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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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07.08.2014
 

Totgesagte Wörter
Der Wortschatz ist reicher, als man denkt

Manchem fehlt die Übersicht:

In einem Kapitel widmet der Autor sich jenen ausrangierten Wörtern, die heute nicht mehr gebraucht werden: "feilbieten", "grimmig", "honorig", "lustwandeln", "Prahlhans", "scharwenzeln", "Schmaus", "Scherflein", "vermaledeien", "wacker", "wohlfeil" - allesamt Fälle für die sprachwissenschaftliche Schutthalde. Schade um sie. (Kleine Zeitung 5.8.14)

Keines dieser Wörter ist wirklich ausrangiert, manche bestehen mit veränderter (zum Teil ironischer) Bedeutung weiter. Bei "honorig" habe ich mich schon über inflationäre Verwendung gewundert, auch ein wenig darüber, daß ich es als leicht ironisch empfinde, was aber offenbar nicht bei allen Zeitgenossen so ist.



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Kommentare zu »Totgesagte Wörter«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 15.12.2014 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#27554

zu #26669 und #26660:

Ich hatte endlich wieder Gelegenheit, mit waschechten Leipzigern zu klären, ob man dort evtl. doch Jenossen, jekommen usw. sagt. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Leipziger Sächsisch hat zwar ein paar Unterschiede z. B. zum Dresdener, aber in diesem Punkt macht Leipzig keine Ausnahme. Der immer stark sächselnde Ulbricht hat also sicher nie Jenossen gesagt, auch nicht im kleineren, privaten Kreis. Die Aussprache mit J beginnt, wie ich schon schrieb, erst weiter nördlich in Richtung Halle/Berlin oder südwestlich im Thüringischen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2014 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26734

Auch die Mittelfranken. Meine Frau wollte in einem Erlanger Kaufhaus mittelgroße Teller kaufen. Der Verkäufer fragte, ob sie "Baddideller" meine. Meine Frau verstand zunächst "Body-Teller", was allerdings keinen Sinn ergab. Inzwischen sind wir eingewöhnt und wissen, daß "Party-Teller" gemeint waren.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 13.09.2014 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26733

Danke für den Hinweis. Es gab weder bei Google noch bei Duden die Rückfrage: meinten Sie...
Ja, und die Meenzer und Rheinhessen haben mit dem p so ihre Schwierigkeiten. Der Papa ist der Babba.
 
 

Kommentar von R. H., verfaßt am 13.09.2014 um 05.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26729

Mit der Suche nach "steipern" kommen Sie dagegen weiter, auch ins DWb und selbst in den Duden. Mir selbst ist das Wort im Alemannischen als "schtibbere" bekannt.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 13.09.2014 um 03.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26728

Unser Freund Giannis betreibt, nachdem er und seine Frau sich in Deutschland eine Rente verdient haben, hier in Griechenland auf seinem riesigen Grundstück eine kleine Landwirtschaft mit etwas Vieh zur Selbstversorgung.
Gestern schenkte er uns Äpfel: die müssen weg, die Früchte haben durch ihr Gewicht die Äste abgebrochen.
"Warum hast du sie nicht mit einem Steiber gesteibert, das haben wir früher in Deutschland immer so gemacht?"
Was ist ein Steiber, seine Frage. Ein Steiber ist ein Stock von einem Baum, den man nicht zum Brennholz geworfen hat, von verschiedener Länge, mit einer Astgabel an einem Ende. Der wurde den schweren Ästen untergeschoben, sie wurden gesteibert bis zu Reife. Man warf sie dann auf einen Haufen für nächstes Jahr. Meine Oma war immer sehr dahinter her, wehe, man ging mit der Krücke nicht sorgsam um und hat bei der Herausnahme die Astgabel gebrochen!
Ich habe mal ein bißchen erfolglos nach dem Steiber gegoogelt und ´gedudent´. Steiber gibt es sehr wohl als Eigenname, ansonsten unbekannt.
Mein Mainzer Wörterbuch habe ich hier nicht greifbar, vielleicht ist Steiber ein Wort aus dem Rheinhessischen.
Jedenfalls war meine Frau von Giannis´ Äpfeln sehr angetan. Sie sind saftig, teilweise sogar etwas säuerlich, was wir schätzen, und vor allen knackig frisch.
Ein anderer deutscher Freund hatte Giannis die jungen Bäumchen aus deutschem Obstbau geschenkt. Giannis wußte sogar die Sorten. Normalerweise braucht ein Apfelbaum im Winter Frostgrade. Die gibt es hier nicht. Trotzdem hat unser Freund wunderbare Früchte gezüchtet.
Ist jemandem der Steiber schon mal begegnet?
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 09.09.2014 um 01.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26689

