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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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09.06.2005
 

Entbildungsprogramm
(Neufassung des Memorandums zur Silbentrennung vom 27.3.2005)

Die Silbentrennung hat sich infolge der Rechtschreibreform vom wahrhaft „marginalen“ Bereich zum zentralen Problem für die Lexikographen entwickelt. Darauf weist auch der stellvertretende Dudenchef in einem Aufsatz hin (Sprachwissenschaft 2/2000).
Dieter E. Zimmer spricht von „absurden neuen Trennregeln“ und stellt fest, daß diese Regeln im Gegensatz zu den bisher gültigen nicht mehr in Textprogramme umgesetzt werden können (Die Welt 2.4.2005). Die Konkurrenten auf dem Wörterbuchmarkt wetteiferten jahrelang darin, wer die meisten Trennstellen gemäß den neuen Regeln verzeichnet: a-brupt, as-tigmatisch, Benzo-esäure, Britanni-ametall, Fide-ikommiss, Hämog-lobin, Malari-aerreger, No i-ron, O-blate, Pog-rom, Zirkumsk-ript. Die Dudenredaktion stützt sich auf eine unveröffentlichte, 60 Seiten umfassende Liste von Trennstellen, die mit der inzwischen aufgelösten Kommission abgesprochen war (vgl. Werner Scholze-Stubenrecht in Sprachwissenschaft 2/2000). Im zweiten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission hieß es bereits: „Im Bereich der Worttrennung einigte man sich darauf, bei einer Reihe von Fremdwörtern Trennungen, obschon prinzipiell möglich, in den Wörterbüchern dann nicht vorzuführen, wenn bestimmte Bestandteile wie -chron, -drom, -gramm, -graph, -klast, -krat usw. auch in anderen Zusammenhängen als Einheiten empfunden werden.“

Mit solchen halbprivat vereinbarten und daher keineswegs verbindlichen Selbstbeschränkungen ist das Problem aber nicht gelöst. Das Aldi-Wörterbuch hat fast alle „prinzipiell möglichen“ Trennungen: Demok-rat, rep-räsentieren, Rep-rint, rep-roduzieren usw., und sie wären bei strikter Orientierung am Regelwerk nicht einmal zu beanstanden, zumal die „vereinbarten“ Trennungen keineswegs intelligenter wirken. Es ist eben von vornherein bedenklich, Trennungen einzuführen, aber dann in den Wörterbüchern zu unterdrücken.

Die Listen scheinen aber nicht einmal auszureichen. Noch das neueste Duden-Fremdwörterbuch (2005) zeigt dieselbe Inkonsequenz wie die ersten reformierten Wörterbücher: Man findet zwar Tausende von waghalsigen, lediglich dem Buchstaben der Reform gerecht werdenden Trennungen wie Dias-pora, Pant-ragismus, raf-raichieren, Ref-reshing, Renek-lode, rest-rukturieren, Su-burb, Subsk-ript, Tee-nager. In vielen, stets unvorhersehbaren Fällen wird jedoch auf eine ebenfalls regelkonforme Trennung verzichtet: An-idrose (aber a-nonym), Ant-arktis (aber An-tagonist), Kranio-stenose (aber Kranios-tat) usw. Während An-o-xie nur einen einzigen überflüssigen Trennstrich hinzubekommen hat, wird A-n-o-re-xie mit deren zwei ausgestattet. Es heißt dip-loid, trip-loid, aber nur okto-ploid usw. Während das Österreichische Wörterbuch Palind-rom trennt, ohne Rücksicht auf andere Zusammensetzungen mit -drom, wollen Duden und Bertelsmann davon nichts (mehr) wissen.

Fremde Eigennamen werden auf die abenteuerlichste Weise getrennt: Tu-ten-cha-mun (Duden 2004). Während das Chinesische immer wichtiger wird und auch die Rundfunksprecher sich um die halbwegs korrekte Aussprache chinesischer Namen bemühen, wollen die Wörterbücher davon nichts wissen. Laotse ist zweisilbig, bekommt im Duden aber drei Trennstellen: La-o-t-se. Während Bertelsmann sich zur sprachgerechten Trennung Jang-tse bekennt (aber inkonsequenterweise auch Ho-ang-ho verzeichnet), will Duden auch Jangt-se gelten lassen.

Die Lösung kann nicht darin bestehen, die Wörterbücher zu immer „konsequenterer“ Anwendung der neuen Regeln zu drängen. Vielmehr tut eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck des Trennens not. Dieser Zweck besteht ja nicht darin, „keine Fehler zu machen“; er besteht vielmehr darin, die Zeilen in gefälliger Weise zu füllen und gleichzeitig das Lesen nicht zu erschweren. Im Deutschen hat sich dazu das auch von der Reform nicht angefochtene Prinzip herausgebildet, zusammengesetzte und präfigierte Wörter zunächst in ihre Konstituenten zu zerlegen und dann nach Sprechsilben zu trennen. (Das amtliche Regelwerk ist bekanntlich fehlerhaft strukturiert, da es die Reihenfolge dieser beiden Grundregeln vertauscht: § 111 gehört vor § 107; die Verteidigung der jetzigen Reihenfolge im vierten Bericht der inzwischen aufgelösten Kommission überzeugt nicht.)

Ein altes Problem ergibt sich daraus, daß erstens einheimische Zusammensetzungen bis zur Undurchschaubarkeit verschmolzen sein können, zweitens bei Fremdwörtern für den weniger gebildeten Sprachteilhaber die Durchsichtigkeit ohnehin nur in Grenzen gegeben ist. Die Reform „löst“ das Problem, indem sie für alle Zweifelsfälle silbische Trennung zuläßt, morphologische Trennung aber nicht untersagt. In dieser auf den ersten Blick salomonischen Lösung steckt der Keim des Zerfalls. Die Schweizer Reformer haben das erkannt und wollen, wie wir sehen werden, auf recht gewalttätige Weise vorbeugen.

Betrachten wir die Folgen zunächst für die einheimischen Wörter. Wir sprechen meistens (aber nicht immer und mit regionalen Unterschieden) herum, einander, vollenden usw. gebunden. Wer den Aufbau dieser Zusammensetzungen nicht mehr durchschaut, darf nach Sprechsilben trennen. Die Dudenredaktion gibt vor, die Zusammensetzungen nicht zu durchschauen, und trennt in ihrem eigenen Schreibbrauch grundsätzlich nur noch he-rum, nebenei-nander usw. (Bei Schülern fördert die neue Trennweise die schon länger bekannte hyperkorrekte Syllabierung her-rum, vor-raus usw.) Ich halte das nicht für wünschenswert und glaube auch nicht, daß gebundene Aussprache notwendigerweise auf morphologische Undurchschaubarkeit schließen läßt. Vielerorts spricht man auch Verein usw. gebunden und ist sich dennoch über die Präfigierung völlig im klaren.

Wichtiger ist die Fremdwortfrage. Bei einigen gut integrierten Fremdwörtern, besonders aus dem Griechischen bzw. nach griechischem Vorbild geschaffenen, war die silbische Trennung bereits vor der Reform angebahnt: Epi-so-de, Ka-lei-doskop, Ka-tode, Le-thargie. Die Neuregelung möchte den Schülern und Wenigschreibern entgegenkommen, keiner soll sich mit falschen Trennungen blamieren können. Das Gegenteil wird erreicht: Die beiden Trennweisen werden ja niemals als gleichwertig gelten, sondern es wird immer die bessere Trennweise der Kundigen einer behelfsmäßigen zweitklassigen Trennung durch den Unwissenden gegenüberstehen. Das hat übrigens schon Bernd-Axel Widmann von der Schulbehörde Hamburg in einer Stellungnahme zum Reformentwurf vorausgesehen. Er schrieb am 14.10.1994 an die KMK: „Es könnte sein, daß zukünftig in zwei Klassen von Schreibern unterschieden wird: in eine Elite, die allgemeingebildet ist und größere Chancen z. B. bei Einstellungen hat, und in eine große ungebildetere Gruppe, die vereinfacht schreibt und geringere Aufstiegschancen besitzt.“ Zur gleichartigen Vision der Schweizer Reformer Gallmann und Sitta s. u.

Das Problem ist für Selbstschreibende nicht ganz so brennend, denn wer nicht weiß, wie z. B. Kontrition zusammengesetzt ist, wird es wahrscheinlich ohnehin nicht gebrauchen. Die vom Duden (2004) vorgeschlagene Trennung Kont-rition braucht er daher nicht in Anspruch zu nehmen. Wer das Wort andererseits kennt und benutzt, dürfte auch wissen, wie es sich zusammensetzt. Die Rechtschreibreform hat implizit den Schreiber von Fremdtexten im Auge, der nach Diktat einen Text schreibt, den er nicht versteht. Gerade ein solcher Schreiber oder vielmehr eine Schreiberin, denn es ist typischerweise die Sekretärin, kann mit der Billigschreibung nichts anfangen. Die Professorin kann und wird nicht zulassen, daß ihr Text durch A-nurie, Ap-lanat, Apop-tose, Apos-t-roph, Herost-rat, Legas-thenie, Manusk-ript, Metas-tase, Me-töke, Monoph-thong usw. verunziert wird. Welcher Mediziner wird den Fachausdruck für einen Fehlgeburt A-bort schreiben? (Duden-Fremdwörterbuch; in Langenscheidts Großwörterbuch DaF wird der Abtritt so getrennt, das DUW trennt vorsichtshalber in beiden Fällen überhaupt nicht mehr.)

(Oder doch? Immerhin erscheinen im Verlag de Gruyter sprachwissenschaftliche Fachbücher, in den man lesen kann: As-pekt, prob-lematisch, Kons-tituente, Res-triktion, hie-rarchisch [Ágel, Vilmos u. a., Hg.: Dependenz und Valenz. Erster Halbband Berlin 2003; = HSK 25.1]. Die Produkte dieses Unternehmens sind in allen Bereichen der Orthographie besonders verwahrlost; allein die beiden HSK-Bände „Deutsch als Fremdsprache“ enthalten schätzungsweise 3.000 orthographische Fehler.)

Außerdem unterläuft die exzessive Silbentrennung den Bildungsanspruch der Schule. Man sieht dies zum Beispiel an folgendem Eintrag im neuen Fremdwörterduden: A-nekdote „noch nicht Herausgegebenes“ – wo die beigegebene Erklärung der unsinnigen Trennung den Boden entzieht. (Das Duden-Universalwörterbuch versagt sich, um die unsinnige Abtrennung des A- nicht präsentieren zu müssen, sogar die morphologisch richtige Trennung An- und läßt die Trennbarkeit erst mit Anek- beginnen.)

