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11.12.2005
Der Fall Zabel
Aus den Akten
(Mancher Besucher dieser Seiten wird sich nicht mehr daran erinnern, deshalb möchte ich die folgende kleine Geschichte in Erinnerung rufen, die hinreichend über den Geisteszustand des Herrn Z. Auskunft gibt.)
Süddeutsche Zeitung 2.1.1997
Narrenfreiheit des Weilheimer Gymnasiallehrers
Der Weilheimer Studiendirektor Friedrich Denk ist offenbar der einzige Deutschlehrer in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz, der die bisherige Rechtschreibung beibehalten will. Er fordert nämlich die gesetzliche Verankerung folgenden Satzes: „In den Schulen wird die allgemein gültige Rechtschreibung unterrichtet.“ Die Initiatoren der „Münchner Erklärung zur Rechtschreibreform“ wollen offensichtlich, daß sich der Freistaat Bayern von allen Beschlüssen und Vereinbarungen zur Rechtschreibreform distanziert, zu der bisherigen Rechtschreibung zurückkehrt und sich auf diese Weise eine in aller Welt belächelte Provinzposse leistet.
Dabei arbeiten die Herren Denk & Co. wiederum – wie bei den beiden Frankfurter Erklärungen – mit Mitteln der Irreführung und Manipulation. So zitieren sie den Herrn Bundespräsidenten bewußt verkürzt. Prof. Dr. Roman Herzog hat Presseberichten zufolge in Shanghai sinngemäß gesagt, er halte die Rechtschreibreform für „überflüssig wie einen Kropf“; für ebenso überflüssig halte er auch die Aufregung über die Reform. Er selbst werde seine Schreibung nicht umstellen, was sein gutes Recht ist!
Der Staat kann die Neuregelung nur für die Bereiche Schule und Verwaltung anordnen, nicht aber für den privat persönlichen Schreibgebrauch. Durch die verkürzte Wiedergabe der Äußerungen des Herrn Bundespräsidenten spannen die Initiatoren des Volksbegehrens in Bayern Herrn Prof. Dr. Roman Herzog – ohne seine Erlaubnis – vor ihren Karren! Das ist in der Tat ein starkes Stück!
In seinem Flugblatt „Stoppt die überflüssige aber milliardenteure Rechtschreibreform!“ schreibt Denk unter Punkt 9 u. a.: „So sollen die Lehrer ihrerseits dazu gezwungen werden, ihren Schülern solange auf die Finger zu hauen, bis sie die Neuschreibung kapiert haben.“ Diese unwahre Behauptung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Vorstellung von Rechtschreibunterricht, die jener Weilheimer Gymnasiallehrer offenbar hat und vermutlich auch praktiziert. Aus diesem Grunde würde es sich empfehlen, die Unterrichtstätigkeit des Studiendirektors Friedrich Denk unter diesem Aspekt einmal einer genaueren Kontrolle zu unterziehen. Schon die 1. Frankfurter Erklärung enthält eine Reihe falscher und ehrenrühriger Behauptungen. Herr Studiendirektor Friedrich Denk, der allen Ernstes von „Terror der Orthographie“ gesprochen und sich damit ein beredtes Selbstzeugnis ausgestellt hat, unternimmt in der 2. Frankfurter Erklärung den Versuch, die Kultusminister Deutschlands zu beschuldigen, in der Dresdener Erklärung in mehrfacher Hinsicht die Unwahrheit gesagt zu haben. Jeder weiß, daß diese Erklärung ausgesprochen sachlich die von Herrn Denk und seinen Mitstreitern in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe entkräftet.
Am 12. 11. 1996 habe ich Herrn Denk gebeten, mir – wie von ihm öffentlich angeboten – gegen beigelegte sechs Mark in Briefmarken, die „Stimmen zur Rechtschreibreform“ zuzusenden – leider vergeblich. Offenbar macht Herr Denk auf seine Weise Geschäfte mit der von ihm bekämpften Rechtschreibreform: Gehen wir einmal davon aus, daß die Hälfte der Unterzeichner der Frankfurter Erklärung dem bayerischen Landesbeamten Denk eine Spende bzw. Briefmarken im Wert von sechs Mark beigelegt hat und daß er nur jede zweite Zuschrift mit den „Stimmen zur Rechtschreibreform“ versorgt, belaufen sich die nicht genehmigten Nebeneinnahmen des Weilheimer Gymnasiallehrers auf etwa 60 000 Mark – immerhin ein Betrag für eine nicht genehmigte Nebentätigkeit, der sich sehen lassen kann. Sollten ihm tatsächlich Nebeneinnahmen in der genannten oder einer ähnlichen Höhe durch die Unterschriftenaktion zufließen, wäre zu fragen, ob er diese Einkünfte auch seinem Dienstherrn gegenüber, dem bayerischen Kultusminister, deklariert.
Über die zuletzt genannten Punkte habe ich mich unter dem Datum vom 21. 11. 1996 beim bayerischen Kultusminister beschwert. Am 12. 12. 1996 teilte mir Herr Ministerialrat Dr. Eckl mit: „Ihre Beschwerde richtet sich gegen Behauptungen und Handlungen des Herrn Denk, die außerhalb des Dienstes erfolgen. Da es sich um außerdienstliches Verhalten handelt, sind dienstrechtliche Maßnahmen nicht veranlaßt. – Wegen der Herrn Denk zugesandten Briefmarken darf ich Sie bitten, sich mit Herrn Denk in Verbindung zu setzen.“
Offenbar genießt der Landesbeamte Denk in Bayern eine von höchster Stelle abgesegnete Narrenfreiheit – er kann unwahre Behauptungen und Beleidigungen verbreiten, er muß öffentlich gegebene Zusagen nicht einhalten, er braucht natürlich auch nicht mitzuteilen, welche Sponsoren seine Volksverdummungskampagne finanzieren.
Prof. Dr. Hermann Zabel
Institut für deutsche Sprache
und Literatur
Universität Dortmund
—
SZ 11.1.1997
Fehlende Argumente für mißglückte Reform
Der Leserbrief „Narrenfreiheit des Weilheimer Gymnasiallehrers“ von Prof. Dr. Hermann Zabel von der Universität Dortmund in der SZ vom 2. 1. ist eine aufschlußreiche und zugleich bedauerliche Äußerung eines Hochschullehrers, da er in Inhalt und Diktion dazu beiträgt, die ohnedies gesunkene gesellschaftliche Anerkennung dieses akademischen Berufsstandes in der Öffentlichkeit erheblich zu beeinträchtigen und den viel erörterten Ansehensverlust der Universitäten in unserem Land zu bestätigen und zu beschleunigen.
In seiner Zuschrift versucht Professor Zabel nicht zum erstenmal, durch Polemik und durch geradezu verleumderische Vorwürfe und Anschuldigungen die ihm fehlenden Argumente für die von ihm mitverantwortete und total mißglückte Rechtschreibreform zu ersetzen. Diese Qualität seiner Ausführungen weckt erneut begründete Zweifel, ob die Wiener Rechtschreibkommission, der er als Mitglied angehörte, in ihrer Gesamtheit oder zumindest in einem Teil ihrer Mitglieder, auch von ihren unterschiedlichen Interessen her, dem Reformauftrag gewachsen oder nicht vielmehr überfordert war.
