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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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19.01.2010
 

Unwort des Jahres
betriebsratsverseucht

Auch mit dem "Unwort des Jahres" schafft es ein Grüppchen, zu dem überflüssigerweise auch Sprachwissenschaftler gehören, immer wieder, in die Hauptnachrichten zu kommen.
So wenig wie beim Wort des Jahres werden die vielen Einsendungen berücksichtigt, die Jury entscheidet selbstherrlich, was sie bemerkenswert findet. (Das war schon beim Spitzenreiter "Rechtschreibreform" so, der dann nicht einmal in die engere Wahl kam.) Das Wort muß nicht einmal bekannt sein, ja, sie könnte es auch frei erfinden, denn es geht ja nur darum, die eigene gute Gesinnung heraushängen zu lassen. Und "gut" heißt hier: sozialdemokratisch, gewerkschaftlich. Man sehe sich die Liste der vergangenen Jahre an. In der Schweiz und in Österreich scheint mir diese Tendenz nicht so eindeutig. Der neueste Hit, "betriebsratsverseucht", kennzeichnet ja in einem Land, dessen Unternehmen zum Erstaunen der übrigen Welt so stark mitbestimmt sind, keineswegs eine verbreitete Einstellung, sondern kommt selbst vielen Leserbriefschreibern eher exotisch vor. Aber das ist ganz egal, die Jury hat es uns wieder mal so richtig hingerieben, was für böse Menschen es doch bei denen da oben gibt. Dabei hätte sie nach dem Patzer mit "Humankapital" doch mal für eine Weile still sein können.



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Kommentare zu »Unwort des Jahres«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 17.01.2024 um 18.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#52607

Unwort werden ja wohl solche Wörter genannt, die man nicht benutzen soll. Wie nennt man also dann korrekterweise das, was bisher Remigration hieß? Oder gibt es jetzt plötzlich Remigration überhaupt nicht mehr?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2024 um 07.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#52600

„Nun wurde der Begriff [Remigration] von einer sprachwissenschaftlichen Jury zum ‚Unwort des Jahres‘ gewählt.“ (Volker Weiß in SZ 16.1.24)
Das einzige, was mich an dem Unwort-Unsinn interessiert, ist das trübe Licht, das davon auf die Sprachwissenschaft fällt. Die Jury-Mitglieder sind mir unbekannt, und auch viele andere Sprachwissenschaftler dürften sich nicht repräsentiert fühlen. Das ganze Unternehmen ist natürlich auch nicht sprachwissenschaftlich, wie auch die Beteiligung von Journalisten und „kooptierten“ Prominenten zeigt.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 12.01.2023 um 01.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50246

Tippfehler, ich wollte schreiben:

Martin Haase ist eigentlich kein Dummkopf ...

Aber ohne k passt es auch.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 12.01.2023 um 01.11 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50245

Der Sprachwissenschafter Martin Haase (Bamberg) hat mal so etwas ähnliches initiiert:

https://neusprech.org

Da werden auch mit vermeintlich sprachwissenschaftlichen Mitteln Schlagwörter des politischen Gegners angeprangert. Die Wörter seien irgendwie falsch gebildet oder so.

Martin Haase it eigentlich ein Dummkopf, ich kenne ihn von Podcasts. Seine wissenschaftlichen Leistungen kann ich allerdings nicht beurteilen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2023 um 04.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50235

Ja, genau, diese Pointe habe ich mir noch entgehen lassen. Jeder könnte das, aber die Marburger haben das Glück, als erste in die selbstreferentielle Mühle der Medien gelangt zu sein, und nun kann es in alle Ewigkeit so weitergehen.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 10.01.2023 um 21.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50232

Der Witz ist ja, daß Ihre vier Nachbarn das ganz ohne Sie perfekt hinbekämen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2023 um 21.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50231

Die Sprachwissenschaftler in der Jury sind mir völlig unbekannt, man kann sie als nicht weiter ausgezeichnete Mitmenschen bezeichnen, die sich halt zu ihrer "sprachkritischen Aktion" zusammensetzen. Ich könnte vier Nachbarn einladen, mit mir zusammen eine solche Aktion zu machen – die Presse würde davon nichts wissen wollen, ungerechterweise. Es widerstrebt mir, auch nur einen Gedanken an diese Narretei zu verschwenden.

Die Versuchung, es nächstes Jahr wieder zu machen, muß unwiderstehlich sein.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 10.01.2023 um 20.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50230

Der Vorwurf der Kriminalisierung ist in der Tat sinnlos, wenn es um strafbare Handlungen geht. Allenfalls könnte man das Wort Terrorist für eine unangemessene Übertreibung oder für sachlich unzutreffend halten, aber eine solche Kritik wäre dieser Jury ein paar Nummern zu klein, und kriminalisieren klingt auch irgendwie besser. Vielleicht ist den Juroren die Strafbarkeit bestimmter Handlungen nicht bekannt, oder sie wollen sie nicht wahrhaben. Solche Fakten stören nur, wenn man seine edle Gesinnung zur Schau stellen will.