Nachdem die „Chronik der Weltgeschichte“ (Chronik-Verlag 2000) Dry-opithecus getrennt hat, glaubt sie wohl selbst an den „Opithecus“ und unterzieht auch den Austral-opithecus einer entsprechenden Operation.
Besonders die Präfixe und Präfixoide aus den alten Sprachen sind heute das Material einer ungemein fruchtbaren Lehnwortbildung. Es ist widersinnig, ständig neue Wörter mit inter-, anti-, para-, bio-, öko- usw. zu bilden und gleichzeitig so zu tun, als erkenne man diese Bestandteile nicht wieder: Inte-resse, Mikros-kop, Prog-nose usw. Mit Katastrofe, wie ursprünglich geplant, könnte man sich abfinden, mit Katas-trophe und Katast-rophe (Duden, ÖWB) nicht.

Das „Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache“, nach dem auch Franzosen Deutsch lernen, kennt nur noch malt-rätieren und ungezählte andere Torheiten dieser Art! Aber an Deutsch als Fremdsprache und die Auslandsgermanistik ist ja bei der Reform sowieso nicht gedacht worden. („Bei den Reformüberlegungen spielte der Erwerb des Deutschen als Fremdsprache // Zweitsprache keine Rolle.“ Goethe-Institut, Website)

Welches bildungspolitische Konzept der neuen Silbentrennung zugrunde liegt, geht besonders klar aus den Arbeiten der Reformer Gallmann und Sitta hervor:

„Wo Varianten vorkommen, sehen die Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber oft nicht ein neutrales Nebeneinander; vielmehr besteht die Gefahr, dass es zu Vorzugsvarianten und Varianten minderen Werts kommt. Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass (vor allem bei denen, die Latein und Griechisch lehren oder lernen) die Trennung des Typs Päd-ago-gik oder He-li-ko-pter gegenüber der des Typs Pä-da-go-gik und He-li-kop-ter zur Vorzugsvariante wird – und sich damit eine Schreibung für die Gebildeten und eine für das 'Volk' etabliert. Eine solche Entwicklung wäre nicht zuletzt deswegen ärgerlich, weil dann bei der eines Tages zu erwartenden Aufgabe der Variantenschreibung die Trennung nach Sprechsilben als Variante minderen Werts aufgegeben würde. Hier hat die Schule eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.“ (Peter Gallmann / Horst Sitta: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, Bern 1999)

Ähnlich im „Handbuch Rechtschreiben“ 1996, S. 197:

„Für die Zukunft heikel ist, dass die Reform einige alte Regelungen nicht einfach abgeschafft, sondern als Varianten bestehen lassen hat. (...) Das gilt für die Trennung zusammengesetzter Fremdwörter. (...) Wo mehrere Möglichkeiten bestehen, sehen die Benutzer oft nicht ein neutrales Nebeneinander, es besteht vielmehr die Gefahr, dass es Vorzugslösungen und Lösungen geringeren Wertes gibt. In unserem Fall könnte das bedeuten , dass – vor allem bei denen, die Latein und Griechisch lernen – bei zusammengesetzten Fremdwörtern die Trennung nach Bestandteilen zur Vorzugsvariante wird. Auf diese Weise könnten sich zwei Trennungen herausbilden: diejenige der 'Gebildeten' und diejenige der 'Ungebildeten'. Eine solche Entwicklung wäre wor allem deswegen ärgerlich, weil aller Erfahrung nach das Nebeneinander mehrerer Möglichkeiten irgendwann wieder aufgegeben wird – eine einheitliche Schreibung wird in unserem Sprachraum ja durchaus als Wert gesehen. Aufgegeben aber würde (...) wohl die Trennung nach Sprechsilben. (...)

Die Schule sollte ihren Einfluss dahingehend einsetzen, dass dort, wo von der Neuregelung mehrere Möglichkeiten angeboten werden, diejenigen vorgezogen werden, das heißt: einzig gelehrt werden, die sich auf das muttersprachliche Sprachgefühl rückbeziehen lassen. (...) Auch in zusammengesetzten Fremdwörtern wird grundsätzlich silbisch getrennt.“

Gallmann und Sitta wissen und geben zu, daß ihr Programm, die sprachkundigen Trennungen in der Schule zu unterschlagen und später ganz zu verbieten, dem Wunsch der Sprachgemeinschaft entgegenläuft. Bezeichnend ist, daß sie von Gebildeten und Ungebildeten nur in Anführungszeichen sprechen. Jugendliche, die Latein (!) und Griechisch (!!) lernen und daher in fremden Zusammensetzungen ohne weiteres die Bestandteile erkennen, sind ihnen ein Dorn im Auge. Solche eingebildeten Schlingel müssen gedemütigt werden, indem man ihnen verwehrt, anders als nach „Sprechsilben“ zu trennen.

Das Programm entspricht genau dem „Wortfamilienwörterbuch“ Gerhard Augsts, einer Apotheose des Banausentums, für die der Verfasser 25 positive und nur eine negative Besprechung erhalten haben will (die negative unter dem Titel „Spekulative Volkslinguistik“ ist die umfangreichste, ich schicke sie auf Wunsch gern zu).

Es ist nicht anzunehmen, daß Sitta und seine drei Schüler (Gallmann, Lindauer, Looser; alle vier sind außerdem Duden-Autoren) im Rat für deutsche Rechtschreibung ihren Standpunkt aufgeben. In der Arbeitsgruppe Silbentrennung wird er von Ulrike Steiner vertreten, die jedoch ein Verbot der morphologischen Trennung nicht in Erwägung zieht.

Die Trennbarkeit von st ist vielleicht der einzige Teil der Rechtschreibreform, gegen den aus sprachwissenschaftlicher Sicht nichts einzuwenden ist; nötig war sie allerdings nicht, denn die bekannte Ausnahmeregel war im Handumdrehen erlernbar. Sie wurde auch vom PC beherrscht, dem man nur die Sonderfälle wie Diens-tag eingeben mußte.

Dagegen ist die Nichttrennbarkeit von ck aus mehreren Gründen verfehlt: sie verstößt klar gegen die richtige Einstufung des ck als Ligatur anstelle von kk nach § 3 der Neuregelung, und sie verstößt eben deshalb auch gegen die Grundregel der Syllabierung. Außerdem führt sie in Verbindung mit der Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben zu unakzeptablen Gebilden wie Dusche-cke usw. Worum es sich wirklich handelt, hat Wilmanns schon vor langer Zeit so gedeutet:

„Das Zeichen (ck) war von den altdeutschen Schreibern mit guter Überlegung gewählt, c bedeutete ihnen im Gegensatz zu k den leichteren, nicht aspirierten Laut; darum steht in der Verdopplung k an zweiter Stelle, wo ein Vokal folgt, c an erster, wo der folgende Konsonant den Laut weniger stark erscheinen läßt.“ (Wilhelm Wilmanns: Die Orthographie in den Schulen Deutschlands. Berlin 1887 S. 136f.) Es sei daher zu trennen „nicht ha-cken, sondern hak-ken; denn es ist kein Grund vorhanden, warum man die Ligatur ck nicht ihrer Bedeutung gemäß auflösen und durch kk ersetzen sollte.“ (S. 246) Übrigens wird dt nach wie vor getrennt: Städ-te. In den neuen Wörterbüchern findet man Trennungen wie Mixpi-ckles. Das erledigt sich wohl von selbst. Abhilfe schafft aber nur die Rücknahme der Reformschreibweise, die ja, was diesen Punkt betrifft, nach einem langen Streit über Zuc-ker/Zuk-ker/Zu-cker eher zufällig eingeführt wurde. Interessanterweise bezeichnet der führende Reformer Dieter Nerius die Nichttrennung von ck ausdrücklich als „von der Silbengelenkschreibung abweichende Ausnahme“ (Fleischer/Helbig/Lerchner: Kleine Enzyklopädie deutsche Sprache. Frankfurt 2001, ähnlich schon in Nerius 1996, S. 84); in der amtlichen Neuregelung selbst und der propagandistischen Begleitliteratur war das nie eingestanden worden.

Neu ist die Bestimmung, daß ss, wo es ersatzweise für ß steht, getrennt wird: beis-sen (§ 110) – ein weiterer Verstoß gegen die Syllabierung, jedoch als Schweizer Konvention hinnehmbar.

Völlig unnötig ist die Abtrennbarkeit einzelner Buchstaben, ein bloßes Ergebnis weltfremder Prinzipienreiterei – damit „keine Ausnahmen“ mehr bleiben (in diesem Fall von der Trennung nach Sprechsilben). Ein einzelner Buchstabe am Ende der Zeile ist niemals informativ, die Trennung daher ausnahmslos sinnstörend. Da die neue Regel – ein regeltechnischer Fehler – mit einer Begründung einhergeht, warum die Abtrennung am Ende eines Wortes nicht stattfindet (weil nämlich der Trennungsstrich denselben Raum einnimmt wie der abgetrennte Buchstabe), haben die Wörterbücher gefolgert, daß im Inneren einer Zusammensetzung oder Präfixbildung die Abtrennung wieder zulässig ist: Kore-akrieg, Bi-omüll usw. So steht es heute in den Wörterbüchern.

Dieser Teil der Reform ist von der Sprachgemeinschaft praktisch überhaupt nicht angenommen worden; nur in Schulbüchern lernen die Kinder:

„Alt: Aber, Atem, Eber, eben, Osten: Buchstaben so ganz allein, liebes Kind das darf nicht sein.
Neu: A-ber, E-ber, e-ben, O-fen, U-fer: Vokale stehen auch allein, das finden sie besonders fein.“
(Sprachbuch 5, Bayerischer Schulbuchverlag 1996)

Während bei der herkömmlichen Silbentrennung einige wenige stilistische Warnungen vor weit hergeholten Anwendungen wie den berühmten Spargel-dern und Drucker-zeugnissen genügten, muß man angesichts der Neuregelung Tausende von Warnschildern aufstellen: Berga-horn, Ebere-sche, Musse-he, Soapo-pera, ebenso die grundsätzlich zulässigen Fälle Kore-akrieg, Bi-omüll usw. Die Unterscheidung von „theoretisch möglichen“ und praktisch empfohlenen Trennungen ist sinnlos, weil das ganze Trennen eine rein praktische Angelegenheit ist und bleibt.