Befremdlich ist die Forderung von Professor Zabel, die Unterrichtstätigkeit des Deutschlehrers Friedrich Denk „einmal einer genaueren Kontrolle zu unterziehen“. Offenbar hat er nie Gelegenheit gefunden, sich mit Schülern Friedrich Denks und seiner Kollegen zu unterhalten und sich ein Bild davon zu machen. Ich habe dies bei den Autorenlesungen in der Turnhalle des Gymnasiums Weilheim, die ich in 17 Jahren fast alle besucht habe, immer wieder tun können. Als Berater der Schülerjury, die im Jahr 1991 Wolfgang Hildesheimer für den Weilheimer Literaturpreis vorgeschlagen hat, war ich von den Kenntnissen und der Urteilsfähigkeit dieser Schüler ebenso beeindruckt wie die vielen Schriftsteller – und Kritiker der sogenannten Rechtschreibreform! –, die im Laufe dieser Jahre nach Weilheim gekommen sind. Obwohl mein eigenes Abitur an einem bayerischen Gymnasium nun schon 43 Jahre zurückliegt, weiß ich es noch immer zu schätzen, daß in Bayern die Schulaufsicht, auch die Fachaufsicht über den Deutschunterricht, kompetenten Fachleuten und nicht ideologieverdächtigen Eiferern anvertraut ist.
Als Verfasser des Vorworts zu einem von einer Kaffeeröster-Kette vertriebenen Wörterbuch zur neuen Rechtschreibung (wer möchte nicht bei diesem Jahrhundertgeschäft dabeisein?) kann sich Professor Zabel offenbar nicht vorstellen, daß Friedrich Denk sich ohne eigenes finanzielles Interesse für das Gemeinwohl engagiert.
Wer vom ersten Tag an, seit unserer Pressekonferenz auf der Frankfurter Buchmesse am 6. Oktober 1996, unser gemeinsames Unternehmen („Denk & Co.“ schreibt Professor Zabel) begleitet oder auch nur beobachtet hat, ist voller Bewunderung für seinen schier unfaßbaren Aufwand an Kraft, Freizeit und finanziellen Mitteln. Friedrich Denk hat Respekt, nicht schäbige Verdächtigungen verdient.
Unter einem, aber auch nur diesem einzigen Aspekt muß man die Veröffentlichung der unsäglichen Polemik von Professor Zabel begrüßen. Er zitiert – mit dem Ton offenkundiger Entrüstung (es fehlt nur noch der Ruf nach dem Staatsanwalt) – die ihn nicht befriedigende Mitteilung des bayerischen Kultusministeriums, daß kein Anlaß bestehe, den Deutschlehrer Friedrich Denk wegen seines privaten Engagements mit dienstrechtlichen Maßnahmen zu belangen. So mußte Professor Zabel nach seinem Versuch, den Lehrer Denk bei seiner vorgesetzten Behörde anzuschwärzen – wenn auch unwillig und unwirsch –, zur Kenntnis nehmen, daß im Freistaat Bayern die Meinungsfreiheit eines Beamten ein hohes, von Recht und Verfassung geschütztes Gut ist und auch von einem Ministerium respektiert wird. Dies läßt hoffen, daß auch die weitere Diskussion zur Rechtschreibreform in Bayern ohne Beteiligung von Professor Hermann Zabel mit der notwendigen Sachkenntnis und der gebotenen Sachlichkeit und nicht zuletzt mit demokratischer Fairneß geführt wird.
Prof. Dr. Eberhard Dünninger
München
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Kommentare zu »Der Fall Zabel« |
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Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 11.12.2005 um 15.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#1940
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Danke für diese Informationen... ich sehe jetzt klarer...
Man braucht sich mit Herrn Zabel (den "Ehrentitel" Professor spare ich mir bei ihm in Zukunft) nicht weiter zu beschäftigen weder akademisch, noch sonst irgendwie. Jedes unnötige Wort wäre eine Verschwendung.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 11.12.2005 um 22.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#1943
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Ärzten, Apothekern und anderen eine öffentliche Aufgabe erfüllenden Akademikern kann die Approbation wegen standesunwürdigen Verhaltens entzogen werden. Leider ist etwas Entsprechendes bei einem deutschen Professor nicht möglich.
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Kommentar von GL, verfaßt am 12.12.2005 um 05.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#1946
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Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten.
Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.
Aus einem alten Weisheitsbuch
(Für jeden Polemiker wie Obengenannter wahrlich kein Luxus!)
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 12.12.2005 um 18.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#1949
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Sollen wir dem C4-Professor bzw. dem Fall Zabel 3 Euro als Gegenwert von 6 Mark in Briefmarken zusenden? Vielleicht gibt es dann wieder einen erhellenden Leserbrief von ihm, zum Beispiel:
Andere Reformgegner haben das betrügerische Verhalten ihres Anführers Studiendirektor Friedrich Denk immerhin nach vielen Jahren erkannt und sind für dessen peinliches Versagen in die Bresche gesprungen. Ein eindeutiger Beweis für das rechtswidrige Vorgehen des bayerischen Gymnasialbeamten. Leider fehlt bis heute eine genauere Untersuchung der finanziellen Machenschaften des Herrn Denk durch die zuständigen bayerischen Behörden. Fraglich bleibt, ob unsere Schüler dem Einfluss solcher "Pädagogen" mit offensichtlichen charakterlichen Defiziten ausgesetzt sein müssen.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 13.12.2005 um 19.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#1962
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Also, ich muß doch noch einmal Prof. Ickler herzlich dafür danken, daß er mit dem "Fall Zabel" eine Glanznummer unfreiwilliger Komik zugänglich gemacht hat. - Normalerweise würde man einfach sagen: Der spinnt! Aber das ist ja bei einem C4-Professor gänzlich ausgeschlossen. Interessant finde ich, daß aus dem "Herrn Bundespräsidenten" kurz danach "Herr Prof. Dr. Roman Herzog" wird. Allerdings fehlt diesmal die Angabe der Besoldungsgruppe. Die Antwort des bayerischen Beamten bezüglich der Briefmarken ist das Allerbeste, man sieht das mühsam unterdrückte Grinsen förmlich vor sich. Und schließlich stelle ich mir F. Denk vor, wie er dasitzt mit sechzigtausend Briefmarken. Was soll er damit nur anfangen? Bei der Post in Bargeld umtauschen? Für eine Briefmarkensammlung ist das Sortiment wohl etwas zu schmalspurig.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2008 um 10.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#12859
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Hermann Zabel ist eine pittoreske Randerscheinung der Rechtschreibreform, stand aber kurze Zeit im Mittelpunkt, als ihm die Reformer 1996 die Öffentlichkeitsarbeit übertragen hatten. Das ist ihm nicht so gut bekommen.
Seine jüngster Brief an Zehetmair wird bei diesem nicht viel bewirken, da Zehetmair durch Ministerialrat Krimm einigermaßen ins Bild gesetzt sein dürfte.
Zabel hat bekanntlich nur zwei Pfeile im Köcher: Die Zusammenführung von normalem und Buchdruckerduden und die Stufung des Rechtschreibwissens für Schüler und Wenigschreiber einerseits, Profis andererseits. Der Rest ist von der skurrilen Sorte wie das Briefmarkenattentat auf Friedrich Denk oder die verbalen Attacken gegen Helmut Glück, mich selbst und andere. Aber lassen wir das, es ist wirklich im Grenzbereich des Normalen angesiedelt.
