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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.03.2006
 

Empfehlungen
Die Stunde der Hausorthographien schlägt

Wie die beiden Verlage mitteilen, werden sowohl der neue Wahrig als auch der neue Rechtschreibduden „Empfehlungen“ enthalten, die über die amtliche Regelung hinausgehen. Sie sind natürlich unverbindlich, werden aber gewiß einen Sog ausüben, dem sich niemand entziehen kann.
Es würde mich nicht wundern, wenn die Kultusminister die empfohlenen Schreibweisen zum Unterrichtsgegenstand machten. Das wäre dann fast die Wiederherstellung der alten Zustände, nur daß jetzt der Duden nicht mehr allein die Norm wäre (aber er wird es praktisch doch wieder werden, das weiß man im Verlag natürlich ganz genau). Und außerdem wäre durch die Fesseln der amtlichen Regeln das Ergebnis immer noch schlechter als bisher.
Der Dudenverlag hat seine Empfehlungs-Hausorthographie bereits erfolgreich an den Mann gebracht: Die Nachrichtenagenturen und der Axel-Springer-Verlag wollen ihr folgen und auch die Duden-Software erwerben. Ob Bertelsmann mithalten will und kann, ist noch nicht klar. Vielleicht gibt man dort den Wettlauf auf, den man ohnehin nicht gewinnen kann, oder man übernimmt den Konkurrenten einfach, der sich ja ziemlich verausgabt haben muß.



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Kommentare zu »Empfehlungen«
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 30.03.2006 um 12.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=473#3551

Ein von den Variantenfreunden nie beachtetes Problem ist ja das der Konsistenz. Soll es akzeptabel sein, im selben Text mal diese, mal jene Variante zu wählen? Welche Varianten passen zusammen, welche sollte man nicht kombinieren? Alles freigestellt? Steht dazu irgendwo was in den Empfehlungen des Rates oder hat die Regierung sich dazu schon geäußert?
Dieser Schlamassel ist wohl mit ein Grund, warum die dpa ursprünglich ihre Hausorthographie definierte: unter anderem, um die Probleme mit der maschinellen Suche zu verringern, die aus allzuviel Inkonsistenz resultieren. Auch ein Problem, das die Reformer nie beachteten, das aber natürlich klammheimlich immer größer wird. Nicht so schlimm, die Ergebnismengen bei Google sind eh immer zu groß, schön wenn welche gleich wegen anderer Schreibung rausfallen.
 
 

Kommentar von Jürgen Langhans, verfaßt am 30.03.2006 um 11.44 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=473#3550

„Nie wieder Rechtschreibfehler – Der Duden Korrektor PLUS 3.5“

„... der Duden Korrektor hilft Ihnen beim perfekten schriftlichen Auftritt.“ ... „Erkennt der Korrektor beispielsweise ein veraltetes Wort wie ‚Friseuse’ wird Ihnen gleich die aktuelle Entsprechung „Friseurin“ angeboten.“ ... „Noch hat sich die Regierung nicht auf eine endgültige Fassung der neuen deutschen Rechtschreibung geeinigt. Auch befindet sich die deutsche Sprache im stetigen Wandel. Der Duden Korrektor bleibt jedoch dank der Online-Aktualisierung immer auf dem neuesten Stand.“

Funktionen:

„Unterscheidung zwischen zulässigen Schreibweisen (progressiv, konservativ, tolerant, Dudenempfehlung)“

„Unterstützt mehrere Silbentrennungsarten (ästhetisch, gesprochen, progressiv, konservativ, alle)“

http://computer.download.t-online.de/details/31423

Na, das wird ein Kauderwelsch! Jetzt kann ich mir einen Automaten kaufen und ihn so einstellen, wie ich gerade „drauf“ bin: ästhetisch, gesprochen, progressiv, konservativ, tolerant, alle (!); oder ich kann die Dudenempfehlung verwenden. Wenn ich die Option „alle“ wähle, bekommen ich wahrscheinlich alle nur denkbaren Schreibungen für die o. g. „Friseuse“ aufgelistet:

Frisöse (progressiv)?
Friseuse (konservativ)?
Frisörin, Friseurin oder FrisörInnen (tolerant / plural)?
Fri...? (Dudenempfehlung)?

Und die Trennungen? Vor allem: Welche Schreibung dient dann als Basis?

Frise-use (ästhetisch)?
Fri-sö-se (gesprochen)?
Frise-urin (tolerant)?

Ausgerechnet für die Trennungen kennt der Korrektor offenbar keine Dudenempfehlung. Ich habe das Programm nicht ausprobiert, denn dafür ist mir jeder „Teuro“ zu schade. Schlimm ist eben nur, daß Leute, die sich faktisch nicht mit der Reform befassen, auf diesen Blödsinn reinfallen und brav das Programm samt Updates kaufen werden.

Die Softwarehersteller können praktisch nichts dafür; sie bieten einfach alle „zugelassenen“ Varianten an (wenn sie die überhaupt finden!), ordnen sie irgendeiner Kategorie zu, und der Schreiberling hat dann die Wahl. Nur: Nach welchen Kriterien soll er sich dann entscheiden? Wo Kriterien fehlen, herrscht Beliebigkeit (ICKLER, „Falsch ist richtig“). Aber man kann wunderbar Faxen mit den Auswüchsen der Reform machen.

Der Rat für Rechtschreibung könnte sich mal darauf verständigen, welche obige Option eigentlich für Schüler und Lehrer gewählt werden sollte.

 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 30.03.2006 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=473#3549

Während ein Hans Zehetmair noch in Größenphantasien schwelgt, was seine und des Rates Aufgabe für die Zukunft sei, beginnt längst der orthographische Alltag. Er ist durch eine Rückkehr zum Realismus gekennzeichnet. Die "Durchsetzung" der Reform ist abgeschlossen – aber was man da durchgesetzt hat, erweist sich nach wie vor als nicht existenzfähig und unbrauchbar. Die Mächtigen dürften inzwischen die Freude an der Machtdemonstration verloren haben. So liegt es nahe, daß diejenigen, die es können: die Wörterbuchverlage, den Garten bestellen. Wer wollte verhindern, daß aus den Empfehlungen eines DUDEN auch entgegen dem Regelwerk verbindliche Schreibweisen werden? Im Zweifelsfalle versichert man sich der Zustimmung der Geschäftsführerin des Rechtschreibrates. Diese Zusammenarbeit hat sich doch bereits bestens bewährt. — In den Schulen wird man das ganze sehr tief hängen, also keinen orthographischen Rigorismus hinsichtlich der Fehlerkorrektur und -bewertung zelebrieren. Und kein Schulinspektor wird ausgesandt werden, um die Einhaltung der reinen Lehre zu überwachen. Überhaupt wird der weitere Rückbau eher geräuschlos vonstatten gehen. Nicht ausgeschlossen, daß wir bald eine allgemeine Absetzbewegung erleben werden, zuerst von jenen, die sich gleich zu Anfang besinnungslos am großen Besäufnis beteiligt haben.
 
 

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