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30.06.2005
Gegen den Fraktionszwang
Die sächsische SPD-Abgeordnete Jelena Hoffmann will gegen die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.
Sie hat mit der Parteiführung noch ein Hühnchen zu rupfen, denn im Jahre 2004 war sie von Parteichef Müntefering in unglaublicher Weise gedemütigt worden: Er hatte sie gezwungen, ihre Unterschrift unter den Bundestagsantrag „Die Einheit der deutschen Sprache bewahren“ zurückzuziehen. Aus ihrem Büro wurden damals sogar Mails wie die folgende versandt:
»Wir möchten Sie darauf hinweisen, daß auf Ihrer Internetseite eine veraltete Version des Bundestagsantrages „Die Einheit der deutschen Sprache bewahren“ enthalten ist, in der Frau Hoffmann als Unterstützerin des Antrages aufgeführt ist. Letzteres ist nicht der Fall.
Der von Ihnen genannte Antrag ist in seiner veröffentlichten und endgültigen Version als Bundestagsdrucksache 15/4249 unter http://dip.bundestag.de/btd/15/042/1504249.pdf
im Netz zu finden.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Giesecke (Referent)«
Ihre Ankündigung zeigt, daß sie Herz und Verstand auf dem rechten Fleck hat; man fragt sich nur, ob das Stehvermögen diesmal ausreicht. Vielleicht kommt ja bald die Mahnung, auch diese Notiz aus dem Internet zu entfernen, weil sie nicht mehr den Tatsachen entspreche ...
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Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 08.08.2017 um 19.06 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#35932
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Sprachlich interessant: Die Tatsache, daß der Ministerpräsident Weil heißt, bringt selbst gestandene Nachrichtensprecher ins Stolpern, wenn ein Satz mit "Weil" anfängt, so jetzt mehrfach erlebt:
Weil die... – stutzen, neuansetzen: Weil die Abgeordnete Twesten...
und umgekehrt:
Weil... – stutzen, neuansetzen: Weil sagte...
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2017 um 06.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#35915
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Natürlich darf der Abgeordnete sein "Mandat mitnehmen". Gewählt wird der Abgeordnete, nicht die Partei. Sonst gäbe es keine Listen (und in Bayern z. B. kein Kumulieren und Panaschieren). Direktkandidat und Liste sind nur zwei verschiedene Verfahren, Personen zu wählen.
Der sprachliche Trick verhüllt den sachlichen Fehler.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2017 um 15.48 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#35908
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Zum selben Thema:
SPD und Grünen stellen dort seit Anfang 2013 die Landesregierung, die sich im Landtag nur auf eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit stützen kann. Doch beide Partner agierten im Landtag derart stabil und verlässlich, dass sogar Politiker aus anderen Bundesländern angesichts der Verhältnisse in Hannover erklärten, Ein-Stimmen-Mehrheiten seien gar nicht so gefährlich wie bisher angenommen.
Sie könnten sogar disziplinierend wirken, weil sich jeder Abgeordnete jederzeit seiner Verantwortung bewusst und weniger geneigt sei, bei der einen oder anderen Abstimmung im Parlament ganz eigene Akzente zu setzen. (Reinhard Bingener FAZ 5.8.17)
Damit ist das Problem genau umrissen: permanente Disziplinierung durch Fraktionszwang. Man beachte auch, daß "Verantwortung" hier einseitig auf den Machterhalt der Partei hin ausgelegt wird. Das ist aber nicht der verfassungsgemäße Sinn des Abgeordnetenmandats. Der mag illusorisch geworden sein, aber man sollte es wenigstens mal sagen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2017 um 13.09 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#35905
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Parteiaus- und -übertritte und Fraktionswechsel von Abgeordneten während laufender Legislaturperiode hat es schon sehr oft gegeben. Die Verlierer wehklagen dann laut über den Verrat usw. – bis sie selbst mal die Gewinner sind; dann ist alles in Ordnung.
Abgeordnete sind keine Leibeigenen der Partei. Eschenburg hat das Problem mal ganz gut erörtert, vor 45 Jahren in der ZEIT:
http://www.zeit.de/1972/18/wem-gehoert-das-mandat/komplettansicht
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.08.2017 um 04.16 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#35900
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Ständig wurde gegen den Fraktionszwang polemisiert und der Abgeordnete an seine Verpflichtung auf das "Gewissen" und das Gemeinwohl erinnert. Wenn dann mal eine ernst macht und die Fraktion wechselt, erhebt sich ein großes Geschrei, wie unanständig das sei.
