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31.03.2005
Demokratisierung der Wahrheit
Warum ist die Reform so greulich mißlungen? Einer der Gründe ist bisher wenig beachtet worden
Die Reformer haben unzählige Male betont, wie demokratisch sie innerhalb ihrer diversen Gremien "Kompromisse" herbeigeführt haben (weswegen natürlich, leider, nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen konnten).
Was das Institut für deutsche Sprache (IDS) betrifft, so hat diese Methode dort Tradition. In dem Band "Untersuchungen zur Verbvalenz" (Tübingen 1978) berichtet die IDS-Gruppe Verbvalenz, daß die grammatische Frage, ob eine Ergänzung oder eine Angabe vorliege, in schwierigen Fällen per Mehrheitsentscheid gelöst habe. Wer es nicht glaubt: auf S. 130 steht es.
In derselben Weise hat die Rechtschreibkommission über die Wortarten befunden. Falls jemand das nicht richtig findet, ist er kein Demokrat, sondern ein "Fundamentalist".
Für den "Rat" zeichnet sich nun eine Fortsetzung ab, denn gerade die Frage, ob einfache oder Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit entscheiden soll, wird ja zur Zeit diskutiert. Daß solche Prozeduren auch in grammatischen Angelegenheiten entscheiden sollen, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Ich sehe schon kommen, daß auf meine Frage, wie es denn stehe mit wie Recht du hast, die mehrheitlich beschlossene Antwort gegeben wird, die mir seinerzeit Gerhard Augst entgegenhielt: "Damit können wir leben!"
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 31.03.2005 um 19.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#18
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Die beim IDS praktizierten Abstimmungen über Rechtschreibregeln führen auf die alte Frage zurück, ob Sprache, Grammatik, Rechtschreibung usw. als sich selbst entwickelnde Naturgesetze anzusehen sind, die man nur richtig oder falsch erkennen kann, oder ob sie von Menschen gemachte Kunstwerke sind. Falls letzteres zutrifft, stellt sich die Frage, ob daran Änderungseingriffe zulässig sind und falls ja, wer solche Änderungen vornehmen darf: Wem gehört die Sprache? Wer darf sie ändern?
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 31.03.2005 um 20.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#19
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"Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist Unsinn,
Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen."
(Aus dem unvollendet gebliebenen Trauerspiel "Demetrius" von Fr. Schiller)
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 01.04.2005 um 09.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#20
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Demokratische Vorgänge
Wohl kaum etwas wird so häufig mißbraucht wie das Wort „demokratisch“.
Als „demokratisch“ werden Vorgänge bezeichnet, die mit dem Wollen der Mehrheit identisch sind. Demokratische Entscheidungen vermitteln den beruhigenden Eindruck, sie seien a priori gerecht, weil die Willkür des Einzelnen fehle. Es herrsche also das Volk, das heißt, wir alle.
Im Falle Rechtschreibreform können wir beobachten, daß sich der „demokratische Volkeswille“ nun ganz und gar gegen den mehrheitlichen Willen des Volkes gerichtet hat.
Sind denn Kommission und Rat keine demokratischen Gremien, wie sie es von sich selbst behaupten? Stimmen sie doch, wie man hört, nach „demokratischen“ Grundregeln ab!
Betrachten wir die Vorgänge nüchtern, quasi mit den Augen eines Beobachters, der von einem anderen Stern zu Besuch auf die Erde gekommen ist:
Eine Millionen-Sprachgemeinschaft besitzt eine gut funktionierende Schriftsprache, deren Niveau aufgrund der kulturellen Entwicklung hoch ist. Obwohl das Kommunikationssystem gut funktioniert, also kein Änderungsbedarf vorhanden ist, fühlt sich eine Handvoll Personen, einer inneren Eingebung folgend, dazu berufen, die Schriftsprache nach privaten Vorstellungen willkürlich zu verändern. Mittels des Zauberwortes „demokratisch“ erklärt sich diese kleine Minderheit eigenherrlich dazu legitimiert, in Vertretung für das Volk zu handeln. Das Volk aber wollte weder eine Veränderung, noch wußte es anfangs davon. Es gibt also keinen Ausdruck mehrheitlichen Willens zu einer Veränderung der Sprache. Der Wille beschränkt sich auf wenige Köpfe, die in der Folge nach dem Muster diktatorischer Willkürherrschaft handeln – aber alles in „demokratischer“ Weise. Wie paßt das zusammen?
