, weil er vorgibt, eine besonders gelungene Prosa verkaufen zu können. Ich warne vor dem Hochstapler, vor fehlerhaften Produkten. Das ist zwar auch nicht besonders wichtig, aber man könnte allmählich lernen, sich klar und wahr auszudrücken.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.04.2016 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#32147

Amerikanische Forscher haben festgestellt...
Nun, diesmal haben sie untersucht, mit welchen Persönlichkeitsmerkmalen die Empfindlichkeit für Rechtschreib- und Grammatikfehler einhergeht. (http://www.welt.de/153826343) Das Ergebnis hat sie unbegreiflicherweise "überrascht": Introvertierte und Pedanten nehmen eher an Sprachschnitzern Anstoß.

Die Persönlichkeitstypologie ist eine windige Angelegenheit, die ich aber nicht schon wieder kommentieren will.

Wenn da nicht der Sick wäre, nicht gerade ein Ausbund der Introvertiertheit, wenn auch pedantisch genug. Aber vielleicht ist sein Hang zur Selbstdarstellung gar nicht echt? „Es gibt, mit Nietzsche zu reden, auch 'nachgemachte Schauspieler' unter uns, die spielen gar nicht ihre autochthone Rolle, sondern werfen sich in die Brust und gebärden sich laut, Angeber und Falstaff-Naturen, die von Haus aus timide sind.“ (Rudolf Bilz: Die unbewältigte Vergangenheit des Menschengeschlechts. Frankfurt 1967:55)

"Eine plausible Erklärung für die Wissenschaftler wäre, dass Extrovertierte (!) durch ihre Kontaktfreude vielen anderen Reizen ausgesetzt sind. Auf Introvertierte wirken Fehler durch das Wegfallen von Reizen hingegen stärker. Doch um die Gründe zu erforschen, sind im nächsten Schritt eher Psychologen gefragt."

Und Psychiater, damit sie uns introvertierten Überempfindlichen hilft; die Krankenkasse wird es schon bezahlen.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.01.2015 um 18.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#27715

Es gibt neuerdings einen Subsick:

Von den ersten Sprachvereinen, die im Flickerlteppich-Deutschland sich im anhaltinischen Dessau bildeten, im Zeichen der Palme übrigens, und sich um eine gemeinsame deutsche Sprache bemühten, geht es durch die Franzosentümelei Friedrichs des Großen, der auch noch die Hugenotten zur Sprachhilfe rief (Chamisso, Fontane) und den Deutschen nicht nur das Trottoir und die Matrone bescherte, durch das Bürokratendeutsch (...) über die martialische Großmannssucht von Hitlers gebellten Reden bis zur Gegenwart. (Hellmuth Karasek: Vorwort zu Andreas Hock: Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? München 2014)

Aus dem Buch selbst:

Der Deutschunterricht gehörte zum Langweiligsten, was von Montag früh, 8 Uhr, bis Freitagmittag, 13 Uhr, in unserem Leben passierte.

Faszination für (!) eine ganze Sprache

Dabei hätte es uns wirklich interessiert, warum es 3000 Jahre dauerte von der ersten germanischen Lautverschiebung bis zu dem Zeitpunkt, als die deutsche Standardsprache erstmals einheitlich geregelt wurde. Es wäre sicher auch spannend gewesen zu hören, wie es Karl der Große geschafft hatte, eine Volkssprache zu etablieren, die von Baiern, Alemannen oder Franken gleichsam (?) verstanden wurde.


(Es geht noch weiter in dieser Art!)

Trotz seiner (?) schwierigen Entstehungsgeschichte und all der Irrungen und Wirrungen auf dem Weg zu einer einheitlichen Sprache wäre es einigen außergewöhnlichen und idealistischen Geistesarbeitern um ein Haar gelungen, die deutsche Sprache für alle Zeiten in ihrer Gesamtheit zu schützen, zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln.

(Die letzten Worte klingen fatal kultusministeriell ... Hock war mal Pressesprecher bei der CSU.)

Man glaubte nebenbei auch, dass die Palme so vielseitig einsetzbar war wie kein anderer Baum – und sah in ihm (?) daher ein ideales Symbol für die universale Nützlichkeit der neuen Vereinigung.