Und was soll der säuerliche Anwurf, das böse Wort lenke von den Zielen der Klimaschützer ab? Wäre dann auch schon die Rede von Klimaschützern, die Straftaten begehen, abzulehnen? Gibt es eine Verpflichtung, nichts zu sagen oder zu schreiben, was nicht von den Zielen der Klimaschützer handelt?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.01.2023 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50229

Das Wort [Klima-Terroristen] kriminalisiere Menschen, die sich für die Umwelt einsetzen, so die Jury. Es stelle das Engagement der Klimaschützer in einen staatsfeindlichen Kontext und lenke so von den Forderungen nach mehr Klimaschutz ab.
(Das Erste, Tagesschau, 10.1.23, 17 Uhr)

Kriminalisiert das Wort Terroristen etwa auch alle Menschen? Es kriminalisiert niemanden, sondern bezeichnet Menschen, die kriminell sind.

So wie es sowohl Gesetzestreue als auch Kriminelle gibt, gibt es Klimaschützer und Klima-Terroristen. Die Wörter Klimaschützer oder Klimaaktivist wären, auf Klimaterroristen angewandt, Euphemismen, ebenso wie das Wort Klima-Terrorist nur diejenigen kriminalisieren könnte, die in Wahrheit gesetzestreue Klimaschützer sind.

Kriminelle kann man nicht kriminalisieren. Diese "Sprachjury" differenziert einfach nicht, sie ergreift statt dessen Partei für die Kriminellen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2023 um 13.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50226

"In Frage kommen Worte, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, die gesellschaftliche Gruppen diskriminieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind."

Wie soll denn ein Wort gegen die Menschenwürde (oder gegen deren Prinzipien, was immer das sein mag) verstoßen? Verstößt das Wort Diktatur gegen die Demokratie? Auch Schlumpf verstößt nicht gegen die Menschenwürde, aber wenn ich einen Polizisten damit anrede, kann er mich wegen Beleidigung verklagen. Das ist eigentlich nicht schwer zu verstehen.

Man kann manche Aktionen der Klimaaktivisten gut und andere schlecht finden, aber seine Beurteilung als irgendwie sprachwissenschaftlich begründet auszugeben ist völlig haltlos.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2023 um 12.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50225

Und umgekehrt kann ich Sprachwissenschaftler, die sich an so etwas beteiligen, fachlich nicht ernst nehmen. Schade, daß der schwache Ruf der Sprachwissenschaft dadurch noch mehr leidet.

Was mich jedes Jahr wundert, ist die Bereitschaft der Medien, überhaupt darüber zu berichten, obwohl die meisten den Schwachsinn durchschauen dürften.

Anscheinend sehen sich die Juroren ebenso wenig wie die vom "Wort des Jahres" an die Einsendungen gebunden. Wenn die Einsender wüßten, daß sie Arbeit und Porto für nichts aufgewendet haben...
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 10.01.2023 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#50224

Merkwürdig, daß in der medialen Berichterstattung über die alberne Aktion namens »Unwort des Jahres« stets betont wird, daß die Jury mehrheitlich aus Sprachwissenschaftlern besteht, während beim Thema Gendern die Erkenntnisse der Sprachwissenschaft gern ignoriert werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.12.2022 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#49986

Vielleicht hätte ihm das Paronymwörterbuch des IDS geholfen, wenn es denn zustande gekommen wäre.

Als die SED plötzlich Wert darauf legte, daß es nun auf deutschem Boden zwei Nationen mit zwei verschiedenen Sprachen gebe, beeilten sich eifrige Germanisten, Listen mit typischen Vokabeln der BRD zusammenzustellen. Wir westdeutschen Feudalherren haben ja ständig von unserem Gesinde gesprochen – erinnern Sie sich? Das war sehr lustig.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 02.12.2022 um 14.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#49985

Er hat sich wohl verschrieben, hat sich sehr abwertend geäußert und m. E. mit Sicherheit Gesindel gemeint.

Man darf natürlich Angehörige anderer Völker und Kulturen nicht beleidigen und abfällig gegen sie auftreten. Als Gäste wären sie mir immer willkommen und würden von mir jederzeit zuvorkommend behandelt.

Aber der Staat macht sich schuldig, wenn er fremde Kulturen, die in Deutschland und Mitteleuropa keine Tradition und somit nichts verloren haben, mutwillig in großer Zahl ansiedelt.
 
 

Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 02.12.2022 um 12.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#49984

Hier ein Screenshot, er hat Gesinde geschrieben:

https://image.saechsische.de/784x441/g/c/gc3wy3db7kzr8etubjvd3wvce2zpzrtc.jpg
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2022 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#49981

Hat der AfD-Politiker Jens Maier die Muslime wirklich als "Gesinde" gezeichnet, wie man es bei Wikipedia und heute auch zweimal in der SZ lesen kann? Oder doch als "Gesindel", wie anderswo berichtet wurde? Das macht doch einen großen Unterschied.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2022 um 05.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#48201

Ganz neu ist der Einfall nicht, sich selbst vorsorglich gegen Kritik zu immunisieren. Vor vier Jahren hatten sich die Soft-Linguisten schon mal gegen den Vorwurf "Genderwahn" abgesichert.

Anscheinend glaubt keine Zeitung und keine Agentur sich über solche Pseudonachrichten hinwegsetzen zu können, weil die Konkurrenz sie bringen könnte. Natürlich gibt es jedes Jahr ein paar Tage Kritik an dem offenkundigen Unsinn, aber auch das erfüllt seinen Zweck. Auf der Strecke bleibt die Sprachwissenschaft, falls sie überhaupt noch einen Ruf zu verlieren hat.
 
