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20.05.2006
Haare spalten
Nicht ausgekämmter Duden
"Das schließende Komma nach einer Erläuterung darf jedoch nicht gesetzt werden, wenn diese in eine substantivische oder verbale Fügung einbezogen ist. Das ist der Fall, wenn die Erläuterung zwischen einem Attribut und dem zugehörigen Substantiv steht und das Attribut erläutert: »Das ist eine WINTERHARTE, d. h. nicht frostempfindliche PFLANZE.«"
(Aus dem Duden-"Newsletter" [= Rundbrief] vom 19. 5. 2006)
Das ist ein schönes Beispiel für die Haarspaltereien, die es auch künftig erforderlich machen, den Duden zu kaufen. Muß sich eine Rechtschreibung, die ohnehin nur für die Schule verbindlich ist, wirklich mit solchen Quisquilien belasten? Zumal die Regel in vielen Fällen nicht einleuchtet, da eine parenthetische Deutung möglich ist, die folglich durchaus mit zwei Kommas versehen werden sollte.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.05.2006 um 10.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4115
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Schreiben wir das mit Gedankenstrichen:
Das ist eine winterharte – d. h. nicht frostempfindliche – Pflanze.
Das Weglassen des zweiten Gedankestrich, der die Parenthese abschließt, ist kaum möglich; zumindest würde man sich den flüssigeren Übergang zum Bezugswort (Pflanze) mit einem logischen Ungleichgewicht erkaufen:
Das ist eine winterharte – d. h. nicht frostempfindliche Pflanze.
Bewertung: rhetorisch angenehm, der Gedankenstrich wird aber dann zum bloßen Signal für eine rhythmische Zäsur, obwohl man von ihm vorrangig erwartet, daß er die inhaltliche, grammatische, logische Struktur verdeutlicht. Daher ist die saubere Lösung mit zwei Gedankenstrichen der Normalfall und die überlegene Schreibweise.
Es ist nun nicht einzusehen, warum man laut Duden nicht zwei Kommas setzen darf, während man zwei Gedankenstriche setzt (oder zumindest setzen sollte). Vor allem die alternative Verwendung von Klammern führt dieses Verbot ad absurdum.
Vergleiche:
Das ist eine winterharte (d. h. nicht frostempfindliche) Pflanze.
Das ist eine winterharte – d. h. nicht frostempfindliche – Pflanze.
Das ist eine winterharte, d. h. nicht frostempfindliche, Pflanze.
Die hintere Klammer ist unverzichtbar; der hintere Gedankenstrich ist nahezu unverzichtbar; warum sollte das hintere Komma geradzu verboten sein? Ich schließe mich der Beurteilung von Professor Ickler an.
Zugegeben, es ist stilistisch besser, auf das hintere Komma zu verzichten. Daß dies gut möglich ist, zeigt folgende Gegenüberstellung:
Das ist eine winterharte, nicht frostempfindliche Pflanze.
Das ist eine winterharte, also (eine) nicht frostempfindliche Pflanze.
Das ist eine winterharte, d. h. nicht frostempfindliche Pflanze.
Es sind eben beide Konstruktionen bzw. Deutungen möglich: Reihung von Attributen (dazwischen ein Komma); Parenthese (eingeschlossen in Klammern, Gedankenstrichen oder Kommas). Die erste Variante liest sich besser; die zweite ist jedoch ebenfalls möglich, wofür sich sicher plausiblere Beispiele finden lassen.
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Kommentar von David Weiers, verfaßt am 20.05.2006 um 11.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4116
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Wann kommt eigentlich der Duden für den Duden raus? Mir kann doch keiner erzählen, daß da noch jemand durchblickt, der kein "Fachmann" ist.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.05.2006 um 13.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4117
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Duden locuta, causa finita? Das Dudenmonopol über die Rechtschreibregeln scheint wiederhergestellt, wie gegenüber Rom hilft nur ziviler Ungehorsam.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 20.05.2006 um 16.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4118
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Zu Wolfgang Wrases "Es ist nicht einzusehen...": Eben! Es ist die Vorschreiberei, die gewaltig stört. Dieses "darf kein Komma stehen"! Natürlich versteht man Zusätze in Klammern und Gedankenstrichen als erklärende Zusätze, und sie brauchen das schließende Zeichen. Die gesprochene Sprache zeigt das auch klar an. Bei einem weiteren Glied einer Aufzählung würde kein Komma stehen (ein gutes, kühles Bier); je mehr der Zusatz aber eine Erklärung ist, umso mehr kann auch die nötige Erklärung an deren Ende durch eine Sprechpause angezeigt werden. Wenn das der Fall ist, ist ein Komma eben nicht falsch und womöglich sogar geboten. Manchmal möchte ich eben nicht nur "ein gutes, kühles Bier", sondern, als vielleicht gebranntes Kind, endlich "ein gutes, kühles, Bier".
