11.12.2005


Theodor Ickler

Der Fall Zabel

Aus den Akten

(Mancher Besucher dieser Seiten wird sich nicht mehr daran erinnern, deshalb möchte ich die folgende kleine Geschichte in Erinnerung rufen, die hinreichend über den Geisteszustand des Herrn Z. Auskunft gibt.)


Süddeutsche Zeitung 2.1.1997

Narrenfreiheit des Weilheimer Gymnasiallehrers

Der Weilheimer Studiendirektor Friedrich Denk ist offenbar der einzige Deutschlehrer in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz, der die bisherige Rechtschreibung beibehalten will. Er fordert nämlich die gesetzliche Verankerung folgenden Satzes: „In den Schulen wird die allgemein gültige Rechtschreibung unterrichtet.“ Die Initiatoren der „Münchner Erklärung zur Rechtschreibreform“ wollen offensichtlich, daß sich der Freistaat Bayern von allen Beschlüssen und Vereinbarungen zur Rechtschreibreform distanziert, zu der bisherigen Rechtschreibung zurückkehrt und sich auf diese Weise eine in aller Welt belächelte Provinzposse leistet.
Dabei arbeiten die Herren Denk & Co. wiederum – wie bei den beiden Frankfurter Erklärungen – mit Mitteln der Irreführung und Manipulation. So zitieren sie den Herrn Bundespräsidenten bewußt verkürzt. Prof. Dr. Roman Herzog hat Presseberichten zufolge in Shanghai sinngemäß gesagt, er halte die Rechtschreibreform für „überflüssig wie einen Kropf“; für ebenso überflüssig halte er auch die Aufregung über die Reform. Er selbst werde seine Schreibung nicht umstellen, was sein gutes Recht ist!
Der Staat kann die Neuregelung nur für die Bereiche Schule und Verwaltung anordnen, nicht aber für den privat persönlichen Schreibgebrauch. Durch die verkürzte Wiedergabe der Äußerungen des Herrn Bundespräsidenten spannen die Initiatoren des Volksbegehrens in Bayern Herrn Prof. Dr. Roman Herzog – ohne seine Erlaubnis – vor ihren Karren! Das ist in der Tat ein starkes Stück!
In seinem Flugblatt „Stoppt die überflüssige aber milliardenteure Rechtschreibreform!“ schreibt Denk unter Punkt 9 u. a.: „So sollen die Lehrer ihrerseits dazu gezwungen werden, ihren Schülern solange auf die Finger zu hauen, bis sie die Neuschreibung kapiert haben.“ Diese unwahre Behauptung wirft ein bezeichnendes Licht auf die Vorstellung von Rechtschreibunterricht, die jener Weilheimer Gymnasiallehrer offenbar hat und vermutlich auch praktiziert. Aus diesem Grunde würde es sich empfehlen, die Unterrichtstätigkeit des Studiendirektors Friedrich Denk unter diesem Aspekt einmal einer genaueren Kontrolle zu unterziehen. Schon die 1. Frankfurter Erklärung enthält eine Reihe falscher und ehrenrühriger Behauptungen. Herr Studiendirektor Friedrich Denk, der allen Ernstes von „Terror der Orthographie“ gesprochen und sich damit ein beredtes Selbstzeugnis ausgestellt hat, unternimmt in der 2. Frankfurter Erklärung den Versuch, die Kultusminister Deutschlands zu beschuldigen, in der Dresdener Erklärung in mehrfacher Hinsicht die Unwahrheit gesagt zu haben. Jeder weiß, daß diese Erklärung ausgesprochen sachlich die von Herrn Denk und seinen Mitstreitern in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe entkräftet.
Am 12. 11. 1996 habe ich Herrn Denk gebeten, mir – wie von ihm öffentlich angeboten – gegen beigelegte sechs Mark in Briefmarken, die „Stimmen zur Rechtschreibreform“ zuzusenden – leider vergeblich. Offenbar macht Herr Denk auf seine Weise Geschäfte mit der von ihm bekämpften Rechtschreibreform: Gehen wir einmal davon aus, daß die Hälfte der Unterzeichner der Frankfurter Erklärung dem bayerischen Landesbeamten Denk eine Spende bzw. Briefmarken im Wert von sechs Mark beigelegt hat und daß er nur jede zweite Zuschrift mit den „Stimmen zur Rechtschreibreform“ versorgt, belaufen sich die nicht genehmigten Nebeneinnahmen des Weilheimer Gymnasiallehrers auf etwa 60 000 Mark – immerhin ein Betrag für eine nicht genehmigte Nebentätigkeit, der sich sehen lassen kann. Sollten ihm tatsächlich Nebeneinnahmen in der genannten oder einer ähnlichen Höhe durch die Unterschriftenaktion zufließen, wäre zu fragen, ob er diese Einkünfte auch seinem Dienstherrn gegenüber, dem bayerischen Kultusminister, deklariert.
Über die zuletzt genannten Punkte habe ich mich unter dem Datum vom 21. 11. 1996 beim bayerischen Kultusminister beschwert. Am 12. 12. 1996 teilte mir Herr Ministerialrat Dr. Eckl mit: „Ihre Beschwerde richtet sich gegen Behauptungen und Handlungen des Herrn Denk, die außerhalb des Dienstes erfolgen. Da es sich um außerdienstliches Verhalten handelt, sind dienstrechtliche Maßnahmen nicht veranlaßt. – Wegen der Herrn Denk zugesandten Briefmarken darf ich Sie bitten, sich mit Herrn Denk in Verbindung zu setzen.“
Offenbar genießt der Landesbeamte Denk in Bayern eine von höchster Stelle abgesegnete Narrenfreiheit – er kann unwahre Behauptungen und Beleidigungen verbreiten, er muß öffentlich gegebene Zusagen nicht einhalten, er braucht natürlich auch nicht mitzuteilen, welche Sponsoren seine Volksverdummungskampagne finanzieren.
Prof. Dr. Hermann Zabel
Institut für deutsche Sprache
und Literatur
Universität Dortmund