Ganz einfach: Es müssen lediglich die „demokratischen“ Spielregeln beachtet werden. Innerhalb der Gruppe wurde und wird „demokratisch“ nach Mehrheitsprinzip abgestimmt. Das „demokratische“ Verfahren – also das WIE – soll den Vorgang selbst – also das WAS –rechtfertigen. Erstaunt registriert unser außerterrestrischer Besucher, daß eine vom Volk mehrheitlich abgelehnte – also undemokratische – Reform mittels Anordnungen und Zwangsmaßnahmen durchgeführt wird. Noch größer aber ist sein Erstaunen, daß dieses autokratische Vorgehen auch noch als „demokratisch“ bezeichnet wird!
Das wahrhaft Teuflische am „demokratischen“ Abstimmungsverfahren der Rechtschreibreform (wie an ähnlichen politischen Entscheidungen) ist, daß kein einzelnes Mitglied der „demokratisch“ tagenden Versammlung für das Ergebnis der Gruppenarbeit haftbar gemacht werden kann. Der „Mehrheitswille“ ist nämlich ein Homunkulus. Es gibt ihn nicht. Ebenso wie die Kollektivverantwortung eine Schimäre ist. Verantwortung kann niemals von einer Gruppe getragen werden, sondern immer nur von einzelnen Personen. Verantwortungsethik ist an die Einzelperson gebunden. Wo Mehrheitsentscheidungen fallen, steckt oft genug eine (demokratisch!) organisierte Verantwortungslosigkeit dahinter.
So registriert unser Besucher vom anderen Stern fassungslos, wie in einer Kulturnation mit Hilfe der (ursprünglich guten) demokratischen Idee Entscheidungen gegen Tradition und Mehrheitsmeinung gefällt und in absolutistischer Weise verwirklicht werden – zum Schaden der Allgemeinheit. Das „demokratische“ Verfahren wird zum Selbstläufer, unantastbar = heilig. Nicht mehr zu stoppen, alles legitimierend, unter einer einzigen Bedingung: innerhalb der Gruppe – mag diese auch noch so undemokratisch zustande gekommen sein! –, muß „demokratisch“ abgestimmt werden.
Merke: Das Wort „demokratisch“ ist ein Zauberschlüssel, der auf alle Türen von Herrschaft paßt, auch auf die verbotenen.
Merke auch: Demokratie ohne Rechtsstaatlichkeit ist eine leere Hülse und schützt vor Torheit nicht.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2005 um 10.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#21
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Ein altes Problem. Wir haben gelernt, daß die Demokratie das am wenigsten schlechte von allen Regierungsystemen ist. Verschiedenartige Konflikte sind seit langem bekannt. Platon meinte, wenn man Kinder zwischen dem Arzt und dem Konditor wählen lasse, sei abzusehen, wie sie sich entscheiden würden - nicht unbedingt zu ihrem eigenen Besten. In unseren Schulen lassen die Lehrer manchmal die Kinder darüber abstimmen, was im Deutschunterricht gelesen wird. Mit Verlaub: das ist Unsinn, wenn auch bequem. Schließlich hat der Lehrer das Fach studiert, nicht der Schüler.
Dieser Typ von Konflikt ist zu Beginn der Rechtschreibreform durch Leo Weisgerber dargestellt worden, und er kam zu dem Schluß, wenn sich das deutsche Volk seiner "Verantwortung für die Schrift" (so der Titel) nicht bewußt sei, müsse der Staat es dazu zwingen. So geschah es, denn dieselbe Überzeugung prägt alle später aktiv gewordenen Reformer. Daher auch das gewählte Verfahren: Planung hinter verschlossenen Türen und dann Bekanntgabe der vollendeten Tatsachen.
