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18.10.2005
Wortarten
Das Sprachgefühl ist fortschrittlicher als die Theorie
"Alles Mögliche" heißt "alles, was möglich ist", während "alles mögliche" einfach nur "alles" bedeutet. Das muß man nicht ganz strikt auseinanderhalten, aber daß es eine sinnvolle Konvention war, kann niemand bestreiten, der sich eine gewisse Empfindlichkeit bewahrt hat.
Im 19. Jahrhundert hat man sich intuitiv von der schulmeisterlichen grammatischen Wortartbezogenheit abgewandt und dem nachgegeben, was z. B. Munske und seine Schülerin Karin Rädle "Wortartgebrauch" nennen. Die Wendung ist wie so viele andere in die Funktion eines Indefinitpronomens geschlüpft. Gallmann ist zur Zeit der heftigste Bremser dieser sinnvollen Entwicklung, weil er einen ganz engen syntaktischen Begriff vom Sprachsystem hat und außerdem ein Prinzipienreiter ist, der immer die ihm gerade einleuchtende These für alleinseligmachend hält. (Dieses Wort ist seit kurzem wieder zulässig, aber eigentlich würde die Revision nur "allein seligmachend" erlauben.)
Wahrscheinlich weiß Gallmann gar nicht recht, wie sehr er in den Spuren des Amateurlinguisten Eugen Wüster wandelt, der keine Ahnung von der Entwicklung der deutschen Orthographie, aber ebenfalls starke Grundsätze hatte. Warum sollten sich überzeugte Kleinschreiber auch um den Sinn der Großschreibung kümmern?
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Kommentare zu »Wortarten« |
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Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 28.03.2023 um 01.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#50760
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Zu menschenmöglich (#29342): Als Antonym kommt menschenunmöglich vor, was nicht mehr so verstanden werden kann wie menschlich und unmöglich, sondern als Determinativkompositum. Vielleicht ist ja auch das -en in menschenmöglich sehr wohl ursprünglich ein Fugenelement, wobei mensch- und möglich dafür einfach Pate stand (soweit ich weiß, ist menschmöglich älter als menschenmöglich) oder das und umgedeutet wurde. Im Grimm (Eintrag Käsenbrot) findet sich das Beispiel auf trewen glauben, und hier entstand trewen doch wohl aus einer Umdeutung von Treu und in eine Adjektivform.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2021 um 04.41 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#45908
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Das sind besonders interessante Fälle, auch schreien. Gemeint ist jeweils ein besonderer Grad (heftig, laut).
Das stört mich sehr. Du hast mir sehr geholfen.
Das sind keine bestimmten Verhaltensweisen, sondern Kommentare zu den verschiedensten.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 12.05.2021 um 12.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#45905
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Dazu fällt mir noch ein:
sehr lachen, sehr weinen,
was in diesem Sinne auch keine Tätigkeiten sind.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2021 um 11.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#45904
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Er liebt Auberginen sehr.
*Er ißt Auberginen sehr.
Essen bezeichnet eine Tätigkeit, und eine Tätigkeit kann man nicht sehr ausüben.
Lieben ist keine Tätigkeit, gesteigert wird die Bereitschaft, sich durch gewisse Reize verstärken zu lassen (= „sehr gern haben“). Vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1586
Ras doch nicht so sehr! = Geh doch nicht so schnell. (Gesteigert wird das im Verb verkapselte Adverb.)
*Geh doch nicht so sehr.
Auch sich beeilen ist keine Tätigkeit, sondern die Charakterisierung einer Tätigkeit (= schnell machen), daher:
Er beeilt sich sehr.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2020 um 07.29 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#42911
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Nachtrag (aus meinem "Kritischen Kommentar"):
Das IDS stellt in seiner Stellungnahme vom 10.11.1997 für das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich fest, daß sich „bei infolge aus einer Wortgruppe eine echte Präposition herausgebildet hat“ (was die Verfasser allerdings nicht hindert, im selben Text in Folge zu schreiben).
Und das am grünen Holze der Reformer selbst!
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.02.2020 um 06.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#42910
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Duden setzt neben der neuen Präposition infolge ein gleichlautendes Adverb an und sieht es in:
infolge von Massenerkrankungen ist der Betrieb nicht voll arbeitsfähig.
Es gibt meiner Ansicht nach kein solches Adverb, höchstens ein in Folge (= nacheinander, in succession).
Der allmählich zusammenwachsende Ausdruck infolge/in Folge erlaubt mehrere Anschlüsse: reiner Genitiv: infolge einer Krankheit, von bei nichtdeterminierten Nominalgruppen: infolge von Krankheit/Krankheiten, sogar artikellos: infolge Krankheit.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2020 um 15.54 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#42764
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Eisenbergs Aufsatz ist hier lesbar:
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/diskussion-ueber-sprachverfall-als-ginge-es-um-ein-killersystem-16579271.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Der letzte Satz ist am schönsten:
"Unruhestifter gibt es immer wieder. Abschreckende Beispiele sind die Getrennt- und Zusammenschreibung, deren Neuregelung von 1996 zahlreiche schlafende Hunde geweckt hat oder all jene Normbücher, die Normprobleme aufwerfen, die ohne sie kaum jemand hätte."
Er selbst hat ja die GZS zu einem einsamen Gipfel geführt.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2020 um 05.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#42760
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Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32963
Peter Eisenberg kritisiert in der FAZ vom 14.1.20 die Rede vom Sprachverfall und zieht als Beispiel die Präpositionen heran. (Auf die wichtigste Ursache des Kasuswechsels, die Analogie zu Synonymen und Antonymen, kommt er nicht zu sprechen.)
Er setzt rund dreihundert Präpositionen an, darunter südlich, vorausgesetzt und manches andere dieser Art.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.05.2019 um 05.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#41483
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„§ 60 E5: Wenn hundert und tausend eine unbestimmte (nicht in Ziffern schreibbare) Menge angeben, können sie auch auf die Zahlsubstantive Hundert und Tausend bezogen werden (vgl. § 55(5)); entsprechend kann man sie dann klein- oder großschreiben, zum Beispiel:
Es kamen viele tausende/Tausende von Zuschauern. Sie strömten zu aberhunderten/Aberhunderten herein. Mehrere tausend/Tausend Menschen füllten das Stadion. Der Beifall zigtausender/Zigtausender von Zuschauern war ihr gewiss.“
Duden lehrt den Plural der Bezeichnung für die Zahl oder Ziffer Tausend: die Tausenden.
Aber das dürfte kaum vorkommen. Gefragt wird aber sehr oft nach der grammatischen und orthographischen Korrektheit von die Tausenden von Menschen. Die Neuregelung sieht optionale Kleinschreibung vor, äußert sich aber nicht zur Deklination. In der Sprachberatung, z. B. hier: http://canoo.net/blog/2014/06/23/sehe-ich-die-tausenden-von-menschen-oder-die-tausende-von-menschen/, gilt fakultativ als korrekt: die tausenden von Menschen (Kleinschreibung wird dort sogar bevorzugt.).
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Die Tausenden von Flüchtlingen und Migranten, die in Gefangenenlagern in der Umgebung von Tripolis eingesperrt sind, erfahren dadurch neues Leid. (ZEIT 18.4.19)
die Tausenden Soldaten (FAZ 15.5.19)
(wie die vielen Soldaten)
Ich würde sagen: die tausende Soldaten, mit den tausenden Soldaten, aber die Tausende von Soldaten, mit den Tausenden von Soldaten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2018 um 10.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38958
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Auf dem Feldweg spricht mich eine Erdbeerbäuerin an: ein Kunde habe sie zurechtgewiesen, weil es nicht Erdbeermarmelade, sondern Erdbeerenmarmelade heißen müsse. Schließlich sei sie aus vielen Erdbeeren hergestellt. Ich konnte sie beruhigen und habe ihr auch von Karl Valentins Semmelnknödeln erzählt, von Hühnereiern und Bischofskonferenzen.
Am Verkaufsstand im Hof ist das Produkt EU-konform als Erdbeerfruchtaufstrich gekennzeichnet, was aber viele Einheimische auch wieder stört, die einfach ihre gewohnte Marmelade haben wollen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.06.2018 um 04.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38872
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Hinter den EU-Regelungen, die ja manchmal dem wirklichen Sprachgebrauch entgegenlaufen, stecken oft nationale protektionistische Interessen. Ich hatte stillschweigend die EU-normierte Wirklichkeit herangezogen, weil es in den Geschäften tatsächlich schon lange nicht mehr die fruchtigen Brotaufstriche gibt, bei deren Bezeichnung man die vom Germanisten empfohlene Vorsicht walten lassen muß.
Ich selbst esse möglichst wenig davon und orientiere mich ausschließlich an den Angaben zum Inhalt.
Lieber ist mir allerdings fränkischer Honig von mir persönlich bekannten Bienen. Übrigens: da ich ein wenig Einblick in die mühsame Imkerei hatte, ist es mir unbegreiflich, wie unsere Imker hier das Pfundglas für 5 bis 6 Euro abgeben können, ohne sich zu ruinieren. Ich komme mir jedesmal wie ein Schnorrer vor, der sich von der "Tafel" holt, was er auch ordentlich bezahlen könnte. Wie leicht dagegen andere ihr Geld verdienen! Gerecht geht es in dieser Welt nicht zu.
Der Arzt berechnet schon für jede telefonische Terminvereinbarung ("Ausführliche Beratung, auch telefonisch") 10,72 Euro. Macht zwei Gläser Honig.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.06.2018 um 23.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38871
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Ich wundere mich immer wieder, warum es in Gegenden Deutschlands, in denen man keine Semmeln und keine Knödeln kaufen kann, überhaupt Semmelknödel gibt, wo sie doch konsequenterweise Brötchenklöße heißen müßten: Bei Brötchen kann man praktischerweise nicht streiten, ob sie in der Einzahl oder Mehrzahl enthalten sind.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.06.2018 um 21.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38870
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Interessant, bei der Geschmacksrichtung läßt man das e weg: Erdbeer, Kirsch, aber beim Holz von Möbeln bleibt es dran: Kirsche (höchstens Kirschbaum). So kenne ich es jedenfalls.
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 05.06.2018 um 21.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38869
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Im Deutschen ist das Marmeladenproblem einfach durch die Faulheit der Übersetzer entstanden ("false friends"). Nur im Englischen ist marmalade den Zitrusfrüchten vorbehalten. Etymologisch soll es wohl aus dem portugisischen Wort für Quitte entstanden sein. Wie auch immer, die Krümmung der Gurke oder Banane kann nicht durch die EU verhindert werden.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.06.2018 um 21.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38868
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Von dem Unterschied Erdbeer- zu Erdbeerenmarmelade usw. habe ich noch nie gehört. Da müssen wir wohl künftig Kartoffelnpuffer sagen, wenn sie "aus echte Grumbeere" gemacht sind?
Pfirsichemarmelade klingt fast so gut wie die berühmten Semmelnknödeln.