Das kenne ich auch, nur andersrum.
 
 

Kommentar von Hermann Schwab, verfaßt am 08.09.2014 um 22.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26688

zu 26499 Antlitz:

Das erinnert mich an die kleine Geschichte:

Sie sagt zu ihm:
Ich habe deine Waschlappen genommen, weil die ja so klar mit aufgesticktem 'A' und 'G' gekennzeichnet waren.
Ja, antwortete er, A wie Antlitz und G wie Gesäß.


 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.09.2014 um 10.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26669

Dazu kann ich nun nur Mutmaßungen anstellen. Zum "komischen Vogel" hatte ich mich nicht geäußert, und der hat auch mit dem hier Diskutierten nichts zu tun. Dann darf ich wohl den Ausdruck "Wortklauberei" als Zustimmung in der Sache ansehen.

Das Zitat über Ulbricht und die "Jenossen" hat ebenfalls nichts damit zu tun, klingt aber hier nach Widerspruch und soll mich wohl bloßstellen. Sind Sie vielleicht auch aus Sachsen, lieber Argonaftis? Wann soll Ulbricht denn "Jenossen" jesacht ham?
In einigen Ulbricht-Videos z. B. auf Youtube kann man noch deutlich "Genossen" hören. Ich bin im Erzgebirge geboren und zur Grundschule gegangen, später habe ich bei Dresden und danach in Leipzig und bei Berlin gewohnt. Es gibt anscheinend eine Veränderung von Süd nach Nord. Im Erzgebirgischen (was kein Sächsisch ist) wird sogar umgekehrt das J als G gesprochen: gung (jung), Gack (Jacke), geschen (jagen), ... In der Dresdner Gegend spricht man G als G aus. Aber Ulbricht stammte aus Leipzig. Ich bin nicht mehr sicher, wie die Leipziger das G sprechen, jedenfalls mag da schon der Einfluß von Halle, Magdeburg, Berlin, auch Thüringen eine Rolle spielen. Vielleicht hat Ulbricht sich in seinen öffentlichen Reden Mühe gegeben und "Genossen" gesagt, während er im privaten vielleicht Jenossen sagte? Möglich, aber wohl nicht belegbar, während "Genossen" mehrfach belegbar ist. Eine Parodie "Liebe Jenossen und Jenossinnen" ist sicher berechtigt, aber ich denke, weniger in bezug auf Ulbricht. Mehr wollte ich dazu nicht sagen.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 05.09.2014 um 00.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26661

Zu #26545
Nicht so Julia Klöckner von der CDU, sie nennt sich Schirmfrau.
Hatten wir, glaube ich, schon mal.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 04.09.2014 um 22.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26660

Zu #26657
Mit dem Einwand hatte ich gerechnet. Es war aber schon alles bezüglich des "komischen Vogels" gesagt.
Ich verzichte auf weitere Wortklauberei und verweise mal einfach so auf folgenden Eintrag:
zu Argonaftis, #17894:
Es ist schon so lange her, daß ich mich nicht direkt erinnern kann. Aber Ulbricht war ja Sachse, daher kann er keinesfalls "Jenosse" gesagt haben, sondern nur "Genosse". Das J statt G benutzen die Berliner und andere "Preußen", nachzulesen hier:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1040#17898
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.09.2014 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26657

