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05.04.2006
Alles klar?
Gallmanns Zuordnungsgedanke
Ergänzung zum Eintrag vom 6.11.2005
Dritter Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission: „Der syntaktische Status des Bestandteils Not lässt sich nicht ohne weiteres bestimmen; jedenfalls liegt kein Akkkusativobjekt vor, auf das mit einem Pronomen Bezug genommen werden kann. Dessen ungeachtet kann der Bestandteil Not klar dem substantivischen Lexem (die) Not zugeordnet werden.“ (S. 70)
Dieser Gedanke (er geht auf den Schweizer Reformer Gallmann zurück) ist keineswegs zwingend. Was soll es denn heißen, daß das Wort „klar zugeordnet“ werden kann? Doch bloß, daß es das Substantiv Not zweifelsfrei gibt. Syntaktisch ist aber doch gerade die Frage, ob es in Not tun vorliegt, und dafür wird kein unabhängiges Argument angeführt. Ähnlich verfahren die Reformer bei verschiedenen anderen Neuschreibungen wie Recht haben oder heute Abend. Immer nach dem Gallmannschen Motto: Wenn wir bei der Wortartbestimmung überhaupt nicht mehr weiterkommen, dann greifen wir zum „Lexikon“ und schauen nach, ob es ein gleichlautendes Substantiv gibt, und das soll es dann sein („Zuordnung“)! Wenn Grammatik so einfach wäre!
Im Rat für deutsche Rechtschreibung hat sich ganz zuletzt die Einsicht durchgesetzt, daß not keineswegs „klar dem substantivischen Lexem zugeordnet werden kann“. Weil die Reformer um Eisenberg aber immer noch nicht wissen, wie es sich wirklich verhält, führen sie nun obligatorisch Zusammenschreibung ein: nottun. Natürlich mit Ausnahme von not sein. Warum soll man Reformern folgen, die so hilflos durch die deutsche Grammatik tappen?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2017 um 05.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#36706
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Nachtrag zum Haupteintrag:
Damals war den Reformern alles klar, aber inzwischen steht im amtlichen Wörterverzeichnis:
not [sein § 56(1)]
nottun § 34(3), § 56(2)
So klar war es wohl doch nicht. Und das ist nur einer von ungezählten Fällen. Was ist eigentlich von Fachleuten zu halten, die uns so etwas bieten? Warum übergehen Schmachthagen und die anderen "Vereinfachungs"-Begeisterten all das mit Schweigen?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.05.2007 um 20.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8507
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zur Frage der selbständigen Verwendbarkeit von Tageszeitadverbien:
Wie schon festgestellt, können z.B. abend und nacht nicht allein stehen: "Wir arbeiten nacht" geht nicht. Sehr wohl aber sagt man: "Wir arbeiten Tag und Nacht" (=ständig).
Der noch undeformierte Duden verzeichnet dafür (der neue natürlich sowieso) nur Großschreibung, wobei aber beim ersteren wegen fehlender Beispiele nicht klar ist, ob nur der rein substantivische Gebrauch gemeint ist ("ein Unterschied wie Tag und Nacht") oder auch der o.g. adverbiale.
Ich würde eigentlich klein schreiben wollen: "Wir arbeiten tag und nacht", analog zu heute nacht[/], denn mein Gefühl sagt mir, daß ich hier zwei Adverbien habe, und das ursprüngliche, ähnliche [i]bei Tag und (bei) Nacht (siehe Mackensen) ist grammatisch doch etwas anderes, oder? Wäre das völlig falsch? Im Ickler findet man diesen Ausdruck leider gar nicht.
Wo liegt die Grenze zwischen einer adverbial gebrauchten Wortgruppe und Adverbien?
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Kommentar von m, verfaßt am 06.05.2007 um 18.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8450
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Ich bin verblüfft: Neulich haben wir uns im Freundeskreis im Scherz folgende Regel zur Beschreibung der unmäßigen Großschreibung ausgedacht:
"Wenn ein Wort aussieht wie ein Substantiv, dann ist es eins."
Gallmann sagt mit gelehrten Worten nichts anderes.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2007 um 05.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8448
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Es entspricht einer allgemeinen Tendenz, "Adverbstellen" durch erstarrte Kasusformen von Substantiven auszufüllen. "Ich wohne Ringstraße 46" ist schließlich auch nicht konstruierbar, aber so läuft es eben.