Aus einem Interview der SZ mit Hock:

Friedrich der Große, ein enger Freund des Schriftstellers Voltaire, hatte irgendwann die Idee, die deutsche Sprache weiterzuentwickeln, sie sollte sich von der des Pöbels abheben. Deshalb ließ er französische Begriffe einfließen. Bei vielen Wörtern aus dem Französischen ist uns heute gar nicht mehr bewusst, woher sie ursprünglich kommen: Büro beispielsweise, Chef, oder Urinal. Die sind für mich aber gar nicht das Übel, sondern die Idee dahinter: Eine kleine Elite versucht, sich durch Sprache als etwas Besseres darzustellen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.09.2014 um 16.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#26763

Unglücklicherweise müssen Wirtschaftsjournalisten irgendwann beschlossen haben, dass das Verb "handeln" transitiv sei, denn ständig liest man von "handelbaren" Waren und Wertpapieren. (Sick im Spiegel 18.2.04 und in „Der Dativ...“ S. 85)

Für den transitiven Gebrauch findet man leicht zehntausend Belege, z. B. in der Verbindung fair gehandelt. Schon Goethe schrieb: Schnallen, Uhren, Dosen, Hüte, welche Melina von dem Kammerdiener so glücklich gehandelt hatte. – Sie waren im Begriff, Kirschen zu handeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.05.2014 um 09.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#25768

Besonders aus dem Ausland stammen Grammatiktafeln im Internet, die ganz mechanisch jedes Wort durchs ganze Paradigma jagen, so zum Beispiel (was Sick vor einigen Jahren mal erwähnt hat):

sie möchteten, du habest gemöchtet

usw.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.02.2014 um 12.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#25079

Bei "era" haben wir wieder das Problem der deutschen Sprache, daß meist bei "sein, seine, ihr, ihre" nicht eindeutig zwischen "dessen, deren" und "sein eigener, ihre eigene" unterschieden wird. Andere Sprachen haben da unterschiedliche Prononomen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.02.2014 um 04.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#25076

Es ist verlockend, die von Sick angeprangerte Possessivkonstruktion schon im zweiten Merseburger Zauberspruch zu erkennen, also über 1000 Jahre früher als Goethes dem Narren sein Herrgott. Und das gleich mehrmals:

dû wart demo balderes folon sîn fuoz birenkit

Hier muß man jedoch den Dativ als Dativus (in)commodi vom Verb abhängig machen. Aus solchen Konstruktionen ist erst später durch Gliederungsverschiebung der possessive Dativ geworden-

Also nicht: "Da wurde der Fuß von Balders Fohlen verrenkt".
Sondern: "Da wurde dem Balder der Fuß des Fohlens verrenkt".

(Auf die anderen Schwierigkeiten gehe ich nicht ein.)

Weiter geht's:

thû biguol en Sinthgunt, Sunna era swister
thû biguol en Frîja, Folla era swister


Es wäre erstaunlich, hier "der Sunna ihre Schwester" usw. zu lesen. Darum meinen viele, daß es sich jeweils um zwei verschiedene Personen bzw. Göttinnen handelt und nicht um Appositionen. Wir kennen allerdings die Genannten teilweise gar nicht, wie ja auch der "Balder" ein Problem ist.
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 31.07.2013 um 11.53 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#23797

Meinetwegen: Das unverfälschte Bairisch kennt dafür zwei Ausdrücke mit leicht unterschiedlicher Bedeutung, nämlich wega meina und zwengs meina. Mit ersterem drückt man Gleichgültigkeit oder Duldung aus, er bedeutet soviel wie "von mir aus; es ist mir egal; mach, was du willst", während der zweite mehr die Bedeutung von "mir zuliebe" hat. In neuerer Zeit hört man manchmal auch meinsweng. Das allerdings ist eine Adaption gemeindeutscher Umgangssprache. Wega mia (wegen mir) ist eigentlich schon nicht mehr Dialekt, sondern – schlampige – Umgangssprache.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.07.2013 um 12.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#23773

Nicht unbemerkt geblieben, aber doch erwähnenswert ist ein besonders komischer Irrtum, der Sick vor 10 Jahren unterlaufen ist (zu "wegen mir" usw.):