Daran erkennt man, welche Macht Partei und Fraktion inzwischen zugewachsen ist, ganz anders als in den Verfassungen vorgesehen.
Es ist ein Dilemma, und wenigstens das sollte man anerkennen, statt Empörung vorzuspielen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2015 um 05.31 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#29674
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Volker Kauder hat es vielleicht nicht besonders geschickt angestellt, wenn er nun die Praxis des Fraktionszwangs öffentlich macht. Es ist anzunehmen, daß widerspenstige Abgeordnete in allen Parteien stillschweigend kaltgestellt werden. Sie von Ausschüssen fernzuhalten ist das Mindeste, sie werden dann auch nicht wieder als Kandidaten aufgestellt. Da die meisten in ihren bürgerlichen Berufen nicht so gut verdienen wie als Abgeordnete (von weiteren Privilegien gar nicht zu reden), sind sie damit beinahe vernichtet.
Jetzt tun alle so – besonders in empörten Leserbriefen –, als fielen sie aus allen Wolken, und zitieren wieder und wieder jenen Grundgesetzartikel über das freie Mandat.
Wir haben seinerzeit den Mechanismus bei der Bundestagsdebatte über die Rechtschreibreform aus nächster Nähe miterlebt, von der Zuschauertribüne aus und auch schon vorher, als Gäste eines Abgeordneten, den seine Fraktion nicht gegen die Reform sprechen lassen wollte.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 22.02.2014 um 16.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#25220
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Wenn man bedenkt, daß es seit 1949 nur einmal eine absolute Mehrheit im Bundestag gegeben hat, ist es naheliegend, die Wähler schon vor der Wahl nach der präferierten Koalition zu fragen. Wenn es um die Wahl zum bayerischen Landtag geht, sieht die Sache natürlich anders aus.
Es gab außerdem Umfragen nach der Wahl, in denen nach der Koalitionspräferenz angesichts des Ergebnisses gefragt wurde, was sicherlich erst recht nicht zu beanstanden ist.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2014 um 15.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#25219
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Na, wie sollte es anders sein? Wenn man aber die Wähler der Partei A fragt, ob ihnen eine Regierung A oder eine Koalition A+B lieber ist, dann sieht die Sache wohl anders aus. Bei Umfragen kommt es darauf an, welcher Alternativenraum geboten wird. "Angesichts der Machtverhältnisse" fällt vielen wohl nichts anderes ein als das kleinere Übel, das der Bundestag denn auch gewählt hat.
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Kommentar von R. M., verfaßt am 22.02.2014 um 14.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#25218
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Koalitionen kann man zwar nicht wählen, aber andererseits fragen die Meinungsforscher ja regelmäßig nach den Präferenzen, und da liegt dann eine Koalition aus CDU/CSU und SPD meist recht weit vorne.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2014 um 06.38 Uhr
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Tagtäglich wird uns in den Medien vorgehalten: Was beschwert ihr euch, ihr habt doch die Große Koalition gewählt!
Das ist nicht fair. Ich kenne niemanden, der die Große Koalition gewählt hätte. Es haben viele schwarz und viele rot gewählt, weil sie hofften, auf der einen oder auf der anderen Seite ein Mehrheit zustande zu bringen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2013 um 15.21 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=167#22981
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„Der Umgang mit der Gewissensfreiheit des Abgeordneten ist geregelt. Vor einer Entscheidung der Fraktion kann Für und Wider einer Sache offen debattiert werden. Wenn aber die Fraktion beschlossen hat, haben sich die Abgeordneten zur ,Mehrheitsmeinung‘ zu bekennen.“ (Günter Bannas FAZ 13.4.13)
Wo ist das „geregelt“? Vielleicht kann ohne Fraktionszwang nicht regiert werden, aber der Widerspruch zur Gewissensfreiheit bleibt bestehen. Die Gewissensfreiheit steht im Grundgesetz (Art. 38), der Fraktionszwang nicht. Die jetzige Regierungskoalition hat eigens vereinbart, daß es keine wechselnden Mehrheiten geben werde. So machen es natürlich alle und versuchen gar nicht mehr, es dem Volk zu erklären. Diese Alternativlosigkeit der Alternativlosigkeit ruft Widerstände und Politikverdrossenheit hervor, zumal dann, wenn das Volk ahnt, daß sehr erhebliche Bedenken sehr vieler durch die Fraktionsgewaltigen unterdrückt worden sind.
Ähnlich ging es in der KMK zu, als sie gegen besseres Wissen die Rechtschreibreform beschlossen – unter dem selbstverordneten Zwang zur Einstimmigkeit.
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