SZ 11.1.1997
Fehlende Argumente für mißglückte Reform

Der Leserbrief „Narrenfreiheit des Weilheimer Gymnasiallehrers“ von Prof. Dr. Hermann Zabel von der Universität Dortmund in der SZ vom 2. 1. ist eine aufschlußreiche und zugleich bedauerliche Äußerung eines Hochschullehrers, da er in Inhalt und Diktion dazu beiträgt, die ohnedies gesunkene gesellschaftliche Anerkennung dieses akademischen Berufsstandes in der Öffentlichkeit erheblich zu beeinträchtigen und den viel erörterten Ansehensverlust der Universitäten in unserem Land zu bestätigen und zu beschleunigen.
In seiner Zuschrift versucht Professor Zabel nicht zum erstenmal, durch Polemik und durch geradezu verleumderische Vorwürfe und Anschuldigungen die ihm fehlenden Argumente für die von ihm mitverantwortete und total mißglückte Rechtschreibreform zu ersetzen. Diese Qualität seiner Ausführungen weckt erneut begründete Zweifel, ob die Wiener Rechtschreibkommission, der er als Mitglied angehörte, in ihrer Gesamtheit oder zumindest in einem Teil ihrer Mitglieder, auch von ihren unterschiedlichen Interessen her, dem Reformauftrag gewachsen oder nicht vielmehr überfordert war.
Befremdlich ist die Forderung von Professor Zabel, die Unterrichtstätigkeit des Deutschlehrers Friedrich Denk „einmal einer genaueren Kontrolle zu unterziehen“. Offenbar hat er nie Gelegenheit gefunden, sich mit Schülern Friedrich Denks und seiner Kollegen zu unterhalten und sich ein Bild davon zu machen. Ich habe dies bei den Autorenlesungen in der Turnhalle des Gymnasiums Weilheim, die ich in 17 Jahren fast alle besucht habe, immer wieder tun können. Als Berater der Schülerjury, die im Jahr 1991 Wolfgang Hildesheimer für den Weilheimer Literaturpreis vorgeschlagen hat, war ich von den Kenntnissen und der Urteilsfähigkeit dieser Schüler ebenso beeindruckt wie die vielen Schriftsteller – und Kritiker der sogenannten Rechtschreibreform! –, die im Laufe dieser Jahre nach Weilheim gekommen sind. Obwohl mein eigenes Abitur an einem bayerischen Gymnasium nun schon 43 Jahre zurückliegt, weiß ich es noch immer zu schätzen, daß in Bayern die Schulaufsicht, auch die Fachaufsicht über den Deutschunterricht, kompetenten Fachleuten und nicht ideologieverdächtigen Eiferern anvertraut ist.
Als Verfasser des Vorworts zu einem von einer Kaffeeröster-Kette vertriebenen Wörterbuch zur neuen Rechtschreibung (wer möchte nicht bei diesem Jahrhundertgeschäft dabeisein?) kann sich Professor Zabel offenbar nicht vorstellen, daß Friedrich Denk sich ohne eigenes finanzielles Interesse für das Gemeinwohl engagiert.
Wer vom ersten Tag an, seit unserer Pressekonferenz auf der Frankfurter Buchmesse am 6. Oktober 1996, unser gemeinsames Unternehmen („Denk & Co.“ schreibt Professor Zabel) begleitet oder auch nur beobachtet hat, ist voller Bewunderung für seinen schier unfaßbaren Aufwand an Kraft, Freizeit und finanziellen Mitteln. Friedrich Denk hat Respekt, nicht schäbige Verdächtigungen verdient.
Unter einem, aber auch nur diesem einzigen Aspekt muß man die Veröffentlichung der unsäglichen Polemik von Professor Zabel begrüßen. Er zitiert – mit dem Ton offenkundiger Entrüstung (es fehlt nur noch der Ruf nach dem Staatsanwalt) – die ihn nicht befriedigende Mitteilung des bayerischen Kultusministeriums, daß kein Anlaß bestehe, den Deutschlehrer Friedrich Denk wegen seines privaten Engagements mit dienstrechtlichen Maßnahmen zu belangen. So mußte Professor Zabel nach seinem Versuch, den Lehrer Denk bei seiner vorgesetzten Behörde anzuschwärzen – wenn auch unwillig und unwirsch –, zur Kenntnis nehmen, daß im Freistaat Bayern die Meinungsfreiheit eines Beamten ein hohes, von Recht und Verfassung geschütztes Gut ist und auch von einem Ministerium respektiert wird. Dies läßt hoffen, daß auch die weitere Diskussion zur Rechtschreibreform in Bayern ohne Beteiligung von Professor Hermann Zabel mit der notwendigen Sachkenntnis und der gebotenen Sachlichkeit und nicht zuletzt mit demokratischer Fairneß geführt wird.
Prof. Dr. Eberhard Dünninger
München


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