Meiner Meinung nach ist "heute Abend" nicht im strengen Sinne grammatisch falsch, sondern diese Schreibweise gibt ein Übergangsstadium der Desubstantivierung angemessen wieder, das wir allerdings überwunden glaubten. Ich habe daher in ausführlicheren Zusammenhängen die Kritik an der Reformschreibung immer auf Gallmanns eigene Definition des Substantivs gegründet, die ja auch in das Regelwerk eingegangen ist: drei Kriterien, die in "heute abend" allesamt nicht erfüllt sind.
In jüngster Zeit hat Gallmann, um die archaisierende Großschreibung zu retten, den "Nebenkern" erfunden und etwas früher schon die bekannte "Default"-Herleitung: Wenn man die Wortart nicht bestimmen kann, nimmt man eben die Wortart eines homonymen Zeichens, und das ist hier "(der) Abend".
So fühlt man sich beim Lesen von "heute Abend" um 150 Jahre zurückversetzt, wie so oft bei Reformschreibweisen. Das scheint das Ziel der Reformer gewesen zu sein, seltsam genug.
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 06.05.2007 um 00.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8447
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Ich neige nach wir vor zu Herrn Wrases Meinung, denn ein "richtiges" Adverb gibt es ja, nur verwenden wir es in diesem Zusammenhang nicht, weil es möglicherweise etwas altbacken klingt: "mitten". Und zumindest in eher technischen Zusammenhängen verfügen wir ja auch noch über "mittig".
Persönlich würde ich auch niemals "oben Mitte" sagen (vielleicht würde ich es auf eine Konstruktionszeichnung schreiben, dann aber mit Komma), sondern "oben in der Mitte". "Oben Mitte" stelle ich mir eher als die Antwort eines etwas kurz angebundenen Hausmeisters vor.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 05.05.2007 um 22.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8446
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"Man sagt „Ich fahre heute (abend) nach Hause“ aber nicht „Ich fahre abend nach Hause“. Sollte das nicht für jedes Adverb möglich sein?" (#8439)
Akzeptabel ist, was wir gewohnt sind. Wir fahren zwar nicht "abend nach Hause", aber vormittag, muß ich Ihnen sagen, geht's schon los, — nicht nur vormittags. Und nachmittag haben wir dann ebenfalls was vor, übrigens auch Sonntag. Und wer mal Meilen zu Fuß gegangen ist, weiß, daß auch dieser Akkusativ adverbial zu verstehen ist. Aber wie Riemer "würde ich das nicht als Rechtfertigung für 'heute Abend' anerkennen" (#8443); hier ist jedoch das Problem "oben Mitte" zu Hause. Ich selbst würde also zwar auch "oben mitte" korrigieren, aber ich würde dabei lobend erwähnen, daß ich als Schüler mal das adverbiale "Sonntag" klein schrieb und eben von meinem Lehrer "berichtigt" wurde, obwohl es hier genau wie "sonntags" eine adverbiale Form eines Substantivs ist. Ich sehe "oben Mitte" also nicht als Telegrammstil in einer bestimmten Situation (obwohl man's auch so erklären könnte), ich seh's als alte Möglichkeit einer Wortart, wobei aber — vor allem wegen der vielfachen Verwendung von Präpositionen heutzutage in dann "adverbialen Ausdrücken" — viele Möglichkeiten für uns nicht mehr drin sind. So fahren wir Weihnachten nach Hause, aber eben nicht Abend. Und ich fahre Juli eben weg, — und das ist vielleicht sogar etwas anderes als "Und ich fahre im Juli eben weg". Ke7, das ist allerdings Telegrammstil; das steht für "Der König zieht auf das Feld e7". "Oben rechts" bedeutet jedoch (nicht: ist Telegrammstil für) "oben auf der rechten Seite", parallel dazu haben wir "oben links" und "oben Mitte", ja, spaßeshalber hätten wir sogar "oben oben", —wenn sich also im Treppenhaus im 4. Stock oben an der Wand wie da auch mitten an der Wand und wie Parterre unten an der Wand z. B. Kritzeleien fänden, die also wegen denen oben oben nicht von Kindern sein könnten.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.05.2007 um 15.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8444
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Ohne bei Google nachzuschauen, behaupte ich: oben Mitte ist eine formelhafte Bezeichnung zur Orientierung auf einem Foto, wenn abgebildete Personen o. ä. in Reihen stehen und die Angaben in der Bildunterschrift zugeordnet werden sollen.