 

Kommentar von Stephan Fleischhauer, verfaßt am 12.01.2022 um 16.14 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#48200

Wirklich ein schönes Eigentor. Das hätte ich gern auf dem ersten Platz gesehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2022 um 12.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#48199

Eigentlich wollte ich das Unwort des Jahres nicht mehr erwähnen, um den Wichtigtuern nicht noch beim Wichtigtun zu helfen. Aber nun dies:

Auf Platz zwei der „Unwörter“ setzte die Jury den Begriff „Sprachpolizei“. Damit würden Personen diffamiert, die sich unter anderem für einen angemessenen, gerechteren und nicht-diskriminierenden Sprachgebrauch einsetzten. (welt.de 12.1.22)

Ist das nicht köstlich? Damit keiner auf den Einfall kommt, sie selbst als Sprachpolizei zu kritisieren, setzen sie das Wort auf den Index!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2021 um 09.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#47411

Am Montag (25.10.) wird das Jugendwort des Jahres 2021 gewählt. Doch was bedeuten Begriffe wie "sheesh" und "cringe" eigentlich? Macht mit und testet, ob ihr die Sprache der Jugend versteht und zeigt uns, wie jugendlich ihr seid! (Antenne)

Das bringt mich zum Cringen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 25.10.2021 um 00.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#47409

Apropos Flüchtlinge, Asylsuchende, Lügenpresse, ...

Das ZDF wiederholt gerade die deutsch-britisch-tschechische Fernsehserie "Spy City" von 2020. Die Handlung spielt in Berlin 1961, kurz vor dem Mauerbau. Im Teil 2/3 (So, 22.15 Uhr) sind angebliche Fernsehnachrichten von damals zu hören, Sprecherton (mit Hervorhebung von mir):

"Über tausend Flüchtlinge strömen täglich aus nach Westberlin, zwei- bis dreimal so viele wie gewöhnlich. Grund ist die Ankündigung der DDR, daß es an den Grenzen zu Einschränkungen kommen soll. Dies ist die höchste Zahl an Asylsuchenden seit dem Aufstand von 1953."

Die DDR-Flüchtlinge haben im Westen kein Asyl gesucht, sie wußten ganz genau, daß sie dort als Deutsche in Deutschland zu Hause waren. Erst recht nicht haben westdeutsche Medien sie als Asylsuchende bezeichnet. Niemals hat ein Ostdeutscher in Westdeutschland Asyl beantragen müssen, sondern jeder hat immer anstandslos seinen bundesdeutschen Personalausweis und Reisepaß bekommen. Ich kenne das auch aus eigener Erfahrung von 1989.

Warum wird dann in einem heutigen Fernsehfilm dieses Wort für die damaligen DDR-Flüchtlinge benutzt? Es ist sehr durchsichtig, daß es sich um eine Anspielung auf heutige Flüchtlingsströme aus Afrika, Nahost und Asien handelt, daß es also um politische Erziehung durch die "öffentlich-rechtlichen" Sender geht, nicht um einen Beitrag zur Meinungsbildung, wie es immer so schön heißt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2021 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#45022

Die Unwort-Wahl ruft zwar jedes Jahr Kritik und Spott hervor, schafft es aber jedes Jahr in Schlagzeilen und Tagesschau. Sogar daß es dieses Jahr zwei Wörter sind, wird wie eine wissenschaftliche Entdeckung berichtet.

In den Medien wird praktisch nie gesagt, daß keineswegs die gutgläubigen Einsender die Unwörter gewählt haben, sondern die Jury selbst. Es steht nicht einmal fest, daß die Wörter in den Einsendungen überhaupt enthalten waren, denn die Jury hat lediglich versichert, daß sie sie nicht selbst gebildet habe.

Man sollte die Mitglieder der Jury namentlich und mit Auflistung ihrer bisherigen Leistungen bekannt machen. Sie bilden wohl den kleinsten und unscheinbarsten "Verein", der es regelmäßig zu solcher Bekanntheit bringt. Das liegt aber nicht ihrem besonderen Geschick, sondern an einer sonderbaren Bereitschaft der Journalisten, die Wichtigtuerei immer wieder anzufeuern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.04.2020 um 05.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#43464

Diskussionsorgie könnte Unwort des Jahres werden – wie ich die Jury kenne. Kostet ja nix.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2020 um 06.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#42762

Das Unwort des Jahres ist von neun (9) Einsendern vorgeschlagen worden. Alle Medien berichten über das Ereignis.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.10.2019 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#42255

Das alberne "Jugendwort des Jahres" gibt es nicht mehr, nachdem PONS (Klett) die Langenscheidt-Gruppe übernommen und das einschlägige Wörterbuch der Jugendsprache eingestellt hat. Keine Träne.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2019 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#40582

Übrigens: Alle vier akademischen Jurymitglieder geben als Arbeitsgebiet „Diskurslinguistik“ an. Weicher geht es nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2019 um 11.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#40581

"Anti-Abschiebe-Industrie" als Unwort des Jahres – da fühlt sich wohl jemand getroffen. Und wenn man "Industrie" in seinem ursprünglichen Sinn versteht, ist es gut getroffen, denn die Betriebsamkeit zur Verhinderung von gerichtlich verfügten Abschiebungen ist in der Tat ein großes Ärgernis. Wenn die Polizei kommt, sind die Vöglein großenteils ausgeflogen und nicht mehr auffindbar.
Dem Rechtsstaat auf der Nase herumzutanzen gilt aber in gewissen Kreisen als verdienstvoll.