In der EU sollen sie dazu sagen, was sie wollen, ich habe gestern jedenfalls Kirschmarmelade gekocht, und so beschrifte ich die Gläser auch.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 05.06.2018 um 21.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38867
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Der Rest stimmt auch nicht. Tatsächlich haben handelsübliche Konfitüren häufig einen höheren Fruchtanteil als gesetzlich mindestens vorgeschrieben, z. B. 50% statt 45%.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2018 um 20.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38866
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Aber das alles sind doch sowieso keine erlaubten Bezeichnungen (im Handel) mehr!
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.06.2018 um 18.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38865
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"Erdbeermarmelade" braucht keine Erdbeeren enthalten, im Gegensatz zu "Erdbeerenmarmelade". Gleiches gilt für "Kirsch-" versus "Kirschen-" und "Pfirsich-" versus "Pfirsiche-" usw. Man muß genau hinschauen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2018 um 17.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38864
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Auch für Modefarben, nicht wahr? Danke für die zusätzlichen Beispiele. Der Wegfall des -e erinnert an die Endungslosigkeit der prädikativen Adjektive.
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Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 05.06.2018 um 17.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38863
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Ich würde Erdbeer mit Pfefferminz und Kirsch vergleichen. Sind Substantive, aber speziell zur Bezeichnung von Sorten/Geschmacksrichtungen, verselbständigte Kompositionsstämme, nehme ich an.
Zitat: Für fruchtige Frische sorgen in der Sortierung „Frucht“ die Geschmacksrichtungen Erdbeer, Kirsch, Pfirsich und Zitrone.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.06.2018 um 14.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#38859
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Auf dem Fruchtjoghurt steht Erdbeer. Ist das ein Adjektiv? Oder der Kompositionsstamm (= Erdbeergeschmack)?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2016 um 05.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#33814
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Duden führt selbe, selber, selbes als Pronomen an:
"steht mit dem mit einer Präposition verschmolzenen Artikel oder mit vorangehendem Demonstrativpronomen und drückt eine Identität aus
Beispiele
am selben Tag
beim selben Arzt
zur selben Zeit"
Dagegen soll gleich Adjektiv sein, obwohl es genau wie selb gebraucht wird.
Wir befinden uns im Kernbereich der deutschen Sprache, einer der besterforschten überhaupt.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2016 um 19.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#33094
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GRAMMIS:
"Die Präpositionen seit, bis, von und ab werden auch mit Adverbien oder Präpositionalphrasen konstruiert."
Vergessen sind nach, zwischen, für, vgl. nach dort, zwischen hier und dort, für nächste Woche, für nach dem Essen; und bis gehört nach den Vorgaben des IDS gar nicht zu den Präpositionen, weil es keinen Kasus, sondern nur Adverbialien regiert.
GRAMMIS:
"Jüngere Präpositionen sind entstanden
(...)
aus Adjektiven: anlässlich, abzüglich, hinsichtlich"
Das sind aber gar keine Adjektive, sondern Adverbien.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2016 um 04.59 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#33031
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Gehen wir eine Reihe von Adjektiven durch, die den Genitiv regieren:
ansichtig
bewußt
eingedenk
fähig
gewahr
gewärtig
gewiß
gewohnt
habhaft
kundig
mächtig
teilhaftig
(aus Sütterlins Grammatik)
Nur eingedenk wird auch nicht-orientiert gebraucht.
Orientiert:
Eingedenk der personellen Situation habe der Fachbereich noch nicht vorrangig am Thema arbeiten können.
Hier könnte man noch sagen, daß der Fachbereich eingedenk ist.
Nicht-orientiert:
Das gilt umso mehr eingedenk der Unsicherheit darüber, welche Folgen die Änderung in den Zuständigkeiten für die Hallen haben wird.
Die Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst, die einst eingedenk der Erfahrungen mit Hitlers Gestapo ins Grundgesetz geschrieben wurde, wird damit aufgehoben. (https://www.wsws.org/de/articles/2016/08/04/baye-a04.html)
Das wäre dann ein Schritt zur Entwicklung einer sekundären Präposition. angesichts wird ähnlich gebraucht, ist aber von vornherein kein Adjektiv.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2016 um 06.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#33006
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Man sollte auch nicht zu leichtfertig von "Grammatikalisierung" sprechen (ein Modethema, seit Linguisten die alte Geschichte wiederentdeckt haben). Wenn Präpositionen aus anderen Wortarten entstehen, ist es zunächst nur eine Umkategorisierung. Grammatikalisliert sind die Präpositionen um und zu mit Infinitiv (bzw. Gerundiv) und an in Verschmelzung vor dem Superlativ; auch für in was für ein.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2016 um 17.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32999
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GRAMMIS führt frei als Präposition mit dem Genitiv an, vermerkt allerdings, sie sei kaum gebräuchlich. Das Beispiel ist:
Gott der Vater steh uns bei und laß uns nicht verderben, mach uns aller Sünden frei und helf uns selig sterben. [Martin Luther 1524]
Es dürfte nicht möglich sein, hier etwas anderes als ein Adjektiv zu sehen.
Zifonun andererseits führt als einziges Beispiel an:
ein Verhandlungsklima frei von Druck, Einschüchterung und Gewaltandrohungen
– äußert sich aber nicht dazu, daß frei hier eine weitere Präpositionalgruppe regiert.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2016 um 06.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32970
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Wie könnte die kausale Postposition halber entstanden sein?
„...halber, das auf adverbiale Verwendungen des Substantivs ahd. halba zurückgeht (vgl. auch deshalb, -halben in meinethalben usw.)“ (Gisela Zifonun: „Einer Lady gemäß und gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes – Valente Adjektive und gleichlautende Präpositionen“. Annali / Sezione germanica. Università degli Studi di Napoli "L'Orientale. N.S. XXIV (2014), 1-2:247-267; https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/docId/4728)
So einfach ist das nicht, denn die Form kam als Deklinationsform des alten Substantivs nicht vor. Vielmehr handelt es sich um den erstarrten Nominativ sg. des Adjektivs halb (wie selber, lauter, voller). So wird es regional heute noch verwendet: Ich bin halber am Verhungern; Wir waren halber tot vom Arbeitseinsatz am Wochenendhaus. Vgl. Grimm:
„Als nachklang des mhd. brauches, auch das praedicative adjectiv zu flectieren, ist die versteinerte form halber zurück geblieben, die nicht mehr blosz da eintritt, wo das zugehörige substantiv masc. im nominativ ist, sondern auch in andern fällen (s. gramm. 4, 498 f.). der volksmund redet noch jetzt nicht nur ich bin halber im traum, sondern auch die nacht ist halber hin (für halbe), er hat ihn halber zu schanden geschlagen (für halben), es war halber drei in der nacht“
Im Deutschen waren die erstarrten Substantivformen halb, halben bereits zu kausalen Präpositionen (meist Postpositionen) geworden, vgl. deshalb, meinethalben. Um 1500 wurde die adjektivische Form halber als bloße Variante dieser alten Formen verstanden (wir waren halb/halber am Verhungern) und verdrängte sie allmählich.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2016 um 06.13 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32963
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Wenn gleich eine Präposition ist, dann sollte ähnlich auch eine sein. GRAMMIS sagt dazu nichts. Aber wohin soll das alles führen? Der wirkliche Verwendungsbereich von Adjektiven wird willkürlich eingeschränkt. Vgl. folgende Belege aus dem Internet, die sich beliebig vermehren lassen:
Es handelt sich hier um ein 3er Set Figuren als Spardosen; ein Matrose mit Ruder, Popeye ähnliche Figur und einen dritten Mann ähnlich einem Indianer.
Neulich habe ich einen 42jährigen gedatet, der meinte, er suche eben schon eine Frau ähnlich einer eierlegenden Wollmilchsau.
Das weibliche Gegenstück zum Salvan kann ein wildes böses Weib sein oder aber auch eine Frau ähnlich einer märchenhaften Fee.
Die letzten beiden Beispiele mit restriktivem Attribut, nicht als Apposition deutbar. Die Betonung ist die eines Adjektivattributs, nicht die einer Präposition.
Der zweite Teil der Dokumentation führt in die russischen Wälder, in denen im späten 19. Jahrhundert "Zana", eine Frau ähnlich einem Menschenaffen, gefunden wurde.
Natürlich gibt es dieselbe Verwendung von gleich:
Eine Frau gleich einer Birne würde ihn erwarten!
Eine Frau gleich einer Sphinx: rätselhaft, beängstigend, inspirierend.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2016 um 17.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32958
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In diesem Zusammenhang sei erwähnt, was Gisela Zifonun (Hauptverfasserin der IDS-Grammatik) kürzlich zu bar schrieb (wohl auch zur Rechtfertigung des in GRAMMIS durchgezogenen exzessiven Begriffs von "Präposition"):
Zifonun: „bar kommt attributiv nur ohne Komplement und nur auf wenige Kopfsubstantive bezogen vor, zum einen im Sinne von ,flüssig (von Zahlungsmitteln)' wie in bares Geld, für bare Münze nehmen, zum anderen im Sinne von ,bloß, rein' wie in mit barem Haupte, das ist barer Unsinn. Prädikativ allerdings sind auch valente Verwendungen möglich wie in Er war aller Mittel bar.“
Das verwundert um so mehr, als das IDS ja die riesigen Korpora der deutschen Sprache erstellt und hütet. Es ist doch gar nicht schwer, Hunderte von Beispielen für attributives bar mit Komplement zu finden:
Dieser nackte jeder weitern volkswirtschaftlichen Einsicht bare Interessenstandpunkt eines durch und durch einseitigen Privatkapitalismus gab den Ausschlag.
Es ist demnach eine aller begrifflichen Einsicht bare Forderung zu verlangen, dasz das Gymnasium so abgeändert werden müsse, dasz es zugleich für das bürgerliche Leben vorbereite.
Denn was macht es für einen Unterschied, wenn einerseits die Leidenschaft eine unbedachte, der Vernunft bare Sache ist, anderseits die Vernunft ohne Leidenschaft nichts ausrichten kann?
(Usw., auch mit jeden Sinnes bare u. v. a.)