Das ist ein Sonderfall. Man sagt nicht: Er steht oben Mitte, sondern man sagt: Er steht oben in der Mitte. Die häufige (falsche bzw. unangemessene) Schreibung oben mitte (ich habe das schon hundertmal korrigiert) ist vielmehr ein Beleg dafür, daß man sich in der deutschen Grammatik nach einem Adverb wie oben ein Substantiv wie Mitte eigentlich nicht vorstellen kann. "Da kann nur ein Adverb kommen!" sagt sich der Schreiber und schreibt sogar Mitte dann klein.
Meine Interpretation: oben Mitte ist Telegrammstil, das heißt, wenn es zweckmäßig ist, läßt man unnötige Wörter und/oder Satzzeichen weg. Der Fall wird klar, wenn man mit Komma schreibt (was ja möglich ist): oben, Mitte. Aus ökonomischen Gründen kann man nun auch das Komma weglassen. So ergibt sich oben Mitte. Das ist dasselbe wie im Schach König e7.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.05.2007 um 13.04 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8443
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Übrigens findet man für "oben Mitte" und "unten Mitte" sehr leicht viele ziemlich seriöse Belege mit Google (ebenso wie für "oben mitte").
Trotzdem würde ich das nicht als Rechtfertigung für "heute Abend" anerkennen, aber richtig erklären kann ich's im Moment auch nicht.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.05.2007 um 12.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8442
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Ich finde die Beispiele auch sehr anschaulich, aber man kann mit Beispielen oder mit der Nichtexistenz von weiteren Beispielen leider keinen allgemeinen Sachverhalt beweisen.
Immerhin gibt es diese Juxtapositionen oder Nebenkerne nach Substantiven, also ist der Gedanke erstmal nicht völlig unberechtigt, daß es auch nach Adverbien solche Bestimmungszusätze, wenn auch selten, geben könnte.
Die Frage ist nur, muß dieser Zusatz unbedingt ein Substantiv sein, was die für mich unlogische Über-Kreuz-Grammatik verursacht:
"heute Abend": (Nebenwort=Kern) + (Hauptwort=Nebenkern)
Oder
Freitagabend <-> heute Abend:
Bestimmungswort+Hauptwort <-> Kern + Bestimmungszusatz
Andererseits - warum ist "abend" kein selbständiges Adverb ("Ich gehe abend spazieren")? Gibt es noch andere außer die Tageszeit-Adverbien, für die das zutrifft? Dafür finde ich genauso wenige weitere Beispiele wie für die reformierte Grammatik 'Adverb + Substantiv'.
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 05.05.2007 um 03.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8440
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Verehrter Herr Riemer, vermutlich zerbrechen Sie sich unnötig den Kopf. Wolfgang Wrase hat m.E. den Nagel auf den Kopf getroffen, denn die deformierte Bezeichnung der Tageszeiten, stellt in der Tat eine Ausnahme von ansonsten völlig regelmäßigen Schreibweisen dar. Das gilt natürlich auch für die Gruppe der betroffenen Schreibungen selbst. Man vergleiche:
Herkömmlich:
abends
heute abend
morgen früh
morgens früh
frühmorgens
dienstags (abends)
Dienstag abend(s)
der Dienstagabend
Das einzige kleine, aber erklärbare "Problem" ist hier die Unterscheidung von Dienstag abends und dienstags abends.
Reformiert:
abends
heute Abend
morgen früh/Früh
morgens früh
frühmorgens
dienstags abends
Dienstagabend(s)
der Dienstagabend
Das ist vielleicht nur noch mit dem völlig unlernbar gewordenen Chaos bei der Bindestrichschreibung (Ziffern und Text) zu vergleichen.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.05.2007 um 01.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#8439
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Auf der Suche nach der richtigen Begründung für die Schreibweise heute abend bin ich erst jetzt auf diesen schon etwas älteren Eintrag gestoßen. Ich würde dazu gern noch ein paar Gedanken und Fragen loswerden.
