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18.05.2006
Stilfragen
Flotte Schreibe, fehlerhafter Inhalt
Aus unbegreiflichen Gründen wurde auch Augsts Freund Clemens Knobloch zur Mitarbeit an Valerio 3 eingeladen.
Er urteilt von so weit oben herab wie kein anderer Beiträger. Dabei bemüht er sich wieder einmal um eine besonders flotte Schreibe, was zu merkwürdigen Blüten führt. Da murren Politiker "vor geöffneten Mikrofonen", und ein Feuilletonchef "trällert auf den interdiskursiven Tasten". Eigentlich kann man ja auf Tasten nur trillern und nicht trällern; die Bilder wirken so angestrengt wie der fremdwortüberladene Stil. Aber sobald Knobloch, selten genug, zur Sache kommt, sieht es duster aus: "Dabei ist 'Handvoll' das Paradebeispiel eines Syntagmas, dessen angeblicher Wortstatus ausschließlich der Schreibkonvention geschuldet ist. Alle analogen Bildungen (Glas voll, Sack voll, Teller voll ...) werden getrennt geschrieben, und schon der Plural (alle Hände voll zu tun haben) löst die Worteinheit oder erzwingt eine systemwidrige Binnenflexion: Händevoll."
(Wem sonst ist es gelungen, in zwei Sätzen so viele Irrtümer zu versammeln?)
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 18.05.2006 um 18.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4088
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Kann man sich so dumm stellen oder muß man wirklich so dumm sein: Von der Handvoll zu voll zu tun habenden Händen – das kann doch kein bloßer Irrtum mehr sein, dazu gehört doch schon eine gewisse Genialität!
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Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 18.05.2006 um 19.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4090
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Daß die DASD den Siegener Sprachwissenschaftler Clemens Knobloch im neuesten Valerio-Heft zu Wort kommen läßt, ist bemerkenswert. Man scheint in Darmstadt vergessen zu haben, was dieser im Sprachdienst 10/2001 in einer Rezension der Akademiestudie Rechtschreibreform und Nationalsozialismus von H. Birken-Bertsch und R. Markner über den damaligen Präsidenten Christian Meier schrieb:
»Die bemerkenswerte Vorgeschichte des hier anzuzeigenden Bändchens begann, als in der völlig enthemmten öffentlichen Debatte über die Rechtschreibreform einer auf eine glänzende Idee kam. Was wäre eigentlich, wenn die Nazis auch eine Rechtschreibreform unternommen oder wenigstens versucht hätten? Müsste dieser Umstand nicht den gegenwärtigen Reformanlauf hoffnungslos diskreditieren? Könnte man doch, selbstverständlich mit den Mitteln der Anspielung, der Allusion, der Implikation und somit ohne juristische Auseinandersetzungen fürchten zu müssen, auch dem größten Deppen elegant deutlich machen: Die Rechtschreibreform der kultusministeriellen Kommission steht in der totalitären Tradition der NS-Sprach- und Schriftpolitik. Die KMK als williger Vollstrecker einer stecken gebliebenen NS-Maßnahme! Das wäre doch ein Befreiungsschlag, zumal so etwas nicht allein die öffentliche Stimmung, sondern auch den Machtinstinkt der beteiligten Politiker mächtig irritieren müsste. Eine breite Absetzbewegung gegenüber der Rechtschreibreform wäre dann zu erwarten.
