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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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27.09.2005
 

Superpreis für Stang

Langenscheidt: Die neue Rechtschreibung – kurz und schmerzlos. Von Christian Stang. 2005

Das Heftchen ist mit 5 Euro ungewöhnlich teuer; auf dem Einband steht daher „SUPERPREIS“.
Den Einband schmückt pseudoamtlich eine Art Siegel mit der Inschrift „lt.Kultusministerkonferenz verbindlich ab 1.8.2005“.
Das Vorwort verbreitet die von den Kultusministern in die Welt gesetzte Legende, daß nur für die vom Rat bereits besprochenen Bereiche Änderungsvorschläge zu erwarten sind.
Obwohl der Verfasser wissen dürfte, daß Formen wie Pleite gehen usw. grammatisch falsch sind, propagiert er die gesamte Reform ohne jede Andeutung besserer Einsicht.
Der Bindestrich „zur besseren Lesbarkeit“ bei drei gleichen Buchstaben führt zu Brenn-Nessel, Press-Sack usw., völlig korrekt, und zu den Adjektiven Fett-triefend, Schnee-erhellt (dieses gesuchte Wort schleppt sich seit Jahrzehnten durch die Rechtschreibliteratur), See-erfahren, für die es im amtlichen Regelwerk keine Beispiele gibt und von denen die Reformkommission zuletzt wegen der unerwünschten Großschreibung abgeraten hat.
Triumph hält der Verfasser für ein griechisches Wort.
he-ran ist keineswegs eine Trennung nach Sprechsilben.
In irrewerden, wettmachen stecken keine ursprünglichen Substantive.
„Fremdwörter wurden bisher nach den in der Herkunftssprache üblichen Regeln getrennt: In-ter-es-se, Päd-ago-ge“ (usw.) – Nein, Zusammensetzungen wurden nach ihren Bestandteilen getrennt.
Warum soll der erste Bestandteil von feilbieten nicht selbständig existieren?
Das Verbot von Zusammenschreibungen mit sein soll „ganz ohne Ausnahme“ gelten. Das ist nicht wahr, denn die amtliche Revision hat schon wieder beisammengewesen, zurückgewesen.
Die Möglichkeit der Zusammenschreibung von mehrteiligen Fremdwörtern ist nicht auf das Englische beschränkt (S. 31). Dies bezieht sich vielmehr nur auf Verb+Adverb.
Die Großschreibung fester Begriffe ist nicht auf Botanik und Zoologie beschränkt; Stang widerspricht sich gleich danach selbst, indem er „bestimmte Fachsprachen“ erwähnt (S. 36). Außerdem widerspricht er sich im Glossar (zu „Eigenname“).
Die Schreibung der Tageszeiten ist falsch dargestellt, denn die bisherige Entsprechung zu morgen abend war Donnerstag abend; daneben gab und gibt es weiterhin den Donnerstagabend.
Es ist unrichtig, daß andere groß geschrieben wird, wenn es nicht als Zahladjektiv gebraucht wird (S. 38).

Die „Duden-geprüfte Wörterliste“ am Ende des Heftes enthält als angebliche Altschreibung „Feind - jemandem feind bleiben“. Das suggeriert irreführenderweise, daß es bisher nur das Substantiv gegeben habe, das dann seltsamerweise klein geschrieben wurde, so daß die Neuregelung als konsequente Bereinigung erscheinen könnte.
noch mal wird seit 2004 wieder getrennt geschrieben. Der ganze Komplex Aufsehen erregend, Eisen verarbeitend ist ausgelassen, kommt nur im Wörterverzeichnis vor. Überhaupt fehlt alles Problematische, die Darstellung ist höchst unvollständig und gibt keinen zutreffenden Eindruck von den Schwierigkeiten der Reform.



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Kommentare zu »Superpreis für Stang«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 27.09.2005 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=235#1011

Th. Ickler: Überhaupt fehlt alles Problematische, die Darstellung ist höchst unvollständig und gibt keinen zutreffenden Eindruck von den Schwierigkeiten der Reform.

Das entspricht doch genau dem, was der Untertitel verspricht: "kurz und schmerzlos".
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 27.09.2005 um 19.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=235#1012

Ein berühmter Physiker hat einmal im Kreise von Mathematikern gesagt, für die Mathematiker sei die Mathematik viel zu schwer. Man könnte entsprechend über Herrn Stang sagen, für einen Verfasser von Rechtschreibhilfen sei die deutsche Rechtschreibung, und ganz besonders die reformierte, einfach zu schwer.
 
 

Kommentar von Alexander Glück www.glueck.eu.tt, verfaßt am 28.09.2005 um 18.49 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=235#1018

"kurz und schmerzlos"

...sagt man doch in Ankündigung möglichst schonender Penetrationen immer dann, wenn es an sich um unausweichliche, normalerweise längere und eher schmerzhafte Dinge geht, also etwa Zwangsinjektion, Blasenspiegelung, Koloskopie oder das partielle Wegfräsen des Kieferknochens — auch Hinrichtungen.

Ist diese Formulierung im Zusammenhang mit dem Topos nicht bemerkenswert ehrlich?
 
 

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