Der zweite Typ wird durch das Prinzip der repräsentativen Demokratie akut. Wir haben die Herren Augst usw. zwar ebenso wenig direkt gewählt wie die Herren Stillemunkes usw., aber irgendwie eben doch. Denn wir haben die gewählt, die die gewählt haben, die ... - Volksentscheide sind daher grundsätzlich überflüssig, ja systemwidrig, so meint man und hört man. Andererseits gibt es viele Gründe, den Regierenden zu mißtrauen. Wir haben Dutzende von Parteifunktionären kennengelernt, die uns in der Sache recht geben und trotzdem nichts tun, weil es nicht opportun ist. Der SPD-Bundestagsabgeordente Peter Enders versicherte mir, er finde die RSR "Scheiße", werde aber trotzdem dafür stimmen, um die Kultusminister seiner Partei zu stützen. Der CSU-Abgeordnete Joachim Herrmann (hier im Wahlkreis, wird vielleicht noch Ministerpräsident, wenn Markus Söder es nicht wird) gab mir ebenfalls recht, meinte aber, vor der Landtagswahl keine schlafenden Hunde wecken zu sollen. Die Wahl ist lange vorbei, getan hat er natürlich nichts. Jeder von uns könnte stundenlang mit solchen Geschichten fortfahren. Und die Schulbuchverleger brüsten sich, "massiv" auf die Kultusminister und Ministerpräsideten "eingewirkt" zu haben - ja, wie denn das, wenn letztere ihre Pflicht tun und sonst nichts? Aber das ist es eben: Die Lobbyisten wirken massiv ein, und das Wählervolk wirkt praktisch überhaupt nicht ein.
Am Ende kommt also nicht einmal heraus, was gut für die Schreibenden und für die Schüler ist, sondern was gut für einige Unternehmen ist. Trotzdem kann man die Demokratie nicht ablehnen, s. o.
Wenn man die Bevölkerung über richtig gestellte Fragen abstimmen ließe, wäre ihr Urteil voraussichtlich sehr vernünftig. Man darf natürlich nicht fragen: "Sind Sie dafür, daß die Rechtschreibung erleichtert wird?" Oder "Sollten wir zur Rechtschreibung von 1901 zurückkehren?" Oder "Sollten wir statt 112 Regeln wieder 212 Regeln für die deutsche Rechtschreibung haben?" Das ist bloß Rhetorik und Demagogie. Man sollte fragen: "Finden Sie, daß die Schreibweise der FAZ (oder der BILD, wie sie jetzt wieder ist) geändert werden sollte?"
Vor Mehrheiten wäre mir dann nicht bange.
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 01.04.2005 um 10.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#22
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Es gibt ein interessantes Vorbild. Über die 1. Berliner Orthographische Konferenz (1876) schreibt Reinhard Markner in "Rechtschreibung als Verhandlungsmasse" (hier in "Schrift & Rede" unter den Aufsätzen zu finden):
Die Frage der Vokallängenbezeichnungen sollte zum beherrschenden Thema der Berliner Konferenz werden. Mühsam stimmte man über jede einzelne Schreibung ab. Deutlichen Zuspruch mit zwölf Stimmen erfuhren so zum Beispiel »Färte« und »Sträne«, wohingegen auf »Han« nur acht Stimmen entfielen. Der Vorschlag »Bot« erhielt gar nur sieben Voten und war somit gekippt, weil Stimmengleichheit als Ablehnung gewertet wurde.
Das gedruckte Protokoll der Konferenz gab den Blick frei auf den Reigen der mit wechselnden Mehrheiten gefällten Entscheidungen und ließ so die Willkür des ganzen Verfahrens erkennen. Der Germanist Wilhelm Scherer, der von den anderen Teilnehmern meist überstimmt worden war, spottete in einem Artikel, er habe in Berlin zu seiner Überraschung die »orthographische Guillotine« niederfahren sehen: »Ich wohnte einer Versammlung bei von friedlichen, zu friedlichem Thun berufenen Männern, bei denen die Neigung zu revolutionären Acten bis dahin nie hervorgetreten war... Das Machtgefühl, das stets vom grünen Tisch ausgeht, wirkte begeisternd.«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.04.2005 um 11.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#24
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Der Vorwurf wurde seinerzeit von Weisgerber erhoben. Weil diese Dinge hier außer Herrn Markner nur wenigen bekannt sein dürften, zitiere ich ein bißchen aus meinen Aufzeichnungen:
Weisgerber, Leo (1964): Die Verantwortung für die Schrift - Sechzig Jahre Bemühungen um eine Rechtschreibreform. Mannheim (Duden-Beiträge 18)
Es geht nur um die Einführung der Kleinschreibung. Weisgerber war
Mitunterzeichner der Stuttgarter Empfehlungen, konnte das Scheitern nicht verwinden.