Es wird mir hoffentlich niemand Humorlosigkeit vorwerfen, wenn ich es als sprachwissenschaftlicher Laie weniger mit dem Jux des Herrn Gallmann, sondern eher mit den deutschen Bezeichnungen aus dem Duden (Band 4, 2005, Grammatik) halte: der Abend als "Nebenkern" zum Adverb heute. Man nennt ja Substantive auf deutsch auch Hauptwörter und schreibt sie groß, deshalb kann ich wohl mit einiger Berechtigung auch einmal alle klein zu schreibenden Nichtsubstantive einfach als Nebenwörter bezeichnen. Da hätten wir also in „heute Abend“ ein Nebenwort als Kern der Phrase, und dazu ein Hauptwort als Nebenkern. Liege ich da eigentlich ganz falsch in der Annahme, daß allein schon diese Von-hinten-durch-die-Brust-ins-Auge-Konstruktion den ganzen Unsinn bloßlegt? Jedenfalls ist dies der Grund, so glaube ich, daß ich intuitiv die Großschreibung der Tageszeiten nach den Adverbien neulich, (vor)gestern, heute, (über)morgen für absolut abwegig halte.
Eine ähnlich schizophrene Über-Kreuz-Lage ergibt sich aus der Analogie „heute Abend“ und „Freitag Abend“, was die Reformer dann gleich zum Freitagabend zusammenziehen. Es gibt natürlich auch den Freitagabend, aber wenn man das nur noch zusammen schreiben darf und ein Freitag abend gar nicht mehr existiert, dann wird trotz semantischer Analogie aus dem näherbestimmenden Nebenkern plötzlich das Grundwort einer Zusammensetzung, während sich der angebliche Phrasenkern zum Bestimmungswort der Zusammensetzung wandelt.
Aber auch mit Adverbien gibt es Ungereimtheiten. Warum kann man die Wörter morgen, vormittag, mittag, nachmittag, abend, nacht nicht allein mit einem Verb, sondern nur zusammen mit den genannten Adverbien benutzen? Man sagt „Ich fahre heute (abend) nach Hause“ aber nicht „Ich fahre abend nach Hause“. Sollte das nicht für jedes Adverb möglich sein?
Wenn etwas kein Adverb ist, muß es natürlich nur deshalb noch lange kein Substantiv sein, genauso wie ein Wort, das der Form nach ein Substantiv ist, noch lange nicht substantivisch gebraucht sein muß. Aber wie ist es dann gebraucht? Es einfach als Nichtsubstantiv zu bezeichnen, finde ich doch sehr unbefriedigend. Irgendwas muß es doch sein, liebe Linguisten, so viele "Nebenwort"-Arten gibt es doch gar nicht!
Bei der Suche nach einem Beispiel für ‚Adverb + Substantiv’ bin ich auf folgendes gestoßen: Sagt man nicht manchmal, er wohnt oben links, er wohnt oben rechts, er wohnt oben Mitte? Oder ist das zu umgangssprachlich, bzw. müßte man hier mitte auch klein schreiben? Hätte dieses Beispiel auch etwas mit „heute abend/Abend“ zu tun?
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.04.2006 um 19.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3740
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Reformer wie Peter Gallmann glotzen vorzugsweise auf einzelne Wörter oder Bestandteile von Wörtern und versuchen deren Wortart zu bestimmen. In diesem Fall greift Gallmann aber, scheinbar vernünftig, auf vergleichbare Konstruktionen des komplexeren Typs Wort + Wort zurück:
Beispiele für Juxtapositionen zu Substantiven sind: die Universität Rostock, das Bettenhaus West, auf Platz drei, Forelle blau
Ob das vergleichbar ist? Wenn ja, hätte man tatsächlich Belege, daß das genauer bestimmende zweite Wort (die "Juxtaposition") aus verschiedenen Wortarten kommen kann.
Nur, das ist eine ganz schlechter Trick, den Gallmann hier anwendet: Wieso zählt er denn Beispiele auf, bei denen das erste, näher zu bestimmende Wort ein Substantiv ist? Bei heute abend ist es schließlich kein Substantiv, sondern ein Adverb.