»Als müsse er diesem kommerziellen Tiefschlag des Genitivs etwas entgegenhalten, brachte im selben Jahr der Österreicher Udo Jürgens eine Platte mit ähnlich klingendem Titel heraus: "Deinetwegen" hieß das Album, und es wurde ein großer Erfolg weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Zum Glück: So wurden die Radiohörer im deutschsprachigen Raum daran erinnert, dass man in Bayern "wegen dir" sagen kann, dass die richtige Form aber "deinetwegen" lautet. Denn was Udo Jürgens singt, ist immer bestes Hochdeutsch. Ein Jahr lang ging er mit "Deinetwegen" auf Tournee, ein beispielloser Kreuzzug für die Rettung des Genitivs.« (Zwiebelfisch 22.10.2003)

(von minen wegen/halben, dann Zusammenrückung, Epenthese des t, Ausfall von n; ebenso allenthalben; deswegen usw. sind anders gebildet)

Als Sicks Glossen in die Schulen eingeführt wurden, dürften sich nur wenige Lehrer die Mühe gemacht haben, die Irrtümer richtigzustellen – oder, ich gestehe es als ihr früherer Ausbilder, die Fähigkeit besessen haben, hier überhaupt einen möglichen Irrtum zu ahnen. Die Sprache ist voller Fallstricke, die Linguistik aber auch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.07.2013 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#23724

„Die Walter der Korrektheit in den sprachkritischen Kolumnen der Zeitungen des Bildungsbürgertums beklagen in Abständen von wenigen Jahren die Dekadenz der Sprache, wo die Zeitgenossen in weil- und obwohl-Sätzen das Verb an zweiter Stelle bringen.“
(Christian Lehmann)

Aber Lehmann selbst benutzt in allen Schriften ausschließlich die Verbletztstellung nach weil und obwohl. Und wer ist das Bildungsbürgertum heute? Vielleicht die Spiegel-Leser, weil sie den Zwiebelfisch geboten bekommen und sich mit Sick über die Fehler von Ausländern und Lehrlingen lustig machen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.08.2012 um 07.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#21330

Was Precht betrifft, so ist er neben seiner Fernsehtätigkeit nun auch Honorarprofessor in Berlin (vorher Lüneburg).
Die Philosophen beschäftigen sich heute mit der Geschichte der Philosophie, mit analytischer Philosophie und teilweise auch noch mit systematischer Philosophie alten Stils (womit sie aber in der Regel wenig Beifall finden und es selten bis zur Bildung ganzer Schulen bringen). Dann gibt es noch eine philosophierende Essayistik, etwa bei Habermas. (Ein Kritiker hat mal darauf hingewiesen, daß H. mangels Griechischkenntnissen alle Zitate griechischer Klassiker aus Bruno Snells „Entdeckung des Geistes“ bezieht.)
Precht spielt in keiner dieser Klassen und würde von professionellen Philosophen gar nicht als Zunftgenosse erkannt oder gar anerkannt werden. Kürzlich hat er einem Interviewer bewiesen, daß er keineswegs Dauergast in Talkshows sei. Das Komische ist, daß jeder den Eindruck hat, er sei es.
Die neue Ernennung zum Honorarprofessor zeigt, daß man kein Philosoph sein muß, um Studenten „Schlüsselkompetenzen in Philosophie und Ästhetik“ zu vermitteln. Dazu genügen eine gewisse Eloquenz und Prominenz, auch Fotografierbarkeit (Frisur!) kann nicht schaden (vgl. Höhler). Dann ist die Spaßgesellschaft glücklich und zufrieden.
Wir haben diesen grundsätzlichen Unernst anläßlich der Rechtschreibdebatte immer wieder zu spüren bekommen. "Nächstes Thema!" - Ist ja eh alles egal, nur unterhaltsam muß es sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2011 um 06.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#19635

Der sogenannte Philosoph Precht (armes Deutschland!) hat kürzlich geäußert, die Schüler sollten nicht mehr mit Goethes "Werther" behelligt werden, das sei sozialromantischer Kitsch usw., Feridun Zaimoglu sei viel besser.