Kommentare wie meiner sind zu erwarten, aber die Wichtigtuer werden wie immer antworten, sie hätten uns sprachlich sensibilisert... Warum drucken sämtliche Zeitungen diesen Unsinn immer wieder ab. Wenigstens sollte man alle Mitglieder der wahrlich selbsternannten Jury immer namentlich erwähnen und hinzusetzen, daß eben diese paar Leute ihre Privatmeinung über gewisse Äußerungen von Unionspolitikern ausgesprochen haben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 18.11.2018 um 00.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#40101

Ich kenne von beiden Wörtern nur Ehrenmann, und auch das nur aus alten Western und Kriminalfilmen, wo sich die wohlhabenderen Gangster gegenseitig so titulieren. Andererseits bin ich aber nicht gerade der Maßstab in Jugendsprache, habe deshalb mal bei meinen Jungs nachgefragt. Die sind zwar auch alle schon Ü30, aber auf den ältesten, der Lehrer ist und dadurch viel Kontakt zu Teenagern hat, hatte ich besonders gehofft. Leider Fehlanzeige, keiner wußte über das neue „Jugendwort“ mehr als ich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.11.2018 um 04.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#40094

Bisher hat sich niemand gemeldet, der das Langenscheidt-Wort des Jahres Ehrenfrau schon mal gehört hätte. Zur willkürlichen Setzung des "Jugendwortes" scheint noch der Genderwahn hinzugekommen zu sein. Interessant ist der Mechanismus der Medien-Öffentlichkeit, der es keiner Zeitung erlaubt, den Marketing-Unsinn mit Schweigen zu übergehen. Darauf kann sich der Verlag verlassen – eine unglaubliche Werbeaktion vollkommen gratis und jedes Jahr wieder.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.11.2018 um 13.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#40091

Zum neuen Jugendwort des Jahres ein Wort aus dem Immerwährenden Kalender:
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33881
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.10.2018 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#39929

Die Unwort-Jury ist imstande, Asyltourismus zum Unwort des Jahres zu erklären. Wasser auf die Mühlen der AfD.

Man wird eine tränenreiche Begründung mitliefern, wie gewohnt, und leider werden die Medien den tendenziösen Quark auch diesmal nicht mit Schweigen übergehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.05.2018 um 05.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#38679

Als Gymnasiast hatte ich einmal das Wort Errungenschaft niedergeschrieben, das mir allerdings schon von der Wortbildung her nicht gefällt. Mein Lehrer kritisierte es als Naziwort. Eigentlich fehlt immer noch ein besser gebildetes (mir fallen natürlich für Spezialfälle eine ganze Menge andere ein), weshalb viele heute gleich achievements sagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2018 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37589

Die Süddeutsche Zeitung kommentiert das "Unwort des Jahres" stromlinienförmig im Sinn der Jury, verschweigt auch nicht, daß es zunächst eine amerikanische Angelegenheit ist.
Was ist eigentlich neu und "besorgniserregend"?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2018 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37588

Ich weiß nicht, ob ich konservativ bin. Manches konserviere ich, anderes nicht. Rechtspopulistisch bin ich bestimmt nicht, was immer das heißt. Linkspopulistisch gibt es ja für diese Leute sowieso nicht.
Ich rede natürlich gern von Genderwahn. Die Genderwahnsinnigen immunisieren sich gegen Kritik, indem sie mit ihrer Unwort-Keule fuchteln. Im Pauschalisieren sind sie ganz groß. Über die deutsche Sprache haben sie noch nie etwas herausgefunden.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.01.2018 um 14.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37586

bemerkenswerte Steigerung: konservativ bis rechtspopulistisch
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2018 um 12.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37584

Unwort des Jahres soll sein: „alternative Fakten“

Außerdem prangerten die Sprachwissenschaftler die Formulierung "Genderwahn" an. Mit diesem Ausdruck würden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise diffamiert.

Man sieht wieder mal, auf welchem Ohr die Unwort-Jury taub ist. Ihre eigenen undifferenzierten Diffamierungen nimmt sie nicht als alternative Fakten wahr.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2018 um 07.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37580

Abgewählt ist das Wort oder Unwort des Jahrzehnts. Es hat in letzter Zeit kein Wort gegeben, das ähnlich folgenreich wäre.
Es gibt so viele Menschen, die lustvoll darauf bestehen, abgewählt zu sein, daß man eine neue Partei gründen könnte: "Die Abgewählten". Ihr Hauptziel ist es, in die Opposition zu gehen, daher der Wahlslogan Wählt uns ab!.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.12.2017 um 07.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37224

Nördlich des Weißwurstäquators weiß niemand, worum es sich überhaupt handeln soll.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.12.2017 um 06.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37223