Die Diskussion über baß, fürbaß (zuletzt in http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=987#26651) gehört ja eigentlich eher zu diesem Thema. Die selten gewordenen Wörter kenne ich nur als fürbaß (vorwärts/voran) gehen und baß (sehr) erstaunt sein. Nur so finde ich es auch in Wörterbüchern. In fürbaß erstaunt sehe ich keinen Sinn, oder was sollte das sonst bedeuten?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 19.08.2014 um 16.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26581

Dann ist man cool.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 19.08.2014 um 10.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26580

Der „gute Gesellschafter“ ist offenbar veraltet. Man kann unterhaltsam smalltalken, Konversation machen oder vielleicht noch plaudern, aber was ist man dann?
 
 

Kommentar von Gunther Chmela, verfaßt am 16.08.2014 um 21.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26563

Ein schönes altes Wort, das ich nirgendwo mehr lese oder höre, ist das Verb foppen. Ich erinnere mich, daß wir es bereits in meiner Studentenzeit – also vor mehr als einem halben Jahrhundert – ab und zu nur im Spaß und ironisch verwendet haben. Uns kam es damals schon als etwas veraltet vor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2014 um 04.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26545

Ein kleiner Münchner Verein (Kindertafel) hat Haderthauer die Schirmherrschaft entzogen. Man wolle sich nicht in den Dreck ziehen lassen.
Schirmherrschaft ist auch so ein Wort, von dem man annehmen könnte, es sei mit der Sache und dem Feudalsystem untergegangen. Es hat aber mit dem Prominentenkult eine neue Umgebung bekommen, und so wird es fortleben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.08.2014 um 12.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26515

Der neue Slogan auf dem Vereinsbus jedenfalls wirkt alles andere als modern. Er lautet „furchtlos und treu“, entstammt zwar dem württembergischen Königshaus, klingt aber leider auch wie ein Spruch aus dunklen Tagen der deutschen Geschichte. (Tagesspiegel über VfB Stuttgart, ähnlich in anderen Medien)
 
 

Kommentar von Andreas Blombach, verfaßt am 08.08.2014 um 15.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26509

Um nicht ganz so steile Thesen vom Aussterben bestimmter Wörter aufzustellen, reichen ja meist schon sehr einfache Recherchemethoden aus, z.B. die Verwendung von Google-Ngrams.
Die meisten Wörter waren nie besonders häufig, da hat sich dann auch nicht viel verändert. Bei grimmig scheint es sogar einen Aufwärtstrend zu geben (schade, dass nur Bücher bis 2008 durchsucht werden). Wohlfeil scheint ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Mode geraten zu sein, allerdings ist die Datenbasis in dieser Zeit auch dünner und das Korpus womöglich weniger balanciert.
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 07.08.2014 um 18.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26499

Ein veraltetes/altes, durchaus auch für viele totes Wort, das mir bei derlei Gelegenheiten immer als erstes einfällt: "Antlitz".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.08.2014 um 17.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26498

Wörter können auch jederzeit "wiederbelebt" werden. In Sprachgeschichten werden solche Fälle angeführt, z. B. auch in Wilhelm Schmidts "Deutscher Sprachkunde" (Berlin 19:72), zum Teil recht überraschend.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.08.2014 um 10.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26496

Kürzlich ist mir das Wort lobesam aufgefallen, das auch eigentlich fast ausgestorben ist. Wenn es nicht gerade in bezug auf Kaiser Rotbart (Kaiser Friedrich) benutzt wird, dann hat es ebenfalls heute einen ironischen oder eher etwas gönnerhaften Klang. Das scheint typisch für altmodische, selten gewordene Wörter zu sein.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 07.08.2014 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1620#26495

Ob die genannten Beispiele ausrangiert sind, ist die eine Frage – eine andere, wie man mit der gerade anbrechenden Hashtag-Mania umgehen soll?
 
 

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