Nun, das hatten wir alles schon einmal, so um 1970 herum. Damals wurde auch die Rechtschreibreform geplant, vom IDS später mit dem Argument gerechtfertigt, kein Mensch müsse noch etwas lesen, was älter als fünf Jahre ist.

Naturwissenschaftliche Kenntnisse sind hierzulande nicht vonnöten, man ist sogar stolz darauf, wie Sloterdijk kein bißchen von Chemie zu verstehen. Die philologisch-historische Bildung wird auch abgeschafft. Precht lesen genügt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.02.2011 um 13.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#18000

„Wann immer sich der Staat in die Sprachentwicklung eingemischt hat, kam Müll dabei raus - wie zum Beispiel bei der Rechtschreibreform.“ (Sick im Interview, Berliner Literaturkritik 10.2.11)

Das sagt Sick, der sich niemals gegen die Reform gewehrt hat, sondern sie im Gegenteil unnachsichtig durchsetzen hilft.

Was Sick erreicht hat:

"Bei der Bahn sagt man jetzt ‚Wir bitten um Entschuldigung’ statt ‚Wir bitten um Ihr Verständnis.’ Darauf bin ich richtig stolz.“

Toll!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2010 um 17.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#16960

Wie Bastian Sick sich selbst versteht, geht aus einem (übrigens bemerkenswert klischeehaften) Bericht über eine Kreuzfahrt hervor, den man zur Zeit auf seiner Website findet:
"Wir Künstler bildeten eine Gemeinschaft, in der es ausgesprochen herzlich und lustig zuging. Gemeinsam bestritten wir das Unterhaltungsprogramm, stärkten uns gegenseitig den Rücken und lernten einander sehr zu schätzen."
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 13.11.2009 um 11.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15267

>Wo und wann genau hat Sick das behauptet?

Nirgendwo und niemals. Tatsächlich bezog ich mich auf einen Fall, in dem in der Kolumne Großschreibung stand und in dem auf meinen Einwand, daß diese blödsinnig sei, von wem auch immer (Redakteuse?) der Hinweis kam, die Großschreibung sei "erlaubt".

Daß nicht alles, was erlaubt ist, auch zum Guten dient, ist offensichtlich irrelevant.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 12.11.2009 um 18.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15263

Zu Herrn Ickler (#15259):

Es gibt eben Medienberichte wie den in den „Westfälischen Nachrichten" (und dazugehörigen Lokalzeitungen) über „Der Bastian Sick ist dem Fehlerteufel sein Tod“ (Link), die genau die geschilderte Ansicht befördern.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 12.11.2009 um 18.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15262

Wo und wann genau hat Sick das behauptet?
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 12.11.2009 um 17.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15261

Wie kommt Sick eigentlich darauf, nur Recht haben entspreche der "offiziellen Regelung"? Seit 2006 ist recht haben wieder erlaubt, es ist außerdem die Schreibung, auf die sich die Nachrichtenagenturen festgelegt haben und die auch von Sicks Katechismus empfohlen wird, dem "Duden" (2006).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.11.2009 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15259

Gutmütige Menschen werden sagen, daß Sick zwar nicht immer das Richtige treffen möge, aber doch durch seine Bestseller zur "Sensibilisierung" breiter Massen für Sprache beitrage. Ich bestreite das. Sick hat jene Haltung bestärkt, die Eduard Engel als "Sprachmeisterei" kritisierte und zu der sowieso viel zu viele Menschen neigen. Das zeigen auch wieder die zitierten Ausführungen des Herrn Sawitzki im Mannheimer Morgen.
Sick versteht gerade genug von Sprache, um den Sprachgebrauch einfacher Leute zu verhöhnen, aber nicht genug, um es zu unterlassen.
Ähnlich hat man ja auch von der feministischen Literatur gesagt, sie möge übers Ziel hinausgeschossen sein, habe aber für ein gesellschaftliches Problem sensibilisiert. Die wirkliche Gleichberechtigung der Frau ist aber andere Wege gegangen. Von den sprachlichen Verrenkungen wäre erst noch zu beweisen, daß sie in diesem Sinne gewirkt haben.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 12.11.2009 um 16.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15258