Wie sehr sich seine Einlassungen gleichen, kann man z. B. an seinem Beitrag zum SZ-Forum sehen:
„Rechtschreibregeln für alle dürfen und können sich nicht am Leistungsvermögen eines Absolventen eines Gymnasiums oder an den Bedürfnissen von Schreibspezialisten orientieren. Neue Rechtschreibregeln müssen vielmehr nach meiner Überzeugung so strukturiert sein, daß sie nur solche Kenntnisse und Fähigkeiten vorausetzen, die bis zum Abschluß der Pflichtschulzeit schulisch vermittelt werden. Aufbauend auf solchen Basisregeln, muß ein neues Regelwerk Möglichkeiten der differenzierten Rechtschreibung und Zeichensetzung enthalten. Das Regelwerk sollte also auch den erhöhten Anforderungen von Schreibspezialisten und Schreibprofis Rechnung tragen.“ (SZ 19.2.97)
So wird schon immer verfahren. Der Deutschdidaktiker Zabel müßte es eigentlich wissen. Auch die Neuregelung ist keine Schulorthographie, die Schule trifft eine Auswahl. Es gibt für verschiedene Klassenstufen besonderen Rechtschreibwortschätze, die aktiv beherrscht werden sollen, und es gibt ein paar Faustregeln.
Manchmal kommt mir der Gedanke, ob man mit Zabel und Augst nicht ein wenig Mitleid haben sollte, bei aller List und Tücke, mit denen sie zu Werke gingen. Schließlich ist beiden ein Teil ihres Lebenswerkes und -zweckes davongeschwommen. Bei Augst ist das natürlich noch mehr der Fall, denn seine 23jährige Agitation hat schließlich sogar das zweite große Projekt, das Morphemverzeichnis des Deutschen, in Mitleidenschaft gezogen. Freilich war in der Idee der "synchronen etymologischen Kompetenz" von Anfang an der Wurm drin, und wohlmeinende Kollegen haben es ihm auch gesagt. Mir ist aber auch bestätigt worden, daß Kollegen ihn u. a. deshalb rücksichtsvoll behandelten, weil er einflußreicher DFG-Gutachter war.
So ist das "Wortfamilienwörterbuch" mißraten, und 24 positive Rezensionen können nichts an den Mängeln ändern, die in der fünfundzwanzigsten aufgezählt sind. Die Zunft wird es nach und nach zur Kenntnis nehmen müssen. So ist am Ende fast alles futsch, und die ersehnte historische Bedeutung reduziert sich auf einen knappen Eintrag in meinem Rechtschreibwörterbuch: "Gerhard Augst, dt. Rechtschreibreformer".
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.04.2009 um 10.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#14328
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Im Littfelder Archiv habe ich auch einige Briefe von Hermann Zabel an Helmut Jochems gefunden. Eine Wiedergabe ist hier natürlich nicht möglich. Aber zwecks historischer Dokumentation möchte ich doch noch einmal auf diesen Fall zurückkommen.
„Auf mein schriftliches Angebot, mit ihm in Erlangen über seine Argumente zu diskutieren, ist Herr Ickler mit keiner Silbe eingegangen. Ein solches Verhalten spricht für sich.“ (Zabel am 7.3.97 an Jochems)
Vier Wochen zuvor hatten wir beide an der Podiumsdiskussion der SZ in München teilgenommen.
Zabels Brief enthält krasse Unterstellungen, meine Person betreffend. Ich hatte mir die Mühe gemacht, den Hauptinhalt der Reform für die Podiumsdiskussion auf einer Seite zusammenzustellen. Zabel wirft mir vor, ich hätte den „Kontext“ weggelassen (was sonst!) und das Publikum „bewusst irregeführt“. Einen Beleg sucht man vergebens.
Was Zabel mir brieflich am 9.2.97 tatsächlich vorgeschlagen hat, ging viel weiter: Ich sollte an der Universität Erlangen eine öffentliche Veranstaltung organisieren, bei der – unter der Moderation von Herrn Munske – Zabel mit mir diskutieren wollte. Ich hatte verschiedene Gründe, darauf nicht zu antworten. Zabels Briefe sind, wie manche Empfänger bestätigen werden, von sehr eigentümlicher Art. Auch mündlich bringt er es fertig, den Leuten Unverschämtheiten mit fröhlicher Unbefangenheit ins Gesicht zu sagen. Zwei Wochen zuvor hatte er mir geschrieben: „Aus den mir vorliegenden Veröffentlichungen konnte ich nicht ersehen, dass Sie mit Herrn Friedrich Denk befreundet sind. Selbstverständlich werde ich ab sofort meine Gruppenbezeichnung wie folgt ändern: 'Herren Denk, Ickler & Co..'“ und so weiter, in diesem Stil. Die verrückte Briefmarkenaffäre (SZ 2.1.97) ist wohl auch noch in Erinnerung. Seine Einlassungen zur Sache beschränkten sich bei verschiedenen Veranstaltungen fast ganz auf die unermüdlich wiederholte Geschichte von der Verschmelzung der Dudenbände zum Buchdruckerduden. Warum sollte ich mir das noch ein weiteres Mal anhören und dazu auch noch eine Veranstaltung organisieren? Wir haben Zabel ja dann doch noch an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät hören können, und es war ein Graus (wie die Kollegen Jastrow und Bobzin sowie Herr Riebe bestätigen können, die kuriositätshalber auch gekommen waren).
Hier meine Hälfte des Briefwechsels mit Zabel:
3.1.97:
Sehr geehrter Herr Zabel,
gestern habe ich mir das Eduscho-Rechtschreibwörterbuch gekauft, weil Sie Ihr Geleitwort dazu beigesteuert und damit bei mir die höchsten Erwartungen geweckt haben. Nun bin ich bisher erst dazu gekommen, mir die rot gedruckten Einschaltungen anzusehen, möchte Ihnen aber doch schon meine Beobachtungen mitteilen, sozusagen nur Randbemerkungen (s. Anlage). Ist es denn möglich, daß Sie das Werk gar nicht gesehen hatten, als Sie Ihren Beitrag verfaßten? Es wäre nicht der einzige Fall dieser Art, denn Herr Heller kann ja das Bertelsmann-Wörterbuch auch nicht gesehen haben, bevor er sein Geleitwort dazu schrieb. Ich lege zu Ihrer Information auch noch meine Bemerkungen zu Götzes Produkt bei. Mir scheint, daß weder diese beiden Wörterbücher noch die anderen viel zur Verhinderung des Rechtschreibchaos beitragen können.
Mit der Reform selbst habe ich mich jetzt lange Zeit befaßt und würde mich gern einmal mit Ihnen darüber unterhalten. Vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, etwa bei der unabweisbar notwendigen Überarbeitung. Wohin meine Kritik geht, sehen Sie an dem weiteren Blatt, bei dem ich mir das Vergnügen gemacht habe, authentische Zeitungstexte in die Neuschreibung zu bringen - mit Ergebnissen, die wohl auch den überzeugtesten Reformanhänger stutzig werden lassen. Zu anderen Teilen der Reform hätte ich ähnlich durchschlagende Argumente. Nun, ein weites Feld, und ich will auch Ihre Zeit nicht unnötig beanspruchen.