W. bemüht sich zwar, den Widerstand gegen die Reform "soziologisch" zu verstehen, aber dabei kommt dann doch nicht viel mehr heraus als ein wütendes Verächtlichmachen der Gegner, während die Befürworter nie einer solchen Motivforschung unterzogen werden. Die Ablehnung durch die Dt. Akademie für Sprache und Dichtung ärgert ihn besonders (Jb. 1954), Storz usw., die sich allerdings auch bis zu "verblendete Anarchisten" verstiegen hatten. Nimmt "Verantwortung" für die Reformer in Anspruch, die Gegner sind "unverantwortlich", "verantwortungslos" (über 100mal!).
Ohne Reform "muß man auch für das Deutsche einer Entwicklung ihren Lauf lassen, der bereits andere Sprachen, wie das Französische und erst recht das Englische, erlegen sind und bei der man sich fragt, wozu dann eine so epochemachende Erfindung wie die Buchstabenschrift nötig war. Am Ende einer solchen Entwicklung kann nur ein Kulturbruch katastrophaler Art stehen." (40f.) Ähnlich S. 179, wo er gar eine "Revolution" drohen sieht. Welcher Art sie sein könnte, bleibt dunkel. Demnach geht die anglophone Kultur einer Katastrophe entgegen! (Die chinesische Schrift erwähnt er nicht. In gewisserweise sind die Chinesen und die Anglophonen aber doch die erfolgreichsten Völker der Erde, trotz ihrer verkorksten Schrift ...)
In seinem historischen Abriß kommt das Dritte Reich nicht vor, vgl. aber den Untertitel! Es werden also nur 48 Jahre Bemühungen behandelt.
"Von den Auswirkungen der Diskussion um die Stuttgarter Empfehlungen war wohl am wichtigsten die Einsicht, daß man neue Formen der Willensbildung suchen müsse. (...) Der Sprachgemeinschaft gegenüber ist die Macht des objektivierten Gebildes viel zu groß geworden, als daß man mit inneren Entschließungen weiterkäme. Zum mindesten muß zur Verwirklichung von Vorschlägen (selbst einstimmigen) die Unterstützung durch Behörden in Anspruch genommen werden, die für Schule und amtlichen Gebrauch Anweisungen geben können." (62)
Die Sprachgemeinschaft ist der "Roboterwirkung" des Objektivgebildes (passim) ausgeliefert.
Der erste Schritt zur Aktivierung der Obrigkeit war 1956 die Einberufung des Wiesbadener Arbeitskreises für Rechtschreibregelung. 1958 Wiesbadener Empfehlungen. (Weisgerber war Vorsitzender des Unterausschusses für Groß- und Kleinschreibung)
Auch W. hält eine nichtamtliche Initiative für "der Sache zweifellos angemessener" (64). Ebenso S. 76: "Über die Notwendigkeiten der Sprache hat die Sprachgemeinschaft und nicht der Staat zu befinden, und das gilt entsprechend für die Schrift, so sehr der Tatsache Rechnung zu tragen ist, daß die Behörden durch ihre Anweisungsbefugnisse für den Schulunterricht und den amtlichen Schriftverkehr den Anspruch auf entsprechende Mitwirkung haben. Sicher hat die Unfähigkeit der Sprachgemeinschaft, die ihr zukommende Aufgabe zu lösen, die Behörden auf den Plan gerufen."
(Aber es waren die Reformwilligen, die die Behörden gerufen haben!)
Sieht Gefahr der "zunehmenden Versteinerung der Schrift"
Gegen das Gutachten der Bayr. Ak. d. schönen Künste und das
Gutachten der Dt. Ak. in Jb. 1963. Tenor: Nicht die Regelung ändern, sondern den Umgang und die Bewertung toleranter. Weisgerber hält dies für utopisch, auch im privaten Schriftverkehr.
"Die Vormachtstellung des objektivierten Gebildes ist so vollkommen, daß die Hörigen sogar den Versuch, sie von dieser Hörigkeit zu befreien, zunächst als Gewalttat empfinden." (81)
(Daher die Zwangsbeglückung.)
