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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.11.2010
 

Meissen und Giessen
Viel Porzellan wird zerschlagen

Bekanntlich wissen viele Leute nicht mehr, wie man Meißen und Gießen schreibt. Im ersteren Fall trägt dazu die Meissener Porzellanmanufaktur bei, die sich tatsächlich schon immer so schrieb.

Wie die Presse gerade berichtet (das ist der Anlaß meines Eintrags), hat die Meissener Porzellanmanufaktur große Mengen Porzellan vernichtet (für 30 Mill. Euro, sagt man), damit die Preise hoch bleiben. Allerdings bedauert man den schlechten Eindruck, den das macht. Im Klartext: Man hätte es wohl lieber heimlich getan. Ich glaube selbst auch nicht, daß dadurch die Nachfrage wieder steigt, denn wer kauft schon teures Prozellan von einer Firma, die so wenig von ihren kunstreichen Produkten hält?

Mein Großvater war als junger Mann Modelleur und Maler an der Meissener Manufaktur, und ich habe als Kind noch einige seiner Figuren und Zeichnungen bewundert. Daran mußte ich jetzt wieder denken. Wie erleben eigentlich die Künstler oder, meinetwegen Kunsthandwerker, die Vernichtung ihrer Werke? (Doch eher Künstler, wenn ich es recht bedenke!)

Kürzlich habe ich Muckross House im Nationalpark von Killarney besichtigt. Dort stand auch eine große Vase aus der Manufaktur. Wahrscheinlich aber schon älter und nicht gerade von meinem Opa …



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Kommentare zu »Meissen und Giessen«
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Kommentar von YN, verfaßt am 17.11.2010 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17211

Die Meißener schreiben ihre Produkte "Meissener", wie ich gehört habe, weil sie auf den internationalen Markt zielen. Das ist zwar verständlich, aber andererseits schade, denn "Made in Germany" kommt dadurch äußerlich nicht deutlich zum Ausdruck.
Im japanischen Fernsehen macht Mercedes seit längerem für ihre Autos auf deutsch Reklame: "Das Beste oder nichts". Natürlich verstehen die meisten Japaner diesen Ausdruck nicht , geschweige denn die langen Sätze "Das ist Herr Naruhodo. Er ist sehr vernünftig ..." , die dieser Losung vorangehen. Die Werbung scheint bei uns gut angekommen zu sein, sie wird nämlich recht oft und lange Zeit wiederholt. Es kommt darauf an, daß man sich auf "Made in Germany" [noch]
verläßt.
Viele Deutsche verzichten auf ihre Muttersprache, wenn sie mit einem internationalen Flair daherkommen wollen, also wenn es auch unnötig ist.
Deutsch sollen Bürger ausländischer Herkunft lernen, heißt es. Das ist gut, aber sollen sie wirklich die Sprache lernen, die ihre Muttersprachler selbst nicht so sehr achten [und deren Rechtschreibung künstlich und amtlich chaotisch gemacht worden ist]?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 17.11.2010 um 17.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17213

Ich erlaube mir hier den Hinweis, daß wir die Diskussion um die unterschiedliche Schreibung der sächsischen Stadt und der ebenda ansässigen Porzellanmanufaktur im April schon einmal geführt haben. Damals sind wir schließlich alle ins Diskussionsforum verschoben worden.

(Wenn die Redaktion einen Verweis setzt, kann man es ganz einfach finden.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.11.2010 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17214

Wikipedia ist sehr fix und berichtet schon über die Zerstörungsaktion:

de.wikipedia.org/wiki/Mei%C3%9Fener_Porzellan#cite_ref-3

Seit wann die Schreibweise so festgelegt ist, konnte ich leider nicht ermitteln.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 17.11.2010 um 18.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17216

Nun gehört die Diskussion ja zum Tagebucheintrag, weshalb wir keine Verschiebung zu befürchten haben.