Mit freundlichen Grüßen
20.1.97:
Sehr geehrter Herr Zabel,
besten Dank für Ihren aufschlußreichen Brief und die nachgesandten Papiere! Ich habe sogleich manchen Nutzen daraus gezogen. Dasselbe gilt auch für Ihr "Wüterich"- Buch. Nur einen kleinen Schönheitsfehler hat meine Autoreneitelkeit gleich entdeckt: In Ihrer 25seitigen Zusammenstellung von Zeitungsartikeln vermisse ich unter dem 12.10.1996 den Hinweis auf einen ganzseitigen Artikel in der FAZ. Manche halten ihn für wichtig. Eine Woche später erschien etwas Ähnliches im St. Galler Tagblatt, das ja dann Friedrich Denk zum Mann des Jahres wählte.
In Ihrem Leserbrief an die SZ vom 15.1.97 schreiben Sie zutreffend, daß die Reform nachgebessert werden muß. Das haben auch mehrere Mitglieder der zwischenstaatlichen Kommission gesagt und hinzugefügt, daß damit natürlich alle neuen Wörterbücher usw. ungültig werden. Ich bemühe mich gerade, diese Tatsache einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen. Es dürfte eine der heißesten Nachrichten dieses Frühjahrs werden. Mit der Reform geht es also nun ziemlich schnell bergab. Günstig für uns Kritiker ist es, daß niemand behaupten kann, wir Ewiggestrigen hätten die Reform auf politischem Wege gekippt (Märtyrersyndrom). Vielmehr werden die Reformer selbst mit ihrer Hände Arbeit das Reformwerk so verändern, daß jeder am Ende die Nase voll hat und einen raschen Exitus herbeisehnt. Unsere Rolle bestand darin, auf die tödliche Krankheit hinzuweisen, deren Ursprung aber ganz außerhalb unseres Einflusses lag. Mir war es lediglich beschieden, schon frühzeitig den Nachruf abfassen zu dürfen, den Sie (s.o.) zu verzeichnen vergessen haben.
Bemerkenswert finde ich auch, daß Sie im gleichen Brief sagen, vom 1.8.1998 an werde die Reform schrittweise in den Schulen eingeführt. Wie Sie wissen, wird sie schon seit Herbst 1996 schrittweise eingeführt, und darauf stützte sich ja auch Ihr Argument im Leserbrief an die SZ vom 26.10.1996, daß eine Rücknahme der (kostenneutralen!) Reform Milliarden kosten würde. Sind Sie jetzt der Meinung, die Reform wäre besser nicht vorzeitig in die Schulen gebracht worden? Dann würden wir in einem weiteren Punkt übereinstimmen (es wird schon fast unheimlich!).
Zur Teilnahme am Podium der SZ kann man Sie beglückwünschen. Nachdem Sie inzwischen auch Bertelsmann-Autor geworden sind (was ja nach Ihrem überschwenglichen Lob des Götze-Produkts als "verlegerische Pionierleistung" zu erwarten war), werden Sie dort sozusagen ganz "famillionär" (Sie kennen den Freud-Witz, nicht wahr?) unter sich sein. Es war sicher klug von Frau Baedeker, keinen einzigen Reformkritiker einzuladen, vor allem keinen Sprachwissenschaftler. So wird doch wenigstens deutlich, daß es sich um eine Bertelsmann Promotion Show handelt.
Nicht so leicht fällt es mir, Sie zu Ihrem Entschluß zu beglückwünschen, in Augsburg mit meinem Freund Friedrich Denk diskutieren zu wollen. Den Gegner zu unterschätzen ist immer falsch. Allerdings ist mir schon angesichts Ihrer letzten Zusendung nicht ganz klar, warum Sie eigenhändig zur Verbreitung von Dünningers Leserbrief, Kriegers Satire und sogar Ihrem Verlangen nach Gegendarstellung beitragen. Irgendwie ist mir die Pointe Ihres Vorgehens entgangen, aber ich bin nicht der einzige, der hier ein wenig begriffsstutzig ist. Nun, ich werde auch nach Augsburg kommen, um meiner Ungewißheit abzuhelfen.
Manchmal muß ich denken, ob Sie sich mit der (auch mich) herabsetzenden Formel "Denk & Co." selbst Mut machen wollen? Mir fällt dann immer der hübsche Spruch ein: Lautes Pfeifen im finsteren Wald vertreibt zwar die Angst, aber nicht die Gespenster ...
Meine Ausarbeitung über die Reform wird Ihnen zugehen, sobald sie als Buch vorliegt.
Mit freundlichem Gruß
10.7.97:
Sehr geehrter Herr Zabel,
wie mir zugetragen wird, beabsichtigen Sie, gewisse Gerüchte über meine akademische Qualifikation zu verbreiten. Wenn ich da falsch informiert worden sein sollte, bitte ich Sie, nicht weiterzulesen, sondern meinen Brief als bedauerlichen Irrtum zu behandeln. Andernfalls möchte ich Sie in Ihrem eigenen Interesse vor unbedachten Schritten warnen, damit Sie nicht wieder zu einem "Errare humanum" greifen müssen. Obwohl ich von akademischen Würden herzlich wenig halte, möchte ich Ihnen zur Kenntnis bringen, daß ich vor gut 12 Jahren von der Philosophischen Fakultät der Müncher Universität ordnungsgemäß habilitiert wurde und seit 10 Jahren eine Professur der Besoldungsgruppe C3 an der Universität Erlangen innehabe. Wie Sie selbst am besten wissen, können gewisse Ihnen "nahe Stehende" keine Habilitation vorweisen. Das alles spielt aber in meinen Augen gar keine Rolle, solange gute wissenschaftliche Argumente ausgetauscht werden. In diesem Zusammenhang halte ich es für wünschenswert, daß wir nicht nur gegeneinander polemisieren - das ist legitim und macht auch Spaß, mir jedenfalls - , sondern daß auch von Ihrer Seite einmal Argumente vorgelegt werden, mit denen unsereins sich ernsthaft auseinandersetzen kann. Manchmal melden Augst und Schaeder sich zu Wort und versuchen mich zu widerlegen, aber das geht immer schief. (Vgl. mein beigefügtes Papier; als Sie neulich in Nürnberg die Litanei der "Verunglimpfungen" vorlasen, konnten Sie nicht wissen, daß das Original, eben der Text von A&S, vor mir auf dem Tisch lag.) Aber auch von Ihnen, der Sie doch so lange beim Reformieren mitgemacht haben, erwarte ich eigentlich eine inhaltliche Verteidigung der Reform. Meine eigenen Analysen - das darf ich wohl in aller Bescheidenheit sagen - gelten bei vielen Fachleuten als die gründlichsten, die es zu diesem Gegenstand überhaupt gibt. Ich werde sie bald durch einen linguistischen Gesamtkommentar abschließen, der ebenso wie die Vorstudien ein ziemlich harter Brocken für die Reformkommission sein wird. Was zum Beispiel die Kommasetzung angeht, so ist mir in § 77 (5) wohl eine tiefere Einsicht beschieden als sogar Gallmann und Sitta, vgl. das beigefügte Exzerpt aus dem geplanten Kommentar.
Abschließend möchte ich Ihnen einen Seufzer übermitteln, den Herr Sitta auf seiner allerersten, damals noch recht freundlichen Postkarte an mich geschickt hat: Schade, daß Sie auf der falschen Seite stehen!
Mit freundlichem Gruß
18.7.97:
Sehr geehrter Herr Zabel,
besten Dank für Ihr Schreiben vom 12. Juli, das ich wegen einer falschen Postleitzahl in der Tat erst gestern erhielt. Obwohl sich durch unser Telefongespräch inzwischen manches aufgeklärt hat, ist vielleicht eine schriftliche Äußerung meinerseits nicht ganz unangebracht.