Seriös wäre es gewesen, Parallelen mit einem Adverb als erstem Wort zu suchen, auf das möglichst ein Substantiv zu folgen hätte, falls die Schreibung heute Abend plausibel sein soll. Ergebnis: Das gibt es einfach nicht. Es folgt immer ein Nichtsubstantiv. Wenn man probehalber doch ein Substantiv als nähere Bestimmung hinzufügt, klingt das verdammt falsch. Niemand spricht so, dieses Muster existiert in der deutschen Sprache nicht.
dort hinten: kein Problem
dort + Substantiv: gibt es nicht
dort Hintergrund: falsch
jetzt sofort: kein Problem
jetzt + Substantiv: gibt es nicht
selten genug: kein Problem
selten + Substantiv: gibt es nicht
rechts unten: kein Problem
rechts + Substantiv: gibt es nicht
rechts Boden: falsch
Tut mir leid, so jemand wie Gallmann ist für mich einfach unehrlich. Andernfalls müßte man unterstellen, daß er bei seiner ganzen grammatischen Fuchtelei zu dumm war, die richtigen Proben heranzuziehen. Wie dem auch sei: Man kann den Fall sehr wohl auf diese Weise klären, und es ergibt sich, daß das Muster Adverb + nähere Bestimmung immer ein Nichtsubstantiv an zweiter Stelle enthält. Es wäre also zumindest als krasse Ausnahme einzustufen, daß ausgerechnet bei heute abend doch einmal ein Substantiv als nähere Bestimmung des Adverbs stehen kann, während diese Konstruktion sonst komplett falsch ist. Sehr unplausibel.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 08.04.2006 um 08.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3731
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Teibhauseffekt
Überhaupt ist die Schule eine weitgehend geschlossene Welt. Es herrschen dort Denk- und Urteilsweisen, die einem Außenstehenden oft höchst fremdartig bis bizarr vorkommen müssen. Dies liegt nicht zuletzt am ständigen Umgang mit unmündigen zu Belehrenden und zu Beurteilenden. Von dieser Asymmetrie der Kommunikation können sich Lehrpersonen oft auch im außerberuflichen Umgang nicht freimachen. Bezogen auf die Rechtschreibreform kommt hinzu, daß Lehrer geneigt sind, schlichtweg alles, was "von oben" kommt, sich zu eigen zu machen und alsbald unter didaktischen Gesichtspunkten zu betrachten. "Wie sag ich´s meinen Schülern?" ist wichtiger als "Was sage ich meinen Schülern?"
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.04.2006 um 17.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3728
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Zitiert werden die Lehrer immer nur mit Werturteilen, ob sich etwas leichter unterrichten läßt, nicht, ob das Unterrichtsergebnis besser wird. Nach der Schulzeit interessiert aber leider nur das Unterrichtsergebnis, nicht die Leichtigkeit des Unterrichts.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 07.04.2006 um 14.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3727
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Wenn ich Frau Pfeiffer-Stolz richtig verstanden habe, will sie ja im Gegenteil zum Ausdruck bringen, daß sich gerade die Lehrer als Hemmschuh einer schleichenden Verbesserung erweisen dürften.
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Kommentar von Lukas Berlinger, verfaßt am 07.04.2006 um 11.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3723
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Frau Pfeiffer-Stolz, Sie kennen die Lehrer besser als ich: Glauben Sie wirklich, von der Lehrerschaft könnten Impulse kommen? Sind das nicht die größten Opportunisten? Eigentlich könnten die Lehrer am wirkungsvollsten gegen die genannten Auswüchse vorgehen. Bei ihrem Beamtenstatus kann ihnen nichts passieren, und man glaubt ihnen mehr als uns Profischreibern.
Obwohl wir von Kunden abhängig sind, schreiben wir Dinge wie "im wesentlichen" oder "heute abend" klein, und es hat sich noch niemand beschwert. So lange die Kunden in den Texten hin und wieder "dass" lesen, sind sie glücklich und zufrieden und halten alles andere für richtig. Klingt zynisch, ist aber traurig: Die Leute sind verunsichert.