Ob die Leute wissen, daß i bims tatsächlich die ältere Form des Verbs enthält? Es ist sozusagen Althochdeutsch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.11.2017 um 17.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#37031

Den Marketing-Gag des Langenscheidt-Verlag "Jugendwort des Jahres" würdigt die Süddeutsche Zeitung erstmals als sprachpolitische Leistung, nämlich als Protest dagegen, daß eine andere Firma sich das Wort (I bims) aneignen, also unter Markenschutz stellen will. Wenn das so stimmt, wäre es in der Tat zu begrüßen, denn die zunehmende Kommerzialisierung der allgemeingebräuchlichen Sprache ist besorgniserregend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.10.2017 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#36796

Zu "alternativlos" hatte ich mich schon geäußert: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17859

Das Wort ist nicht spezifisch für Merkel, und Schlossers Versuch, damit ausgerechnet Merkel eine "Basta-Politik" nachzuweisen, wirkt komisch, weil dieses Kennwort ja zuvor Schröder angehängt worden war und Merkel andererseits ein Zögern und Aussitzen vorgehalten wird. Man sollte das alles nicht einmal ignorieren.
 
 

Kommentar von SP, verfaßt am 15.06.2017 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35367

"Ich liebe Schokoladenpudding über alles."

Wer weiß? Das kindliche "über alles" ist auch ausgestorben.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 15.06.2017 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35366

Das Bestimmungswort "Lieblings..." wird bestimmt nicht aussterben, jedenfalls nicht bei Kindern.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.06.2017 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35357

Ja, Flüchtlinge darf man nicht mehr sagen, weil es angeblich herabsetzend und einseitig männlich ist. Dabei gibt es aber durchaus noch Neuschöpfungen: die Cleverlinge (siehe z. B. https://www.mannheim.de/de/bildung-staerken/bildungsplanungschulentwicklung/bildungsbuero/mannheimer-cleverlinge2).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.06.2017 um 03.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35349

Das Wort Liebling stirbt mit Recht aus, ein Symbol sexueller Ausbeutung.

Übrigens:

Die Demonstration richtete sich gegen diese Verschärfung und die falsche Trennung in „gute“ politische Geflüchtete und „schlechte“ Wirtschaftsgeflüchtete.



Die Hotspots sind das Ergebnis politischer Entscheidungen, die auf europäischer Ebene im Rahmen von Vereinbarungen zur Umsiedlung von Migrant*innen getroffen wurden. Sie erweisen sich als Kontrollapparate, dessen Ziel es letztlich ist, Wirtschaftsgeflüchtete von Asylsuchenden zu unterscheiden.

Diese Praktiken haben die Schutzverbände alarmiert, die daraufhin die willkürlichen Aufteilungen der Migrant*innen in schutzbedürftige und nicht schutzbedürftige Personen anprangerten, die von der Polizei in den letzten Monaten durchgeführt wurden.


Viele Menschen leben davon, das Bleiberecht für alle zu erkämpfen, die deutschen Boden erreicht haben. Manche verfolgen dabei andere Ziele, die zuerst zitierten K-Gruppen zum Beispiel bekämpfen den deutschen Imperialismus.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 14.06.2017 um 00.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35348

Zu #35340: Selbstverständlich reduziert das Wort »Flüchtling« einen Menschen auf den Aspekt Flucht, was denn sonst? (Wovor der oder die Betroffene geflohen ist, steht auf einem anderen Blatt.) Ohne diese Art von Reduktion könnten wir uns untereinander wohl kaum verständigen. Wenn es der Zusammenhang zweckmäßig erscheinen läßt, sagen wir »Diabetiker« und nicht »Mensch mit Diabetes«, »Betrüger« und nicht »Mensch, der betrogen hat, auch wenn er bestimmt noch tausend andere, positive Eigenschaften hat«, »Bundeskanzlerin« und nicht »Mensch, die gerade zufällig das BundeskanzlerInnenamt innehat«. Niemand wird »entmenschlicht«, wenn man in einem gegebenen Kontext, der allen mündigen Gesprächsteilnehmern bewußt ist, darauf verzichtet, weitere Merkmale zu erwähnen, die nichts zur Sache tun. Wem nicht klar ist, daß Flüchtlinge Menschen sind, dem ist nicht zu helfen und den kann man auch nicht bekehren, indem man der Sprache Gewalt antut und damit ein normales Gespräch unter normalen Menschen fast unmöglich macht. Eine Sprachwissenschaftlerin sollte das eigentlich wissen!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.06.2017 um 22.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35347

Sperlinge sind auch am Aussterben (hab ich kürzlich in der Zeitung gelesen).
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 13.06.2017 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35346

Ach, und wenn ein Vater von seinem Sprößling spricht, besteht dann nicht schon Verdacht auf Kindesmißbrauch?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 13.06.2017 um 18.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35345

Und erst die Geschlechterdiskriminierung, weil der Flüchtling immer männlich ist, auch wenn er eine Frau ist!
Gärtner und Landwirte kennen herkömmlich neben Schädlingen auch Nützlinge, aber diese Begriffe werden heute auch nicht mehr gerne gesehen.
Der Lehrling ist schon erfolgreich eliminiert, der Prüfling wartet noch.
Häftlinge sollte es auch nicht mehr geben. (Hat sinngemäß schon Gustav Radbruch gesagt.)
Jemanden als Höfling zu bezeichnen, war ja auch immer schon diskriminierend.
Bückling, Riesling, Pfifferling und Träuschling sollten von der Speisekarte ebenso verschwinden wie das "Z...-"-Schnitzel.
 