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Kommentare zu »Entbildungsprogramm«
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Kommentar von M. Läuter, verfaßt am 09.06.2005 um 12.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#349

Hierzu ist Einiges anzumerken, zumal dieses Memorandum von jemandem stammt, der in seinem eigenen Wörterbuch
* letzte Buchstaben in den Regeln durchaus für abtrennbar hält (und es auch tut), selbst nach marianisch soll man trennen können,
* regelkonforme Trennstellen weglässt (adaptieren, adaptiv, Offline-Betrieb, zweischläfrig usw.), selbst geradezu diktierte (Apriori, asozial),
* ,Monophtong' schreibt,
* mitten in fremdsprachigen Buchstaben trennt (Wosnes-senski).
Weiterhin stellen sich Fragen: Worin besteht der Widerspruch von Ant-arktis und An-tagonist (beides nach Sprechsilben, bei beiden ist die Vorsilbe nicht vollständig)?
Was spricht dagegen, Wörter aus nicht geläufigen Sprachen oder wirklich heimisch gewordene Wörter so zu behandeln, wie Deutsche sie aussprechen bzw. lesen? Immerhin geht es hier ums Deutsche für Deutsche, auch Ickler trennt Si-oux und Saporosch-je.
Wieviel mehr Information beinhaltet das Zeilenende bei Aa-le oder Ale-xie, Alle-le, Erle-ben und der Zeilenanfang bei Corne-ae? Sollte man nicht auch zweieii-ge verbieten?
Über Mixpi-ckles ist schwer sich aufregen, wenn man selbst Worce-ster trennt.
Gibt es eine Begründung (wenn es schon keiner Regel folgt) für Proko-fjew?

Damit sollen Icklers generelle Überlegungen zu einer vernünftigen Trennung aber nicht verdammt werden. Es muss nur darauf hingewiesen werden, dass sich einfache Regeln fast immer rächen, genauso wie schwammige Abgrenzungen und Einzelfestlegungen. Der Wortschatz hat praktisch immer Gegenbeispiele. Außerdem dürfte es bisher kein Wörterbuch gegeben haben, das das eigene Regelsystem vollständig umgesetzt hat.

Herr Ickler, sicher ist es wichtig, die Abstrusitäten mancher Regelungen in fremden Werken zu monieren, aber bitte verschweigen Sie um der Wahrhaftigkeit willen nicht, dass die Kritisierten auch die richtige Trennung erlauben, also Duden23: Tu-t-en-ch-a-mun, usw.

Endlich ist dem Computer durchaus jedes Trennregelsystem beizubringen. Dieter E. Zimmer hat lediglich beobachtet, dass einmal vorhandene Programme im Nachhinein schwer in Richtung eigener Kriterien zu manipulieren sind. Aber wen wundert das?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.06.2005 um 13.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#352

Mo|no|phthong (einfacher Vokal)

(Ickler: Normale deutsche Rechtschreibung, S. 351)
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 09.06.2005 um 13.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#353

Zu M.Läuter:

Wer weiß, wovon er redet , spricht Ant-agonist, genau wie es zu trennen ist.

Saporoschje und Prokofjew dürften seltener zur Trennung anstehen, als korrekterweise untrennbare Wörter wie Mensch, Ramsch, nichts etc., bei denen man über eine Konvention zur Nottrennung nachdenken sollte.
Was gegen Worce-ster spricht, kann ich nicht erkennen.

Als dreist empfinde ich das Argument betr. Tu-t-en-ch-a-mun. Ein solcher Wörterbucheintrag, der sowieso überflüssig ist, hilft wirklich niemand. Bei richtiger Sprechweise entspricht nur die Trennung Tut-ench-amun der Trennung nach gesprochenen Silben, da nach dem ch ein Glottisschlag fällig ist, wie übrigens auch bei Ver-ein, Ver-an-stal-tung etc.
 
 

Kommentar von M. Läuter, verfaßt am 09.06.2005 um 13.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#354

Es ist ja nicht so, dass ich mir das ausgedacht hätte:
mo|no|phthon|gie|ren (in einen Monophtong umwandeln)

Gegen Worce-ster spricht, dass die korrekte Syllabierung Worces-ter ist. Die Konvention gegen die Trennung von ck hier, von st dort, führen zum komischen Aussehen. Und keine der beiden Konventionen ist besser als die andere.

Zu Tu-t-en-ch-a-mun musste ich jedenfalls sofort erschreckt im Duden nachsehen, ob er wirklich nur die von Ickler erwähnte Trennung diktiert. Dem war natürlich nicht so. Und um es nochmal klarzustellen: Gegen diese neuen Dudentrennstellen bin auch ich.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 09.06.2005 um 14.24 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#355

M. Läuter: Die Konvention gegen die Trennung von ck hier, von st dort, führen zum komischen Aussehen. Und keine der beiden Konventionen ist besser als die andere.

Es gibt da schon noch Unterschiede: Zum einen ist die Nichttrennung von ck keine Konvention im eigentlichen Sinn einer Übereinkunft, sondern das Ergebnis der Bemühungen Prof. Munskes in seiner Zeit als aktiver Reformer. Seinen Aufsatz, mit dem er diesen Regelungsvorschlag begründet, kann man auf diesen Seiten nachlesen (Diskussion –> Rechtschreibreform –> Trennung von ck); er hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Folgt man der Argumentationslinie Munskes und korrigiert die Fehler, kommt man zu dem Fazit, daß die herkömmliche Auflösung in k-k am besten begründet ist.

Zum anderen ist die Nichttrennung von ck – sofern es in einer Silbenfuge steht – immer syllabisch falsch, nicht aber die von st, wenn es sich um einen Superlativ handelt. Auch bei manchen Fremdwörtern bewahrt einen die Nichttrennungsregel von st vor manchem Unfug (Beispiel: Katastrophe).

Fazit: Im Vergleich ist die Nichttrennung von st die etwas harmlosere Regel.
 
 

Kommentar von Walter Lachenmann, verfaßt am 09.06.2005 um 14.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#357

Für eine »Nottrennung« längerer einsilbiger Wörter besteht nun wirklich kein Bedarf. In Not ist durch sie noch niemand geraten und die neuen Satzsysteme bieten viele Möglichkeiten, durch sie entstehende große Wortzwischenräume auszugleichen, sofern man dies überhaupt für nötig hält.
Wie das Silbentrennen überhaupt kein problematisches Gebiet war - vor der Reform. Am Wortende möglichst keine Trennungen mit weniger als drei Buchstaben, am Wortanfang dürfen es ausnahmsweise zwei sein, auch wenn die Sprachlehre kürzere Trennungen zuließe. Bei den neuen Satzprogrammen kann man das sogar voreinstellen, das Denken und Hinschauen wird immer überflüssiger.
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 09.06.2005 um 14.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#358

@M. Läuter:
"Gegen Worce-ster spricht, dass die korrekte Syllabierung Worces-ter ist."

Nein: Die korrekte Aussprache lautet nicht etwa "Wor|sches|ter" sondern "Wu|ster" (mit langem "u"). Die korrekte Syllabierung ist damit tatsächlich Worce|ster. Das gleiche trifft auf einige weitere englische Namen zu, z. B. Leicester und Gloucester (gesprochen "Le|ster", "Glo|ster").
 
 

Kommentar von M. Läuter, verfaßt am 09.06.2005 um 14.55 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#360

Dann liegt wohl das American Heritage® Dictionary of the English Language, Fourth Edition falsch: <http://www.bartleby.com/61/83/W0218300.html>? Darauf hatte ich mich gestützt.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 09.06.2005 um 15.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#362

> Zu Tu-t-en-ch-a-mun musste ich jedenfalls sofort erschreckt im Duden nachsehen

Ickler hat sich möglicherweise mit der Angabe 2004 vertan. In der 21. Auflage jedenfalls steht: Tu-ten-cha-mun.

Was die Nottrennungsfrage betrifft, ist die Lage unterschiedlich für Texte mit breitem Satzspiegel und schmalem, z.B. Zeitungsspalten. Ich gebe allerdings zu, daß im wirklichen Notfall die Regel "Not kennt kein Gebot" letztlich ausreichend ist. Wirksame Abhilfe wäre nur durch Einführung einer platzsparenden Ligatur für sch möglich, wie sie im Fraktursatz mit dem schlanken s und der ch-Ligatur früher gegeben war.
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 09.06.2005 um 16.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#364

Marginale Nötigung

Wenn ich mich an meine Lehrzeit zurückerinnere – an meinen pädagogischen Einsatz in Grund- und Hauptschulen Bayerns – dann stelle ich fest, daß es so gut wie keine Worttrennungsprobleme gab. Spätestens dann, wenn einem Schüler zum zweiten Male eine fehlerhafte Trennung angekreidet wurde – diese wurde genau wie die fehlerhafte Interpunktion mit einem halben Fehlerpunkt angelastet – dann stellte ebenjener Schüler seine Methode um und ließ entsprechenden Freiraum am rechten Zeilenrand. (Er hat dann einfach nicht mehr getrennt! Und das war immerhin eine individuelle Fehlervermeidungstaktik).

Die Paragraphen 107 bis 112 der Neuschreibung lösen nach der allgemeinen Überzeugung derjenigen, die eine Rechtschreibung mit Herz und Verstand befürworten, ein marginales Problem.
Gleichzeitig aber lösen sie ein Rechtschreibdilemma aus, denn jene Paragraphen animieren dazu, im Falle unzureichenden Sprachwissens und Sprachempfindens Trennvarianten zu gebrauchen, die unüblich sind, ja sogar als Sprachwidrigkeiten zu bezeichnen sind.
Die Ansätze der Schweizer Sprachforscher Gallmann und Sitta (siehe oben im Vorspann von Prof. Ickler) könnte man sogar als Nötigung auslegen, denn sie versuchen, den Schüler (die Schule) auf die Neuregulierung einzuschwören, zu dem Zwecke, daß eines Tages das in der Schule Praktizierte den Sprachusus der Gesellschaft dominiert.

Das Problem der Worttrennung am Zeilenende (es bildet den Abschluß des sogenannten Regelwerkes im KWMBI S0.-Nr.1/1996, S 94/95) ist somit kein marginales Problem, denn jener zweiseitige Regelansatz beschneidet die ursprüngliche methodische Freiheit des Schülers, auf Trennungen gänzlich zu verzichten, nötigt ihn statt dessen, von kläglichem und in der Gesellschaft nicht verankertem Wissen missionarisch Gebrauch zu machen.

Ich persönlich habe diese Paragraphen immer als Verschleierungsparagraphen empfunden, deren einzige Berechtigung darin bestand, von einem anderen Sachverhalt abzulenken.
Auch jenen verdunkelten Sachverhalt wird man neu überdenken müssen, wenn die Leere und Inhaltslosigkeit der Paragraphen 107 bis 112 beseitigt und durch praktikables Lehrwissen ausgefüllt sind.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.06.2005 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#365

Herr Läuter hat mit viel Akribie einige Druckfehler im Ickler aufgespürt. Über Druckfehler läßt sich allerdings schlecht diskutieren, sie lassen sich nur abstellen.