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Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 06.04.2006 um 21.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3719
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Liebe Frau Morin,
Ihre Hoffnung wäre allzu begründet – Überdruß macht sich überall breit –, wenn nicht, ja wenn nicht die Schullehrer wären ...
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Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 06.04.2006 um 20.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3717
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"Im Zweifelsfall schreibt man klein" - mit dieser Aussage Eisenbergs wäre ich zufrieden gewesen. Alle Leute, mit denen ich über die Schreibung "heute Abend" u.ä. geredet habe (das sind hauptsächlich Laien) empfinden diese Schreibweise als falsch. Gerade heute hat mir ein Kunde erzählt, er schriebe dann lieber "heute abends" oder "heute am Abend". Es ist schwer verständlich, daß die Reformer gerade dies als "Markenzeichen der Reform" beibehalten möchten.
Ein Lichtblick ist, daß sich inzwischen - wie auch aus obiger Kundenmeinung hervorgeht - die Einstellung zur Reform grundlegend gewandelt hat. Auch diejenigen, die anfänglich für diese "Innovation" waren, sind inzwischen auf dem Rückzug zu bewährten Schreibweisen. Ich hoffe, daß Duden und Bertelsmann dies in ihren neuen Ausgaben berücksichtigen (ist wohl nur eine fromme Hoffnung ... aber die stirbt ja bekanntlich zuletzt).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2006 um 18.18 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3715
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Die Beweisführung lautet in einfacher Sprache: Weil die Wortart nicht ganz klar ist, sucht man nach einem gleichlautenden Wort von klarer Wortart, findet es im Substantiv "Abend" und schreibt folglich groß. Eisenberg hat mit Recht geltend gemacht: im Zweifel schreibt man klein. Es kommt nämlich gar nicht drauf an, ob es ein Adverb ist; die Nichtsubstantivität genügt. Das ganze Gerede über Projektionen und Juxtapositionen ist Unsinn. Gallmann hat mit seinem berühmten Mittelfinger in die Runde gestochen und alle Welt lautstark über den Unterschied zwischen Wortart und Lexemklasse belehrt. Aber der banale Kern ist wie oben dargestellt. Der Rat nimmt das alles hin, ohne Widerrede. Die meisten wissen nichts zu erwidern, die anderen wollen unbedingt die Reform retten und schweigen lieber. Schon dies wäre ein Grund auszutreten.
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Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 06.04.2006 um 16.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3714
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Zur Frage von Frau Morin:
Die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung hat in ihrem ersten Bericht, in dem sie auf "alle ernst zu nehmende Kritik" einging, zur Großschreibung der Bezeichnung von Tageszeiten nach den Adverbien gestern, heute, morgen folgendermaßen Stellung genommen (S.37f.):
"Problemstellung
Von sprachwissenschaftlicher Seite wird zuweilen hervorgehoben, die Tageszeitbezeichnungen nach den temporalen Adverbien gestern, heute, morgen hätten keinen substantivischen Charakter.
Analyse
Diese Kritik geht von falschen syntaktischen Annahmen aus und vernachlässigt lexikalische Aspekte. Wichtig ist: Die Tageszeitbezeichnung nach den temporalen Adverbien gestern, heute, morgen bildet kein prototypisches Attribut. Insbesondere hat sie nicht den Charakter einer Phrase. Es liegt vielmehr eine determinative Juxtaposition vor, das heißt, die Tageszeitbezeichnung folgt dem Adverb als determinierender, nichtprojizierender Kern; die Semantik entspricht weitgehend derjenigen eines Vorderglieds einer determinativen Zusammensetzung.
Juxtapositionen dieser Art treten auch bei anderen Wortarten, insbesondere bei Substantiven, auf und sind nicht auf eine bestimmte Wortart festgelegt. Beispiele für Juxtapositionen zu Substantiven sind:
die Universität Rostock, das Bettenhaus West, auf Platz drei, Forelle blau
Da die Wortart der Tageszeitbezeichnung nicht direkt aus der vorliegenden syntaktischen Verwendung abgeleitet werden kann, ist Rekurs auf das Lexikon zu nehmen. Die Situation ist hier eindeutig: Das Lexikon des Deutschen weist nur ein substantivisches Lexem Abend, nicht aber ein adverbiales Lexem abend auf. Die Tageszeitbezeichnungen nach gestern, heute, morgen werden also zu Recht großgeschrieben (lexematische Großschreibung).