 

Kommentar von GERMANIST, verfaßt am 13.06.2017 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35342

Nach dem Krieg gab es den amtlichen "Flüchtlingsausweis". Darf der jetzt nachträglich auch nicht mehr so heißen? Muß die Geschichtsschreibung geändert werden?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2017 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35341

Bei Kampf um die richtige Bezeichnung gerät das Hauptproblem aus den Augen, daß nämlich viele Geflüchtete nicht geflüchtet sind.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2017 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#35340

Es gibt einen "Arbeitskreis Linguistische Sprachkritik", in dem sich Vertreter eine politisch korrekten, geschlechtergerechten, antirassistischen Sprache zusammengefunden haben (http://www.ak-sprachkritik.de/).

Die Website scheint nur selten besucht zu werden.

Auf Kritik am Gendern (z. B. durch Walter Krämer) reagiert man sehr ungehalten.

Eines der Mitglieder wird hier zitiert:

Dass Sprache ein mächtiges Instrument in der Debatte ist, findet auch Jana Tereick. Die Sprachwissenschaftlerin verweist auf das Wort "Flüchtling".
"Diese Bezeichnung reduziert einen Menschen allein auf die Tatsache der Flucht", erklärt sie. Er werde dadurch entmenschlicht und auf einen Aspekt seiner Individualität herabgesetzt. "Geflüchteter Mensch" hingegen sei viel positiver besetzt und rücke den Einzelnen mehr in den Vordergrund.

(https://web.de/magazine/politik/fluechtlingskrise-in-europa/angst-fremden-fluechtlinge-symbol-bedrohung-31319728)

Anderswo bringt sie Flüchtling mit Schädling in Verbindung, da sei die Schädlingsbekämpfung nicht weit. Usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2017 um 21.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#34282

Es ist und bleibt schade, daß im Zusammenhang mit der Unwort-Wahl immer von "Sprachwissensachaftlern" die Rede ist, als hätte das Treiben dieser Leute irgend etwas mit ihrem Beruf zu tun. Die Sprachwissenschaft hat ihr Ansehen schon genug beschädigt (Rechtschreibreform, Gender).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 18.11.2016 um 23.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33884

http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/wdr-aktuell/video-fly-sein---das-jugendwort-des-jahres-100.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.11.2016 um 15.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33881

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#30549

Obwohl die Medien keineswegs verschweigen, daß das "Jugendwort des Jahres" eine Werbeaktion des Langenscheidt-Verlags ist, berichten sie doch darüber, und zwar meistens so, als sei dieses Wort (ich brauche das diesjährige nicht zu erwähnen, es ist immer derselbe Unsinn) irgendwie herausgefunden worden.

Macht Langenscheidt eigentlich auch noch etwas Vernünftiges?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.11.2016 um 08.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33836

Lugenpresse hat zuletzt im amerikanischen Englisch ziemlich eingeschlagen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2016 um 04.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33004

Über "Eingeborene" haben wir schon oft gesprochen, z. B. hier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1042#23087

Das läßt sich kein Unwortjäger entgehen, und unsere volkspädagogisch aufgerüsteten neuen Wörterbücher brandmarken es ausnahmslos.

Bei mir haben die Abenteuerromane meiner Kindheit im Gegenteil bewirkt, daß "Eingeborene" zu einer harmlosen Märchenwelt gehören. (Wie "Mohren".)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.08.2016 um 04.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33003

Zu Herrn Ludwig:

Alle mir bekannten Umfragen haben ergeben, daß die Amerikaner sich am wenigsten mit der Vorstellung eines atheistischen Präsidenten anfreunden können. Schwarze (wie geschehen), Katholiken (wie geschehen), Frauen (wie bevorstehend), Juden usw. – alles möglich, aber bitte keinen Atheisten. Es ist ratsam und wird befolgt, sich zumindest "Agnostiker" zu nennen, auch wenn man schlicht und einfach Atheist ist. Freilich ist die rein negative Bestimmung, als Absetzung von einem als exotisch empfundenen ideologischen System, für den wirklichen Atheisten ziemlich abstrus. Man ist ja auch zum Beispiel ein Nichtkannibale, ohne das groß herauszutrompeten.

Gestern in der FAZ über Frankreich:

„Ein Paradox ist es, dass die soziale Kraft der Religion erstarkt ist, obwohl sie sich als metaphysischer Glauben verflüchtigt hat“, schreiben die Autoren. „Der Katholizismus hat sein Ziel eines Lebens nach dem Tod erreicht. Da es sich um ein weltliches Leben handelt, sprechen wir von einem Zombie-Katholizismus.“

In Dänemark gehören 77 % der Staatskirche an, aber 52 % sind „atheistisch“ oder „ungläubig“; nur 18 % finden die Religion für sich wichtig, kaum mehr als 2 % gehen zur Kirche.