Die Rechtschreibreform ist ein menschenverachtendes Massenexperiment. Ich sehe in dieser Behauptung - entgegen Ihrer Vermutung - keineswegs eine mißglückte Formulierung, für die ich mich entschuldigen müßte. In Bonn war ja überdeutlich zu spüren, daß Herr Augst sich mit Genuß in die Pose der gespielten Entrüstung warf, weil er mangels sachlicher Argumente dachte, hier endlich einen Hebel gegen mich in der Hand zu haben. Das ist lächerlich und paßt insofern zu dem übrigen Gerede, das er dann über die Zuhörer ausgegossen hat. Nicht ich will „bestimmte Assoziationen wecken“, sondern Augst wollte und will das, was man schon daran sehen kann, daß die Nazis, auf die ich angeblich anspiele (mir war das ganz neu!), nicht für menschenverachtende Massenexperimente bekannt sind. Welche sollten das denn sein? Aber lassen wird das, Sie können ruhig weiterhin verbreiten, ich hätte die RR ein m.M. genannt, mir ist das mehr als recht, denn es trifft einfach zu.
Die Theorie der „unsichtbaren Hand“ (schott. Nationalökonomie, F.A.v. Hayek, neuerdings Rudi Keller) scheint Ihnen nicht bekannt zu sein, sonst würden Sie nicht zweimal von der „stillen Hand“ sprechen und das Ergebnis von deren Wirken für „ehrfurchtsvoll“ zu achtende „geheimnisvolle Gesetzmäßigkeiten“ halten. Es ist eine sozialpsychologische Theorie, die einen interessanten evolutionären Rahmen für sprachwissenschaftliche Thesen abgibt; ich benutze sie vielfach auch in meinem neuen Fachsprachenbuch „Die Disziplinierung der Sprache“ (Tübingen 1997).
Es wundert mich, daß Sie in meinen bisherigen Schriften nicht bemerkt haben, daß ich auf die Begründungen der Reformer eingehe. Das habe ich ständig getan, zum Beispiel jederzeit die Begründung der neuen Getrennt- und Zusammenschreibung (“Wortgruppe vs. Zusammensetzung“) fundamental in Zweifel gezogen, ebenso das etymologisierende Schreiben à la Augst, das Entfernen semantischer Kriterien aus der Orthographie usw. Vielleicht ist es Ihnen entgangen, weil Sie meine Arbeiten immer nur „durchsehen“, statt sie zu lesen; das haben Sie seinerzeit nach eigenem Bekunden auch mit dem Eduscho-Wörterbuch getan.
Auf die „grundsätzlichen“ Bemerkungen von Augst und Schaeder einzugehen, sah ich keine Veranlassung. Ich wollte ursprünglich das ganze Papier unkommentiert lassen, weil es einfach kein diskutables Niveau hat. Ich bin nicht verpflichtet, jede Zeile der beiden Herren zu kommentieren, und daß ich zum „Grundsätzlichen“ nichts zu sagen wüßte, werden Sie doch nicht im Ernst annehmen?
§ 13 ist eine Pseudoregel, die durch die Ausnahmeregel § 15 nicht zu einer echten Regel wird. Denn § 15 ist falsch; nicht „wenige“ Wörter, sondern unzählige haben keine Umlautschreibung. Vgl. meine Argumentation zu Spängler. Mit „gutem Willen“ ist da nichts zu machen. Es fehlt einfach die Übersicht über den tatsächlichen Wortbestand.
Zur GZS sagen Sie nichts Konkretes, ich kann daher auf Ihre Bedenken nicht eingehen.
Daß A&S in Sachen Spinnefeind ein „Angebot“ gemacht hätten, auf das ich schnöderweise nicht eingehe, ist ziemlich komisch. Die beiden Herren haben keine Angebote zu machen wie auf einem Bazar, sondern sie haben einen der jämmerlichsten Fehler zögernd und halbherzig eingestanden. Außerdem machen sie ihre großzügigen Angebote ja nicht mir, denn ich bin kein Verhandlungspartner und will es auch nicht werden. Glauben Sie etwa, ich würde mich auf „Abstimmungen“ und „Kompromisse“ einlassen? Die Behauptung, bei feind und freund handele es sich um Substantive, ist im übrigen so abgrundfalsch, daß ich über das Angebot der Freigabe von spinnefeind nur lächeln kann.
Zur Geheimniskrämerei der Kommission: Natürlich kann die Kommission keine politisch wirksamen Beschlüsse fassen, aber sie könnte selbstverständlich ihre Zwischenergebnisse öffentlich zur Diskussion stellen, ja überhaupt öffentlich tagen. Ist das eine so utopische oder ungehörige Forderung? Warum sollen erst die Kultusbeamten die neuen Vorschläge prüfen, bevor sie veröffentlicht werden? Wäre es nicht demokratischer und auch einfach klüger, sie den Kritikern und Betroffenen zu unterbreiten? Nach unseren bisherigen Erfahrungen werden wir nach Abschluß der Beratungen wieder mit einem fertigen neuen Reformpaket überfallen werden, das dann auch wieder blitzartig auf die Schulen niederfährt. Das darf und wird aber nicht geschehen.
Meine Entscheidung, nicht an Gesprächen mit der Kommission teilzunehmen, habe ich damit begründet, daß ich dieser Kommission nicht den Schein der Legitimität verleihen möchte.
Ich sehe Ihrer angekündigten Schrift über die GZS erwartungsvoll entgegen und bin mit freundlichen Grüßen
PS: Soeben erhalte ich Ihr neues Manuskript. Ich bin ziemlich enttäuscht, da ich nach unserem Telefonat einen neuen Vorschlag zu den Problemen der GZS erwartet hatte. Nun enthält Ihr Papier aber lediglich eine Wiederholung all dessen, was Sie schon bei verschiedenen Gelegenheit gesagt und geschrieben haben, nicht einmal den nichthabilitierten C-2-Professor haben Sie zu streichen für nötig gehalten. Erwarten Sie im Ernst, daß ich, wie besprochen, dazu Stellung nehme? Drucken Sie es nur, es schadet nur Ihnen selbst! (Zu den „Methoden“ der Reformgegner gehört es immerhin auch, kritische Analysen des Regelwerks vorzulegen, die inzwischen gut und gern 200 Seiten umfassen; darauf gehen Sie mit keinem Wort ein.)
(Nachwort 2009: Ich hatte selbstverständlich im Sinn, den nationalsozialistischen Verbrechen den ehrbaren Titel des „Experiments“ abzusprechen, aber vielleicht war diese Ironie tatsächlich manchem nicht durchsichtig.)
29.3.2002:
Lieber Herr Zabel,
es ist nett, wieder mal ein Lebenszeichen von Ihnen zu erhalten wie jetzt in der Süddeutschen Zeitung. Was Sie über Papst und Fangemeinde schreiben, ist ziemlich unbegründet, aber mit solchen Kindereien will ich mich nicht aufhalten. Ich habe allerdings die Hoffnung nie aufgegeben, daß der Sinn und Zweck meines Wörterbuchs jedem vernünftigen Menschen verständlich gemacht werden kann. Das Vorwort ist zwar klar genug, aber vielleicht haben Sie das Buch gar nicht, sondern zitieren es nur nach Schoebe. (Das war übrigens der Mann, der mir vor Jahren schrieb, er finde die Reform nicht besonders gelungen, aber: „Ich werde der Norm gehorchen, weil sie die Norm ist.“ - So was bildet unsere Kinder heran, bildet deren Lehrer aus! Was sagt der verdiente Demokrat Zabel dazu? Daß GfdS und IDS diesen Herrn als letztes Aufgebot gegen mich in Stellung brachten, spricht ja auch Bände.)