S. 82 recht realistisch über die Aussichtslosigkeit einer verfügten Toleranz in Schule, Büros usw. Man wird den Schreiber immer nach der Norm und nicht nach der Toleranz beurteilen, auch den Erfolg des Lehrers daran messen.
Zum Argument des Umlernens:
"Es ist gar nicht einzusehen, warum und von wem die Schreibenden gezwungen werden sollen, anders zu schreiben, als sie es gelernt haben; ihre Großschreibung wird den Jüngeren ebenso zugänglich sein, wie deren Kleinschreibung den Älteren." (83)
101: Mindestens 200 Mill. Kinderstunden jährlich würden mit GKS verbraucht. (Vgl. Menze 1997: 11 Milliarden DM Einsparung durch RSR!)
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 01.04.2005 um 12.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#25
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Leo Weisgerber: "Die Unfähigkeit der Sprachgemeinschaft, die ihr zukommende Aufgabe zu lösen, hat die Behörden auf den Plan gerufen"?
Welche Aufgabe? Und warum mußte sie ganz dringend gelöst werden?
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 01.04.2005 um 13.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#26
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Zur demokratischen Legitimation: Man kann natürlich behaupten, daß die Bevollmächtigung durch den demos sozusagen stafettenartig von den gewählten Abgeordneten über den gewählten Ministerpräsidenten, die von ihm ernannten (nicht gewählten)Minister bis zu Rechtschreibkommissionen, -räten u.dgl. immer weitergereicht wird. Allein, je weiter ein Entscheidungsgremium sich vom pouvoir constituant entfernt, desto verdünnter wird die demokratische Legitimation. Es kommt eben, wie auch Prof. Ickler schon andeutet, nicht nur auf das Abstimmungsverfahren an, sondern genauso auf den Ursprung der Macht. Der neue Rat für deutsche Rechtschreibung ist ganz gewiß nicht demokratisch legitimiert, daran ändert auch das Verfahren der Mehrheitsbeschlüsse nicht das geringste. Er ist ein Organ der Exekutive, irgendwelchen Wählern oder Stimmbürgern nicht verantwortlich. (Es ist so wie beim Ministerrat der EU, der auf wundersame Weise zur Legislative wird.) - Die Frage, ob in Sachen Orthographie überhaupt demokratisch zustande gekommene Beschlüsse legitim und damit bindend sein können, bleibt unbeantwortet. Jedenfalls wird in Abstimmungen nicht festgestellt, was richtig oder falsch ist, sondern was geschehen soll. Aber gerade dazu ist der Rat ja bestellt worden, und gerade deswegen wird er den Rechtschreibfrieden auch nicht stiften können.
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Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 01.04.2005 um 14.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#27
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Auch wenn die Beschlüsse des "Rats" nur Vorschläge an die KMK sind, wirken sie für Schulen und Behörden als Gesetze, nach denen "richtig" oder "falsch", "gut" oder "schlecht" beurteilt wird. Insoweit fehlt die Gewaltenteilung für diese Rechtsprechung über die Leistungen der Schüler.
Für das Abstimmungsverhalten der vom Volk gewählten Abgeordneten ist der Ausspruch einer Grünen-Abgeordneten kennzeichnend: "Auch wenn der politische Gegner sehr vernünftige Vorschläge macht, müssen wir diese aus parteipolitischen Gründen ablehnen."
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.10.2016 um 05.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=51#33608
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Wikipedia über die "Deutsche Sprachwelt":
Die DSW erscheint in nicht mehr amtlicher Rechtschreibung von 1901.
Das ist eine Halbwahrheit und eine Gemeinheit. Formal galt zwar die amtliche Rechtschreibung von 1901 für die Schulen weiter bis zur Reform 1996. Es gab aber eine ebenfalls amtlich vorgesehene und gebilligte Weiterentwicklung der Schreibweisen, die der Duden aufnahm. Die DSW erscheint in der Rechtschreibung von 1995 und nicht in einer der seither vorgelegten Varianten einer anerkannt fehlerhaften und gegen den Mehrheitswillen durchgesetzen Reformschreibung.
Außerdem wäre auf den Sinn von "Amtlichkeit" hinzuweisen gewesen: Verbindlichkeit für die Schulen. Die FAZ erscheint auch nicht in amtlicher Rechtschreibung.
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