Die Juxtapositionen nach den temporalen Adverbien gestern, heute, morgen gehen übrigens auf Präpositionalgruppen zurück, das heißt, es handelt sich diachron gesehen um die Reduktion einer Phrase: gestern am Abend - gestern Abend.
Für die Großschreibung sprechen also auch sprachgeschichtliche Gründe.
Entscheidung der Kommission
Es ist keine Änderung der Neuregelung nötig."
Was ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht von der hier gebotenen Begründung der Großschreibung der Tageszeiten zu halten? Hat sich der Rat für deutsche Rechtschreibung diese Begründung zu eigen gemacht?
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Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 06.04.2006 um 15.26 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3712
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Im Duden 2004 steht (S.394) „morgen früh, auch morgen Früh schlafe ich aus“. Auf meinen Hinweis ist das gerade in der Klasse meiner Tochter in der Schullektüre wieder in ein kleines „früh“ korrigiert worden, obwohl doch der Duden nach einer kultusministeriellen Verlautbarung immer als richtig zu gelten hat.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2006 um 14.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3711
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Die Großschreibung der Tageszeiten gehört fast so sehr zu den Markenzeichen der Reform wie das ss. Die wird also auf jeden Fall bleiben. Auch weil es so häufig in Texten vorkommt. Bei "Diät leben" werden die Räte wahrscheinlich nach einiger Zeit nachgeben, aber das kümmert ja wegen seiner Seltenheit fast niemanden.
Schwer zu verstehen ist allerdings, warum die Augstschen Etymogeleien ebenfalls nicht mehr angefaßt werden sollen. Hier war ja der Spott der interessierten Öffentlichkeit besonders groß, die Sache ist auch nicht übermäßig kompliziert, und außerdem war in der alten Reformertruppe fast keiner dafür. Trotzdem ist im Rat niemand in Sicht, der darüber auch nur sprechen will. So bleibt auf der Reform das Siegel ausgemachter Lächerlichkeit kleben, auch wenn die ernsthaft diskutierbaren Änderungen einigermaßen behoben sein sollten.
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 06.04.2006 um 13.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3710
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Nein, anders: Sie sind unfähig, Nichtsubstantive richtig zu behandeln. Gallmanns Regel zur Großschreibung lautet in etwa so: Es gibt mehrere Kriterien, die zur Großschreibung eines Wortes führen können, und wenn irgend eines davon greift, wird das Wort auf jeden Fall groß geschrieben; explizite Kleinschreibungsregeln, die einer Großschreibung entgegenstehen könnten, gibt es in seinem System nicht.
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Kommentar von Ursula Morin, verfaßt am 06.04.2006 um 12.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=482#3708
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In meinem letzten Duden von 2004 (ich muß mir die meiner Kunden wegen leider alle anschaffen) steht noch "heute Nachmittag", was ja - wie "heute Abend" - einen völlig verrückten Eindruck macht, denn wenn "Nachmittag" in dieser Stellung ein Substantiv wäre, müßte "heute" ja ein Eigenschaftswort sein. Kann man vielleicht hoffen, daß die Wörterbuchredaktionen diesen Unsinn ausmerzen?
(Ich bitte, meine evtl. etwas ungrammatische Darstellung zu entschuldigen - ich habe zwar grammatische Begriffe gelernt, aber unmittelbar stehen sie mir nicht immer zur Verfügen, will heißen, ich muß da erst nachschauen. Ich gehe aber wohl nicht fehl in der Annahme, daß man Zeitangaben dieser Art in der klassischen Rechtschreibung wohl eher als Zeitadverbien aufgefaßt hat, wobei "heute nachmittag" insgesamt eine Einheit bildet.)
Der Grund für die Änderung gegenüber der herkömmlichen Schreibung ist für mich nur schwer zu verstehen ... und ich kann mir eigentlich nur vorstellen, daß sie einer Auffassung von Schülern als minderbemittelten Wesen zu schulden ist, oder kann es tatsächlich so sein, daß die Reformer unfähig sind, ein Substantiv zu definieren?
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