Weiter Zifonun:
„Ein anderes Problem stellt sich angesichts des in GRAMMIS nur als Präposition vermerkten Lexems eingedenk (in Ante- und Postposition: eingedenk seines Verzichts, seines Verzichts eingedenk). eingedenk wird, ebenfalls mit Genitivrektion, auch prädikativ gebraucht (wie in sich musikalisch des Ostergeschehens eingedenk zu werden, COSMAS-Beleg), nicht jedoch attributiv.“
In einem anderen Zusammenhang habe ich schon gezeigt, daß auch das nicht stimmt (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#15420):
ein der Würde der menschlichen Natur eingedenkes Wesen
Denn so ist es der Wahrheit, so der Pflicht geschworner und ihres Eides eingedenker Richter gemäß.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.07.2016 um 08.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32911
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Die IDS-Grammatik und danach GRAMMIS legen die Wortart "Präposition" sehr großzügig aus, vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#18599
gleich, nahe, bar, ledig, eingedenk, voll und andere werden als Präpositionen eingeordnet, teils mit homonymen Dubletten. Dagegen spricht, daß sie als Adjektive durchaus noch "orientiert" sind und durchweg attributiv gebraucht werden können, vgl. zur Orientiertheit:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1484#28393
http://www.sprachforschung.org/ickler
/index.php?show=news&id=1121
Wie wenig konsequent das Thema bei GRAMMIS behandelt ist, sieht man unter den einzelnen Stichwörtern (und Lücken) im dortigen grammatischen Wörterbuch.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.05.2016 um 06.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32716
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In Grammatikbüchern für die Grundschule glaubt man kindgemäß vorzugehen, wenn man die Wortarten semantisch definiert. Substantive („Nomen“) sollen also Menschen, Tiere, Dinge und „Nichtgegenständliches“ (Duden: So verstehe ich Grammatik) bezeichnen, d. h. etwas, was man nicht sehen oder anfassen kann usw. So wird Metaphysik in die Elementargrammatik eingeschleust. Man kann nur hoffen, daß die Kinder nicht weiterfragen, z. B. warum Diebstahl, Hoffnung oder Gruß Nomen sein sollen, obwohl sie definitionsgemäß Verben sein müßten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.04.2016 um 06.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32336
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Beide Vorredner haben recht, die Tendenz hat man auch beim Fugen-e in Zusammensetzungen. Hier im Süden ist eben alles besser.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.04.2016 um 22.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32334
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Das ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Bairisch und Preußisch: Die Baiern brauchen weniger "e", auch mitten in den Wörtern.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 18.04.2016 um 17.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32333
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Aber was genau findet sich da? »Feig und hinterhältig« – da kommen einem lauter österreichische und bayerische Belege entgegen (Leo Perutz, Der Standard, Augsburger Allgemeine, pp). fad ist geradezu ein Austriazismus. »Der Teig ist mürb« – Rezepte für Linzer Kipferl, usw. Vorläufiges Fazit: Diese Formen, soweit sie überhaupt vorkommen, sind fast alle süd(ost)deutsch markiert.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2016 um 17.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32332
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Ja, aber wenn ich ein bißchen offener suche ("ist feig", "halte ich für feig"...), finde ich schon einiges, gern auch "feig und ..." (ohne Hiat).
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Kommentar von R. M., verfaßt am 18.04.2016 um 15.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32331
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Zu »Er ist zu feig« spuckt Google Books Lessing, Gutzkow und Hebbel aus, außerdem Jonathan Braun (1855), Ludwig Friedrich Würkert (1837), Die Mode, Zeitung für die elegante Welt (1846), Neue praktische Anleitung zum Übersetzen aus dem Deutschen (1831), Neueste Weltkunde (1836), Hermann Kurz (1855), Adam Weishaupt (1786) usw. Die vereinzelten neuere Belege sind alle aus wörtlicher Rede in Romanen, wie gesagt teils mit Apostroph.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2016 um 15.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32330
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Stark übertrieben!
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Kommentar von R. M., verfaßt am 18.04.2016 um 14.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32329
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Sie ist träg, er ist feig – dafür gibt es keine neueren standardsprachlichen Belege, allenfalls – bezeichnenderweise – mit Apostroph.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 18.04.2016 um 13.07 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32328
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Fazit: Das normalerweise nicht gesprochene Schluß-"-e" erleichtert beim Schreiben die Unterscheidung zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2016 um 08.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32326
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Aus der Dudengrammatik:
3.4 Die nicht flektierte Form des Adjektivs
Nicht flektierte Adjektive sind normalerweise endungslos. Ihr Stamm geht dann überwiegend (a) auf einen Konsonanten oder (b) auf einen Vollvokal aus:
(a) hart, grün, steif, seltsam, viereckig
(b) froh, treu
Bei einigen Adjektiven tritt ein auslautendes -e auf, das man als Erweiterung eines einsilbigen Stammes auffassen kann. Die Erweiterung erscheint vor allem, wenn dem -e einer der im Inlaut stimmhaften Konsonanten b, d, g und s vorangeht - die Stammerweiterung verhindert also die Auslautverhärtung. Formen ohne -e sind aber ebenfalls korrekt. Teilweise überwiegt die Form mit -e, teilweise diejenige ohne -e, ohne dass sich wirklich feste Regeln angeben ließen:
trübe (trüb), mürbe (mürb), fade (fad), milde (mild), müde (müd), träge (träg) feige (feig), böse (bös), lose (los)
Bei einigen weiteren Adjektiven erscheint die e-Form nur in der älteren Literatursprache sowie umgangssprachlich in der nördlichen Hälfte des deutschen Sprachraums:
Es sah irre aus. In so einem Fall solltest du ganz sachte an das Thema herangehen. Damit Rindfleisch nicht zu hart oder zähe ist, muss es 10 Tage reifen. (Internetbelege)
-
Soweit die Dudengrammatik.
Es trifft zu, daß oft nach stimmhaftem Konsonanten das -e erhalten bleibt (nicht eingefügt wird, wie man nach den Ausführungen über Stammerweiterung meinen könnte), teils dann auch bei Andjektiven, die nicht auf -ja ausgingen, aber die Verhältnisse sind in Wirklichkeit sehr kompliziert, und man kann auch fragen, ob die Vermeidung der Auslautverhärtung damit zu tun hat. Die älteren Grammatiken geben einen Einblick in die verwirrenden Tatsachen, z. B. Sütterlin Nhd. Gr. S. 204 und 356f.
Zu irr wäre zu sagen: sieht irr aus ist verschwindend selten gegenüber sieht irre aus.
Bei einigen spielt die alte Unterscheidung zwischen Adjektiv und Adverb eine Rolle: lange, lose, mundartlich auch dicke, feste.
Das heißt aber noch lange nicht, daß es hier nicht ein gewisses Potential gäbe, dessen Entwicklung noch zu fördern wäre. (SZ 2.1.1999)
Zu diesen Adverbien kann anders als zu den Adjektiven keine Maßangabe gestellt werden:
Wie lange? - Den ganzen Tag lang/*lange. Aber mit Gradpartikel: sehr lange.
Zu los/lose s. Pauls Wörterbuch. Dazu noch:
'Wir reden lose über ein Magazin mit Wissenschafts- und Medizinthemen'. (SZ 10.1.97)
in lose aneinandergehängten Szenen und Nummern (SZ 14.2.97)
lose steht auch in appositioneller bzw. prädikativer Verwendung: Mandarinen, lose (= nicht verpackt).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.04.2016 um 05.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32324
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Es gibt eine Reihe von Wörtern, die früher oft als flektierte attributive Adjektive gebraucht wurden, heute meist adverbial. Duden (DUW) behandelt sie ganz unterschiedlich:
tunlichst: Adverb
(gesonderter Eintrag für tunlich Adjektiv)
anscheinend: Adverb
vermutlich: I. Adj. II. Adv. (DUW)
Duden online: Adverb "Wort mit gleicher Schreibung: vermutlich (Adjektiv)"
hoffentlich: Adverb
Belege für Adjektive sind aber immer noch leicht zu finden:
der vermutliche Täter
das hoffentliche Ende
tunlichste Wiederherstellung des früheren Zustandes
anscheinende Toleranz (Nietzsche)
Das alles deutet auf ein unerledigtes Kapitel der deutschen Grammatik.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.04.2016 um 18.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#32312
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Noch einmal zu barfuß (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1600#25098
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#17938)
Das Wort ist nur prädikativ verwendbar, scheinbar auch adverbial, aber das ist wie bei der ganzen Gruppe eine Täuschung. Er ging barfuß nach Hause. Hier handelt es sich um ein "prädikatives Attribut" im Sinne Hermann Pauls. Ebenso mit pleite, quitt, gram, allein usw. (nicht sehr viele). Sie sind "orientiert", in diesen Sätzen nämlich auf das Subjekt. Man kann auch ohne weiteres koordinieren: barfuß und ohne Hut, aber nur zeugmatisch: schnell und barfuß.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.07.2015 um 12.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#29342
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Vor längerer Zeit ist hier mal das "Menschenmögliche" besprochen worden. Aus heutiger Sicht kann man es tatsächlich nur verstehen als "Zusammenrückung" aus "(was) Menschen möglich (ist)", und so scheinen es auch die Wortbildungslehren (Altmann/Kemmerling, Elsen) zu verstehen, erst recht populäre Foren wie hier: "das Menschenmögliche (Substantiv + Adjektiv)" (http://www.korrekturen.de/sprachleben/rechtschreibung/der_horror_mit_den_substantivischen_zusammensetzungen.shtml)
In Wirklichkeit ist es entstanden aus menschlich und möglich > mensch- und möglich, und das -en- ist kein Fugenelement, sondern der Rest des und.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.05.2015 um 16.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#28887
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„Das Wort schuld hat eine typische Adjektiveigenschaft: Es weist dem Subjektreferenten eine Eigenschaft zu.“ (Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien. 6. Aufl. Göttingen 2012:77)
Wieso denn?
Schröder war schuld an der Agenda-Politik.
Der Klimawandel ist schuld an den Wetterextremen.
Die Varroa-Milbe ist schuld am Bienensterben.
Das sind alles keine Eigenschaften – wenn man einmal darüber nachdenkt, worum es wirklich geht. Man läßt sich umgekehrt erst von der Sprache einreden, daß es sich um Eigenschaften handeln müsse.
Formen wir einmal um: Die Varroa-Milbe verursacht das Bienensterben. Schon ist die Eigenschaft verschwunden. (Nach derselben Logik wäre umsonst auch ein Adjektiv.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2014 um 04.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#26546
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Die reformbegeisterten Germanisten vom IDS schreiben unverdrossen Modus dicendi usw.:
http://hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/sysgram.ansicht?v_typ=d&v_id=2044
Sie haben es also auch nicht verstanden.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2014 um 08.40 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#25166
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"Das Verb heißen gehört zu den wenigen Verben, die häufig zusammen mit zwei Infinitivkonstruktionen, die eine als Subjekt, die andere als Objekt, auftreten:
Zu spenden heißt Mitmenschlichkeit zu zeigen.
[Berliner Zeitung, 06.01.2005, S. 4]:
Prioritäten setzen heißt eben auch aussortieren können."
(hypermedia.ids-mannheim.de/call/public/fragen.ansicht?v_id=3266)
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Aber solche Sätze sind metasprachlich, und es ist gleichgültig, welche grammatische Form die angeführten Ausdrücke haben (grün heißt Umweltschutz/die Schöpfung bewahren usw.). Relevant ist nur, daß man in der Regel eine konventionelle Nennform wählen wird, beim Verb also den Infinitiv mit oder ohne zu. Wie die Entscheidung ausfällt, hat nichts mit dem heißen zu tun.
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Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 21.03.2013 um 14.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#22836
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Auf "nachdenkseiten.de" zu lesen: "Aber der Vorgang zeigt, wie weit gehend die Strategen es für möglich halten, Vorbehalte und Zweifel durch Demonstrationen der Stärke und emotionalen Zustimmung Weg zu bürsten."
Merke: Immer, wenn es zu einem Adverb oder sonstigem Wort ein gleichlautendes Substantiv gibt, schreibe man groß.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.03.2013 um 10.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#22826
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GRAMMIS vom IDS, auf der IDS-Grammatik beruhend, hat viele Sonderbarkeiten, die einmal zusammenhängend behandelt werden müßten.