Aus aller Herren Länder: "Der Vorwurf: Südkoreas Militär wolle den laufenden Annäherungsprozess beider Staaten stören und die Spannungen zwischen den Länder weiter erhöhen." (*welt.de* [Newsticker, dpa-Meldung] am 12.11.2009)
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 12.11.2009 um 13.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15256

Der Zwiebelfisch hat immer "Recht". Ich habe diesen Fisch auch schon darauf hingewiesen, daß die Großschreibung hier ausgemachter Schwachsinn ist, aber in solchen Fällen zieht sich der Fisch immer auf die "offizielle Regelung" zurück. Das gleiche Problem hatte ich bei einem Schulbuchverlag. Eine "offizielle Regelung" ist ein willkommenes Motiv zum Abschalten des eigenen Gehirns (oder gar des Gewissens). Manchmal hilft da nur ein Attentat, wenn überhaupt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.11.2009 um 10.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15255

zu #9786:
Antwort des Zwiebelfischs: ... Ihr kluger Bekannter hat Recht damit, dass es "aus allen Ländern" heißt.

Mannheimer Morgen, 12.11.2009, S. 32 (Hervorhebungen von mir):

»Mannheimer Akkusativ
Spätestens seit Bastian Sick wissen wir, dass "der Dativ dem Genitiv sein Tod ist". Der Autor des Bändchens mit dem gleichnamigen Titel hat ja so Recht: Das Reinheitsgebot der deutschen Sprache und ihrer grammatikalischen Feinheiten gerät immer mehr in Vergessenheit. Sprachlichem Purismus steht das Wasser bis zum Hals. Doch soll uns das nur Grund zu Traurigkeit oder gar zu Resignation sein? Keineswegs. Wir müssen nur Tag für Tag kräftig dagegen halten und immer schön die Ohren spitzen. Unsere Devise: Tod dem Deklinationsschlendrian, denn der lauert in Form von Sprachmonstern, die sich im Alltagsdeutsch und in Sonntagsreden breit und breiter machen, überall. Beispiel gefällig? Zunehmender Beliebtheit erfreut sich bei Rhetoren aller Klassen die kühn gebeugte Erkenntnis, "dass auch 2009 Silvester auf den letzten Tag diesen Jahres" fällt. Käme etwa jemand auf die Idee zu behaupten, "am Ende meinen Lebens werde ich sterben"? Früher also, als die Welt noch in Ordnung und die deutsche noch keine schwere Sprache war, früher fiel Silvester viel eher schlicht auf den letzten Tag "dieses Jahres". Mit dem bewährten Genitiv möchten wir es weiterhin halten. Wem das zu kompliziert ist, dem empfehlen wir uns auf der Stelle und wünschen - ausnahmsweise mit dem Mannheimer Akkusativ, der nicht selten als Nominativ daherkommt, - "noch en scheener Daag".
Harald Sawatzki«

Gleiche Zeitung, Seite 6:
"Die Stimmung ... ist dem Vernehmen nach momentan nicht unbedingt die Beste."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.10.2009 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#15193

Auch die Philosophie hat ihren Sick. Er heißt Richard David Precht. Auf den diesjährigen Medientagen in München darf er einen Vortrag halten, und die Leute werden hinströmen wie zu Sickschen Deutschstunden. (Sick ist inzwischen vom Goethe-Institut nach Spanien geschickt worden, wahrscheinlich sinkt sein Stern hierzulande schon wieder.)
Vor einiger Zeit fiel Precht durch Unqualifiziertes über Darwin im SZ-Magazin auf. Wolfgang Wickler hat ihn daraufhin in die verdiente Pfanne gehauen, aber das ficht natürlich den Bestseller-Autor so wenig an wie seine Gemeinde.
In "Literaturen" 11/2009 schreibt Precht über die Philosophie des Glücks (das ist ja zur Zeit das Modethema), und es ist schwer zu ertragen. Z. B. über Kant:
„So staubtrocken wie mit der treuen Befolgung des Kategorischen Imperativs hatte niemand zuvor das Glück bestimmt. Die einzige Glücksquelle ist das Über-Ich. Betrinkt sich da nicht einer mit alkoholfreiem Bier?“ (32)
Was hat denn Glück mit der Befolgung des K. I. zu tun? Hat Precht Kant überhaupt gelesen?
Die Verbindung von Philosophie, Naturwissenschaft und Religion nennt Precht „Kernschmelze“, worunter er sich offenbar nichts weiter als eine – in diesem Fall begrüßenswerte – Verschmelzung vorstellt (ebd. 36). Usw.