Die Syllabierung von Worcester unterscheidet sich nicht von Schuster. So what?
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 09.06.2005 um 16.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#366

An sich sollte man sich über die Trennung von Worcester im Deutschen gar keine Gedanken machen. Normalschreiblich Worce-ster, reformschreiblich Worces-ter wg. der st-Regel.

Für die, die es trotzdem interessiert: Herr Läuter hat mit seinem Zitat aus dem Amerikanischen zwar recht, aber es findet sich - minderheitlich - auch die Trennung Worce-ster, vorwiegend in britische Quellen. Das Suffix -ster wird offenbar nach Vokal aufgetrennt, nach Konsonant nicht, also Ul-ster, Leins-ter, Ches-ter.

Auch bei seriösen Textprogrammen gilt die Trennung des Wortes als Problemfall, siehe http://www.tug.org/pipermail/texhax/2004-August/002490.html
 
 

Kommentar von Karsten Bolz, verfaßt am 09.06.2005 um 17.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#367

@M. Läuter "Dann liegt wohl das American Heritage ... falsch..."

Jetzt ist bei mir der Groschen gefallen: Trennungen im Englischen sind ein Thema für sich. (Ich habe die englischen Trenn-"Regeln" - so es denn wirklich solche gibt - nie verstanden.) Wenn man amerikanische Bücher aus dem DV-Bereich liest, geht es dort munter drunter und drüber.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.06.2005 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#369

Für Hinweise auf Druckfehler bin ich immer dankbar gewesen, so auch diesmal. Ich sollte vielleicht noch darauf hinweisen, daß ich in problematischen Fällen wie Sioux und auch bei Wörtern aus Bantusprachen, von denen ich einige Kenntnis habe, ganz bewußt bei einer traditionellen Dudentrennung (1991) geblieben bin, um möglichst wenig zu ändern. Unsere kindliche Aussprache der Namen von Indianervölkern weicht gewiß sehr von deren eigener ab, wird aber allgemein und auch vom Duden anerkannt.

Ich habe auch nicht behauptet, daß die neuen Wörterbücher die besseren Trennungen nicht erlauben, sondern das Ärgernis besteht darin, daß schlechtere Trennungen unterschiedslos und unnötigerweise ebenfalls angeführt werden.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 10.06.2005 um 11.46 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#371

Aus rein sprachwissenschaftlicher Sicht mag nichts gegen die Trennung fins-ter, Meis-ter sprechen. Klug ist die herkömmliche Regelung, st nicht zu trennen, trotzdem gewesen. Denn gerade diese Verbindung steht, anders als z.B. das traditionell getrennte tz, überaus oft nach (oder auch vor) einer Silbenfuge. Die Aufhebung der bisherigen Regel würde unweigerlich verräterische Trennungen wie Ins-titut, kons-truieren oder, wie gestern jemand hier voraussah, Katas-trophe nach sich ziehen. Ästhetisch unbefriedigend wären auch bedeutends-te oder attraktivs-te. Diens-tag, Donners-tag und Sams-tag wird man sich dann wie bisher merken müssen.
Zum Schluß noch was zum Kopfschütteln. Für die neueste Ausgabe des Magazins "Hochschulpolitik aktuell" hat Wilfried Kürschner von der Universität Vechta (die gibt es tatsächlich) einen Beitrag verfaßt. Dem Artikel sind die gerafften Gedanken des Autors im Fettdruck vorangestellt, höchstwahrscheinlich von der Redaktion, denn da liest man: Die Folge ist, daß usw. Im Artikel selbst heißt es tapfer dass und muss. Des Rätsels Auflösung folgt am Ende: "Der Beitrag erscheint auf Wunsch des Autors in der neuen Rechtschreibung."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2005 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#373

Kollege Kürschner hat sich jahrelang für die neue Rechtschreibung (in eigenwilliger Auslegung) eingesetzt, auch eine "Vechtaer Konvention" erfunden und eine entsprechende Homepage unterhalten (www.orthografiereform.de), die aber seit längerer Zeit nicht mehr gepflegt wird. Sein Buch scheint nicht viel Verbreitung gefunden zu haben, es wird nirgendwo erwähnt. Wie alle Verteidiger einer verlorenen Sache wird er sich nun, da die Steuerleute selbst von Bord gegangen sind, nicht besonders wohl fühlen. Wenn jemand wie er heute einen Aufsatz in neuer Rechtschreibung einreicht, muß er damit rechnen, daß die gewählte Version schon bei Auslieferung überholt ist. Das ist natürlich keine so schöne Erfahrung, aber als Germanist hätte er damit rechnen müssen.

Zur Zeit gibt es keine amtliche Rechtschreibung mehr, sie wird aber am 1. August verbindlich. Wie kommt ein begeisterter Reformanhäger und Lehrerausbilder damit zurecht?
 
 

Kommentar von M. Läuter, verfaßt am 10.06.2005 um 12.29 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#374

Wenn Sie die von mir angesprochenen Punkte alle für Druckfehler halten, dann bin ich wohl missverstanden worden.

Erstens weiß man bei einer Quote von einem knappen halben Prozent im Ickler2 nicht, ob man gerade einem ,,Druckfehler'', einer Merkwürdigkeit oder einer Einzelfestlegung aufsitzt oder ob die Regeln im vorderen Teil absichtlich ignoriert worden sind. Das war für Ickler selbst bei der Kritik anderer Wörterbücher auch nie eine Frage. Wichtig ist das, was am Ende auf dem Papier steht. Proko-fjew ist kein Druckfehler, sondern vom Duden übernommen. Hier interessiert mich aber ein Grund, der nicht auch für Turge-njew spricht.

Zweitens wollte ich durch meine Frageliste darauf aufmerksam machen, dass auch Prof. Ickler viel zu tun hat, wenn er dem Memorandum mit seinem Wörterbuch gerecht werden will. Während er eine korrekte chinesische Trennung anmahnt (ob die in jedem Fall für Deutsche das Lesen erleichtert?), scheint er z. B. beim Russischen weniger Sorgfalt für möglich zu halten. Natürlich sind manche Wörter mehr im Deutschen heimisch als andere, dieses Kriterium spielt aber weder in seinen Regeln eine Rolle (bei Einzelfestlegungen aber schon), noch ist die Abgrenzung leicht oder nachvollziehbar. Zudem wird manchen Wörtern die Eingliederung ins Deutsche durch Erzwingung der fremdsprachigen Trennung geradezu verweigert.

Drittens sind nicht alle seine Argumente zwingend. Ein Test, ob (Medizin-)Professoren Is-churie nicht sogar selbst trennen würden oder Is-chias anstreichen würden, obwohl sie etwas davon verstehen, wäre interessant. Dass sie gegen die klassische Trennung sprechen, ist belegt.
Bei der Liste der irreführenden Zeilenenden sieht man, dass die Probleme nicht erst mit der Reformschreibung begannen. Anscheinend war es bisher kein Problem, warum muss man sich jetzt so sehr darüber echauffieren?

Viertens hat Icklers Regelwerk mit der Abtrennung von Endbuchstaben (die aber meistens grundlos verweigert wird) und der Trennung in der Nähe von Zusammensetzungsfugen ein Problem (eben bei Apriori usw.). Wenn das Druckfehler sind, möchte ich sehen, wie die Korrektur durch wenige Zeichen aussehen soll.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2005 um 12.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#375

Wenn man sich schon so viel philologische Mühe gibt wie Herr Läuter, sollte man auch korrekt lesen. Also, wie gesagt, ich habe - oben kann man es ja nachlesen - nicht gesagt, daß der Duden die komische Zerlegung von Tutenchamun "diktiert". Aber wie ich beim Nachschlagen feststelle, ist der Wechsel von Tut-ench-amun zu Tu-ten-cha-mun (immer mit der Variante -a- statt -e-) bereits 1996 erfolgt, und zwar ohne Hinweis auf die Neuerung, falls man nicht den rotgedruckten Verweis auf R 132 als solchen verstehen soll, der aber nicht interpretierbar ist, jedenfalls die "richtige" Trennung damals noch nicht wieder zu rekonstruieren erlaubt. Man fragt sich, was die Veränderung mit der Rechtschreibreform zu tun hat, welche Überlegungen also in den Dudenredakteursköpfen dazu geführt haben mögen. Es ist wahr, im neuesten Duden findet man fünf Trennstellen beim guten Tut, zwei alte (gute) und drei neue (schlechte) - aber ist das eine Antwort, wenn jemand nachschlägt, um sich belehren zu lassen, und nicht um das zu finden, was er sich im Zustand völliger Unwissenheit selbst denken könnte?

Es wäre übrigens ganz nett und konstruktiv, es nicht bei einem "usw." zu belassen und damit den Eindruck zu erwecken, als sei die Reihe der Druckfehler und Versehen endlos fortsetzbar, sondern mir die Funde per Mail zukommen zu lassen, damit sie bei nächster Gelegenheit ausgebessert werden. Ich halte das jedenfalls immer so.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.06.2005 um 16.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#376

Die letzten beiden Einträge haben sich zeitlich überschnitten, so daß meiner keine Antwort auf den von Herrn Läuter ist, wie man vielleicht meinen könnte.

Viele der angesprochenen Probleme haben wir schon unter rechtschreibreform.com diskutiert, aber das ist ja nicht mehr zugänglich.

Die Transkription fremder Namen und Wörter ist ein letztlich unlösbares Problem, in vielen Fällen einfach eine Ermessensfrage. Das beginnt schon bei der einfachen Wortschreibung, unabhängig von der Trennung. Teils lösen wir die palatalen Konsonanten des Russischen auf, als wären es zwei (und trennen dann auch so), teils nicht. Sogar in unseren Zeitungen finden wir, wie schon gesagt wurde, keine einheitliche Transkription mehr.

Noch wenig bedacht wurde bisher, daß die beiden antiken Sprachen eine ganz andere Stellung im heutigen Deutsch haben als z. B. Russisch oder Chinesisch.

Mein Umgang mit Suahili-Wörtern ist nicht konsequent, das wird jeder bemerken. Es ist aber Absicht, nach Diskussion mit einem Kenner. Den Indern hat es beliebt, ihre größten Städte umzubenennen. Die bekannteren chinesischen Städte nennen wir teils wie gehabt (Peking), teils neu (Tianjin statt Tientsin - ich habe übrigens eine Zeitlang dort gelebt, wie zuvor in Neu-Delhi, New Delhi, Nayi Dilli ...).