Unter dem Titel Genus Verbi wird über das Genus verbi und die Genera verbi gesprochen (siehe hier).
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2011 um 18.02 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#19696
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Schon auf der Titelseite und dann auf Seite 8 der Süddeutschen Zeitung (9.12.11) prangt die Überschrift Kafka auf türkisch. Die Großschreibung scheint auch 12 Jahre nach der Einführung intuitiv nicht einzuleuchten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2011 um 17.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#18599
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Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt habe: Die IDS-Grammatik betrachtet bar als eine Präposition, die auch als Postposition verwendet werden kann: bar jeder Einsicht/jeder Einsicht bar. Wie kommt man auf so etwas? bar ist in jeder Hinsicht ein Adjektiv. Prädikativ wird es natürlich nicht flektiert. Auch die Betonung ist nicht die der Präpositionen oder Postpositionen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2011 um 09.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#17938
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Auch bei GRAMMIS, der Online-Grammatik des IDS, findet man eine Liste von angeblich nur prädikativ gebrauchten Adjektiven ("Adkopulae"), die teilweise falsch ist:
abspenstig
abhold
anheischig
ausfindig
barfuß
egal
einerlei
eingedenk
feind
futsch
getrost
gewahr
gram
handgemein
k.o.
leid
los
handgemein
o.k, okey, okay
perplex
pleite
plemplem
quitt
schade
schnuppe
teilhaftig
untertan
vorstellig
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2009 um 16.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#15420
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Wie gesagt, die nur prädikativ verwendbaren und nicht flektierbaren Adjektive werden von Ulrich Engel als "Kopulapartikeln", von der IDS-Grammatik (und folglich auch im Handbuch deutscher Wortarten von L. Hoffmann et al.) als "Adkopulae" bezeichnet, aber diese Begriffe haben außerhalb der jeweiligen "Schulen" keine Nachfolge gefunden.
Engel (Deutsche Grammatik 2004:421f.) zählt dazu auch zahlreiche Wörter, die bei genauerem Hinsehen sehr wohl attributiv gebraucht und natürlich auch flektiert werden. Ich habe im Internet mit wenig Mühe folgende Beispiele gefunden (der Leser wird selbst das Adjektiv erkennen, das Engel jeweils als nichtflektierbare Kopulapartikel reklamiert):
Ähnlich wie bei Kortschnoi faszinierten seine Kampfkraft und seine jeglicher Schablone abholde Originalität.
Dann sind die Völker Heiden und Israel gehört schon teilweise zur Kirche, nur ein abspenstiger Teil nicht.
Joachim Unseld, abspenstiger Sohn des Suhrkamp-Chefs
ein wissenschaftlicher und seiner Würde stets eingedenker Arzt
Er war ein sich der eigenen Fehler allzu gewahrer, überaus selbstkritischer Idealist
dass sie alles zurücklassen, sogar nicht gewillte Familienmitglieder
Der Schauspieler holte einen völlig perplexen Fan zu sich auf die Bühne.
Man kann die Städte bestimmen als befestigte, des vollen Marktrechtes teilhaftige, zusammenhängende Ansiedlungen mit eigener Gerichtsbarkeit.
ein ungepflegter und dem Alkohol zugetaner alter Mann
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2009 um 15.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#15419
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Vor der Rechtschreibreform wußte die Dudenredaktion noch, daß einzelne nicht nur Adjektiv, sondern, mit etwas anderer Bedeutung auch Indefinitpronomen ist. Man vergleiche: Einzelne von ihnen haben dagegengestimmt. – Klar pronominal, genau wie manche von ihnen usw., nicht wahr? Da die Reformer nun Großschreibung verordnet haben, ist auch dieses Wissen verschwunden bzw. in einen verschließbaren Schrank gesteckt worden, aus dem es bei passender Gelegenheit wieder hervorkommen wird.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2009 um 19.00 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13924
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Laut Dudengrammatik 2005, S. 262, blau unterlegter Kasten, wird das Pronomen der, die, das auch interrogativ gebraucht. Ich grüble schon länger, wie das zugehen mag. Kann jemand helfen?
Etwas weiter unten, S. 270, steht, daß etwas, nichts, genug, einerlei "substantivisch flektiert" werden, während S. 323 ganz richtig gelehrt wird, daß z. B. einerlei überhaupt nicht flektiert wird. Dasselbe gilt aber doch für die anderen auch. Was hat sich Gallmann dabei gedacht?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.01.2009 um 15.19 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13686
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In manchen Sprachen, z.B. Russisch, wird ein Bindeglied wie "sein" im Präsens gar nicht benutzt: 'Er ist dort' - 'On tam'. Daran ist auch zu sehen, daß die Bedeutung von "sein" hier so gut wie null ist.
Wenn "sich befinden" im gen. Beispiel tatsächlich genau die gleiche Bedeutung hätte wie "sein", nämlich (bis auf die zeitliche Bestimmung) auch die Bedeutung null, dann würde ich nicht folgern, daß "sein" Vollverb ist, sondern daß "sich befinden" in dem Fall auch nichts weiter als ein Kopplungselement zwischen Subjekt und Prädikativ ist.
"Erdbeertorte ohne Gräten", das ist sehr schön, Herr Isleif, muß ich mir merken. Aber jeder Vergleich hat seine Grenzen. Hätte ich gesagt, Adjektive bilden keine Befehlsform, dann wäre er sehr treffend. Aber ich schrieb, Adjektive sind nicht konjugierbar, und das entspricht eher den Aussagen, 'Erdbeertorte ist ein vegetarisches Lebensmittel' oder 'Gräten sind nicht genießbar'.
Zu sagen, daß man Partizipien nicht konjugiert:
ich komme schwimmend / bin geschwommen,
du kommst schwimmend / bist geschwommen, ...
ist ebenso selbstverständlich wie zu sagen, daß der Infinitiv nicht konjugiert wird:
ich gehe/werde schwimmen,
du gehst/wirst schwimmen, ...
Schließlich sind das, Partizipien und Infinitiv, die infiniten (unbestimmten) Formen des Verbs. Trotzdem bleiben sie Formen einer konjugierbaren Wortart, der Verben. Wenn ich Adjektive von anderen Wortarten (insbes. Partizipien) abgrenzen will, gehört also schon die Aussage "nicht konjugierbar" dazu.
Partizipien sind von der Wortbildung her Verbformen, anwendungsseitig partizipieren sie auch an Adjektiveigenschaften.
Wenn Adverbien auch Adjektive modifizieren, wie in "er ist heute 80jährig", wieso wäre dann die Substantivierung "der heute 80jährige" keine Modifikation? Ich sehe auch keinen Unterschied zu den "heutigen 80jährigen". Warum sollte nur das Adjektiv das Substantiv modifizieren, das Adverb aber nicht? Auch in "der Abend heute" ist heute ein nachgestelltes Attribut, welches das Substantiv näher bestimmt. Aus diesen Gründen denke ich, daß es sinnvoller ist, von den Satzgliedern statt Wortarten zu sprechen, die die Substantive, Verben usw. modifizieren.
Wäre es nicht ein bißchen widersprüchlich, z.B. bei gut von einem Adverb oder Adjektiv zu sprechen, je nach Gebrauch, andererseits aber bei einem wie ein Adjektiv benutzten Partizip (schwimmendes Floß) zu sagen, Partizip bleibt Partizip? Im Englischen sehe ich das in diesem Punkt auch nicht viel anders: Dort unterscheiden sich Adjektiv und Adverb i.A. durch -ly, im Deutschen meistens durch die Flexionsendung beim Adjektiv. Daß es wenige Ausnahmen mit Stammänderung gibt, finde ich nicht bedeutsam, denn das haben wir im Deutschen sogar innerhalb ein und desselben Wortes: gut - besser u.a. Wenn letzteres eigentlich ein Wort ist (nur mit Stammwechsel bei Steigerung), weshalb sollten dann good - well verschiedene Wörter sein?
Ich fände zumindest die Grammatik des Deutschen besser verständlich, wenn man zu jedem Wort eindeutig sagen könnte, welcher Wortart es angehört, egal, wie es gerade gebraucht wird, außer natürlich bei echten Homonymen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.01.2009 um 08.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13685
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Wortarten werden teils morphologisch, teils distributionell definiert, so auch in der Dudengrammatik, gerade was die Adjektive betrifft. Beide Verfahren führen nicht immer zum selben Ergebnis.
Wie ich schon angedeutet habe, kommt noch das Problem hinzu, ob es sich überhaupt um dasselbe Wort handelt, das einmal attributiv und einmal prädikativ gebraucht wird. Erst dann kann man ja fragen, ob ein undekliniertes Wort (der Apfel ist rot, die Freunde sind quitt) auch undeklinierbar ist (der rote Apfel, *die quittten Freunde).
Die Kopulaverben waren auch mal Vollverben, sind dann grammatikalisiert worden. "Ich denke, also bin ich" - das ist eine archaisierende Verwendung von "sein" als Existenzverb, heute spricht man nicht mehr so. Auf der anderen Seite hat "sein" eine Menge von fülligeren Synonymen nach sich gezogen, z. B. "sich befinden". Sich befinden ist nichts, was man "draußen" tut. Und man kann ja auch koordinieren: "Endlich war er draußen und ein freier Mann." Hätte "sein" hier zweierlei Funktion, würde man das Ganze als Zeugma empfinden, was jedenfalls bei mir nicht eintritt.
In einem älteren Buch finde ich folgende Adverbien aufgelistet:
bitterlich
folglich
neulich
schließlich
schwerlich
wahrlich
weinerlich
blindlings
rittlings usw.
-weise
-maßen
-dings
-halb(en), -halber
-wärts
-mal(s)
Daran stimmt zumindest die erste Abteilung nicht ganz, obwohl auch Langenscheidts Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache meint: "bitterlich Adj; ohne Steigerung, nur adv; sehr stark, intensiv "
Besser ist das DUW: "bitterlich : 1. leicht bitter (1): ein -er Geschmack; etw. schmeckt ein wenig b. 2. sehr heftig: b. weinen, frieren."
Man findet ohne Mühe Belege: "Der Welt bester Kicker weinte vor den Kameras von TV Globo gar bitterliche Tränen und zieh Nuñez der 'Lüge' und des 'Betrugs'." (SZ 30.5.97)
Entsprechendes gilt für "weinerlich", und die Adverbien auf"-weise" sind ja auch gerade dabei, zu deklinierbaren Adjektiven zu werden.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 31.12.2008 um 21.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13684
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Lieber Herr Konietzko,
ob in dem Satz Endlich war er draußen das war ein Kopulaverb ist, ist keineswegs klar. In dem gleichbedeutenden Satz Endlich befand er sich draußen kann ich jedenfalls kein Kopulaverb entdecken. Ebensowenig wie in dem Satz Ich denke, also bin ich.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 31.12.2008 um 20.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13683
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Wie an anderer Stelle in diesen Foren sehr richtig bemerkt, kann die Zuschreibung zu Wortarten/Wortklassen sehr schwierig sein, und nötig ist sie oft auch gar nicht. Reizvoll ist die Lösung selbstgesetzter Probleme dieser Art allerdings totzdem; das zeigt die Diskussion hier. Wir sollten jedoch nie vergessen, daß Wörter nur in Sätzen existieren (als Satz-Teile also, wobei nicht mal klar ist, was eigentlich “Wörter” sind [auch wenn Wörterbuchautoren und –verleger so tun, als wäre das jedem doch ganz klar]); und wenn wir dann so krampfhaft verleugnen, daß Adjektive, wenn adverbial verwendet (schön/schöner/ am schönsten schreiben) nicht auch Adverbien sein können, reden wir doch bloß herum.