Mein Ziel war es, die bisher in guten Texten übliche Orthographie zu rekonstruieren. Also das zu tun, was der Duden ursprünglich wollte, aber laut Drosdowski und Wermke im Laufe der Zeit nicht mehr getan hat. Der Grund für das Verlassen des deskriptiven Weges war gerade die Sehnsucht mancher Zeitgenossen (Sekretärinnen, Lehrer) nach „eindeutigen“ Auskünften. Das Ergebnis war fatal und hat eine Reform provoziert (nicht diese freilich! Überhaupt keine Reform der Rechtschreibung, sondern eine solche des Dudens und der ganzen Duden-Konstruktion). Wir haben also Tausende von wirklichkeitsfernen Einzelwortfestlegungen, die unlernbar waren und ständiges Nachschlagen erfordert hätten. Mein Standardbeispiel: Duden noch mal, Neuregelung nochmal, Schreibpraxis nochmal/noch mal.
Bei mir ist nun erstmals (soweit es für einen einzelnen möglich war) der bisherige Usus empirisch festgehalten, und wer sich nach meinem Wörterbuch richtet, schreibt haargenau so, wie es bisher üblich war. Zugleich ist die Lernaufgabe gegenüber dem Duden erheblich reduziert. Gerade Sie als Didaktiker müßten doch einsehen, daß eine noch stärkere Vereinheitlichung und Eindeutigkeit nur um den Preis einer ungeheuren Vermehrung des Lernpensums bzw. Nachschlagebedarfs erreichbar wäre – ohne nennenswerten Gewinn für eine sinnvolle Schreibweise.
Schoebe und der dritte Bericht der Rechtschreibkommission in dem mir gewidmeten Abschnitt werfen mir vor, daß ich den alten Duden nicht abgeschrieben habe. Was soll man dazu sagen? Es ist mir einfach zu dumm.
Haben Sie den dritten Bericht überhaupt? Von Rechts wegen dürften Sie ihn gar nicht kennen. Ich kann Ihnen einen umfangreichen Kommentar dazu liefern, er wird demnächst (wie der Bericht jetzt schon) unter www.rechtschreibreform.de erscheinen. Wenn Sie eine E-Mail-Adresse haben, wäre es leichter, Sie mit Informationen zu versorgen.
Schöne Grüße und alles Gute,
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Hier sind noch einmal die im ersten Brief erwähnten Bemerkungen zum Eduscho-Wörterbuch:
Neues deutsches Wörterbuch. Verlag Naumann & Göbel, Köln 1996.
(Das Wörterbuch ist von einer Redaktion unter Leitung von Friedemann Bedürftig verfaßt. Schlußredaktion: Christian Stetter. Geleitwort von Hermann Zabel. Es wird vom Kaffeefilialisten Eduscho vertrieben. Inzwischen auch als Heyne-Taschenbuch.)
Das Geleitwort von Hermann Zabel polemisiert gegen die Reformkritiker und kommt zu dem Schluß:
„... ist das Wörterbuch nicht nur ein ausgezeichneter Ratgeber in allen Fragen der alten und der neuen Orthographie, sondern ebenso ein wertvolles Kompendium zu allen Fragen der deutschen Sprache.“
Das Geleitwort enthält bereits einen Fehler: „sogenannten“.
Die Zusammenfassung der neuen Regeln durch Klaus Heller ist ebenfalls fehlerhaft: „ebensowenig“ (S. VI), fehlendes Komma S. XIII: „Die Änderungen zielen darauf ab klare, wenn möglich formale Kriterien für die Großschreibung zu gewinnen.“
S. XXI: Hier wird die neue Trennung an dem Wort „E-pis-to-lar“ vorgeführt, wobei fälschlicherweise die alte Trennung „Epi-stolar“ nicht mehr vorgesehen ist.
Zu den Hervorhebungen (Rotdruck):
abbacken: "Da ck als ein Laut gilt, entfällt die früher aus Gründen der Wortherkunft übliche Trennung k-k." - So oder ähnlich äußert sich das Wörterbuch unzählige Male über die neue Nichttrennbarkeit von ck: "Buchstabenverbindungen, die wie ein Laut gesprochen werden, werden nicht getrennt. Dazu gehören ch, ck, ph, rh, sch, th: „kni-cken, wa-schen, Ste-phan, Zi-ther“. Dies entspricht der Regel, nach der Wörter stets nach Sprechsilben getrennt werden." - Das steht so auch in § 109. Aber in allen angeführten Beispielen widerspricht die Trennung der Regel, da es im Deutschen keine Silben gibt, die auf offenen Vokal enden. Außerdem übergeht die Darstellung, daß das ck den systematischen Ort von kk einnimmt und daher eine Trennung wie die von ll in alle oder tt in Bitte angemessen wäre. (§ 3 (1)) Unter „durchnummerieren“ sagt das Wörterbuch selbst, daß ck die Verdoppelung von k ist! Ein unerklärter Bezug auf die "Wortherkunft" als angebliche Grundlage der bisherigen Worttrennung findet sich z.B. auch unter „klecken“. - Übrigens ist unerklärlich, warum hier und oft die Regel unter einem entlegenen Kompositum wie abbacken und nicht unter dem Simplex erläutert wird. Ähnlich unter „mu-cken“ – warum gerade an diesem seltenen Wort erläutert? Ebenso wird die neue Trennbarkeit von st unter „asten“ und ähnlichen Raritäten erläutert.
abecken: "Die Trennung abe-cken hemmt den Lesefluss, weil abe- zunächst als eine Silbe entschlüsselt, (sic) und erst auf den zweiten Blick als Doppelsilbe ab-e- erkannt wird." - Es ist nicht möglich, abe- als eine Silbe zu entschlüsseln.
abends, Abend: „dienstagsmittags“ ist keine mögliche Schreibung im Sinne der Neuregelung.
aberhundert: Daß „hundert und aber hundert“ usw. nicht mehr möglich sein soll, scheint mir nicht so sicher. Das Schweigen des amtlichen Wörterverzeichnisses allein zieht Wörter noch nicht aus dem Verkehr. Aberhunderte gab es daneben schon immer.
Acht geben: „... groß geschrieben ...“
allzu: „Steigerungsform“ (sic). Die sachliche Begründung der Getrenntschreibung von „allzu“ + Adjektiv ist auch sonderbar.
Alt-Berlin: Woher stammen Schreibungen wie „Groß-Tokio Projekt“?
Die Vereinbarung der Mediziner, „Amenorrhö“ bzw. „-rhöe“ zu schreiben, hat nichts mit der Rechtschreibreform zu tun und sollte nicht rot dargestellt werden (ähnlich später zu „Gonorrhö, Seborrhö“).
Gegen die Abtrennung eines Einzelbuchstabens werden immer wieder ästhetische Bedenken geltend gemacht, oder es heißt, von dieser Regel werde "schonender Gebrauch empfohlen". Aber das hat kaum eine Grundlage im Regelwerk, das nur vor Mißverständnissen warnt.