Und schon das Deutsch: "Das schließende Komma nach einer Erläuterung darf jedoch nicht gesetzt werden, wenn diese in eine substantivische oder verbale Fügung einbezogen ist." Das schließende Komma ist nur ein Komma, wenn's auch da ist und schließt. "Kein Komma steht, wenn..." schriebe hinreichend klar vor.
Zu Icklers "Muß sich eine Rechtschreibung, die ohnehin nur für die Schule verbindlich ist, ...": Ja, aber darum geht es mir gerade! Gerade in der Schule sollte nicht Zeit für Unsinn verschwendet werden! Daß Leute, die richtig schreiben können, richtig schreiben, das ist klar; aber wenn Unsinniges regierungsverordnet in der Schule gelehrt wird, das stört die Kultur unserer Gemeinschaft. Natürlich verstört uns viel anderer regierungsverordneter Unsinn ebenfalls. Aber die Sprache als Mitteilungsmittel unterliegt in einer Demokratie unseres Verständnisses eben nicht der Regierungsgewalt, und Vorschreiberei hier ist eine Gefahr für uns und unsere Kinder.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2006 um 17.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4120
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Ganz im Sinne von Herrn Ludwig habe ich in meinem Wörterbuch die Anmerkung eingeschoben, daß "Erläuterungen" in solchen Fällen "meist nicht wie Appositionen, sondern wie Aufzählungen behandelt und daher nicht durch Komma abgeschlossen" werden. Es folgen die Beispiele aus dem alten Duden. So braucht man keine lästigen (scheinbaren) Ausnahmen zu lernen und ist die Vorschreiberei los.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 20.05.2006 um 18.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4121
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Die Kommasetzung bei Erläuterungen ist in den § 76 bis 78 sehr schwerverständlich formuliert und erfordert beim Anwenden erhebliches Nachdenken. Deshalb sollte sie freizügiger gestaltet werden. Jetzt wirkt sie wie Fallenstellerei.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 20.05.2006 um 19.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4122
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So eine Kommaregel, wie sie der Duden-„Newsletter“ dargelegt hat, gehört in den Buchdruckerduden – und sonst nirgendwohin. Otto Normalverbraucher benötigt dagegen gute Beispiele, die den Unterschied zwischen einer näheren Bestimmung (ein anderes schwaches Kind – nicht nur das zweite, auch das erste Kind ist schwach) und einer Reihung (ein anderes, schwaches Kind – nur das zweite Kind ist mit Sicherheit schwach) verdeutlichen.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.05.2006 um 19.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4124
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Nein, die Regel kann man schon zum Bestand der guten Kommasetzung zählen, sie beschreibt eine häufige Struktur. Man muß sie nur richtig formulieren. Unter R 98 hieß es:
Wird eine adjektivische Beifügung (ein Attribut) durch eine zweite Beifügung näher bestimmt, dann setzt man kein schließendes Komma, um den Zusammenhang der Fügung nicht zu stören.
Ausländische, insbesondere holländische Firmen ...
Manchmal hat der Duden seine Regeln richtig gut formuliert. Das wäre auch hier möglich gewesen:
Wird eine adjektivische Beifügung (ein Attribut) durch eine zweite Beifügung näher bestimmt, setzt man gewöhnlich kein schließendes Komma, um den Zusammenhang der Fügung nicht zu stören.
Oder: Wird eine adjektivische Beifügung (ein Attribut) durch eine zweite Beifügung näher bestimmt, setzt man in der Regel kein schließendes Komma, um den Zusammenhang der Fügung nicht zu stören.
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Kommentar von Florian Bödecker, verfaßt am 20.05.2006 um 21.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4126
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Ich bin auch schon oft beim Schreiben über diese Fälle gestolpert. Das Problem ist, daß schon die alte Duden-Regel gar nicht alle Fälle abdeckt, wie Christian Stetter in seinem Ratgeber darstellt. Er bringt folgende Beispiele:
"Sie stritten sich, d.h. sie beschimpften sich."