(Im selben Heft spricht ein anderer Autor von einer "Referenz an Marcel Proust".)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.07.2007 um 10.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#9786

Bei Sick lese ich noch folgendes:

»Frage eines Lesers: Ein kluger Mensch hat mich einmal davon zu überzeugen versucht, es hieße "aus aller Herren Ländern" und nicht "Länder", da es ja auch "aus allen Ländern" heißt. Klingt logisch, aber ich höre und lese es immer anders. Was ist Ihre Meinung?
Antwort des Zwiebelfischs: Es heißt heute "aus aller Herren Länder", auch wenn es früher einmal "aus aller Herren Ländern" geheißen hat. Ihr kluger Bekannter hat Recht damit, dass es "aus allen Ländern" heißt. Die Präposition "aus" setzt die "Länder" in den Dativ, und im Dativ werden Länder zu Ländern. Nun haben sich aber die "Herren" dazwischengedrängt (in Form eines Genitivattributs), und das begünstigte im Laufe der Sprachentwicklung den Wegfall der Endung. Dies lässt sich auch bei anderen Pluralwörtern beobachten, die auf -er enden, wie Bäder, Fenster, Häuser, Kinder, Krieger, Lieder, Männer, Räuber:
An den Kleidern vieler Könige klebt Blut.
Blut klebt an vieler Könige Kleider.
Man erfreute sich an den Liedern der Franzosen.
Man erfreute sich an der Franzosen Lieder.
Wenn das Pluralwort von der Präposition räumlich getrennt steht, dann ist der Verzicht auf das Endungs-"n" "erlaubt". Im Falle der Länder aller Herren hat sich die ungebeugte Form durchgesetzt und gilt heute als Standard. Die Form mit -n ist veraltet. Veraltet heißt zwar nicht falsch, aber eben "nicht mehr allgemein üblich".«

Sick geht zu weit. Die grammatisch "korrekte" Form kommt durchaus noch ziemlich oft vor, das Merkmal "veraltend" steht nur in Duden Bd. 9. Schlimmer ist die unqualifizierte Verallgemeinerung: Wenn das Pluralwort von der Präposition räumlich getrennt steht, dann ist der Verzicht auf das Endungs-"n" "erlaubt". Bei weitem nicht alle trennenden Elemente (z. B. nicht Adjektive) bewirken Unterlassung der Deklination, sonst wäre ja "in den meisten Länder" zulässig. Schon das Beispiel mit den blutigen Kleider(n) kommt mir ungewöhnlich vor.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 20.05.2005 um 11.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#204

Hirsch noch einmal!

Mein vorstehender Kommentar führte dazu, daß ich jetzt das im letzten Jahr erschienene Hirsch-Buch: Gnadenlos gut - Ausflüge in das neue Deutsch besitze. Hirsch hat seine Gabe, die Sprachmoden feinsinnig zu bemerken und zu kommentieren, nicht verloren.
Wie kommt ein solcher Mensch auf die Idee, sein Buch durch das Heyse-s und einige weitere Elemente der im Abbruch befindlichen Rechtschreibreform zu verunstalten?
Der Titel hätte es ihm ja ermöglicht, Absurditäten der "Orthografie" aufzuspießen, aber offensichtlich ist das nicht sein Thema.
Die tatsächliche Begründung verrät er - unbeabsichtigt - in einer Glosse mit dem Titel "Schweigend ins Gespräch vertieft". Die hinter dem bekannten Scherzgedicht "Dunkel war's, der Mond schien helle" stehende Absicht habe er natürlich seit je verstanden; ihm erschienen die darin enthaltenen Gegensätze aber stets als nur scheinbare - er habe sie sich immer mühelos anschaulich vereint vorstellen können. Und er fährt fort: "Vielleicht bin ich ja nur Theologe geworden, weil sich mir das meiste Ungereimte noch irgendwie reimt."
Für den Theologen Hirsch ist die Rechtschreibreform einfach das GEGEBENE, dem die eigene Vorstellung sich mühelos unterwirft: Sick Hirsch, könnte man folgern, aber wahrscheinlich (und hoffentlich!) ist er kerngesund.
 