Natürlich kann man auch steif behaupten, Verben konjugiert man, Substantive dekliniert man, aber eben nur, bis uns ein modernerer Deutschlehrer ganz richtig einredet, auch konjugierte Formen seien deklinierte Formen. Und wer dann noch das Wort “Konjugation” in seiner Grundbedeutung versteht (wo -jug- also etwas mit unserem Wort “Joch” zu tun hat [Zusammenstellung zum Zweck einer klaren Funktion, — auch das engl. “conjugal” gehört in diesen Zusammenhang, haha, ja!]), wird zugeben müssen, daß auch auch die Zusammenstellung der Wortformen in “ein weitgehend schöner Abend” richtig sein muß, um sinntragend beim Angesprochenen anzukommen; *“das weitgehendes schönem Abend” wäre halt allzu schlecht kon-jug-iert, um sinnvoll mitteilen zu können, daß der Sprecher mit derartigem Ausstoß von Wortformen wirklich was meint.
Aber wie gesagt: Interessant ist z. B. schon, daß in so vielen Sprachen die Adjektivform von der Adverbialform eines Wortes unterschieden ist (wie beim Deutschen früher auch, wovon unsere Formen “schön” und “schon” heute noch Zeugnis ablegen), zu dem Grade sogar, daß da, wo der formale Unterschied wegen der Lautentwicklung weggefallen ist, oft auf einmal neue Formen sich entwickeln, z. B. im Englischen mit –ly (aus –like/-lich) und in anderen germanischen Sprachen mit dem Äquivalent unseres “–weise”. Und so wird also fürs Englische fleißig gelehrt, daß jemand nur “quickly” kommen dürfe, auch wenn er bei allem anderen noch so “quick” wäre. Aber das fast bedeutungsgleiche “fast” toleriert keine Form mit “-ly”, jedenfalls noch nicht. Und selbst wo im Hinterland ein Verkehrswarnschild “Drive slow” wieder abgeschraubt wird, weil die lokale Lehrerin das doch für falsch hält (aber nicht der, der es in Auftrag gegeben hat!), wird das einfache “Slow!” von niemandem beanstandet, obwohl es doch nichts anderes als ein Verb näher bestimmt. So interessant ist das alles! Auch die Diskussion hier.
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Kommentar von Karl-Heinz Isleif, verfaßt am 31.12.2008 um 02.52 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13682
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Ich hatte nur eine Hilfskonstruktion für das Unterscheiden von Wortarten angeboten. Adjektiv und Adverb sind Wortarten. Für Attribute und Prädikate und Adverbiale gilt das alles nicht, denn das sind Satzglieder. KHI
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Kommentar von Karl-Heinz Isleif, verfaßt am 30.12.2008 um 23.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13681
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Lieber Herr Riemer!
Mit Kategorienfehler meinte ich so was wie das berüchtigte ‘Erdbeerkuchen ohne Gräten’. Die Teile gehören einfach nicht zusammen (so wie Konjugation und Adjektiv).
Im schwimmenden Floß ist schwimmend ein Partizip. Partizipien werden dekliniert wie Adjektive (und oft auch so verwendet), es sind aber keine. Es sind auch keine Verben, und das merkt man u.a. daran, daß man sie nicht konjugiert. Vielmehr ‘partizipieren’ sie an der Deklination und haben daher ihren Namen. (Wenn ich sowas sage, wird’s gefährlich. Dann kommen alle Lateiner aus ihrer Lauerstellung und zetteln den nächsten Krieg auf ihrem geliebten Nebenschauplatz an...)
Rüstige 80ährige sind rüstig. Rüstig modifiziert sie. Die heute 80ährigen werden durch heute nicht modifiziert. Nichts an ihnen ist heutig, sie leben nur zufällig gerade heute.
Ein gutes Auto wird auf englisch ‘besser’, denn dort sind die Adverbien erkennbar: A car is good if it runs well. It is bad if it runs badly.
Aber ich gebe natürlich zu, daß Hilfskonstruktionen keine Regeln ersetzen können, die jemand zuende gedacht und formuliert hat.
KHI
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.12.2008 um 23.03 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13680
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Nein, ich glaube, das kommt eher hin:
Nicht Adjektive, sondern Attribute und Prädikate modifizieren Substantive, und nicht Adverbien, sondern Adverbiale modifizieren Verben, Adjektive und Adverbien.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.12.2008 um 14.22 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13679
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Entschuldigung, Herr Isleif, daß ein Adverb auch Adjektive u.a. modifiziert, hatten Sie schon, das hab ich gerade übersehen.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.12.2008 um 14.08 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13678
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Ja, Herr Isleif, "es geht überhaupt nicht ohne ’Hilfskonstruktionen’", gut, daß Sie mich an Fontane erinnern, es rechtfertigt nicht nur Ihre Darstellung, sondern auch etwas meinen Definitionsversuch.
Ihre jeweils ersten Sätze über die Modifizierung von Substantiven bzw. Verben finde ich gut, die würde ich auch als erste in die Definitionen übernehmen. Vielleicht noch, daß Adverbien auch Adjektive modifizieren können.
Aber Kategorienfehler, meinen Sie? Geht es nicht darum, die einzelnen Kategorien zu bestimmen und voneinander abzugrenzen? Adjektive gehören doch zur Kategorie der Nichtkonjugierbaren. Und außerdem, haben wir in "ein schwimmendes Floß" ein Adjektiv? Es wird zwar hier wie ein Adjektiv gebraucht, und Sie meinen, dann ist es auch eins, aber allgemein wird "schwimmend" doch als Partizip angesehen, eine besondere Form eines konjugierbaren Wortes, kein Adjektiv. Das wollte ich auch mit "nicht konjugierbar" abgrenzen.
Wenn man jedes Wort als das betrachtete, als das es gebraucht wird, dann gäbe es entweder auch Adverbien vor Substantiven: "die heute 80jährigen", oder "heute" wäre hier ein Adjektiv. So weit würde ich nicht gehen. Ich kann auch in "ein gutes Auto, das gut ist und gut fährt", nicht zwei oder drei verschiedene Wörter sehen. Für mich ist es immer ein und dasselbe Adjektiv "gut", kein Adverb. Es wird nur manchmal wie ein Adverb benutzt.
Na ja, das ist halt meine "Hilfkonstruktion". Ich weiß, mancher sieht das anders, Herr Schatte sprach ja auch mal an anderer Stelle von verschiedenen Lexemen.
Wenn Verben, Adjektive oder andere Wörter groß geschrieben werden, werden sie wie Substantive benutzt, aber ich finde, eigentlich sind es keine. Für manche Zwecke reicht es wohl, nur die gebrauchte Wortart zu betrachten, dann funktioniert Herrn Isleifs Hilfskonstruktion, aber nicht für alles, nicht allgemein. Manchmal muß man zwischen der ursprünglichen Wortart und der Funktion im Satz unterscheiden.
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Kommentar von Karl-Heinz Isleif, verfaßt am 30.12.2008 um 02.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13676
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Werter Herr Riemer,
Da es sich beim Deutschen um unsere Muttersprache handelt, also um ein Gebiet, auf dem wir Kompetenz haben, können wir unsere eigenen Hilfskonstruktionen aufstellen, wenn uns die Fachliteratur im Stich läßt. (So halte ich das jedenfalls):
Ein ADJEKTIV ist ein Wort, welches Substantive modifiziert. Adjektive sind flektierbar und steigerbar. (‘Nicht konjugierbar’ zu sagen wäre ein Kategorienfehler; Konjugation nennt man nur die Flexion von Verben.) Ein Adjektiv kann prädikativ oder attributiv gebraucht werden. Ausnahmen und Grenzfälle gibt es; sie müssen einzeln gelernt werden.
Ein ADVERB ist ein Wort, welches Verben, Adjektive oder andere Adverbien modifiziert. Adverbien sind nicht flektierbar.
Alles andere ergibt sich von selbst!
Ein Adjektiv wird darum auch NIE adverbial gebraucht. Wenn es Verben, Adjektive oder andere Adverbien modifiziert, IST es ein Adverb. Das merkt man im Deutschen bloß nicht sofort, denn da haben beide Wortarten die gleiche Form. In anderen Sprachen ist der Unterschied besser erkennbar. Ob Hunde gut riechen (einen guten Geruchssinn haben), oder ob sie nicht gut riechen (stinken), ist auf Englisch meistens und auf Japanisch immer klar. Im Deutschen muß man es sich eben jedesmal klar-machen.
(Damit es Herrn Konietzko auf seinem Stuhl hält: Ich behaupte das alles nicht, ich mache es aber zu meiner persönlichen Hilfskonstruktion – und fahre gut damit.)
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.12.2008 um 01.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13675
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Die Tatsache, daß es mundartliche oder umgangssprachliche Abweichungen von der Standardsprache gibt, spricht ja eigentlich nicht gegen den Versuch, die Sprachstruktur zu erkennen und zu systematisieren. Wer den durchen Käse akzeptiert, für den ist durch hier eben ein Adjektiv oder vielleicht ein attributiv gebrauchtes (und damit sogar flektiertes!) Adverb. Die Norm ist das aber wohl (z.Z.) nicht.
Andererseits sind die Übergänge fließend. Das neuliche Ereignis und der schrittweise Übergang kommen mir z.B. schon fast selbstverständlich vor.
Nur das m.E. unnötige Durcheinander von Adjektiv oder Adverb. Gibt es nun attributiv gebrauchte, flektierte Adverbien, oder sind in diesen drei Beispielen doch eher Adjektive entstanden?
Die attributive Verwendung vor Substantiven, die auch fast immer mit der Flexion einhergeht, scheint mir die charakteristischste Eigenschaft eines Adjektivs zu sein, deshalb glaube ich, daran sollte man die Unterscheidung festmachen.
Ich möchte es nochmal mit der folg. Definition versuchen:
Adjektive sind alle nicht konjugierbaren, nicht artikelfähigen Wörter, die entweder
(1) attributiv vor einem Substantiv verwendbar sind oder
(2) nur prädikativ (nicht adverbial) verwendbar sind.
Adverbien sind alle nicht konjugierbaren, nicht artikelfähigen Wörter, die keine Adjektive sind und die adverbial gebraucht werden können.