Man kann es auch zu weit treiben. Daß der Duden weiterhin Kambodscha sagt, finde ich in Ordnung, die Eiertänze anderer Wörterbücher usw. sind eher lächerlich. (Die weitere Trennstelle ist allerdings überflüssig.)

Viele Rundfunkanstalten bemühen sich, wenigsten die Grundzüge der chinesischen Sprache mit ihren einsilben Morphemen/Wörtern einigermaßen abzubilden. Das ist zu begrüßen, es zeugt von Sprachkultur. In meinem Wörterbuch gibt es noch einige Unebenheiten, sie sind aber z. T. beabsichtigt, weil ich im Einzelfall kein Befremden auslösen wollte.

Ich echauffiere mich deswegen nicht, aber ich finde die Fülle von reformbedingt neuen Trennweisen im Duden unnütz und halte sie nicht für einen Gewinn. Ähnliches könnte man für die Vulgäraussprache sagen, die der wachsenden Englisch-Kenntnis genau entgegenläuft.
 
 

Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 10.06.2005 um 20.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#383

"Proko-fjew" und "Turge-njew": Weil das deutsche Zeichen "j" dafür steht, daß im Russischen sowohl der vorhergehende Konsonant erweicht als auch der folgende Vokal jotiert wird, also beider Aussprache beeinflußt wird, sollte unmittelbar vor und nach dem "j" nicht getrennt werden.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 11.06.2005 um 02.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#384

Für eine »Nottrennung« längerer einsilbiger Wörter besteht nun wirklich kein Bedarf. (Herr Lachenmann)

Doch, für Nottrennungen besteht zwar nicht oft, aber manchmal schon ein Bedarf, jedenfalls im engen Spaltensatz. Es geht dabei aber nicht um einsilbige Wörter, sondern um die Beteiligung von Silben, die in der Schreibung eine lange Zeichenkette ergeben, und grundsätzlich geht es auch um ungünstige Trennstellen. Gerade dafür ist Worcester ein Beispiel: "Wu" wird hier Worce geschrieben: ziemlich lang. Und die Trennung danach ist leider ungünstig, in erster Linie deshalb, weil sie lesetechnisch die ohnehin schwierige, weil ungewöhnliche Aussprache erschwert. Man muß schon Worcester als Ganzes sehen, um gleich die richtige (gedankliche) Aussprache hinzukriegen. (Wie die Engländer damit umgehen, ist für uns uninteressant, wie Herr Bolz bereits bemerkt hat.) Für den Fall, daß es aber am Zeilenede so hinläuft, wird man schon eine Trennstelle manchmal nutzen wollen, und diese sollte dann auch im Wörterbuch stehen. Dann gilt (Herrn Markner): Worcester = Wuster = Schuster.

Ungünstige, fragliche Trennstellen gibt es viele, auch ohne rein fremdsprachliche Wörter. Zum Beispiel: Nati-on. Im italienischen nazione ist das i noch ein eigener Vokal, im englischen na-tion hat es keinerlei Silbenwert mehr, sondern ist mit dem Rest zu einer Silbe tion verschmolzen. Wir stehen mit den Franzosen in der Mitte, wir haben einen Halbvokal, eine Halbsilbe. Entsprechend wäre das eine "halbe" Trennstelle - eine ungünstige.

Man könnte nun den ganzen Inhalt des Wörterbuchs aufbereiten und die Trennstellen vollwertigen Trennstellen und Bedarstrennstellen unterscheiden. Dabei kann man sich über die Grenzen natürlich wieder streiten. Von der Sache her durchaus berechtigt; doch könnte ein Computer, der das heutzutage meistens übernimmt, nicht viel damit anfangen. Er könnte höchstens die Option bereitstellen "Nottrennungen zulassen? - Ja/Nein/Mit Bestätigung".

Bevor man sich an so etwas macht, sollte man aber zuerst den gigantischen Müll an Trennstellen beseitigen, die die Reform auf uns gekippt hat, siehe den Beitrag im Tagebuch. Das ist zehntausendmal wichtiger.

Und den Reformfreunden schlage ich vor, für Worcester noch schnell die Schreibung Wuster zu beantragen, also Wus-ter-so-ße. Am besten direkt bei der Kultusministerkonferenz; im Rat neigen sich ja die Mehrheiten gegen solche Ansinnen. Es wäre jedenfalls heroischer, als zum Beispiel dem Känguruh ein h abzusäbeln. Man kann aber auch einfach so schreiben und wird dann schon sehen, ob die anderen 100 Millionen mit der Zeit darauf abfahren oder nicht.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 11.06.2005 um 06.26 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#385

Das Pendant zu Worcester ist Gloucester. Ich erinnere mich, auf der Zugfahrt nach Cheltenham in der sommerlichen Mittagstille die Stationsansage „Glååå-strr, Glååå-strr“ gehört zu haben.
 
 

Kommentar von Fritz Koch, verfaßt am 11.06.2005 um 07.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#386

In der Schlegelschen Übersetzung von Shakespeares "König Richard der Dritte" gibt es nur einen "Richard, Herzog von Gloster, nachmals König Richard der Dritte". Oder gibt es auch eine englische Grafschaft "Gloster"?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 03.06.2006 um 18.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#4247

Re: "Für eine »Nottrennung« längerer einsilbiger Wörter besteht nun wirklich kein Bedarf." (Lachenmann, #357)
Ach, diese "Nottrennungen"! Herr Wrase hat zwar recht, "für Nottrennungen besteht zwar nicht oft, aber manchmal schon ein Bedarf, jedenfalls im engen Spaltensatz." Aber deshalb trennt man doch nicht "Nati-on"! Und "im engen Spaltensatz" geht's doch sowieso fürs Auge oft wild zu, das läßt sich gar nicht vermeiden. Ich habe mich von einem Kollegen, dessen Vater Korrekturleser bei einem amerikanischen Verlag war, zu dessen Verlagsdirektiven hierzu mal beraten lassen. Also: Worttrennung nur an Silbengrenzen. Ausnahme a: Gebundene Morpheme (comfort-ing, box-es). Ausnahme b: Nie Worttrennung an einer Stelle, wo das Ende des ersten Teils zu einer falschen Aussprache führen würde (fortific-ation [nicht: *fortifi-cation] aber: fortifi-er). Wörter wie "thorough" und "Worcester" (#358) werden also nie getrennt.
Aber dann kommen die viel interessanteren Zusatzregeln fürs Auge, also fürs leichtere Lesen: Auf einer normalen Buchdruckseite höchstens ein halbes Dutzend Wortrennungen! Und: Nie Wortrennungen am Ende von mehr als zwei aufeinander folgenden Zeilen! Sodann: "Schlangen"! Wenn auf einer Seite die weißen Zwischenräume zwischen den Wörtern über mehrere Zeilen hinweg als weiße "Schlangen" ins Auge fallen, müssen die Zeilen durch Veränderung der Weite der Zwischenräume und Wortrennungen neu gesetzt werden. All das bestimmt die Wortrennung im gefälligen Buch; denn das erleichtert das Lesen.
In der Schule umgeht der gescheite Lerner mit Blick auf gute Noten jedes Problem, indem er Worttrennung einfach vermeidet, — was sogar sehr gut ist. Und der moderne Satz in vielen Zeitschriften mit engem Spaltensatz liefert dazu auch das Vorbild. So gerade auf der rechten Seite muß nun mal in der Schule nicht alles sein. Derartige Anpassung können die Kultusminister getrost den professionellen Setzern und Herausgebern der Schülerzeitung überlassen. Worttrennung am Ende der Zeile später am Objekt zu lernen ist noch zeitig genug. (Und da ist was zu lernen: Wie oft sehen wir nicht heute falsche Bindestriche in einer Zeile, weil der Herausgeber den Text gedankenlos aus einem anderen elektronisch gespeicherten Text übernommen hat, wo der Bindestrich mal am Zeilenende richtig stand. Und "zuk-ken" verführt den Leser beim lauten Lesen nie zur falschen Aussprache, "zu-cken" tut das schon eher. So etwas bedenkt man bei der Arbeit am Objekt richtig, und auch bedachte Arbeit führt zu erwünschter Bildung. Das sollten sich die KultusministerInnen mal hiner die Ohren schreiben.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 04.06.2006 um 00.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#4250

Warum in aller Welt soll man eigentlich im Deutschen die Wörter nicht so trennen, wie man sie spricht? Diese Aussprache entspricht bei Fremdwörtern, ob nun englisch, russisch, chinesisch oder altägyptisch sowieso fast nie der ursprünglichen Aussprache.
Das liegt zum Teil natürlich an unterschiedlichen Lauten und Ausspracheregeln, häufig genug aber an der unphonetischen Transkription.
Warum sich über die "korrekte" Trennung von Prokofjew oder Turgenjew streiten, wenn man phonetisch eigentlich besser Prakofjew und Turgjenjew schreiben sollte, oder besser vielleicht noch Prakohfjif oder Turgjehnjif?
Die Potemkinschen Dörfer sollte man auch besser die Patjomkinschen Dörfer schreiben. Die unnötig falsche Aussprache stört mich viel mehr als irgendwelche Trennungen.
Besonders ärgerlich finde ich die immer häufigere Verwendung englischer Transkriptionen in deutschen Texten, die den deutschen Leser vollends auf eine falsche Fährte locken. Der frühere irakische Premier Allawi spricht sich im Deutschen Allaui, der Terrorist Zarkawi Sarkaui usw. Die immer noch zu hörende Falschausprache Saddam Husse'in ließe sich durch die Schreibung Saddam Hussejn vermeiden, besser noch Sadahm Hussejn. Chossejn wäre wohl noch besser, wenn auch nicht perfekt, aber irgendwo stößt die Transkription natürlich an ihre Grenzen.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 04.06.2006 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#4253

Ich greife die Überschrift („Entbildungsprogramm“) dieses Tagebucheintrags auf: Melanch-thon oder Melan-chthon? Der eine hat verstanden, was das Wort bedeutet, der andere nicht.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.01.2012 um 10.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#19924

Im Duden ist die Trennung Samich- laus zugelassen. Man wundert sich, daß anschließend als Plural ...chläuse angegeben wird, wo es doch ...läuse auch täte.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 24.01.2012 um 00.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#19940

Lieber Herr Wrase,

die Schwankungen des Duden bei der Worttrennung sind in der Tat bemerkenswert. Immerhin verzeichnet duden.de bei Sa|mi|ch|las drei Trennstellen, dagegen bei Sa|mik|laus nur zwei. Mein Duden-Korrektor (Stand Duden 2006) erkennt wiederum auch bei Sa|mich|laus nur zwei Trennstellen. Eine Empfehlung zu den Trennstellen verkneift sich hier der Duden.