 

Kommentar von Wolfgang Scheuermann, verfaßt am 13.05.2005 um 11.14 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#159

Als jemandem, der sich häufiger zur Rechtschreibreform vernehmen ließ, konnte mir das Sick-Buch gar nicht entgehen ("... weil Du Dich doch so für Sprache interessierst!"). Im Februar habe ich es geschenkt bekommen; ich habe auch schon die eine oder andere Seite aufgeschlagen, zum wirklichen Lesen hat mich das aber (noch?) nicht motivieren können.
Ich habe aber die Büchlein von Eike Christian Hirsch ("Deutsch für Besserwisser" etc.) nochmals zur Hand genommen und bestätigt gesehen, was meine Erinnerung mir nahelegte: Was bei Sick ein ganzes Kapitel füllt, findet sich bei Hirsch in wenigen Zeilen kondensiert.
Man muß natürlich berücksichtigen, daß Hirsch manche Spracheigentümlichkeiten aufgepickt hat, die sich inzwischen wieder verloren haben, aber vieles kann man auch heute noch mit Gewinn lesen – angenehmerweise auch im Internet:

http://www.aliaflanko.de/bogi/hirsch/
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.05.2005 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#158

PS: Man sollte vielleicht hinzufügen, daß der Ausdruck "Mittelweg zwischen alter und neuer Rechtschreibung", den Bastian Sick wählt, dazu nur scheinbar ein Widerspruch ist. Denn daß der Unsinn der Rechtschreibreform rückgängig gemacht werden muß, teilweise auch schon rückgängig gemacht wurde und wird, dieser schrittweise Rückweg hin zu einem Mittelding aus neuer und alter Rechtschreibung ist ja gerade allgemeiner Konsens unter denen, die für Bastian Sick maßgeblich sind: Die Politiker sagen, daß die Ungereimtheiten beseitigt werden müssen; sogar die Normväter selber sagten von Anfang an, daß nur dasjenige beibehalten wird, was sich langfristig als akzeptabel herausstellt; die Zeitungen haben von Anfang an Kompromisse geschlossen und reparieren nun vor sich hin. Das ist durchaus ein Konsens unter der oben Erwähnten - Hauptsache, die neue Rechtschreibung wird nicht abgeschafft. Und dann reparieren, reparieren, reparieren. Vielleicht geht der SPIEGEL in seiner Fortschrittlichkeit sogar ein paar Trippelschritte voraus auf diesem Rückweg.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 13.05.2005 um 10.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#157

Mein Eindruck: Bastian Sick ist ein typischer Deutscher, sogar ein ganz typischer. Norm, Norm, Norm. Was angeordnet wird, gilt. So und nur so ist es korrekt. Steht schließlich so im Duden usw. In der Tat humorlos.

Wer ein so deutsches, absolut unterwürfiges Verhältnis zu Normen hat, kann nicht anders, als sich auch neuen Normen sofort zu unterwerfen, auch wenn er sie theoretisch vielleicht nicht gut findet.

Eine Norm als derjenige Umgang mit der Welt oder miteinander, auf den sich freie Menschen ohne Zwang, spielerisch, ja sogar weitgehend unabsichtlich und unbewußt geeinigt haben, eine einfach so entstehende Norm kann sich so ein deutscher Mensch nicht wirklich vorstellen. Deshalb wird er sich der Rechtschreibreform unterwerfen: der Rechtschreibung, die endlich staatlich und deshalb wirksam geregelt wurde. Sonst könnten ja sprachliche und schriftliche Unsitten entstehen, wie sie hier und dort schon auszumachen sind. Man kennt das zum Beispiel auch von Margret Popp.