Ass: „Wegen des s-Auslauts und des kurzen A musste das bisher As (auch Aß) geschriebene Wort seinen Genitiv und seinen Plural mit ss bilden. Das Grundwort wurde dem angepasst.“ - „As“ wurde bisher keineswegs „auch Aß“ geschrieben, und der Rest der Erklärung ist auch Unsinn.
aufseiten: zusammen geschrieben (sic) ... "Es gibt aber Fälle, in denen eine solche Zusammenstellung auch als Wortgruppe angesehen werden kann." Welche Fälle? Die Regel stellt die Varianten als beliebig dar, nicht als auf bestimmte Fälle bezogen.
Balletttänzer: Konsonaten
behänd: Die Volksetymologien sind nicht "sprachwissenschaftlich umstritten", sondern falsch.
bekannt: "eine Verlautbarung (bald) bekannt geben" scheint die vorzuführende "Erweiterung" des Adjektivs darstellen zu sollen.
im Besonderen: "Zur Vereinfachung hatte es sich eingebürgert, gängige Substantivierungen klein zu schreiben" (sic) - Wieso zur Vereinfachung? Ebd. "Substantiviertes wird groß geschrieben" (sic)
besser: Hier wird behauptet, aufs Beste könne nur dann groß geschrieben werden, wenn es in der Antwort auf eine Frage mit "Worauf?" und nicht mit "Wie?" vorkomme. Das ist falsch. Aufs Beste ist freie Variante zu aufs beste.
Bestellliste: Die Trennung Bestell-liste ist nicht neu.
bewusst machen: Sie wollte sich ihre Einsamkeit ehrlich bewusst machen - das soll wieder die Erweiterung von bewusst veranschaulichen.
Dahinter knien: Hier fehlt eigentlich ein Hinweis auf die Liste § 34, ebenso wäre schon unter da bleiben ein solcher Hinweis angebracht gewesen, weil die Unregelmäßigkeit der Schreibweise von Partikelverben anders gar nicht zu verstehen ist. Unter davonziehen versucht das Wörterbuch, diesen Unterschieden einen Sinn zu geben, aber ohne Erfolg.
dein: klein geschrieben ... groß geschrieben (sic)
Doktrin: "Da auch nach Sprechsilben getrennt werden darf, kann bei drei Konsonanten der dritte abgetrennt werden kann." (sic) Das scheint aber gerade bei Doktrin nicht zuzutreffen. Zu Dupla- usw. (Wörter mit Dupla- werden übrigens gar nicht aufgeführt) heißt es später: "Bei der Trennung von Worten mit diesen Wortteilen kann man, entgegen der sonst üblichen Trennung nach Sprechsilben, auch nach dem Wortteil Dup- trennen." Warum soll dies der Regel widersprechen, während Dokt- ihr offenbar nicht widerspricht?
doppelt wirkend: Getrenntschreibung ist der Normalfall auch bei Adverb und Partizip, wenn ein Teil erweiterbar ist oder sich steigern läßt: doppelt (so schnell) wirkend. - Wieso ist der eingeklammerte Ausdruck eine Erweiterung zu doppelt?
zwei Finger breit: zusammen geschriebene (sic); Fingerbreit (wieso?)
Gefahr drohend: Die Lage ist Gefahr drohend. Das ist merkwürdiges Deutsch. Zwischen Eimer schwenkend lief sie zum Stall und Die Ader ist Erz führend besteht ein großer Unterschied. Eimer schwenkend ist ein erweitertes Prädikativum bzw. ein Partizipialsatz, während der Ausdruck Erz führend ein klassifizierender Begriff ist. Man kann nicht sagen: Die Magd ist Eimer schwenkend. Das spricht dafür, erzführend zu schreiben.
rot gefleckt: Die Getrenntschreibung wird mit der Erweiterbarkeit begründet: "Das Kleid war (sehr) rot gefleckt" - ein sonderbarer Satz. Rätselhaft auch die Feststellung: "Gleichrangige (?) Adjektive wie rotfleckig werden dagegen zusammengeschrieben." Das scheint irgendwie § 36 (4) wiederaufzunehmen, aber in verfehlter Hinsicht, denn rotfleckig bedeutet nicht rot und gefleckt, sondern mit roten Flecken bedeckt.
gelblich grün: Durchaus im Sinne der amtlichen Regelung werden nebeneinandergestellt: verführerisch schon, kindlich naiv, obwohl sie ganz verschieden gebaut sind.
genau genommen: Von welchem "Wortgefüge" ist die Rede, das in Sie war die Genaueste groß geschrieben sein soll?
gut gesinnt: "Da das Adjektiv getrennt gesteigert wird: besser gesinnt und nicht gutgesinnterer (sic), wird getrennt geschrieben. Zusammen dagegen schreibt man das Substantiv: ein Gutgesinnter, das nur insgesamt gebeugt wird: eine Gutgesinnten." - Um Beugung geht es nicht, vgl. einen gut gesinnten X (nicht guten gesinnten X). Bei Bertelsmann steht übrigens gutgesinnt. Wie man von gut gesinnt zu Gutgesinnter kommt, bleibt schleierhaft, es sei denn, man bildet zuerst die Gesinnten und sondert dann die Gutgesinnten aus. Dies ist ein Problem der Reform.
glatt hobeln, glatt rühren, glattmachen: "Man schreibt Adjektiv und Verb getrennt, wenn das Adjektiv in dieser Verbindung erweiterbar oder steigerbar ist (wenigstens durch sehr oder ganz) wie bei glatt hobeln. Man schreibt zusammen, wenn der erste Bestandteil bedeutungsverstärkende oder -mindernde Funktion hat wie bei glattmachen." - Dieser Unsinn scheint auf einer Vermischung mit § 36 (5) zu beruhen.
gut: In § 58 (3) liest sich die Begründung der Kleinschreibung von jenseits von gut und böse etwas anders.
Halt machen, halt machen: Klein- und Großschreibung als beliebige Varianten sind nur bei halt/Halt rufen zugelassen, nicht bei Halt machen.
Havardu-niversität (sic)
hochrechnen: (Hier fehlt ein Komma.)
hundert: der Hundertste ist nicht die "substantivische Form" von hundert.
imstande: getrenntgeschrieben (sic)
Ja sagen: Diese Darstellung ist unklar, da sie die Optionen Ja sagen/ja sagen nicht erkennen läßt.
Existenz: "Wörter werden nach Sprechsilben getrennt. Dabei ist es erlaubt, einen Vokal abzutrennen: E-xistenz." Aber dieses kurze offene E- ist gar keine Sprechsilbe, wie sie sich "bei langsamem Sprechen" (§ 107) ergibt.
kölnisch Wasser: Was genau ist hier eigentlich neu?
Kompass: Diphtong (sic)
Ko-xitis: "Bei Fachwörtern ist auch die Trennung nach Sprechsilben möglich: Ko-xitis analog zu Le-xikon. Da sie jedoch zumeist von Personen verwendet werden, die sich der Wortherkunft bewusst sind, wird es in der Regel bei der Trennung nach Wortbestandteilen bleiben: Kox- (l. coxa Hüfte), -itis (gr. Silbe für Entzündung)." - Aber hier geht es um eine Ableitung, nicht um eine Zusammensetzung mit einem imaginären Wort (wieso "Silbe"?) -itis. Suffixe werden nicht morphologisch abgetrennt, vgl. Zei-tung usw. Le-xikon ist auch kein Beispiel für Trennung nach Sprechsilben (die vielmehr Lek-sikon fordern würde).
krankmelden, krankschreiben: Die Zusammenschreibung wird damit begründet, daß keine Erweiterung möglich sei. Vgl. aber jemanden dauernd krank schreiben!