Andererseits empfiehlt duden.de die Trennung Ni|klaus, läßt aber auch Nik|laus zu.

Allerdings ist hier die Trennung keine so ganz einfache Frage. Ni|k|laus ist ja offenkundig eine Verkürzung von Ni|ko|laus. Es ist nicht selbstverständlich, daß die Unterdrückung des o-Lautes zwingend auch die Unterdrückung der zweiten Trennmöglichkeit nach sich zieht. Siehe auch wid|rig, verkürzt aus wi|de|rig. Persönlich würde ich die Trennung wi-drig vorziehen, obwohl sie nach altem wie neuem Duden nicht "erlaubt" ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.01.2012 um 04.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#19941

Aha, vielen Dank für den Hinweis auf die Angaben bei Samiklaus. Duden online mit angeblich "ständig wachsendem Content" enthält offenbar schon mehr Einträge als der normale Rechtschreibduden, denn dort ist nur Samichlaus verzeichnet, nicht aber Samiklaus.

An der Trennung Samik- laus bzw. Samich- laus (neben Sami- chlaus) ist vor allem zu kritisieren, daß es sich dabei um einen heiligen Chlaus bzw. Klaus handelt. Das müßte man auch in der Schweiz noch so empfinden, denn es kommen laut Google auch die Getrenntschreibungen "Sami Chlaus" und "Sami Klaus" vor. Außerdem gibt es dazugehörige Begriffe wie das Chlausjagen (auch Klausjagen) am Chlausabend (siehe Wikipedia).

Die naheliegende Trennmöglichkeit Nik- laus kann man hier nicht als Gegenargument anführen, denn erstens ist das nicht als Ni + Klaus zu lesen, sondern als Verkürzung von Nikolaus; zweitens ist bei Sami das i nicht betont, bei Ni ist es betont.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 26.01.2012 um 23.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#19963

Lieber Herr Wrase,

Wikipedia sagt zu Nikolaus:

Der Name leitet sich aus dem Griechischen ab: „Nikólaos“ entstand aus nikáo „siegen“ und laós „Volk“. Daraus resultiert die Bedeutung „Sieger des Volkes“.

Also liegt die Kompositionsfuge eindeutig vor dem l: Niko-laus. Wenn das erste Kompositionsglied zu Nik verkürzt wird, so ändert das doch nichts an der Kompositionsfuge. Also sind die Trennungen Nik-laus und Nik-las die korrekten morphologischen Trennungen. Sie sind auch die Normaltrennungen zwischen zwei Konsonanten.

Wie kommen also der alte Duden dazu, nur die Trennungen Ni-klaus/Ni-klas zuzulassen, und der neue Duden dazu, diese Trennungen zu empfehlen?

Nun wird manch Deutscher vielleicht glauben, in Niklaus – gewissermaßen volksetymologisch – den Vornamen Klaus als Bestandteil zu erkennen. Aber was ist mit "Ni"? Es gibt im Deutschen kein Präfix oder Wort "Ni". Also kann Niklaus weder als Zusammensetzung noch als Präfigierung angesehen werden.

Jedenfalls erscheinen mir die alten wie neuen Trennungen des Duden höchst rätselhaft.

Im Schweizerischen ist es etwas schwieriger, wenn man nicht weiß, wie Samichlaus genau entstanden ist. Es könnte sich um eine direkte Verballhornung von Sankt Nikolaus handeln. Dafür spräche, daß die Zusammenschreibung eher verbreitet zu sein scheint. Die Getrenntschreibung Sami Chlaus scheint dem zu widersprechen, könnte aber auch eine volksetymologische Interpretation als Sankt Chlaus sein.

Ohne diese Zusammenhänge genau beurteilen zu können, wäre ich bei der Bewertung der Dudentrennung Samich-laus zurückhaltend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.01.2012 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#19964

Die Logik des Duden dürfte gewesen sein, daß Niklaus ein nicht mehr analysierbares Fremdwort aus dem Griechischen ist und daher die Nichttrennung von Muta cum liquida am Platze ist. Immerhin nachvollziehbar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.03.2012 um 07.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#20226

Im Diskussionsforum hat Herr Riemer noch einmal die Trennung nach Sprechsilben aufgegriffen (da-rüber) und meiner Ansicht nach sehr richtig auf die Reihenbildung hingewiesen, die dagegen spricht. Ich habe auch in den professionellen Texten vor der Reform solche Trennungen kaum gefunden, falls meine Erinnerung mich nicht täuscht. Und damit bin ich bei dem Punkt, den ich zur Ergänzung noch anführen möchte. Wenn jemand privat nach Sprechsilben trennt, dann ist dagegen ja gar nichts einzuwenden, aber der professionelle Satz, den wir dann in den Büchern und Zeitungen lesen wollen, sollte etwas höhere Ansprüche an sich stellen. Dazu gehört eben, die Reihenbildung (nicht die Etymologie!) im Auge zu behalten.
Für he-runter, hi-nüber würde sich wohl auch Herr Achenbach nicht besonders ins Zeug legen, oder? Bei da, wo scheint das r nur eingeschoben zu sein, und wir sprechen das Ganze unter Verschleifung der Morphemgrenze, wie es sonst bei Zusammensetzungen nicht üblich ist (mit Ausnahmen im Dialekt). So kommt es zu diesem Konflikt, bei dem man menschenfreundlicherweise der Trennung nach Sprechsilben nachgeben möchte. Ich habe mich aus dem von Herrn Riemer genannten Grund in meinem Wörterbuch für die konservative Lösung entschieden und meine, daß die Qualität der Texte dadurch gewinnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.03.2012 um 08.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#20256

Die gebundene Sprechweise hinüber – ohne harten Einsatz des ü – beweist, daß der Sprecher die Morphemgrenze nicht beachtet, aber das bedeutet nicht, daß er sie nicht erkennen könnte, wenn es darauf ankommt, nämlich im Fall der Silbentrennung. Die Schweizer sprechen ja auch viel mehr gebunden, aber natürlich erkennen sie die Grenzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2012 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#20299

Wir trennen zuerst die Zusammensetzungen nach ihren Bestandteilen, auch bei Fremdwörtern, wenn sie nicht schon ganz und gar eingedeutscht und undurchsichtig geworden sind.
Dann erst wird nach Sprechsilben getrennt. Präfixe verhindern im Gegensatz zu Suffixen nicht den harten Vokaleinsatz: be-urteilen, ver-unstalten. In dieser Hinsicht sind Präfixbildungen eher den Zusammensetzungen ähnlich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.03.2012 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#20313

Zur Worttrennung (zur Zeit mehr im Diskussionsforum laufend): Über Einzelheiten bei mehr oder weniger verdunkelten, vor allem nichtnativen Wörtern kann man sicher immer streiten. Etwas anderes dazu: Ich hatte es von Anfang an für einen regeltechnischen Fehler erklärt, die Trennung von den Kenntnissen des Ratsuchenden abhängig zu machen: Wenn du es weißt, trenne so, wenn du es nicht weißt, trenne so. Man sucht ja Rat, weil man es nicht weiß. Dann möchte man nicht so etwas lesen. Außerdem widerspricht es dem Zweck der Reform, wenn man den Bildungsgrad des Schreibenden an seiner Schreibweise ablesen kann. Da es ja nicht um private Texte geht, sollte gelten, daß jeweils bestmöglich geschrieben wird. Varianten muß es geben, aus Gründen, die oft dargestellt worden sind: damit die richtige Schreibung lernbar bleibt und damit Spielraum für Nuancen und Entwicklung bleibt. Aber diese Varianten dürfen nicht auf die Vorkenntnisse des Schreibenden Bezug nehmen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.06.2012 um 13.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#20950

Eigentlich erstaunlich, daß außer den ersten Auflagen der Bertelsmann-Rechtschreibung (Lutz Götze) kein Wörterbuch eine andere Trennung als Atmo-sphäre (und andere -sphären) verzeichnet hat, obwohl die Trennung Atmos-phäre zweifellos auch regelkonform ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.03.2013 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#22754

Bei Epiklese ergibt die neue Trennmöglichkeit Epik-lese ausnahmsweise auf beiden Seiten einen Sinn. Fragt sich nur: Ist es der richtige?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2013 um 13.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#24595

Fremde Wörter und Namen transkribiert der Rechtschreibduden bekanntlich immer in der vulgärstmöglichen Weise. Mark Twain soll [tve:n] ausgesprochen werden. Wahrig ist anspruchsvoller.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.12.2013 um 13.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#24597

Heute muß ich die Süddeutsche Zeitung loben: Sie hat tatsächlich in einem Bericht über Serbien ("Räuber und Gendarm" vom 11.12.13) die serbischen Namen mit allen Sonderbuchstaben und diakritischen Zeichen der serbischen Lateinschrift gedruckt. Es geht also doch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2014 um 06.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#24812

Bei Duden online findet man z. B.:

"Von Duden empfohlene Trennung:
Ka|ta|stro|phe
Alle Trennmöglichkeiten:
Ka|ta|s|t|ro|phe"

Man kann hier exemplarisch sehen: Erstens gehen die Kultusminister vollkommen am Sinn einer Rechtschreibung vorbei, die ja nicht in erster Linie dazu dienen soll, dem schreibenden Anfänger das Fehlermachen zu erschweren. Zweitens sieht sich die Dudenredaktion dazu verpflichtet, auch den gröbsten Unfug zu dokumentieren, weil sie glaubt, nur durch pünktliche Erfüllung der politischen Vorgaben im Geschäft zu bleiben.

Und drittens: Unsere Journalisten, die sich endlos mit Scheinproblemen wie "Lesen durch Schreiben" beschäftigen, interessieren sich nicht im geringsten für die Zustände, die seit der Rechtschreibreform in den Wörterbüchern herrschen, also in der Sache selbst, um deren Vermittlung es im Unterricht geht.