So könnte es gewesen sein, und so war es auch – beinahe. Tatsächlich wissen wir es nämlich genauer: Zur mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichtes in Sachen Rechtschreibreform (am 12. 5. 1998) waren auch die Verbände und Organisationen geladen, die öffentlich Stellung bezogen hatten, darunter auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die das anzuzeigende Bändchen verantwortet. Allen diesen Organisationen bot das hohe Gericht Gelegenheit, ihre Einstellung zur Reform (auf der Grundlage eines gerichtlichen Fragenkatalogs) darzulegen. Das einleitende Referat für die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hielt deren Präsident, der Historiker Christian Meier. Nicht weniger als viermal binnen zehn Minuten verknüpfte er in seiner Gerichtsrede die Rechtschreibreform der KMK-Kommission mit dem Nationalsozialismus. Daraufhin erbat Anke Brunn (NRW), die damalige Präsidentin der KMK, erneut Rederecht und verwahrte sich entschieden gegen derartige Insinuationen, die lediglich darauf abzielten, jeden Befürworter der Reform als NS-affin zu denunzieren. Worauf Professor Meier (was hätte er auch sonst tun sollen?) mit dem branchenüblichen Satz antwortete, eine solche Gleichsetzung liege ihm natürlich fern. Die Presse des folgenden Tages (z. B. Hermann Unterstöger in der SZ) kommentierte das als ein Mittelding zwischen Entschuldigung und Rückzieher. Fortan gab es einen Präsidenten, der auf Rache und auf Wiederherstellung seiner Ehre sinnen musste. In diesem Koordinatensystem ist das vorliegende Bändchen in Auftrag gegeben worden.«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 18.05.2006 um 19.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4092
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Aha, sehr interessant: Die Behauptung von der „Auftragsarbeit“ hat Augst dann übernommen – bis sie ihm untersagt wurde (siehe z. B. hier: http://nachrichtenbrett.de/Forum/showthread.php?postid=12343#post12343).
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 18.05.2006 um 20.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4093
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Dazu noch ein Ausflug in die Geschichte der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission: In der ursprünglichen, noch als „vertraulich“ gekennzeichneten Fassung des dritten Kommissionsberichts (vgl. hier: http://argumente.de/ar/board.php?threadid=48&boardid=5) findet sich folgender Absatz (Hervorhebung von mir hinzugefügt):
„Auffällig ist, dass manche Reformgegner, auch wenn ihr Beruf die Wissenschaft ist, äußerst emotional und teilweise im höchsten Maße verunglimpfend arbeiten. Besonders sticht hier die Auftragsarbeit des Präsidenten der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hervor, in der schon im Titel ein Zusammenhang zwischen »Rechtschreibreform und Nationalsozialismus« hergestellt wird.“
In der veröffentlichen Fassung (vgl. hier: http://forschungsgruppe.free.fr/b3.pdf [ca. 2,3 MB], Seite 98) steht dort statt dessen:
„Auffällig ist, dass manche Reformgegner, auch wenn ihr Beruf die Wissenschaft ist, äußerst emotional und teilweise im höchsten Maße verunglimpfend arbeiten. Besonders sticht hier eine Veröffentlichung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung hervor, in der schon im Titel ein Zusammenhang zwischen »Rechtschreibreform und Nationalsozialismus« behauptet wird.“
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Kommentar von borella, verfaßt am 18.05.2006 um 23.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4096
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Es gibt ein Spiel, bei dem stellt eine Gruppe eine möglichst absurde Behauptung auf, und die andere Gruppe muß diese Behauptung möglichst schlüssig argumentieren.
An dieses Spiel erinnert mich diese Handvoll Geschichte....
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Kommentar von R. M., verfaßt am 18.05.2006 um 23.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4097
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Es war möglicherweise ursprünglich Hermann Zabels Idee, von einer »Auftragsarbeit« zu sprechen. Augst und seinem Flurnachbarn Knobloch hat sie gefallen. Wir haben Augst diese Falschdarstellung widerrufen lassen. Auf Knoblochs Falschdarstellungen haben wir jeweils mit einer Gegendarstellung geantwortet.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 19.05.2006 um 08.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4102
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An borella: In der "Tante Jolesch" von Fr. Torberg heißt dieses Spiel "Der Erzherzog wird geprüft"...
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.05.2006 um 09.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4105
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Nicht weniger als viermal binnen zehn Minuten verknüpfte er in seiner Gerichtsrede die Rechtschreibreform der KMK-Kommission mit dem Nationalsozialismus. Daraufhin erbat Anke Brunn (NRW), die damalige Präsidentin der KMK, erneut Rederecht und verwahrte sich entschieden gegen derartige Insinuationen, die lediglich darauf abzielten, jeden Befürworter der Reform als NS-affin zu denunzieren. Worauf Professor Meier (was hätte er auch sonst tun sollen?) mit dem branchenüblichen Satz antwortete, eine solche Gleichsetzung liege ihm natürlich fern. Die Presse des folgenden Tages (z. B. Hermann Unterstöger in der SZ) kommentierte das als ein Mittelding zwischen Entschuldigung und Rückzieher.