Er wird sich derart mit dieser neuen Norm identifizieren, daß er das entstehende Chaos, das doch seiner Ordnungssehnsucht schmerzlich zuwiderläuft, nur darauf zurückführen kann, daß die Unterwerfung leider nicht allseitig war. Ein unhaltbarer Zustand der Unsitte, der sicherlich irgendwann durch die erhoffte Überzahl der anständigen deutschen Bürger überwunden werden kann. Schuld ist also nicht die Rechtschreibreform selber und sind nicht diejenigen, die sie befolgen, sondern natürlich diejenigen, die sie ablehnen.

Wenn nun durch andauernde Reparaturen an der Reform das normwidrige Chaos der Schreibweisen immer mehr zunimmt, ist das deswegen für Bastian Sick kein Widerspruch, weil nach seiner Vorstellung natürlich immer gerade die neueste Norm gilt und man sich ihr auch sofort unterwirft. Auf diese Weise kann niemals ein größeres Chaos entstehen. Das entsteht nur, wenn jemand sich anders verhält als die meisten anderen. Deshalb sein Rat an den Spiegel: Kein Zeichen setzen! Immer so wie die anderen!

Da kann es schon mal aus dem Blickfeld geraten, daß die anderen sich gar nicht einig sind. Hauptsache, man folgt nicht selbstbewußt einer eigenen Überzeugung, sondern immer dem, wie es die anderen machen. Oder im Zweifelsfall natürlich dem, was der Staat gerade als Norm vorgibt.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 12.05.2005 um 20.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#156

Über die Eiertänze, die Zwiebelfisch vollführt, um die Absurditäten der Reformschreibung bewußt zu übersehen, kann ich mich ganz einfach nur wundern.
 
 

Kommentar von Jean M. Wittolsheimer, verfaßt am 12.05.2005 um 19.28 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#155

Man darf Bastian Sick nicht böse sein. Unter marketingtechnischen Gesichtspunkten ist er erfolgreich. Gönnen wir ihm das. Seine eigentliche Leistung ist aber, dass (kein sz wegen Schweiz, ich hab keins) er als absolut humorloser Mensch es zum Erfolg im Bereich der witzigen Darstellung gebracht hat. Er schaut dem Volk schon gut aufs Maul. Und macht sich lustig. So weit, so gut. Aber das klappt nur aufgrund des Niveaugefälles zu seinen Opfern. Man kann es der fetten Hausfrau im Kittel doch nicht ernsthaft vorwerfen, dass sie die zugegeben schwierieche deutsche Orthogaphie nicht auf professionelles Niveau gelernt gehabt hat. Damit zu kokketieren ist witzig. Aber gleichzeitig macht Mr. Sick das gleiche, worüber er sich lustig macht. Kriecherisch wendet er die Reformgraphie an, ohne auch nur ansatzweise die daraus resultierenden unfreiwilligen Scherze in seine Komik miteinzubeziehen. D.h., er sorgt für ein Niveaugefälle zu denen, die es eben besser können, oder zumindest ihr Gehirn orthographietechnisch und grammatikalisch (oder wie das heisst) nicht abschalten. Deshalb haben wir Spass an seinen Inkongruenzen und unfreiwilliger Komik. Zwiebelfisch 4. Auflage 2004, S.89 "Anfangs sperrt man sich vielleicht noch dagegen und denkt: "Was für ein Quatsch! Das lässt sich doch auch klarer ausdücken!" Doch irgendwann ist selbst der eloquenteste Abgeordnete WEICH GEKOCHT und ergibt sich der Übermacht der -ierungen, -nahmen und -barkeiten."

Was soll man dazu sagen?
 
 

Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 08.04.2005 um 09.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=55#32

Es würde aber die reformkritischen Vorschläge des Rats für deutsche Rechtschreibung sehr unterstützen, wenn der Spiegel und z.B. die Süddeutsche Zeitung diese Vorschläge als die einfach verständlicheren Schreibweisen in ihre Hausorthographien übernehmen würden, und zwar auch dann, wenn die Kultusminister diese Vorschläge aus Rücksichtnahme auf die Gewinne der Schul- und Wörterbuchverleger ablehnen sollten. Die angebliche Überforderung der Kinder wäre ja nur ein vorgeschobener Grund, denn auch Kinder lernen lieber Vernünftiges als Unsinniges.
 
 

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