 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 10.01.2014 um 20.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#24819

"Lesen durch Schreiben" ist keineswegs ein Scheinproblem. Die Kritik richtet sich allerdings nicht darauf, wie Sie an anderer Stelle schreiben, daß Kinder frei Schnauze schreiben, wie sie lustig sind; vielmehr wird kritisiert, daß bei der Reichen-Methode nicht korrigiert wird und somit das Regulativ fehlt, an dem das Kind sich orientieren und mit der Zeit die Rechtschreibung lernen kann.
Wir haben früher auch munter drauflos geschrieben und in der Rückschau haarsträubende Fehler gemacht. Beiläufig und selbstverständlich wurde uns dann aber der Text berichtigt. Bei "Lesen durch Schreiben" fehlt das; das Kind muß folglich annehmen, daß sein Text richtig ist. Warum soll es dann später einsehen, daß er es nicht ist?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2014 um 03.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#24820

Um einige Kritikpunkte noch einmal zu wiederholen: Der Vorsatz, nicht jeden Schreibversuch der Kinder - über die bereits bekannten und geübten Wörter hinaus - durch Korrektur zu entmutigen, hat eigentlich gar nichts mit irgendeiner Methode zu tun, schon gar nicht mit der Methode "Lesen durch Schreiben", die ja im übrigen, wenn man den Namen ernst nimmt, ein Weg zum Lesen sein soll und nicht zum Schreiben. (Diese Paradoxie, daß man sich als Paradigma des Schreibenlernens ausgerechnet eine Methode des Lesenlernens ausgesucht hat, ist bisher nicht erklärt worden. Reichen war allerdings selbst daran mitschuldig.) Ich glaube - zweitens - nicht sehr an "Methoden". Das Unterrichtsgeschehen und auch das, was außerhalb der Schule den Kindern zustößt und sie weiterbringt oder auch nicht, sind zu vielfältig. Menschen, die wenig oder gar nicht lesen, werden niemals richtig schreiben. Dieser Zusammenhang wrd meist gar nicht erwähnt, auch nicht von den Reformern.
Schließlich spreche ich auch aus der Erfahrung mit drei Töchtern, die ich als Sprachwissenschaftler natürlich besonders aufmerksam auf ihrem Weg zur Schrift begleitet und beobachtet habe. Das läßt mich sagen: Zum Teufel mit den "Methoden"-Diskussionen! Es ist sehr einfach, Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Ein sechsjähriges Mädchen, das in der Ecke sitzt und einen Brief an die Oma schreibt, wie es spricht, und Dutzende von Fehlern macht (die es ja auch bei anderen Tätigkeiten macht), ist ein sehr erfreuliches Bild, und man braucht sich nicht die geringsten Sorgen zu machen. Das wird schon noch. Die Lehrerin braucht auch nicht viel zu korrigieren, es genügt, wenn sie selber richtig schreibt. Je eher die Kinder selbst lesen können, um so besser. Daß Bücher etwas Interessantes, geradezu Zauberisches sein müssen, lernen die Kinder aus dem Vorlesen und aus der Beobachtung, daß die Eltern immerzu lesen. Wir haben seinerzeit die untersten Regale mit Büchern bestückt, um die es nicht schade war, und die Mädchen im Krabbelalter haben sie nach Herzenslust herausziehen und "lesen", verunzieren und zerreißen dürfen. Das war alles sehr inkorrekt. Aber keineswegs sind daraus Monster geworden, die keinen Respekt vor Büchern haben, im Gegenteil. Die schlichte pädagogische Logik stimmt also nicht.
Ich habe vieles aufgehoben. Da sehe ich auch wieder, daß die Mädchen am Anfang sogar die Buchstaben oft spiegelverkehrt geschrieben haben. Das entspricht dem Entwicklungsstadium, man braucht nicht einzugreifen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.02.2016 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#31818

Da ich in dem neuen Buch von Jens Brachmann gerade auf Retros-pektive stoße, habe ich noch einmal nachgesehen, wie es der Duden zur Zeit damit hält. Er führt alle Trennmöglichkeiten an (Re-t-ro-s-pek-ti-ve), empfiehlt aber die klassische: Re-tro-spek-ti-ve. Ich nehme an, irgendwann werden die sinnlosen wieder verschwinden, vielleicht wenn es den untätigen Rechtschreibrat nicht mehr gibt, der durch sein bloßes Dasein alle weiteren Korrekturen verhindert.
Ich führe die schlechten Trennungen in dem genannten Buch auf unzulängliches Lektorieren zurück, denn der Verfasser zitiert gelegentlich durchaus korrektes Latein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2017 um 08.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34744

Eisenberg 2017, R71:

„Ist in einem Fremdwort der letzte von mehreren Konsonantbuchstaben ein r, l oder n, dann ist der vorausgehende Konsonantbuchstabe mit abtrennbar.“

Daher: py-knisch/pyk-nisch usw.

Das entspricht der amtlichen Fassung von § 112:

„In Fremdwörtern können die Verbindungen aus Buchstaben für einen Konsonanten + l, n oder r entweder entsprechend § 110 getrennt werden, oder sie kommen ungetrennt auf die neue Zeile.“

R71 ist wie in der amtlichen Regelung ein Nachhall der Muta-cum-liquida-Regel, aber wie dort ohne m. Also py-knisch, Ma-gnet, aber nicht Ma-gma. Da die „vorausgehenden Konsonantbuchstaben“ nicht eingeschränkt sind, wären auch Hy-mne, hy-mnisch, Gla-snost usw. normgerecht. Die Wörterbücher wissen nichts davon.

Im Duden werden seit je und auch heute noch die betroffenen Konsonantenverbindungen nur aufgelistet, auch fl, fr, aber nicht mn.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2017 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34746

§ 113: „Wörter, die sprachhistorisch oder von der Herkunftssprache her gesehen Zusammensetzungen oder Präfigierungen sind, aber nicht mehr als solche empfunden oder erkannt werden, kann man entweder nach § 108 oder nach § 109 bis § 112 trennen.“

Man könnte das Unangebrachte einer solchen „Regel“ durch Umformulierung hervortreten lassen: „Man darf Wörter statt morphologisch auch silbisch trennen - aber nur wenn man es nicht besser weiß.“ Die Trennung gibt dann zu erkennen, über welche Bildung man verfügt.
Gerade durch den Bezug auf das Ausmaß von „Wissen“, also Bildung, wird eine Stufung in erst- und zweitklassige Trennweisen vorgenommen. Es geht nicht um richtig und falsch, sondern um besser und schlechter.

Eisenberg (2017) behält es bei:

R72: „Erkennt oder weiß der Schreiber nicht, welche morphologischen Bestandteile im Sinne von R68 eine Wortform enthält, so kann er nach der silbischen Trennungsregel trennen.“
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2017 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34752

Übrigens halte ich die mehr oder weniger entstellte Übernahme von metrischen oder Silbenbildungsregeln fremder Sprachen für abwegig und reformbedürftig. Ich finde Trennungen wie py-knisch auch systemwidrig. Ich spreche das y natürlich kurz und offen ("ungespannt") wie in Bückling und nicht wie in Tür. Folglich kommt nur eine Trennung in Frage.

Das sieht Eisenberg sicher ebenso, aber er verleugnet über weite Strecken sein besseres Wissen (und seinen eigenen "Grundriß der deutschen Grammatik") und didaktisiert das für falsch Gehaltene, wie schon immer. ("Angesichts der Machtverhältnisse...") Er begibt sich auf dieselbe Ebene wie Christian Stang und andere Vermarkter der Reform.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2017 um 06.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34767

"Von Duden empfohlene Trennung: Su|burb
Alle Trennmöglichkeiten: Su|b|urb

Von Duden empfohlene Trennung: Su|bur|bia
Alle Trennmöglichkeiten: Su|b|ur|bia"
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 27.03.2017 um 12.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34769

Wer Subs- tanz trennt, muß auch Su- burb trennen.

Eisenberg scheint noch mit der Schreibmaschine zu schreiben – andernfalls hätte er vielleicht verstanden, daß es nur noch darum geht, die Trennungen richtig zu programmieren.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 28.03.2017 um 00.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34773

Durch Scherz-Trennungen verschieben sich die Wortgrenzen, und es können lustige neue Wortbildungen mit völlig anderen Bedeutungen entstehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.03.2017 um 05.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#34774

Gleichzeitig gibt Duden sub-urbikarisch an und will dort von der su-burbischen Trennmöglichkeit gar nichts wissen. Den mutmaßlichen Grund kann man nachvollziehen, aber insgesamt ist das Bild unbefriedigend und wird wohl keinen Bestand haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.05.2017 um 05.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#35208

Und immer noch im Duden online:

"Von Duden empfohlene Trennung: La|ot|se
Alle Trennmöglichkeiten: La|o|t|se"

Die Aussprache desgleichen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.07.2017 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#35849

Seit einigen Jahre kennt der Duden nur noch die Trennung Teen-ager. Darüber wollen wir aber nicht vergessen, daß er diese Trennung 1996 überhaupt nicht mehr angeführt hatte, sondern nur Tee-nager und Teena-ger, dazu einen unbestimmten Verweis auf R 132, wo diese Trennung gerechtfertigt wurde.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.07.2017 um 14.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#35850

Wie soll auch jemand die Bestandteile einer englischen Zusammensetzung erkennen, für den nicht einmal die Bestandteile häufiger deutscher Zusammensetzungen "klar erkennbar" sind:
vor + über
vor + aus
ein + ander
hin + ein
...
Das alles sind Wörter des Basiswortschatzes, sie gehören zu den ersten Wörtern, die Schulanfänger zu schreiben lernen. Daß die Reformer meinen, diese Bestandteile seien für manche Schreiber nicht klar erkennbar, gehört für mich zu den größten Witzen und Schandtaten der Reform.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 31.07.2017 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#35851

Von Duden empfohlene Trennung: vo|raus

(duden.de)
Da fehlen mir wirklich die Worte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.08.2020 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#44148

Die „Frust-rationen“, die wir uns ausgedacht haben, drohen nun wirklich, und zwar laut SZ bei Hunden, die nicht den Auslauf bekommen, den Ministerin Klöckner ihnen gesetzlich zugestehen will (19.8.20). Die naheliegende Frage, wie das kontrolliert werden soll, dürfte heutzutage lösbar sein: Ein digitales Gerät am Halsband überwacht das Verhalten des Hundehalters und meldet es an Klöckners Behörde zur Vergabe von sozialen Kreditpunkten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.11.2021 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#47661

Teles- und Makroskop

Werbung für ein Minox-Gerät. Entspricht der Neuregelung der Siilbentrennung und dem Duden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2022 um 05.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#49512

Beim Verspeisen einiger Renekloden, die ja gerade reif werden, fällt mir noch einmal die Widersinnigkeit des Reformansatzes ein: Wenn jemand überhaupt nachschlägt, wie man Reneklode trennt, wird er beschieden: Wenn du die Herkunft kennst, trenne vor dem k, andernfalls kannst du auch vor dem l trennen. Das ist praktisch eine Auskunftsverweigerung.
Der Duden sieht daneben auch die Schreibweise Reineclaude vor, und die darf man dann nur morphologisch trennen (und annähernd französisch aussprechen).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.05.2023 um 07.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51038

Wenn man die Neubildung „Orthorexie“ (für eine Art Magersucht) nach Metzgerart zerlegt (wie es unsere Reformer tun würden), kommt man wie die SZ zu der Erklärung „ortho für richtig und rexie für Appetit“ (13.5.23). Auch der Duden weiß es nicht besser und kennt nur die Trennung: Ortho-rexie. Der Journalist freilich hätte den ganzen Wikipedia-Eintrag lesen können: Der Begriff Orthorexie (von griechisch: ὀρθός orthós „richtig“ und ὄρεξις órexis „Begierde“, „Appetit“) wurde erstmals vom amerikanischen Arzt Steven Bratman im Oktober 1997 in Anlehnung an die Bezeichnung Anorexia nervosa geprägt. Bei der Anorexie kennt der Duden immerhin zwei Trennmöglichkeiten, darunter die intelligente.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.05.2023 um 11.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51040

Wo selbst deutsche Wörter nicht mehr erkannt und nicht korrekt getrennt werden (siehe z. B. die alltäglichen lächerlichen Trennungen Vo-raussetzung, ei-nander, hi-nab usw.), da muß man sich bei Fremdwörtern erst recht nicht mehr wundern.