Wäre das richtig? Vielleicht muß man darin auch einen semantischen Teil aufnehmen. Es ist sicher immer noch laienhaft, aber ich suche eben nach einer klareren Beschreibung als die in den beiden Duden gefundene.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 30.12.2008 um 00.24 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13674
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Hänschen klein geht nicht allein, sondern mit Röslein rot andere, doch grammatisch durchaus richtige Wege. Und in der germanischen Sprache Englisch haben wir den Surgeon General, der nicht Chirurgen herumkommandiert, und wenn in vielen amerikanischen Colleges “student athletes” (von ihnen selbst übrigens meist “ath-a-leets”, mit Sproßvokal also, gesprochen!) gesondert herumlaufen, dann auch deshalb, weil sie und ihre Trainer nicht wissen, daß hier “athlete” ein Adjektiv ist, und nicht “student” etwa den Athleten in ihnen bloß ein bißchen modifizieren soll.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.12.2008 um 18.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13672
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Dem Substantiv nachgestellte Adjektive sind eigentlich ungrammatisch, aber in Produktnamen üblich: Henkell trocken, Campari bitter, Eiche rustikal usw. Nachgestellt werden Adverbien: die Vorstellung gestern, das Modell hier, die zweite Straße links usw.
Der auffallendste Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Hochsprache ist die mündliche Trennung zusammengesetzter Adverbien: da ... für, da ... von, da ... durch, da ... mit, da ... hin, wo ... her, wo ... hin usw.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 29.12.2008 um 17.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13671
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Wir sollten hier immer sehr bewußt zwischen Stil und Struktur unterscheiden: “Aber ich weiß nicht, was Deutschlehrer durchgehen lassen” / ”In meiner Schulgrammatik von 1952 ist ‘kaputt’ noch ein Adverb, und ‘die kaputte Tasse’ nachlässige Umgangssprache” vs. “Adjektive können adverbial gebraucht werden, aber Adverbien nicht adjektivisch.” Wenn Leute von “durchem” Käse sprechen, dann benutzen sie eben “durch” als attributives Adjektiv, ob einem das nun gefällt oder nicht.
Und: Natürlich können Adverbien “adjektivisch” gebraucht werden; es hängt davon ab, wie ich “adjektivisch” definiere. Meine englischen Sprachlehrer benutzen alle “adjectival/adjective” für “attributiv”; und “dazugeworfen” sind “heute” und “gestern” und “da” und “hier” in “der Tag heute, nicht der gestern” und “das Mädchen da, nicht das hier.” (Aber ich werfe niemandem etwas vor, der von einer "Grammatik" [Schreiblehre?] guten Rat zu sowohl feinstem Stil als auch schwierigeren Strukturen erwartet; das ist ja die Tradition geradezu schon von Anfang an. Aber um nicht in Teufels Küche zu kommen, widme ich mich sine ira et studio, aber mit Interesse jedenfalls zuallererst der Struktur einer Sprache.)
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.12.2008 um 15.51 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13670
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Attributiv, danke.
Um diesen Punkt müßte man die Definitionen auch noch ergänzen.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.12.2008 um 15.34 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13669
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Ist es eigentlich attributiver Gebrauch eines Adverbs bei "der Ausgang hinten ist versperrt; das Fenster oben ist geschlossen; die Tiefgarage unten ist überflutet", oder ist das nur nachlässige Umgangssprache?
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.12.2008 um 15.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13668
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Genau, aber jetzt fällt mir der Unterschied auf:
draußen, oben, heute, ... sind sowohl adverbial als auch prädikativ verwendbar, deshalb Adverbien.
pleite, quitt, leid, ... sind nur prädikativ verwendbar, vielleicht deshalb Adjektive? Sollte das der Grund sein?
Dann könnte man anstelle der unvollständigen "Definitionen" im alten und neuen Duden (siehe #13661) vielleicht dies schreiben:
Adjektive sind nicht konjugierbare, nicht artikelfähige Wörter mit einer der beiden folgenden Eigenschaften:
(1) Sie sind (u.a.) attributiv verwendbar.
(2) Sie sind nur prädikativ verwendbar.
Adverbien sind nicht konjugierbare, nicht artikelfähige Wörter mit einer der beiden folgenden Eigenschaften:
(3) Sie sind nur adverbial verwendbar
(4) Sie sind nur adverbial und prädikativ verwendbar.
Somit wäre gesichert, daß es bei Adjektiven und Adverbien niemals Überschneidungen gäbe.
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Kommentar von David Konietzko, verfaßt am 29.12.2008 um 14.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13667
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Doch, Adverbien können prädikativ beim Kopulaverb sein gebraucht werden: Endlich war er oben / draußen usw.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.12.2008 um 14.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13666
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Nach meinem Sprachgefühl können Adverbien in der Hochsprache nicht mit "sein" verbunden werden; nur in der Umgangssprache kann man "die Tür ist zu" (oder "auf)" sagen, hochsprachlich muß es "die Tür ist geschlossen" bzw. "offen" heißen. Aber ich weiß nicht, was Deutschlehrer durchgehen lassen.
Adjektive können adverbial gebraucht werden, aber Adverbien nicht adjektivisch.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.12.2008 um 13.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13665
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Es gibt Adjektive, die nicht deklinierbar und nicht steigerbar sind und nicht attributiv ...
Ja, schon, aber woher weiß man denn, daß das auch Adjektive sind? Es sagt ja niemand genau, was eigentlich ein Adjektiv ausmacht.
Weshalb ist pleite ein Adjektiv und keine Partikel? Nur weil es, wie kaputt, vielleicht in 100 Jahren einmal dekliniert werden könnte?
"Modaladverb" ist schon anderweitig vergeben.
Na ja, aber wenn das Duden-Universalwörterbuch wohlauf als Adverb bezeichnet, welche Art von Adverb außer einem modalen könnte sonst noch gemeint sein?
Ich denke, notfalls müßte man ja die Modaladverbien eben noch in Untergruppen einteilen.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.12.2008 um 12.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13664
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Es gibt Adjektive, die nicht deklinierbar und nicht steigerbar sind und nicht attributiv, sondern nur prädikativ verwendet werden können. Dazwischen sind alle Abstufungen möglich. Adjektive können als Adverbien verwendet werden. Der kleine Duden, Deutsche Grammatik (1988) nennt diese adverbialen Ergänzungen der Art und Weise "Artergänzungen", die in der Regel aus einem Adjktiv oder Partizip oder einer Adjektivgruppe bestehen und bei Verben wie "sein, werden, bleiben, scheinen, wirken" stehen. Beispiele: "pleite, egal" u.a. In meiner Schulgrammatik von 1952 ist "kaputt" noch ein Adverb, und "die kaputte Tasse" nachlässige Umgangssprache.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2008 um 11.33 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13663
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Man könnte die unflektierbaren Wörter zusammenfassend Partikeln nennen, wie es ja auch teilweise gemacht wird. Als Prädikativum bei einer sein-Bestimmung kommen auch Adjektive nur unflektiert in Frage, so daß z. B. Ulrich Engel und einige andere von Kopulapartikel sprechen. ("Modaladverb" ist schon anderweitig vergeben.)
Das wirft mehrere Probleme auf: Ist ein Adjektiv, das attributiv und prädikativ gebraucht werden kann, nicht dasselbe Wort? Ist also ein mutmaßliches Adjektiv in prädikativer Verwendung nur (stellungsbedingt) unflektiert oder auch gleich unflektierbar und damit einer anderern Wortart zugehörig? Außerdem gibt es eine starke Neigung der Sprecher, dieselbe Wortklasse durch alle drei Verwendungen zu jagen: attributiv, prädikativ und adverbial (ein gutes Auto fährt gut und ist gut.) Daher der "abbe Knopf" usw.
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.12.2008 um 00.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13661
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Als sprachlich Interessierter frage ich mich immer wieder, warum Sprachwissenschaftler nicht mehr Klarheit in die Frage der Wortarten bringen, indem sie diese exakter definieren.
Im Duden, Band 4 von 1984 steht zum Beispiel:
"Wörter wie die folgenden nennt man Adjektive (Singular: das Adjektiv): einsam, flott, schön, ..." (22 Beispiele)
Danach folgt nur noch eine Erläuterung, wozu Adjektive manchmal gebraucht werden können, aber manchmal auch nicht.
Was soll das? Ist das eine Definition? Kann man nicht klar sagen: 'Adjektive sind Wörter, die ...'?
Der Duden, Band 4 von 2005 macht wenigstens einen Versuch:
"Adjektive sind Wörter mit folgenden grammatischen Eigenschaften: ..."
Jedoch wird keine einzige notwendige Eigenschaft genannt, sondern nur als meistens vorhandene Eigenschaften Flektierbarkeit und Steigerbarkeit. Mithin weiß man also überhaupt nichts.
Was also ist denn nun ein Adjektiv, und zwar nicht meistens, sondern ganz genau?
Z.B. könnte ich mir vorstellen, daß man als ein notwendiges Kriterium bestimmt, daß ein Adjektiv auf jeden Fall attributiv einsetzbar sein muß. Dann wären die seltenen Ausnahmen, Wörter wie wohlauf, quitt, leid, pleite u.a. eindeutig Modaladverbien, der von Herrn Ickler aufgezeigte Widerspruch käme nie auf. Was spricht dagegen?
Und von Präpositionen könnte man doch zumindest verlangen, daß sie einen Kasus ungleich des Nominativ regieren, dann wäre auch bei ihnen die Unterscheidung zum Adverb schon etwas leichter.
Könnte man so oder ähnlich, wenn auch vielleicht nicht alle, so doch die meisten Unklarheiten und Streitigkeiten über Wortarten beseitigen?
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.12.2008 um 16.42 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#13653
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Wie unsicher die Bestimmung der Wortarten ist, sieht man im Duden-Universalwörterbuch auf Schritt und Tritt. Während quitt als indeklinables Adjektiv bezeichnet wird, soll wohlauf ein Adverb sein. Beide werden aber doch genau gleich verwendet und sind in gleicher Weise unveränderlich.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 25.10.2005 um 19.46 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1250
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"...und dann stellt sich heraus, daß man als Schreiber nicht einmal Superlativ von Substantiv unterscheiden kann." So schlimm ist das gar nicht; der Schreiber kann's nämlich schon, und verschreiben tun wir uns alle allemal. Und völlig richtig ist: "Es handelt sich hier nicht um den normalen Superlativ".
Zu "Also für den Leser noch besser: Ich habe mein möglichstes getan. Jedoch ist - eben rein formal - mein Möglichstes ein Superlativ, die Großschreibung ist also sofort selbstverständlich, wenn man diese sehr feinsinnige Überlegung zum Nutzen des Lesers nicht anstellt" möchte ich jedoch hinzufügen, daß "möglichst-", also der Positivstamm eines Adjektivs plus Partikel "-st-" eben nicht nur den Superlativ kennzeichnet, sondern manchmal auch den "Elativ", der also nicht die einsame Spitze, sondern das erwähnenswert Hervorgehobene bezeichnet. So ist lateinisch "maximus" nicht unbedingt immer "der größte", sondern manchmal auch "ein sehr/äußerst/wirklich großer", und im Englischen nennen wir so manch ein junges Ding "a most beautiful girl", und das ist etwas, was wir bei uns nicht können, nicht weil wir etwa keine ebenso schönen Mädchen hätten, sondern weil unser Standarddeutsch bei der "Superlativ"-Form keinen indefiniten Artikel toleriert. Wir haben dafür ein "Tausendschön(chen)", wobei wir, wenn jemand es so sagt, auch nicht zu zählen anfangen; es genügt, daß wir hier eine beeindruckende Zahl haben und so das Adjektiv herausheben.