Die Schreibdifferenzierung zwischen Doppel-s und ß war im 18. Jahrhundert noch nicht festgelegt. Auf Lessing, der sich auch "Leßing" schrieb, hatte ich im April schon hingewiesen. Die Porzellanmanufaktur entstand bekanntlich 1710. Wenn der Artikel bei Wikipedia gut recherchiert ist, wäre der Städtenamen mit Doppel-s zum erstenmal 1806 als Teil des Namens der Manufaktur erschienen. Das war zu einer Zeit, als beispielsweise Börne im Tagebuch und in Briefen (und später auch in publizierten Texten) noch "Göthe" schrieb. Die Schreibweise von Namen war also immer noch im Fluß.

Und noch im 20. Jahrhundert schrieb sich der Schriftsteller Max Herrmann-Neiße (1886–1941) tatsächlich "Herrmann-Neisse" und wurde so auch meistens gedruckt. Erst im Zuge der Wiederentdeckung des Expressionismus nach der berühmten Marbacher Ausstellung wurde der Namen in den 60er Jahren zu "Herrmann-Neiße" normiert. Denn der gebürtige Max Herrmann hatte erst später den Namen seiner Geburtsstadt an seinen Nachnamen gehängt. Er tat dies übrigens, um nicht mit einem Theaterkritiker gleichen Namens verwechselt zu werden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.11.2010 um 20.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17217

Neuss ist auch so ein besonderer Fall. Laut Wikipedia hieß die Stadt bis 1968 Neuß. Warum man sie damals im Widerspruch zur normalen Rechtschreibung umbenannt hat, habe ich noch nicht herausgefunden.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 17.11.2010 um 22.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17219

Die Umbenennung von Neuß erfolgte sicherlich mit Rücksicht auf das Ausland, und Göthes Name war eben eigentlich – Göthe. Die Schreibung Meissen ist da schon interessanter, denn ss (in der Regel in der langen Variante) nach Diphthongen (außer am Silbenschluß) war die vor Adelung dominierende Schreibung.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.11.2010 um 00.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17233

Ein Stückchen flußaufwärts von Meißen liegt die bekannte Stadt und ein Stückchen flußabwärts das weniger bekannte Dorf Aussig. Beide findet man ab und zu auch als Außig geschrieben, wobei aber das Doppel-s entgegen der üblichen Rechtschreibung deutlich überwiegt. Auch in alten Lexika (vor dem 2. WK) fand ich immer Aussig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.11.2010 um 09.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17234

Göthe findet man das ganze 19. Jahrhundert hindurch, auch in Grammatiken. Offenbar wurde das nur als typographische und nicht als orthographische Angelegenheit empfunden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.11.2010 um 21.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17260

Peißen oder Peissen ist der Name folgender Orte:
- Ortsteil Peißen der Stadt Bernburg (Saale) in Sachsen-Anhalt
- Ortsteil Peißen der Stadt Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt
- Gemeinde Peissen in Schleswig-Holstein
- Ortsteil Peißen der Gemeinde Kitzen in Sachsen
(laut Wikipedia)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2010 um 15.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17385

Die vielen Hirsche in den bayerischen Wäldern verursachen "immense Frasschäden". Das berichtet die Süddeutsche heute.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 02.12.2010 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#17386

"Frasschäden" sind "reichsdeutsch" sicherlich falsch, seit der RSR auch schweizerisch. Aber wie hielten es die Schweizer vor der Reform mit dieser Schreibung?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 27.11.2017 um 08.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1366#37113

http://www.schwaebische.de/region_artikel,-Von-Kleiderbuegeln-und-Kirschen-_arid,10042094_toid,581.html

Auf dem Bild sieht man, wie ein pensionierter Lehrer (auch ich war einmal sein Schüler) im Jahr 2014 zwei syrischen Männern die deutsche Sprache zu vermitteln versucht hat. Das mit sorgfältiger Schrift auf die Tafel geschriebene Wortgut kreist um Kleiderbügel, Müllschaufel und Giesskanne. Es ist anzunehmen, daß der Lehrer auch giessen schrieb. Möglicherweise schrieb er auch grüssen, aussen, Strasse an die Tafel. Man weiß es nicht.
 
 

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