Eine korrekte Trennung könnte auch gerade bei Fremdwörtern zum richtigen Verständnis beitragen und Irrtümer vermeiden helfen. Bei Ano- und -rexie denkt man ja eher an Anus und an rektal, Rektum.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.05.2023 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51046

Bei fortschreitender Integration der Fremdwörter wird man irgendwann auch die Silbentrennung des mehr oder weniger undurchsichtig gewordenen Wortes den deutschen Gepflogenheiten anpassen. Gerade bei gelehrten Neubildungen sollte man aber annehmen, daß der Benutzer weiß, wie sie zusammengesetzt sind. (Daß der SZ-Schreiber die Bestandteile von "Orthorexie" für lateinisch hält, muß man kaum noch erwähnen.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.05.2023 um 12.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51086

[...] Außerdem kann man Mollu-
skizide einsetzen - bekannt auch als Schneckenkorn.
(MM, 19.5.23, S. 30)

An der Trennung von sk im allgemeinen und Molluske im besonderen hat sich durch die Reform zwar nichts geändert, aber die daraus entstandene Verwirrung ist schon noch zu bemerken. Könnte ja sein, daß man statt st jetzt ck und sk nicht mehr trennen darf.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.10.2023 um 13.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51977

Schon lange vor 1996 diskutierten die Rechtschreibreformer über die beste Trennung von ck. Es gab drei Fraktionen: die Konservativen wollten alles beim alten lassen, die „Zuc-ker“-Fraktion (gesprochen Zutzker) wollten es so, und die dritten schlugen die Lösung vor, die dann angenommen wurde. Es ist die schlechteste.
Auch ohne phonetische Kenntnisse sieht jeder, daß die (historisch bedingte) Ligatur ck den systematischen Ort eines kk hat. So stand es ja auch in allen Rechtschreibbüchern: „Statt kk schreibt man ck“ – oder so ähnlich.
Hacken – Haken
entspricht also
Ratte – Rate usw.
Sprachgerecht wäre also die Trennung Hac-ken, aber weil die Voraussetzung der Ligaturschreibung, die unmittelbare Nachbarschaft, nicht mehr gegeben ist, tritt das erst k wieder in seine Rechte ein. Das ist nicht schwer zu verstehen und zu lernen, und ich glaube nicht, daß Schüler jenseits der ersten Klassen damit besondere Schwierigkeiten hatten. Die Reformer haben das ck falsch eingeordnet: „ch, sch und ck werden nicht getrennt, da sie einen Laut bilden.“ Das ck gehört offensichtlich nicht in diese Reihe. Die beiden tt in Ratte bilden auch einen Laut, werden aber trotzdem getrennt.
Die Trennung Ha-cken suggeriert dem Leser am Ende der Zeile, daß er es mit einer langen offenen Silbe zu tun hat, aber am Anfang der nächsten muß er einsehen, daß es sich um eine kurze geschlossene handelt. Das ist lesepsychologisch der GAU. Aber an den Leser haben die Reformer ja keine Sekunde gedacht, sie waren ganz und gar auf Fehlervermeidung beim Schreiben fixiert (wegen der Notengebung...).
Das Problem hätte auch mit einem Schlag gelöst werden können durch Änderung der Wortschreibung, nämlich nach niederländischer Weise: Hakken, Zukker usw. So etwas ruft erfahrungsgemäß mehr Widerstand hervor als ein Eingriff in die Worttrennung, die man ja auch ganz vermeiden kann. Man denke an den keiser und weitere Augstsche Einfälle, die nicht wenig zum Scheitern früherer Reformpläne beigetragen haben.
So ist es zu dieser buchstäblich marginalen, aber dennoch ärgerlichen Verschlechterung gekommen.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 20.10.2023 um 02.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51989

Die "niederländische" Lösung hätte aber auch viele neue Probleme aufgeworfen. Wie hielte man es etwa mit Lack oder Stück? Die "niederländische" Antwort wäre Lak, aber Lakke, Stük, aber Stükke. Im Falle von Leck landete man bei Lek und Leks. Das wäre auch nicht einfacher gewesen und hätte zu einer noch größeren Veränderung des Schriftbildes (ganz zu schweigen von der Verwirrung der Leser) beigetragen.

Im Grunde genommen geht es hier immer noch um den Widerspruch zwischen § 3 der AR und den Trennregeln. § 3 behandelt ck und tz als Ausnahmen zu § 2 und erwähnt auch die Ausnahmen von den Ausnahmen. Die Kombination tz ist aus statistischen Gründen nicht so wichtig, aber zu Ende gedacht ergäbe sich hier Puz, aber (ver)puzzen. Wem würde das helfen?

Sowohl die Regeln zur "Laut-Buchstaben-Beziehung" als auch die Trennregeln gehen auf Augst zurück. Mehr muß man dazu nicht sagen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 20.10.2023 um 02.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51990

Dann wären zu den vielen Wörtern mit drei s, die es früher gar nicht gab, auch noch viele neue Wörter mit drei k gekommen, wie z. B. Sakkkarre oder Trikkkiste.
Oder drei z: Sazzzeichen
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 21.10.2023 um 01.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51997

Nach dem "niederländischen" Modell gäbe es die Dreifachkonsonanten gerade nicht: Sakkarre, Rükkehr usw. Die niederländische Orthographie berücksicht die Silbenstruktur der Wörter in der Regel besser als die deutsche, auch bei Vokalen: groot, aber gro-te; laat, aber la-te. (Die Silbengrenzen und damit die Trennstellen wurden durch einen Bindestrich markiert.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.10.2023 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#51998

Ich wollte ja nicht die ganze niederländische Orthographie einführen, sondern nur den Verzicht auf die "Ligatur" als Möglichkeit erwähnen. Morphemkonstanz und Sparschreibung (in der Zusammensetzung) könnten erhalten bleiben, die Vokalquantität wäre auch im Deutschen markiert.

Aber wie gesagt, diese Möglichkeit ist verbaut, und es gibt auch keinen zwingenden Grund, die doch recht einfache ck-Schreibung aufzugeben.

Wer wissen will, wie schwer es Ligaturen dem lernenden Leser machen können, der sollte sich mal Sanskrittexte in Devanagari ansehen... Nach einer Berechnung von Ulrich Stiehl gibt es 40.358.340 mögliche Ligaturen, von denen aber nur gut 800 wirklich belegt sind, und häufig gebraucht wird schätzungsweise ein Zehntel davon, immerhin...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.04.2024 um 06.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#53160

Hermann Unterstöger macht sich im „Sprachlabor“ (27.4.24) über die Trennung „Tee-nager“ lustig, die er irgendwo gefunden hat, verschweigt aber, daß sie durchaus reformgerecht ist, vgl. http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#35849. Heute lädt man den Unsinn gern auf das dumme Sprachvolk ab und bringt leichthin in Vergessenheit, worauf man selbst reingefallen ist. Die stillschweigend vorgenommene Reparatur der Reform ist kein Verdienst von deren Urhebern und auch keines des völlig untätigen Rechtschreibrates.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2024 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#54116

Duden empfiehlt heute zwar die Trennung „Danne-brog“, führt aber auch die Reformperle „Danneb-rog“ noch auf (beides auch mit einem n). Das muß er eigentlich nicht. Seit seiner amtlichen Entmachtung könnte der Duden ein Ratgeber für Schreibende sein, aber er will aus Vermarktungsgründen weiterhin ein Diener der Kultusminister sein. Darum verzeichnet er sklavisch alles, was die Lehrer nicht als Fehler anstreichen dürfen. Aus ähnlichen Erwägungen gibt der Verlag ja auch Ratschläge zum Gendern heraus und bedient die Ideologie der Politischen Korrektheit.

(Ich bin nach so vielen Jahren noch einmal darauf gestoßen, weil der stark dänisch geprägte Robert Habeck erzählt, daß er an Feiertagen auch mal den Dannebrog aufzieht.)
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.10.2024 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=131#54119

Nachdem unsere Familie Ende 1989 in den Westen gezogen war, fuhren wir im Sommer 1991 in unsern ersten Urlaub im westlichen Ausland, nach Dänemark. Dort ist uns sofort besonders aufgefallen, daß, vor allem auf dem Land, fast jeder Hof, jeder Garten, jedes Haus mit der dänischen Flagge geschmückt war. Am Anfang dachten wir noch, nanu, was feiern sie gerade? Aber es gab keinen besonderen Anlaß. In Deutschland, Ost wie West, sind wir ja gewohnt, staatliche Symbole im Privaten nicht ganz so euphorisch zu zeigen. Das änderte sich erst ein klein wenig mit den späteren Fußballweltmeisterschaften. Aber so ganz ohne Anlaß mit Flagge fühlen wir uns im Gegensatz zu den Dänen immer noch gehemmt.

In Tibet ist (wie in China überhaupt) die tibetische Nationalflagge verboten. Aber auf erstaunlich vielen Häusern weht die chinesische Fahne. Als Tourist wundert man sich, daß die Tibeter angeblich so patriotisch auf China eingestellt sind. Aber die Lösung des Rätsels liegt darin, daß die Flagge am Haus eine Bedingung für die Vergabe staatlicher Baukredite ist, wie eine chinesische Reiseleiterin erklärte.
 
 

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