"Sie waren verliebt, d.h. richtiggehend vernarrt in den Ort."
Für ihn handelt es sich um eine ganz regelmäßige Erscheinung.
Deswegen gilt auch bei ihm die grundsätzliche Regel, daß nachgestellte genauere Bestimmungen wie Aufzählungen kommatiert werden, wenn sie sich als solche interpretieren lassen.
Ich habe mich noch extra an das grammatische Telefon gewandt, wo ich aber nur auf die alte Duden-Regel verwiesen wurde. Das beschriebene Problem, daß damit gar nicht die Regularität erfaßt wird, sondern nur zwei bestimmte Fälle, wurde nicht erörtert.
Mir scheint Stetters Position plausibel zu sein. Ich lese z.B. ganz oft Sätz wie diesen hier:
"Daher wird die ruhmreiche CIA-Tradition von ‚Geheimdienst-Kriegen’ mit modernstem Hightech-Gerät in kleinem Maßstab z. B. im Jemen fortgesetzt; und wenn "hochrangige Al-Kaida-Mitglieder" in einem Dorf vermutet werden, dann wird es auch dann aus der Luft zerbombt, wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terrorkrieg liegt."
Wenn ich das richtig sehe, gibt es hier ja gar keine verbale Fügung, die gestört wird. Der Schreiber scheint doch Hemmungen gehabt zu haben, das Verb am Ende abzuschneiden.
Was sagen denn die Sprachwissenschaftler dazu? Könnte man nicht eine dementsprechende Regel formulieren?
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.05.2006 um 03.23 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4127
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Das stimmt, diese Frage stellt sich nicht nur bei zwei vorangestellten Adjektiven oder sonstigen Attributen, sondern zum Beispiel auch bei zwei Verben. Zweierlei spielt hier eine Rolle.
Zum einen, daß man wirklich beide Konstruktionen ansetzen kann: Das Einschließen in Kommas (oder Gedankenstrichen oder Klammern) entspricht der Auffassung, daß dasselbe in einer genaueren (allgemeiner: in einer anderen) Form nochmals gesagt und als Anmerkung in den restlichen Satz eingeschoben wird (Parenthese). Die Reihung mit einfachem Komma dazwischen entspricht der Auffassung, daß einfach zwei Angaben hintereinander gemacht werden, die durchaus auch sehr ähnlich sein können, so wie zum Beispiel bei:
attraktive, junge Männer
Sie waren verliebt, richtig vernarrt in den Ort
Statt letzterem könnte man die Reihung ja auch durch ein und verküpfen:
Sie waren verliebt und richtig vernarrt in den Ort
Es wäre jedoch auch möglich, ein zweites Komma zu setzen:
Sie waren verliebt, richtig vernarrt, in den Ort
Hier wird der zweite Ausdruck als Parenthese dargeboten.
Der zweite Gesichtspunkt bezieht sich darauf, daß durch ein Komma eine "Fügung gestört" werden kann. Hier geht es einfach um Lesefreundlichkeit. Rein logisch gesehen, wäre die Konstruktion der Parenthese auch im anderen Beispiel möglich:
attraktive, junge, Männer
Das ist aber einfach leseunfreundlich, denn der Bezug zwischen Adjektivattribut und Substantiv ist außerordentlich eng, fast so eng wie zwischen Artikel und zugehörigem Substantiv. Der Leser schätzt es nicht, wenn dieser Bezug durch ein Komma gestört wird. Niemand möchte lesen:
die, attraktiven, Männer (ob das nun sinnvoll wäre oder nicht)
attraktive, junge, Männer (ob das nun sinnvoll wäre oder nicht)
Derselbe Gesichtspunkt gilt auch für das von Herrn Bödecker zitierte Beispiel:
[ein Dorf ...], wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg liegt.
Die Fügung wenn es [dort] liegt würde durchaus gestört werden, wenn man die Parenthese wählen würde:
wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg, liegt.