Was hätte Professor Meier antworten sollen? Da der Vorwurf der NS-Nähe oder NS-Affinität zu Recht als ungeheuer schwer gilt, fiel es Professor Meier sicherlich schwer, diesen eigenen Vorwurf aufrechtzuerhalten. Das sachliche Problem ist: Die Rechschreibreform ist NS-affin, sie ist die Fortsetzung und Vollendung der Nazi-Rechtschreibreform. Nicht die Person Anke Brunn oder ein anderer Kultusminister ist insgesamt NS-affin, wohl aber das, was er mit der Rechtschreibreform tut. Und das hätte Professor Meier sagen sollen, statt mehr oder weniger zu widerrufen: Es liege ihm fern, jeden Befürworter oder Betreiber der Rechtschreibreform als NS-affine Person darzustellen. Er bleibe jedoch dabei: Es gibt eine große Nähe der Rechtschreibreform von 1996 zu der unter dem Nazi-Minister Rust begonnenen Rechtschreibreform. Die Reform selbst ist und bleibt NS-affin. Jeder, der diese Reform betreibt oder unterstützt, betreibt oder unterstützt somit die Vollendung einer Maßnahme aus der Nazi-Diktatur.
Und in der Tat: Daß ein paar Minister sich ungerührt anschicken, das ganze Volk nach einem ideologischen Plan umerziehen zu wollen, das paßt hervorragend in die Jahre um 1940. Es paßt aber überhaupt nicht in die Bundesrepublik Deutschland. Unsere Verfassung schreibt vor, daß der Wille des Volkes allen Maßnahmen des Staates zugrunde liegt.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 19.05.2006 um 09.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4106
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Clemens Knobloch: ... und schon der Plural (alle Hände voll zu tun haben) löst die Worteinheit oder erzwingt eine systemwidrige Binnenflexion: Händevoll.
Richtig ist: Die 1996 erzwungene durchgängige Getrenntschreibung Hand voll erzwingt systemwidrige Pluralbildungen, zum Beispiel einige Hand voll Cornflakes, einige Hand voll Euro.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.05.2006 um 18.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4113
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Die Mehrzahlprobe bringt es an den Tag, daß eine Handvoll, ein Mundvoll, ein Armvoll als jeweils ein Wort nur die korrekte Mehrzahl einige Handvoll, Mundvoll, Armvoll, aber eine Hand voll, ein Mund voll, ein Arm voll, Wortgruppen (syntaktische Fügungen) und keine Wörter sind, weil sie nur die korrekte Mehrzahl einige Hände voll, Münder voll, Arme voll haben können.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2006 um 09.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4114
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Obwohl Analogien aus anderen Sprachen nicht beweiskräftig sind, sei der Hinweis auf das Englische noch einmal wiederholt, das hier wirklich genauso verfährt. Keinem Engländer würde es einfallen, "two handfuls of" zugunsten von "two hands full of" abschaffen zu wollen. Ebenso gibt es hier wie dort "Mundvoll", "Armvoll" usw. (was Knobloch ebenfalls übersehen hat, der ja "Handvoll" für singulär hält).
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.05.2006 um 17.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4133
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Weder Hand noch Fuß
Neben "Armvoll" und "Mundvoll" ist auch der Sackvoll im "Grimm" belegt. Daß das Wort sich nicht gehalten hat, liegt wohl daran, daß er als Maßangabe entbehrlich ist. Sobald der "Sack voll Kartoffeln", den man sich hat liefern lassen, ordnungsgemäß im Speicher entleert ist, hat man eben einen "Sack Kartoffeln" auf Vorrat, das reicht. (Ähnlich verhält es sich mit dem Glas Wein, das man zuviel trinkt, und dem Teller Erbsensuppe, den man ißt. Zusammenrückungen wie "Glasvoll" und "Tellervoll", obwohl möglich, steht darüber hinaus schon entgegen, daß das Glas bzw. der Teller ja nicht voll- sondern vielmehr leergetrunken bzw. -gegessen werden.)