Man wundert sich viel zu selten.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.08.2016 um 22.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33002

Mich ernnert "Eingeborene" immer an das Lied aus den 50ern: "Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien ..."
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 03.08.2016 um 19.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33001

Für mich hat das Wort „Eingeborene“ seine Unschuld verloren, als es in den Abenteuerromanen meiner Kindheit primitive Wilde bezeichnete. Vielleicht verwenden andere aus demselben Grund lieber „indigen“ oder „autochthon“, wenn sie eigentlich nur Eingeborene meinen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 03.08.2016 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#33000

Einmal war ich doch überrascht, als ich Palo Alto an einem Sonntag vormittag auf die Öffnung des Stanford Shopping Centers wartete. Ich kam mit einer Frau ins Gespräch, die auch rein wollte, und erzählte beiläufig, daß ich in Deutschland nun Pech hätte, da seien die Geschäfte sonntags zu. Darauf reagierte sie recht lebhaft, daß ich mir gleich vorkam wie aus dem rückständigsten Land der Erde, sie finde, die Religion müsse man doch jedem Einzelnen überlassen, daß da gleich für alle geschlossen wird, fände sie gar nicht richtig usw.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 03.08.2016 um 17.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32998

Zu Icklers Atheismus in "Nur [US-]Präsident können sie natürlich nicht werden": Naja, wir sind hier zwar credoesk offen One Nation under God und auf unserem Zahlungsmittel steht, glaube ich, In God we trust, aber so einfach würde ich das nicht sagen. Schauen wir mal, wie viele römisch-katholische Leute hier heutzutage öffentliche Ämter bekleiden, ohne daß wer dazu noch ein Wort verliert. Das war vor einem halben Jahrhundert bei Kennedy noch ganz anders. Und dann beginnen ja jetzt selbst einige Republikaner, Trump trotz seiner religionsartigen Bekenntnisse etwas zu mißtrauen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2016 um 14.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32997

Außer wenn die Betroffenen sich das Schimpfwort zu eigen machen, wie es schon oft vorgekommen ist.

In den USA ist es so ziemlich das Schlimmste, "Atheist" zu sein, es gibt aber auch welche, die stolz darauf sind. Nur Präsident können sie natürlich nicht werden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 03.08.2016 um 12.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32996

Ich beantrage, das Wort "ungläubig" aus dem deutschen Wortschatz zu verbannen, weil es im jetzigen Gebrauch immer eine Beleidigung ist und meist auch so gemeint ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2016 um 04.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32993

Wörter können auf die dümmste Weise ihre Unschuld verlieren, und ihre Anprangerung, z. B. im "Wörterbuch des Unmenschen", wirkt "self-fulfilling", dagegen kann man nichts machen, auch wenn man es besser weiß. Ich werde es mir in diesem Leben nicht mehr abgewöhnen, bei anständig Himmler im Ohr zu haben (es gibt Filme und Texte genug darüber).
 
 

Kommentar von Vollgasfahrer, verfaßt am 29.05.2016 um 04.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32700

Wenn deutsche Politiker allerdings irgendwann merken, daß sie nach "moralischen Alleingängen" möglicherweise Deutschland überfordern, brauchen sie nicht nach "europäischen Lösungen" zu rufen, da die anderen Staaten das dann als rein deutsches Problem ansehen. Habt ihr ja selber so gewollt. Ihr schafft das. So stimmt Präsident Hollande nach eigenen Worten zu 100 Prozent in Flüchtlingsfragen Frau Merkel zu, aber die Flüchtlinge wollen halt alle nach Deutschland. Da kann der Franzose nichts machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.05.2016 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#32696

Mit den "moralischen Alleingängen" Deutschlands soll es nach dem Wunsch der FAZ nun ein Ende haben.

Mein Kandidat für die Unwort-Wahl. Seit Jahrtausenden wird derjenige als moralisch gefeiert, der nicht fragt, ob er "allein" ist. Etsi omnes, ego non. Der Hohn der FAZ überrascht allerdings nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.01.2016 um 06.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31341

Herr Gysi, ist „Gutmensch“ das richtige „Unwort des Jahres“ 2015?

Nein, die Entscheidung ist missverständlich. Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben sich um die Flüchtlinge gekümmert und müssen den Eindruck haben, dass auch sie damit gemeint sind. Sie leisten unentgeltlich eine wichtige und sehr aufwendige Arbeit. Ich verstehe zwar, wer mit dem Unwort „Gutmensch“ gemeint ist. Aber zu viele andere müssen sich dadurch negativ bewertet fühlen.
(Tagesspiegel 15.1.16)

Gysi scheint da etwas nicht mitbekommen zu haben. Er wiederholt ja nur die Begründung der Jury für ihre Entscheidung, die also doch richtig war.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2016 um 05.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31284

Die oft hervorgehobene "Unabhängigkeit" der Unwort-Jury besteht, wie auch die Zeitungen berichten, darin, daß sie die Einsendungen nicht berücksichtigt. Die Leute zu Vorschlägen aufzufordern und ihnen gleichzeitig zu sagen, man werde sie nicht beachten, ist mit dem mutmaßlichen Wort des Jahres 2016 als "Verarschung" zu bezeichen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 12.01.2016 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31275

Unter ihnen ist immerhin der Kabarettist Georg Schramm. Von ihm dürfte der vergleichsweise sinnvolle Vorschlag "Hausaufgaben" gekommen sein.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.01.2016 um 13.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31274

