31.03.2005


Theodor Ickler

Demokratisierung der Wahrheit

Warum ist die Reform so greulich mißlungen? Einer der Gründe ist bisher wenig beachtet worden
Die Reformer haben unzählige Male betont, wie demokratisch sie innerhalb ihrer diversen Gremien "Kompromisse" herbeigeführt haben (weswegen natürlich, leider, nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen konnten).

Was das Institut für deutsche Sprache (IDS) betrifft, so hat diese Methode dort Tradition. In dem Band "Untersuchungen zur Verbvalenz" (Tübingen 1978) berichtet die IDS-Gruppe Verbvalenz, daß die grammatische Frage, ob eine Ergänzung oder eine Angabe vorliege, in schwierigen Fällen per Mehrheitsentscheid gelöst habe. Wer es nicht glaubt: auf S. 130 steht es.

In derselben Weise hat die Rechtschreibkommission über die Wortarten befunden. Falls jemand das nicht richtig findet, ist er kein Demokrat, sondern ein "Fundamentalist".

Für den "Rat" zeichnet sich nun eine Fortsetzung ab, denn gerade die Frage, ob einfache oder Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit entscheiden soll, wird ja zur Zeit diskutiert. Daß solche Prozeduren auch in grammatischen Angelegenheiten entscheiden sollen, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Ich sehe schon kommen, daß auf meine Frage, wie es denn stehe mit wie Recht du hast, die mehrheitlich beschlossene Antwort gegeben wird, die mir seinerzeit Gerhard Augst entgegenhielt: "Damit können wir leben!"


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