Anders bei der Handvoll. Die Zusammenrückung läßt sich zur Not noch auflösen, solange man das Wort ausschließlich als Hohlmaßangabe versteht, wenn auch mit den bekannten, teilweise grotesken Resultaten ("Der Kannibale verzehrte eine Hand voll Petersilie"). Bei der "Handvoll Gendarmen" (ebenfalls im Grimm belegt) oder gar einer "Handvoll Divisionen" (erforderlichenfalls auch belegbar) handelt es sich jedoch offensichtlich nicht um eine Hohlmaßangabe, sondern um die Angabe einer Zahl in einer Größenordnung, wie sie sich an den Fingern einer Hand abgreifen läßt. Man kann ebensowenig eine Hand voll Soldaten ins Gefecht schicken wie einen Fuß breit Boden aufgeben.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.05.2006 um 19.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4135
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Die "Handvoll" ist im engen Sinne eine (recht unexakte) Maßeinheit. Während bei "eine Handvoll Erde" die gefüllte Hand ohne weiteres vor Augen tritt, ist dies bei "eine Handvoll Soldaten" nicht mehr der Fall. (Es ist und bleibt aber trotzdem ein "Hohlmaß", mit den abzählbaren Fingern hat das nichts zu tun.) Handvoll bedeutet hier einfach eine ziemlich kleine Anzahl. - Im übrigen könnte man "Tellervoll" ohne inneren Widerspruch gebrauchen, auch wenn der Teller hinterher leer ist. Einen Tellervoll essen ist ja wohl nicht dasselbe wie einen Teller vollessen (falls das möglich wäre).
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 21.05.2006 um 20.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4137
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Kratzbaum: »Handvoll bedeutet hier einfach eine ziemlich kleine Anzahl.«
Dann kann es aber kein Hohlmaß sein! (Beispiel: Eine Handvoll Heliumatome füllen als Gas jedes beliebige Volumen.)
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 21.05.2006 um 20.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4138
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Somit hätte Knobloch sicherlich wenigstens seine drei Arme voll Sachen zu bedenken, der Arme, wenn nun solche Sachen zu bedenken wirklich seine Sache wäre.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.05.2006 um 20.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4140
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Lieber Herr Kratzbaum, das mit den leer- bzw. volleßbaren Tellern war natürlich Flachs. Warum es sich bei dem Ausdruck "eine Handvoll Soldaten" um eine – übertragene – Hohlmaßangabe handeln soll, die mit der Zahl der Finger nichts zu tun hat, müßten Sie jedoch noch etwas näher begründen.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 21.05.2006 um 22.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4142
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Etwas an den Fingern einer Hand abzählen können ist nicht dasselbe Bild (und um bildhafte Redewendungen geht es hier) wie eine Handvoll. Das mit dem Hohlmaß, besser vielleicht: umfaßte Menge, habe ich im zweien Beispiel nur zur Abgrenzung gegen die meiner Ansicht nach irrige Ableitung von der Fingerzahl angeführt. Natürlich ist bei der Handvoll Soldaten gar nicht mehr die Vorstellung einer gefüllten Hand gegenwärtig. Es ist einfach nur noch eine Redensart. Lieber Herr Wagner, ihren physikalischen Sachverstand in allen Ehren - aber in diesem Falle führt, glaube ich, eine exakte naturwissenschaflliche Argumentation nicht weiter.