Hier spielt vor allem eine Rolle – und das ist sehr oft der Fall –, daß nach der Parenthese nur noch ein einziges Wort vor dem Satzende folgt. Es frustriert den Leser, wenn er einer Parenthese zuliebe den Spannungsbogen über eine weite Strecke mitverfolgt hat, bis zum zweiten Komma – und dann bricht die schöne weitgespannte Struktur nach nur einem weiteren Wort in sich zusammen. Diese Struktur ist unausgewogen, unökonomisch. Deswegen gilt es als guter Stil, entweder auf das zweite Komma zu verzichten (eben um die Fügung nicht zu stören) oder das Verb nach vorne zu ziehen ("Ausklammerung", das heißt Entklammerung):
wenn es in Pakistan liegt, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg.
Diese stilistischen Maßnahmen wären weniger dringlich, wenn der Satz nach der Parenthese weiterginge:
wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg, liegt und möglicherweise Unschuldige bei dem Angriff ums Leben kommen.
Reihungen lesen sich leichter und flüssiger. Parenthesen unterbrechen den Satz, in den sie eingebettet sind – grammatisch, inhaltlich und rhythmisch. Unterbrechungen sind unangenehm. Daß der Duden aber die Konstruktion einer Parenthese glatt verbieten will, geht zu weit.
In stilistischer Hinsicht ist die Regel, etwas gemäßigter formuliert, jedoch berechtigt: zwei Adjektivattribute vor einem Substantiv. Es ist fast immer besser, vor dem Substantiv kein Komma einzufügen, unabhängig von den logischen Verhältnissen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.05.2006 um 06.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4128
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Herr Wrase weist mit Recht auf die rhythmischen Bedingungen hin. Sie gelten über alle zugestandene Grammatisierung des Kommas hinweg. Zusätzlich möchte ich noch folgendes anführen: wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg liegt. Hier könnte man auch sagen wenn es in Pakistan und damit auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg liegt. Das zeigt die enge Verwandtschaft von Erläuterung und "Aufzählung". Genauer müßte man von "Häufung" sprechen, da nicht mehrere Gegenstände aufgezählt, sondern mehrere Bezeichnungen desselben Gegenstandes gehäuft werden.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.05.2006 um 12.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4131
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Mit dem Versuch, die Parenthese (altgr. par-en-thesis, das Dazwischenstellen, Einschieben) zu verbieten, befolgt der Duden nur eine Forderung von Mark Twain von 1878, der in "Die schreckliche deutsche Sprache" von "Anfällen der Parenthesenstaupe, der Parenthesenkrankheit, Siebentens würde ich die Parenthese abschaffen" schreibt und sich bereit erklärt, die deutsche Sprache zu reformieren, zumindest die geeigneten Vorschäge zu unterbreiten.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 21.05.2006 um 20.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4139
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Ich möchte noch kurz darauf hinweisen, daß sich die rhythmischen Bedingungen leicht ändern, wenn man die Parenthese nicht mit Kommata, sondern mit Klammern oder Gedankenstrichen abgrenzt. Um den Effekt deutlich werden zu lassen, ist das schwerfällige, stilistisch weniger gute Beispiel am besten geeignet:
• wenn es in Pakistan, also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg, liegt wirkt, wie schon diskutiert, störend.
• wenn es in Pakistan (also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg) liegt wirkt deutlich weniger störend, und die Parenthese hat, bezogen auf die gesamte Aussage, relativ geringes Gewicht.
• wenn es in Pakistan – also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg – liegt wirkt m.E. auch weniger störend, wobei aber der Parenthese besonderes Gewicht verliehen wird. Das wird deutlich, wenn man nun jeweils zu der m.E. stilistisch besseren Variante übergeht und das Verb vorzieht: Man vergleiche
• wenn es in Pakistan liegt (also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg) mit
• wenn es in Pakistan liegt – also auf dem Territorium eines engen Verbündeten im Anti-Terror-Krieg (beides als Satzende aufgefaßt).
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.05.2006 um 22.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4141
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Mark Twain: "Als nächstes würde ich das Verb weiter nach vorn holen. Man kann mit einem noch so guten Verb laden, ich stelle doch fest,daß man bei der gegenwärtigen deutschen Entfernung nie wirklich ein Subjekt zur Strecke bringt - man verletzt es nur. Deswegen bestehe ich darauf, diese wichtige Wortart an eine Stelle vorzuziehen, wo sie mit bloßem Auge leicht zu erkennen ist."
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Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 22.05.2006 um 13.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4148
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Klingelt’s?
An den Paradesatz der Rechtschreibreformer möchte ich an dieser Stelle erinnern, der sich, einer Frohen Botschaft gleich, durch die verschiedenen Paragraphen des Abschnittes E (Zeichensetzung) zieht.
