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28.01.2010
Beschädigte Biografie
Bedeutungswandel
Wir haben schon gesehen, daß Erkrankung immer mehr an die Stelle von Krankheit tritt, sicher ein Euphemismus, denn Erkrankungen sind noch nicht endgültig identifiziert, es kann sich noch zum Besseren wenden.
In den Meldungen zum sexuellen Mißbrauch am Canisius-Kolleg in Berlin heißt es, daß "die ganze Biografie eines Menschen dadurch jahrzehntelang verdunkelt und beschädigt werden kann." Wenn es nur die "Biographie" wäre! Gemeint ist das Leben, aber diese schlichte Wahrheit auszusprechen erfordert wohl etwas mehr Mut (oder Geschmack).
Übrigens habe ich in den siebziger Jahren, als die "Padres" (Spiegel, Stern) sich dort auslebten, als Studienreferendar am Canisius-Kolleg hospitiert. Mir ist nicht aufgefallen, daß es sich um eine "Eliteschule" handelte, es war wie überall. Am Gymnasium Steglitz, meiner Stammschule, wurde ebenso gut Latein und Griechisch gelernt.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.01.2018 um 04.55 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#37460
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Ergänzung zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#21072
Wer Schlager singt, ist ein Schlagerstar.
Vgl. Stove über "success words" (David Stove: The Plato cult and other philosophical follies. Oxford 1991:12ff.)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2013 um 06.17 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#22616
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Eine ähnliche Bedeutungsverschiebung wie bei hermetisch kann man bei abrupt beobachten. Aus der Verbindung abrupt enden o. ä. hat das Wort die Bedeutung "plötzlich" bekommen, daher mit nicht mehr gefühlter Tautologie:
17 Jahre als Landes- und Bundesministerin für Bildung und Forschung brechen abrupt ab. (FAZ 11.2.13)
Aus der häufigen Verbindung diametral entgegengesetzt hat sich ergeben, daß diametral allein auch schon die Bedeutung "entgegengesetzt" übernommen hat:
Wir sind es gewohnt, Naturalismus und Kulturalismus als diametrale Positionen zu betrachten. (Geert Keil: Kritik des Naturalismus. Berlin, New York 1993:49)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2013 um 08.11 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#22368
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Zur Zeit wird besonders viel geprüft: Berlin prüft (FAZ 15.1.13, Titel eines Kommentars zum möglichen Einsatz der Bundeswehr in Mali)
Nonnenmacher beschreibt dort den aufständischen Norden Malis: Rebellen, Islamisten, Terroristen, Rauschgiftgeschäfte, Menschhandel.
Nach Auffassung der Zeitungen muß in Mali die Entstehung eines „zweiten Afghanistan“ verhindert werden, eines Terroristentrainingslagers. Die Sicherheit Europas stehe auf dem Spiel (also nicht unsere Freiheit wie am Hindukusch). Im Wirtschaftsteil wird eine ganze andere Sprache gesprochen: Mali habe „sagenhafte“ Bodenschätze, Gold, Uran (von Frankreich dringend gebraucht) usw.; es gibt auch eine Liste der Claims, die China und westliche Unternehmen bereits abgesteckt haben.
Wir können uns auf neue Höhepunkte der Rhetorik vorbereiten.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2013 um 08.56 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#22320
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Aus jeder Zeitung kann man sich davon überzeugen, daß prüfen die Bedeutung von erwägen, beabsichtigen übernommen hat:
Indien prüft, weitreichende Einfuhrbeschränkungen auf technische und elektronische Produkte zu verhängen. (FAZ 11.1.13)
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2012 um 09.10 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#21072
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Bekanntlich kündigt die Verlagswerbung heute einen neuen Bestseller an, bevor auch nur ein einziges Exemplar bestellt oder gar verkauft ist. Das Wort Bestseller könnte auch diese Weise zum Synonym für Buch werden, wie Olympionike heute den Olympiateilnehmer und nicht den Sieger bezeichnet.
2007 erschien ein erfolgreiches Buch über das ‚Glück der Unerreichbarkeit‘. (Rhetorik. Ein internationales Jahrbuch. Band 28/2009:VII)
Als es erschien, war es ja noch nicht erfolgreich. Mir kommt der Satz leicht schief vor.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.05.2012 um 17.44 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#20755
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Man liest und hört heute meistens auf Augenhöhe, wenn auf gleicher Augenhöhe gemeint ist. Das ständige Zusammenvorkommen ruft eine Art Bedeutungsüberlappung hervor, und dann kann die eine Hälfte wegfallen. Aus hermetisch dicht ist hermetisch mit der Bedeutung 'dicht/luftdicht' geworden. Ich habe mal jemanden sagen hören Ich bin so erbsenhaft, womit 'empfindlich' gemeint war.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2012 um 16.53 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#19916
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Noch ein Bedeutungswandel: Ein hiesiges Fitneß-Studio sucht „50 Freiwillige“. Sie sollen an bestimmten Geräten trainieren – und dafür 30 Euro berappen. Die „Freiwilligen“ sind also einfach Kunden, die hier geworben werden. Vielleicht handelt es sich um ein Sonderangebot, vielleicht auch nicht. Anderswo bekommen Freiwillige eine Aufwandsentschädigung.
Ich stelle mir vor, daß Geschäfte in Zukunft die Leute bitten, freiwillig zu ihnen zu kommen.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2012 um 15.05 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#19914
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Wir werden gerade Zeugen eines Bedeutungswandels: In Berichten, Kommentaren und Interviews zu Brustimplantaten (aus gegebenem Anlaß) geben Schönheitschirurgen zu verstehen, daß schlaffe Brüste "ungepflegt" wirken.
Früher brauchte man nur Wasser und Seife, um gepflegt zu sein. Dann kam das sogenannte Make-up hinzu (eigentlich Bühnenschminke, heute aber auch im Büro und in der U-Bahn üblich). Ich hörte einmal im Radio einen französischen Kosmetik-Chef sagen, die Werbung habe der französischen Frau erfolgreich eingeredet, daß sie ohne Make-up "nackt" sei und nicht auf die Straße gehen könne. Nun kommt der chirurgische Eingriff hinzu, und bald wird man die Nase rümpfen, wenn ein Frau sich unoperiert, also "ungepflegt", in der Öffentlichkeit zeigt.
Wie es ja auch asozial wirkt, wenn man sich mit behinderten, also nichtabgetriebenen Kindern sehen läßt. Oder mit mehr als zweien. Oder mit Kindern überhaupt, als hätte man noch nie etwas von Verhütung gehört.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.08.2011 um 05.32 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#19161
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Ein anderes Beispiel für Bedeutungswandel zeigt sich in folgender Meldung zum Weltjugendtag in Spanien:
«Die Jugendlichen haben sich intensiv mit Gott beschäftigt. Gleichzeitig beeindruckt ihr Spaß am Glauben», sagte Jugendbischof Bernhard Haßlberger. (Süddeutsche Zeitung 21.8.2011)
Ohne auf die theologische Fragwürdigkeit einzugehen: "Spaß" hat "Freude" schon fast verdrängt. Man muß wohl der älteren Generation angehören, um dies noch zu spüren.
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Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.01.2010 um 17.38 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1271#15658
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Anscheinend existiert eine Marktlücke für ein gedrucktes "Wörterbuch Gutes Alltagsdeutsch – Fremdwort".
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