Aber ich möchte hier nicht "vom Hundertsten ins Tausendste kommen" (Duden, 1948), zumal ich bei schriftlicher Mitteilung mein menschenmöglichstes tue, um dem Leser zu helfen und ihn auf keinen Fall in Verwirrung zu führen, und deshalb selbst also "vom hundertsten ins tausendste" schreibe. Im Zweifelsfalle klein, lehrte mich schon ein kluger Volksschullehrer, und das funktioniert — bei mir.
Noch an Achenbach: Vielen Dank für "das Für und Wider". Grundsätzlich könnte man natürlich sagen, jedes Wort kann, wenn man es bespricht, als Substantiv angesehen werden: "Dieses "gehen" hast du schön geschrieben, in diesem "äußerst" ist das Eszett dagegen eine einzige Kleckserei" und "Das Verb 'wissen' folgt einem anderen Muster". Das aber meinen Sie gar nicht, und ich auch nicht. Bei den von Ihnen angeführten Beispielen "'das Für und Wider' (Präpositionalsubstantive?), 'mein und dein unterscheiden', 'unser Jüngster/jüngster'" fühle ich mich, was die Rechtschreibung angeht, sehr sicher (und sollte meine auch nach einer bestimmten Dudenausgabe "falsch" sein, das stört mich nicht). Interessant finde ich aber die Formen dieser "substantivierten" Wörter: Was ist das System, wenn wir "das Für und Wider" haben (Neutrum), aber "die Fünf in Deutsch" (feminin)? Hat "das Für und Wider" einen Plural, wie meine Fünfen in Deutsch? Können — und wenn ja, sollten wir bei allem "alle Für und Wider" diskutieren oder nur "jedes Für und Wider"?
Wenn einem "das Gehen" schwerfällt, das ist ein einziges Übel, auch wenn es manchmal nicht ganz so übel ist und einem dann also auch ein leicht verschiedenes Gehen immer noch schwerfällt. Wie viele *"Gehen" fallen mir also gar nicht leicht? Wenn ich mit Wörtern herumspiele, warum fällt mir *"die Iche" als vielleicht möglicher Plural von "das Ich" ein, aber nicht im geringsten *"die Due" zu *"das Du", sondern nur *"die Dus"; und bei "er" fällt mir gar nichts ein, nicht mal "das Er"... Aber manchmal spricht man von einem Er im Leben einer Frau, und dann ist "Er" maskulin. Und wenn sie mehrere solche "Er(e?)" gleichzeitig hätte, ... — aha, mir fällt also doch was zu "er" ein! Und wenn's bei Freud auch ein "Er" gäbe, dann wär's wohl Neutrum, nicht wahr?. — Aber was ich hier interessant finde, ist vielleicht gar nicht so interessant.
Wenn Achenbach jedoch bestreitet, "daß es sich bei dem, was [ich] "Adjektivsubstantive" [nenne], unzweifelhaft um Substantive handelt", darf ich dann fragen, warum "die Kranken" im Krankenhaus groß geschrieben werden und wir bei Trakl lesen "Rund schweigen Wälder wunderbar / Und sind des Einsamen Gefährten"? Die Tatsache, daß bestimmte Gruppen Substantive bestimmte Eigenheiten haben (hier, daß einige von ihnen "häufig in pronomialer Verwendung auftreten") schließt sie doch nicht von der Zugehörigkeit zu einer Wortklasse aus. So haben einige Substantive keine Pluralformen, andere keine Singularformen, einige haben zwei Geschlechter; ich erinnere mich auch vage, in einer Vorlesung (von Ingeborg Schröbler) gehört zu haben, daß unsere schwachen Substantive wahrscheinlich auf substantivierte Adjektive zurückgehen, was mir mit dem Beispiel "Bote" ([der einen Willen] Entbietende) durchaus einleuchtete. Von wann ab waren sie also schwache Substantive? — Wenn man Deutsch als Fremdsprache unterrichtet, ist die Einteilung der Substantive in starke, schwache (wobei da eigentlich nur die maskulinen und ein einziges Neutrum besondere Erwähnung verdienen) und in Adjektivsubstantive sinnvoll: man schreibt sie alle grundsätzlich groß. Aber richtig ist: Die Zuordnung von Wörtern zu Wortklassen ist nicht immer einfach, — besteht doch nicht einmal über die Anzahl der Wortklassen bindende Übereinkunft.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 25.10.2005 um 01.50 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1228
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Käse, ich habe mich schon wieder verschrieben. Erst schreibt man einen Essay über feinsinnige Unterschiede zwischen Klein- und Großschreibung, und dann stellt sich heraus, daß man als Schreiber nicht einmal Superlativ von Substantiv unterscheiden kann. Ein Plädoyer für großzügige Handhabung der besprochenen Zweifelsfälle.
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Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 25.10.2005 um 01.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1227
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Das Menschenmögliche und "das Menschenmögliche"
Der Grund, warum die Schreibung Ich habe mein Möglichstes getan nicht so optimal ist: Es handelt sich hier nicht um den normalen Substantiv, nicht um eine Steigerungsfolge möglich, möglicher, am möglichsten bzw. das Möglichste. Das wäre ja etwas, was mit der höchsten Wahrscheinlichkeit stattfindet, was am einfachsten geleistet werden kann, was so selbstverständlich ist wie nichts anderes. Genau das Gegenteil ist gemeint. Es handelt sich also im Prinzip um dasselbe wie bei im allgemeinen: Klingt nur danach, als sei hier das Allgemeine gemeint, "in" dem etwas stattfindet, ist aber nicht so. - Ein Pseudosubstantiv, ein Pseudosuperlativ.
Das Mißverständnis ist in der merkwürdigen Formulierung angelegt, es soll nicht auch noch durch eine Schreibweise befördert werden, die ihm mit grammatischer Naivität selber aufsitzt. Also für den Leser noch besser: Ich habe mein möglichstes getan. Jedoch ist - eben rein formal - mein Möglichstes ein Superlativ, die Großschreibung ist also sofort selbstverständlich, wenn man diese sehr feinsinnige Überlegung zum Nutzen des Lesers nicht anstellt. Somit dürfte auch die Großschreibung verbreitet sein.
Ähnich bei Ich habe das Menschenmögliche/menschenmögliche getan, allerdings noch schwieriger zu bestimmen und abzugrenzen: Man kann das Menschenmögliche als platte Übertreibung empfinden, als Angeberei, als Wortschinderei, und entsprechend urteilen: Das ist doch gar nicht gemeint, das sagt der Sprecher nur so. Der Schreiber kann sich davon distanzieren, unter Umständen von seiner eigenen Formulierung, indem er die gesprochene Absolutheit nicht durch getreuliche Großschreibung unterstreicht. Dann Kleinschreibung (gegen die Grammatik) nach dem Motto: "Mein Menschenmögliches, also das, was mir als Mensch gerade noch möglich ist - das sage ich so, das stimmt aber eigentlich gar nicht; ich will eigentlich nur sagen: Ich habe mir Mühe gegeben." (Manchmal ist auch die letztere Umschreibung noch eine Übertreibung der tatsächlichen Verhältnisse.)
So interpretiere ich eine gewisse Überlegenheit der Kleinschreibung, allerdings nur, wenn der Schreiber Empfindungen wie die oben ausgemalten tatsächlich hat, vgl. oben: Man kann das Menschenmögliche als platte Übertreibung empfinden ... Die Frage ist auch, ob die verschiedene Schreibung beim Leser überhaupt einen verschiedenen Eindruck auslöst. Also alles höchst feinsinnig, Stoff für Duden-Artisten.
In einem beschreibenden Wörterbuch wären die üblichen Schreibungen zu verzeichnen, also vermutlich die Auskunft: Großschreibung, wobei auch Kleinschreibung vorkommt. Dazu müßte es allerdings überhaupt auf diese Ebene der Einzelformulierungen eingehen. Ickler macht es einfacher: Er gibt gar keine Auskunft. Das ist in Ordnung und die nutzerfreundlichste Lösung, denn man kann ja nichts falsch machen. Warum nutzerfreundlich? Die Gegenfrage lautet: Was sollte es bringen, tausend solche Einträge einzufügen und jeweils die Auskunft zu erteilen, man könne es so oder so schreiben? Je weniger Einträge, desto weniger wiegt das Wörterbuch.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.10.2005 um 22.58 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1225
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Noch eine Ergänzung:
Soeben entdecke ich in meinem Duden von 1961 einen Eintrag, wonach geschrieben wird: "er hat das menschenmögliche (alles) getan". Jetzt bin ich mit meinem Latein (Deutsch?) wirklich am Ende.
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.10.2005 um 22.27 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1223
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Lieber Herr Ludwig,
ich danke Ihnen für Ihr Verständnis für meine Schwierigkeiten. Ich muß gestehen, daß es mir noch schwerer fällt zu verstehen, warum man einerseits "Ich tue mein möglichstes", andererseits "Ich tue mein Bestes" schreiben soll. Ich denke auch, daß ich damit nicht alleine stehe. Werden nicht immer wieder, auch von Reformgegnern, die übertriebene "Regeldichte" und die "Spitzfindigkeiten" des alten Duden beklagt? Das Problem liegt ja gerade darin, daß das, was für den einen eine Spitzfindigkeit ist, für den anderen eine sinnvolle und ganz natürliche Unterscheidung ist. Auch in diesem Forum weitgehend Gleichgesinnter, zu denen ich mich auch zähle, gehen die Meinungen in den Einzelfällen doch oft weit auseinander.
Im übrigen verstehe ich vollkommen, daß andere solche und viele andere Dinge anders sehen als ich, das brauche ich nicht erst zu versuchen. Ich bin gerade deshalb der Auffassung, daß die Probleme der GKS nur durch weitestgehende Liberalität zu lösen sind.
Allerdings bestreite ich ausdrücklich Ihre Schlußfolgerung, daß es sich bei dem, was Sie "Adjektivsubstantive" nennen, unzweifelhaft um
Substantive handelt. Ich sehe in dieser Argumentation eine geradezu klassische petitio principii, denn gerade das ist ja strittig. Ist es denn ein Zufall, daß gerade diese "Adjektivsubstantive" häufig in pronomialer Verwendung auftreten, "normale" Substantive dagegen kaum, wenn überhaupt?