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Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 21.05.2006 um 23.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4143
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Die "Handvoll" ist eine eingeführte bildhafte Redeweise gerade bei denjenigen, die nur an den Fingern abzählen können. Ihre Zeit ist noch nicht lange her, und sie kommt wieder. Lassen wir doch einfach beide Bilder nebeneinander gelten; sie schließen einander ja nicht aus. Letztlich, wenn wir schon von Bildern reden, handelt es sich bei "Handvoll" sowieso um dasselbe Bild.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 21.05.2006 um 23.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4144
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Ich wollte lediglich auf den begrifflichen Widerspruch hinweisen, daß, was eine Anzahl konkret benannter, abzählbarer Entitäten repräsentiert, kein Hohlmaß sein kann. Darauf will vermutlich auch Herr Bärlein in seinem letzten Beitrag (#4140) hinaus. Sie hatten aber (in #4135) „Hohlmaß“ in Anführungszeichen gesetzt, daher betrifft Sie mein Hinweis nur bedingt.
Kratzbaum: »Natürlich ist bei der „Handvoll Soldaten“ gar nicht mehr die Vorstellung einer gefüllten Hand gegenwärtig. Es ist einfach nur noch eine Redensart.«
Die Bedeutung von „Handvoll ...“ als einer kleinen Menge (von ...) hat sich zwar verselbständigt, ist aber in der Wortwahl weiterhin bildhaft – man könnte es ja auch anders ausdrücken (bei Abzählbarem einfach durch „ein paar ...“). Als etwas Bildhaftes habe ich auch Herrn Bärleins Vergleich mit der Fingerzahl verstanden, denn er schrieb ja: »die Angabe einer Zahl in einer Größenordnung, wie sie sich an den Fingern einer Hand abgreifen läßt.« Hier stellt offenbar die Anzahl der Finger an einer Hand ebenfalls nur ein Bild dar – wie klein bzw. wie wenige sind die damit erreichbaren Zahlen im Verhältnis zu allen anderen Zahlen... Das Bildhafte bei der Verwendung von „Handvoll ...“ drückt meiner Ansicht nach das gleiche aus: Es könnte(n) mehr sein, aber es ist/sind nur wenig(e).
(Oh, inzwischen ist mir Herr Bärlein mit einer Antwort zuvorgekommen; glücklicherweise geht sie in die gleiche Richtung wie meine.)
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 22.05.2006 um 08.15 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4145
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Wie so viele andere bildhafte Ausdrücke hat sich die Handvoll verselbständigt, weg vom ursprünglichen Bild. Es kommt durch Übertragung zu zwar verständlichen, aber eigentlich "unpassenden" Fügungen. Soldaten passen nicht in eine Hand. Das ursprüngliche Bild ist weg (jedenfalls sehe ich keine gefüllte Hand mehr vor mir), dafür aber möglicherweise ein neues entstanden (ein paar Soldaten). Es ist der Weg vom Bild zur Metapher.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.05.2006 um 16.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#4149
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Ob Metapher oder nicht, wer die Handvoll verbietet, hat von den volkstümlichen Maßangaben nichts verstanden, denn weiterhin gibt es ja den Fußbreit, die Handbreit, einige Fußbreit, einige Handbreit.
(Nur die Maßbenennungen mit der Singular-Endung -e haben einen eigenen Plural: Meilen, Tonnen.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.12.2013 um 08.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=508#24569
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In einem Beitrag über Otto Behaghel schreibt Knobloch auch über den Streit um die Ura-Linda-Chronik und gibt dazu eine Fußnote:
Wahrscheinlich in den Dimensionen des öffentlichen Interesses für eine germanistische Angelegenheit bestenfalls mit der Rechtschreibreform zu vergleichen!
(http://geb.uni-giessen.de/)
Was soll man dazu sagen? Die Rechtschreibreform greift ins Leben fast aller Bürger ein, über Herman Wirths Phantasien wurden nur Meinungen ausgetauscht, was den meisten Leuten egal war.
(Übrigens schreibt er mal Gießen, mal Giessen, auch 80jährig.)
Behaghel als "Mandarin" schließt sich an die bekannte Wissenssoziologie von Fritz K. Ringer an, bringt aber meiner Ansicht nach nicht viel. Ein berechtigter Seitenhieb auf die "Bertelsmänner" findet sich ebenfalls in diesem Text.
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