Er steht in § 67: „Im Hausflur war es still. Ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
In § 67 E1: „Im Hausflur war es still, ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Sowie: „Im Hausflur war es still; ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
In § 70 (3) mit der Erlaubnis, daß man manchmal zwischen verschiedenen Zeichen wählen kann: „Im Hausflur war es still, ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
„Im Hausflur war es still; ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
„Im Hausflur war es still – ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Und ebd. mit der Empfehlung, daß man zur stärkeren Abgrenzung einen Punkt setzen kann:
„Im Hausflur war es still. Ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
In § 71 explizit in der Behandlung gleichrangiger Teilsätze:
„Im Hausflur war es still, ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
In § 80 explizit in der Behandlung gleichrangiger, vor allem auch längerer Hauptsätze mit Nebensatz: „Im Hausflur war es still; ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Und ebd. mit dem Hinweis, daß hier auch das schwächer abgrenzende Komma oder der stärker abgrenzende Punkt möglich seien:
„Im Hausflur war es still, ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Im Hausflur war es still. Ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
In § 82 explizit mit dem Hinweis, dass nach dem Gedankenstrick etwas Weiterführendes folgt oder dass man das Folgende als etwas Unerwartetes verstanden wissen will:
„Im Hausflur war es still – ich drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Es gibt wohl kaum einen nuancenreicheren Beispielsatz im gesamten Regelwerk von 1996, und es ist ein bißchen verwunderlich, daß die Reformer mit diesem Stereotyp nicht auch den paarigen Gedankenstrich, das paarige Komma und die Parenthese abgehandelt haben:
Sie hätten dann ja lediglich den Satz wie folgt erweitern müssen:
„Stehend vor dem Hausflur – dort war es still – drückte ich erwartungsvoll auf die Klingel.“
„Ich, stehend vor dem Hausflur (,-;) (es war dort still) (,-;) drückte erwartungsvoll auf die Klingel.“
Aber vielleicht haben sich die Reformer genau in diesem Moment an das Ziel der Vereinfachung erinnert und haben sich deswegen auf die oben zitierten Banalitäten beschränkt.
Sei’s drum. Hauptsache (!,;:-) es klingelt.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 22.05.2006 um 19.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=509#4150
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Der große Mark Twain (#4141), der ja großartig wie nur wenige andere englisch konnte, versteht hier nicht, daß wir Deutsche an diese Sache anders herangehen und daß für einige zivilisierte Leute, nicht nur die Deutschen, halt ein Verb erst dann seine unbezweifelbare Bedeutung hat, wenn die Umstände und Objekte bei dieser wichtigen Wortart eindeutig mitgegeben sind. Uns interessiert nicht nur, daß jemand ißt. Wir wollen wissen, ob er dabei bei McDonalds oder im Hilton ist, wir wollen wissen, ob er dabei schnell oder langsam kaut, wir wollen wissen, ob er in Eile ist oder Zeit hat und ob's zum Frühstück oder zum Abendessen ist. Das alles ist uns sehr wichtig, wenn wir etwas tun, während das Englische mit der Tür ins Haus fällt und erst mal loslegt, und das Verb erst später — und manchmal bis zur Unerkennbarkeit — modifiziert. Richtig ist es für uns erst, wenn jemand nicht beim Hühnerhugo, sondern bei MacDonalds, zufrieden und ohne weitere Sorgen um die Höhe des Trinkgelds oder wie man Messer und Gabel verwendet, sein Frühstück, Schinken und Ei zwischen zwei Brötchenhälften, nicht zu langsam kauend und eben vielleicht doch etwas in Eile, direkt von seinem Tablett i ß t. Für die, die's schneller haben wollen, haben wir Hauptsätze im Präsens oder Imperfekt; da erfahren auch wir Deutsche erst später, worum's eigentlich geht. Und andere Schnellrestaurants haben wir auch noch, genau wie die Amerikaner. Und auch bei uns ist das Verb "mit bloßem Auge leicht zu erkennen", nicht versteckt irgendwo im Satz, sondern visuell und durch die Intonation klar erkennbar: am Ende! Besser geht's gar nicht zum schnellen Erkennen! Don't pee at our language, good ol' Mark; wir wissen schon, was wir tun. Und wir essen übrigens auch das Bauernfrühstück mit Messer und Gabel; das muß man bei uns nicht extra dazusagen.
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