Maß halten, maßregeln: Hier wird nicht auf das entscheidende Merkmal der echten Verbkomposita hingewiesen: er maßregelt usw.
Mund: „Mundvoll“ ist nicht mehr zulässig.
nachschießen: Diphtong
Newage (im laufenden Text fehlt die Angabe zur Worttrennung): „getrenntgeschrieben“
nummerieren, Nummerierung: „Nach dem Stammprinzip und zur Kennzeichnung der Kürze des betonten Vokals werden nun auch nummerieren und Nummerierung mit mm geschrieben. Aber weiterhin numerisch, weil auf dem langen e betont.“ - Hiernach könnte man meinen, die Verfasser betonten „nummerieren“ auf dem u.
Peroxid, Peroxyd (im laufenden Text fehlt die Trennmöglichkeit Pe-roxid): Daß sich die i-Schreibung gegen den fachsprachlichen Gebrauch der y-Schreibung nicht durchsetzte, ist falsch, es ist gerade umgekehrt: fachlich -i-, allgemein oft noch -y-!
Rauchwaren (im laufenden Text) nur noch im Sinne von Tabakkonsum, nicht mehr "Pelze"; das verdunkelt den Zusammenhang von rau(h) natürlich.
Recht geben: kraft rechtens - gibt es das?
Rhein-Main-Donau-Schiffahrt: Wenn schon ein so simples Wort wie Schiff-Fahrt nach einem Bindestrich ruft, dann sollte die neue Dreibuchstabenregelung einmal überdacht werden.
sauber halten: Ich muss die Wohnung sauber halten. Er soll mehr sauber machen. Ich konnte den Text nicht sauber schreiben. - Sollen das lauter Erweiterungen des Adjektivs sein?
schick: Daß nur deutsch geschriebene Formen von chic gebeugt werden sollen, ist nicht neu.
schlesisch: klein geschrieben ... groß geschrieben (sic)
aufs schlimmste, aufs Schlimmste: "Die Begleitung des Superlativs durch einen Artikel substantiviert diesen." (Wen? den Artikel) "Er ..." usw.... Außerdem ist der ganze Abschnitt sachlich falsch, da er die alte Regelung statt der neuen darstellt, vgl. die Kann-Bestimmung in § 58 E1.
schmerzempfindlich: Dieses Wort wird nicht deshalb zusammengeschrieben, weil eine Präposition eingespart ist.
Schmutz abweisend: Der letzte Absatz gehört nicht hierher.
Schrothkur: Der gesamte Eintrag stellt die bisherige Regelung dar.
see-erfahren ist nicht die bisherige Schreibung, die neue ist seeerfahren/See-erfahren (§ 55 (2)).
auf Seiten: zusammen und kleingeschrieben (sic)
Solleinnahme: Der gesamte Eintrag stellt die bisherige Regelung dar.
Stofffetzen: "Endet in Wortzusammensetzungen der erste Teil mit dem Doppellaut, mit dem der nächste beginnt, ..." - Aber Fetzen beginnt nicht mit einem Doppellaut.
Sub-s-kribent: Freilich ist die Silbe Subsk "nicht sprechbar", aber damit ist nur das Kernproblem berührt, wie die "Sprechsilbe" eigentlich definiert werden soll. Bei Präsk-ription waren solche Bedenken nicht angegeben. Als Wortstruktur ist Subsk in nativen deutschen Wörtern unmöglich, aber als Fremdwort wäre es denkbar und dann auch sprechbar.
T-Bone-Steak: die Zusammensetzung als ganzes (sic)
trockenlegen: Das Beispiel (den Salat trocken auf den Teller legen) ist ungeschickt gewählt, da es hier nicht um Steigerbarkeit geht, sondern um Adverbiale vs. Verbzusätze.
verschütt gehen: Das rotwelsche verschütt ist im Deutschen eigentlich als Partizip nicht zu konstruieren, daher ist die Begründung der Getrenntschreibung falsch.
v-förmig: Die Groß- oder Kleinschreibung des Einzelbuchstabens bleibt keineswegs "dem Einzelnen überlassen". Daher ist auch a-Dur (ebd.) falsch.
vollenden: Die Darstellung ist irreführend, da es um echte Zusammensetzungen (ich vollende) und nicht um die Frage der Zusammenschreibung geht.
weiter gehen: Hier gehen die Unklarheiten bereits auf § 34 zurück.
zufrieden stellen: Es ist fraglich, ob allfällige Erweiterungen (sehr) überhaupt auf das Adjektiv und nicht auf den ganzen Komplex zu beziehen sind, vgl. hoch zufrieden, aber jdn. hoch zufrieden stellen?
Zum laufenden Text:
Alma Mater: nicht "auch", sondern dies ist die einzige zulässige Schreibung
Anekdote [gr. anekdoten] - Was soll dies sein?
Aspirin: "ein Schmerz stillendes Mittel" - schmerzstillend (s. amtl. Wörterverzeichnis)
auf: das Hin und Her sind keine substantivierten Präpositionen
Facon (sic) (Duden 1991 nur Fasson!)
fahrenlassen
FCKW: sogenannten
Festangestellte
Feudalismus: der grundbesitzende Adel
Feuer: rotblühende Bohne, feuerspeiend (aber auf derselben Seite: Feuer speiend als Stichwort und Erläuterung
Fines Herbes: Aussprache fängserb (?!)
fingern; fertigbringen
Fliege: schwarzgepünkteltes
Flut: starkbewegte
Förde: tiefeinschneidende
frei: vielgebend
Fundamentalismus: „das kompromisslos an Grundsätzen Festhalten“ (!)
Grafik: „sogenannte“
Grislybär auch: Grizzlybär: Das ist falsch, amtlich: „Grislibär, Grizzlybär“.
Herpeszoster: Herpes zoster oder richtiger (und gegen die Wörterbücher) Zoster (nach § 55 (3), da Substantiv)
Hohelied/Hohe Lieder: Was soll der Plural?
Praesumtio iuris: Iuris.
Prakrit: „Dialekte in Mittelindien“ - vielmehr mittelindische Dialekte (historisch, nicht geographisch)
quod erat demonstrandum: Trennmöglichkeiten sehr unvollständig angegeben.
Rad fahren: Wenn Getrenntschreibung, dann keine „Zusammensetzung“!
zighunderte/Zighunderte: Was soll das? Man sagt doch gar nicht „vierzighundert“ usw.; das macht man nur mit Tausendern, Millionen usw.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.02.2017 um 04.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321#34541
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Wie aus http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=321 hervorgeht, behaupteten die Reformer, die Neuschreibung werde ab August 1998 schrittweise an den Schulen eingeführt. In Wirklichkeit wurde sie zwei Jahre früher eingeführt, und zwar so, daß es Anfang 1997 heißen konnte: „87 Prozent aller rheinland-pfälzischen Grundschulen haben laut Bildungsministerium in Mainz bereits zum Schuljahrsbeginn [also im Herbst 1996] auf die neue Rechtschreibung umgestellt.“ (Rheinzeitung 8.4.97)
Die Eile, mit der vollendete Tatsachen geschaffen wurden, damit es heißen konnte „Es gibt kein Zurück mehr“, ist das Grundmuster geblieben. Angesichts der überwältigenden Verbreitung der Reform kann man sich die Rücknahme nicht mehr vorstellen, auch wenn der immer wieder reparierte Murks noch so viele Probleme und Kosten verursacht.
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