Ich habe ja nichts gegen die Großschreibung der "normalen" oder "eigentlichen" Substantive, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob dadurch das Lesen wirklich nennenswert erleichtert wird. Das ist aber eine Tradition, die sich über die Jahrhunderte in Deutschland herausgebildet hat und die ich respektiere, auch weil sie keine besonderen Probleme schafft. Die allermeisten Probleme und Zweifelsfälle entstehen erst dann, wenn Wörter anderer Art in einer ähnlichen Weise wie Substantive gebraucht werden: "das Für und Wider" (Präpositionalsubstantive?), "mein und dein unterscheiden", "unser Jüngster/jüngster". In diesen Fällen kann man die Groß- oder Kleinschreibung doch getrost dem Sprachgefühl eines jeden einzelnen (Einzelnen?) überlassen.
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 24.10.2005 um 00.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1213
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Lieber Herr Achenbach, ich habe sehr viel Sympathie für Ihre Probleme mit "allem möglichen". Die Einordnung der Wörter, die wir im Satz vorfinden, in Wortarten ist nicht immer einfach und manchmal zu Recht umstritten. Aber wenn Sie sagen: "Das 'Mögliche' dient doch nur der Verstärkung von 'alles'", da müssen Sie auch zu verstehen versuchen, daß andere das anders sehen, nämlich daß nach deren Meinung "alles" das "Mögliche/mögliche" näher bestimmt, also Attribut zu "Mögliche/mögliche" ist und der Struktur nach neben "nichts/wenig/viel Mögliches", auch "mein möglichstes" steht. (Daß wir hier die "-es"-Endung haben, kommt daher, daß das vorausgehende modifizierende Wort kein oder nicht eindeutig ein grammatisches Geschlecht anzeigt; die Neutrumform "alles" verlangt wie "der/die/das/die", "welcher/welche/welches/welche", "dieser/diese/dieses/diese" usw. und eben auch "aller/alle/alles/alle" die schwachen Adjektivendungen [alles Gute, vieles Mögliche/mögliche]). In diesen Ausdrücken haben wir als zweiten Teil Adjektivsubstantive oder, wenn Sie so wollen, "substantivierte Adjektive". Die schreibt man als Substantive grundsätzlich groß. Der nächste Schritt ist dann, daß einige von diesen Adjektivsubstantiven (von Ihren "substantivierten Adjektiven" also) praktisch pronominalen Charakter angenommen haben, weshalb dann Leute "folgendes", "als nächstes", "verschiedenes", "alles weitere", "der andere", "das übrige" und ähnliches nicht mehr groß schreiben. Mit der Ausnahme von "Sie" schreibt man Pronomen (auch das "alles" [nach dem, wie Sie es verstehen]) eben nicht groß. Wo jedoch dieser Pronominalcharakter eindeutig ausgeschlossen ist ("der Verschiedene", "das total Andere", "Wer ist denn mein Nächster?"), da schreibt man diese Wörter als Substantive groß, — aber nicht weil "die Großschreibung eine besondere Hervorhebung bedeutet", sondern weil Großschreibung von Substantiven in der deutschen Verschriftung Tradition ist. In "Er hat nicht gesungen, — er hat geschrieen" sind die Perfektpartizipien besonders hervorgehoben; man schreibt sie aber deshalb nicht groß. — "Wozu ist dann die Großschreibung in 'alles Mögliche' gut?" Diese Ihre Frage ist berechtigt, kommen doch andere große Kultursprachen fast ganz ohne Großschreibung überhaupt aus! Aber unsere Großschreibung der Substantive hilft beim Lesen schon, und ich möchte sie deshalb nicht missen.
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Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 23.10.2005 um 22.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1210
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Wenn einer alles Mögliche getan hat, so wird ihm stillschweigend zugebilligt, daß er alles ihm Mögliche getan hat. Jemand mit größeren Fähigkeiten z.B. hätte womöglich mehr Möglichkeiten gehabt. - Alles mögliche heißt nach meinem Verständnis nicht einfach "alles", sondern ein mehr oder weniger stimmiges, ungeordnetes, assoziativ zusammengehaltenes Ensemble von Einzelheiten. "Er hat alles mögliche versucht" - darunter kann auch Ungeeignetes gewesen sei. Auch leicht geringschätzig: "Du kannst mir alles mögliche erzählen."
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Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 23.10.2005 um 22.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1209
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Ich habe viel Sympathie für die Unterscheidung "alles Mögliche" und "alles mögliche". Vielleicht würde ich intuitiv, ohne groß nachzudenken, auch so schreiben.
Andererseits beschleichen mich aber auch leise Zweifel. Handelt es sich nicht doch in beiden Fällen um bloß rhetorische Floskeln? Mit dem Satz "Er hat alles Mögliche getan" will ich doch nicht ausdrücken, daß er nur das Mögliche und nicht auch noch das Unmögliche getan hat, denn das versteht sich ja von selbst (die noch stärkere rhetorische Hervorhebung "alles Menschenmögliche" ist sogar eine doppelte Selbstverständlichkeit). Vielmehr will ich sagen, daß er wirklich alles, ohne Ausnahme, getan hat. Das "Mögliche" dient doch nur der Verstärkung von "alles". Im mündlicher Rede könnte man das auch durch starke Betonung von "alles" erreichen. Wenn im Schriftlichen die Großschreibung eine besondere Hervorhebung bedeutet, müßte man dann nicht eher "alles" groß schreiben?
Kann man denn sagen, daß hier wirklich von dem "Möglichen" die Rede ist? In der gleichbedeutenden Wendung "alles, was möglich ist" ist davon doch keine Rede. Da wird auch nichts groß geschrieben. Wozu ist dann die Großschreibung in "alles Mögliche" gut?
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Kommentar von Grum, verfaßt am 19.10.2005 um 14.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1182
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Bei Gott, ich mußte miterleben, wie ein Mitschüler im Unterricht die ernsthafte Frage stellte, ob man "beispielsweise" nicht mit "ß" schreibe oder zumindest geschrieben habe?
Außerdem war eine Lehrerin der festen Überzeugung, man träfe einen Unterschied zwischen "mehr" und "mer" ("Ich will nicht mehr"; "Kein Schritt mer weiter")!
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Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 19.10.2005 um 10.47 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1181
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In einer Tageszeitung stieß ich auf die Schreibweisen "verständnissvoll" und sogar "Luftikuss". Derartigen Übergeneralisierungen der Regel, daß nach kurzem Vokal ss zu schreiben ist, kann man seit der Einführung der RSR des öfteren begegnen. Ein Beispiel aus meinem Schulalltag: "Gotteslässterung". Hier hat wohl eine falsche Analogiebildung stattgefunden ("lässtern" wie "lässt").
In einem Prospekt las ist "fasst" statt "fast". Es kommt auch vor, daß nach einem Diphtong, auch wo dies weiterhin falsch ist, ein ß geschrieben wird. Dazu noch ein Beispiel aus einer Überschrift der genannten Tageszeitung: "Ohrenschmauß".
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 19.10.2005 um 09.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1180
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Dem stimme ich völlig zu, nur kann man gelegentlich beobachten, wie Bedeutungsdiskussionen in einen Schlagabtausch persönlicher Einschätzungen übergehen. Den Anwender interessiert dies nicht, da auch er sein eigenes Schreibgefühl auslebt. Genau diese Überverfeinerung war Teil des beklagten Morbus Duden.
Aus einem Versandkatalog für Ball-Artikel, 1912:
Schleifen aus Atlas-und Seidenband etc. mit Nadeln zum anstecken.
Die Kleinschreibung des substantivierten Verbs ist mir da nicht unsympathisch.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.10.2005 um 05.28 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1179
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Die Entscheidung "vor Ort" muß ja eine allgemeinere Grundlage haben, sonst gäbe es gar nichts zu entscheiden. Das Allgemeinere wollte ich erläutern. Vielen Dank noch für die Präzisierung - ich hatte mir im Augenblick wenig Mühe gegeben.
Gestern habe ich übrigens mal mit Google nach "Verständniss" usw. gesucht und war erstaunt über die Menge an Belegen. Leider scheint es nicht möglich zu sein, zu einer Datierung zu kommen - also auch festzustellen, ob der Fehler nach der Reform zugenommen hat. Dazu wären wohl aufwendigere Untersuchungen nötig. Studenten ran!
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 18.10.2005 um 17.01 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1178
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Ich finde die Unterscheidung "alles mögliche" / "alles Mögliche" zwar ganz interessant, halte es aber persönlich nicht für den richtigen Weg, Orthographiefragen in dieser eisenharten Bedeutungsversessenheit und auf der Grundlage eines Horchens an den Dadanäischen Blechen regeln zu wollen.
Sowas entscheidet doch der normale Schreiber vor Ort, am Blatt.
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Kommentar von R. H., verfaßt am 18.10.2005 um 16.30 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1177
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(Ja, gewiss nur ein Versehen. "Alles mögliche" meint "dies und das", "allerlei"; und letzeres ist auch der Eintrag im 'Ickler'.)
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Kommentar von Bardioc, verfaßt am 18.10.2005 um 12.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1176
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Den Ausdruck ''alles mögliche'' würde ich nicht notwendig mit ''alles'' gleichsetzen. Er bezeichnet meiner Meinung nach eine willkürliche oder zufällige Auswahl.
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Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 18.10.2005 um 11.37 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1175
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Auf technischem Gebiet ist der Unterschied zwischen "allem Möglichen" und "allem möglichen" noch deutlicher: In die Sicherheitsüberwachung alles Mögliche oder alles mögliche einbauen?
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Kommentar von jean m. wittolsheimer, verfaßt am 18.10.2005 um 10.12 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1174
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Es sind durchaus nicht nur Nuancen, die soetwas wie "alles Mögliche" von "allem möglichen" trennen.
"Die Theorie ist im wesentlichen richtig." meint, die Kernaspekte der Theorie sind wahr, über peripheres lässt sich streiten. Das Wesentliche ist hier eine Teilmenge der Theorie. "Die Theorie ist im Wesentlichen richtig." meint genau das Gegenteil. Hier existiert ein unabhängiges Wesentliches, man möchte sagen "Gallmansches Absolutum", von dem die ganze Theorie eine Teilmenge ist. Aber das will man ja eben nicht ausdrücken.
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Kommentar von Die Schwestern Christaller, verfaßt am 18.10.2005 um 09.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1172
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Vermutlich ist das der tiefere Sinn der real existierenden Reform: die Aufhebung der Großschreibung durch exzessive Anwendung zu erzwingen.
Wie sich auch in der exzessiven Anwendung des Neuschriebs ein Weg zu dessen Überwindung eröffnen könnte.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 18.10.2005 um 08.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1171
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Die Niederländische Sprachunion macht vor, wie weit man mit der Kleinschreibung gehen kann.
GANZ ohne GKS-Probleme kommen sie allerdings auch wieder nicht aus.
Nur diejenigen Sprachen sind wohl gänzlich frei davon, deren Schrift nur eine Sorte Buchstaben kennt: Georgisch z.B. oder natürlich die Asiaten und Araber. Deren sonstige Probleme möchte man freilich auch nicht haben...
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Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 18.10.2005 um 08.39 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=261#1170
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> Warum sollten sich überzeugte Kleinschreiber auch um den Sinn der Großschreibung kümmern?
Vermutlich ist das der tiefere Sinn der real existierenden Reform: die Aufhebung der Großschreibung durch exzessive Anwendung zu erzwingen.
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