Die Unwort-Jury besteht nicht nur aus Gutmenschen, sondern geradezu aus Doppelplusgutmenschen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2016 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31273

Gutmensch ist auf den ersten Blick auch nicht sehr gescheit, denn diese Diskussion ist ja schon vor langer Zeit geführt worden in Hunderten von Beiträgen; fast jeder von Alan Posener bis Anatol Stefanowitsch hat sich daran beteiligt. Seit Jahren steht auch richtig in den Wörterbüchern, es sei eine ironische Bezeichnung für die Wächter der Political correctness und Beschützer unserer Verletzlichkeiten – also nicht etwa für wirklich hilfsbereite Menschen. Zum Beispiel die "Ärzte ohne Grenzen" würde wohl niemand als Gutmenschen ironisieren. Auf den zweiten Blick ist es aber recht raffiniert, denn neben den fernsehbekannten Gutmenschen gibt es eine Gruppe, die allen Grund hat, diese Bezeichnung abzuwehren: die Unwort-Jury selbst. Sie baut schon mal vor, aber wohl vergeblich.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2016 um 07.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31268

Das große Geheimnis wird bald gelüftet werden. Jury-Sprecherin Janich deutet schon an, wohin die Reise geht:

Bezeichnungen wie «Flüchtlingskrise» (42 Mal) und «Asylkritiker» (27 Mal) kommen gemessen an den «Unwort»-Kriterien aber eher in Betracht, wie Janich sagte. (dpa)

Man merkt die politische Absicht: Es gibt keine Flüchtlingskrise und sollte keine Asylkritiker geben. Alles im Namen der Sprachwissenschaft.

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.12.2015 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#31024

Das Unwort des Jahres ist noch gar nicht "gewählt" (wir wissen, was damit gemeint ist), da versteht es die Jury schon, sich ins Gespräch zu bringen. Irgendwas mit Flüchtlingen soll es sein. Nicht sehr einfallsreich, aber besonders unangenehm ist wie immer, daß an die Stelle vernünftiger Argumente eine Art Sprechverbot gesetzt wird.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2015 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#30882

In der FAS (13.12.15) glossiert Johannes Willms den Ausdruck Willkommenskultur und wundert sich, daß noch niemand, nicht einmal Markus Söder, Abschiebekultur geprägt habe. Da muß er was verschlafen haben, denn dieser Ausdruck wird doch seit Wochen allenthalben diskutiert, es gibt tausende von Belegen. Auch als Unwort des Jahres ist es schon vorgeschlagen worden.

In den Bestandteil -kultur sollte man nicht zuviel hineinlesen, rs ist auf dem Weg zum Suffixoid, vgl. den berühmten Gewerbepark oder auch die Denkfabrik. Was für Parks und Fabriken gibt es nicht inzwischen!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.11.2015 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#30648

Als Unwort des Jahres 2015 schlage ich "Stacheldrahtzaun" vor.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.11.2015 um 04.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#30549

Eins können die Medien nicht: einen Unsinn durch Stillschweigen neutralisieren. Daher die alljährlichen Berichte über Wörter und Unwörter des Jahres.
„Diese Aktion zeichnet aus, dass sie mit der Sprache von Jugendlichen nichts zu tun hat.“ (Peter Schlobinski zum „Jugendwort des Jahres“, einer Langenscheidt-Werbeaktion)
Natürlich nicht, aber das wird nichts helfen, nächstes Jahr geht es weiter.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 29.01.2015 um 20.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27935

Die taz schreibt jetzt, daß es auch einen "Anglizismus des Jahres" gibt (aktueller Preisträger: blackfacing). Man weiß allerdings nicht, was erbärmlicher ist: die "Auszeichnung" oder das Geschreibsel der taz dazu.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 14.01.2015 um 21.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27803

"(..) für Weltoffenheit, Mitmenschlichkeit und Dialog im Miteinander (...), Werte also, die auch Pegida vertritt." Dann haben sie sich aber bislang viel Mühe gegeben, das zu verbergen. Warum heißen sie nicht WEEFÜMIMI ("Weltoffene Europäer für Mitmenschlichkeit und Miteinander")? (Und für "Dialog im Miteinander" sind die Hooligans einschlägig bekannt. Ahu! Ahu!) Wieso kriegen sie in weltoffenen Städten wie Bonn, Köln, Düsseldorf, München, Hamburg, wo die Muslime zu hundertzwanzig Prozent integriert sind (als Karnevalsprinzen, Schützenkönige, Bankangestellte, Kioskbetreiber, Handwerker, Arbeitskollegen, Nachbarn, Schulkameraden,... – oft genug so spießig-gutdeutsch, daß einem schon das Kotzen kommen kann) kein Bein auf die Erde, sondern ausgerechnet in Dresden, wo man irgendwelche Muslime mit der Lupe suchen muß? (Es ist schon hundertmal gesagt worden, aber man kann die Wahrheit ja nicht oft genug wiederholen: Was sich da allwöchentlich zusammenrottet, übersteigt die Gesamtzahl aller Muslime in ganz Sachsen um ein vielfaches. Nebenbei: Sich ausgerechnet unter der Ägide Bachmanns über kriminelle oder sonst nicht rechts- oder wertetreue Ausländer zu mokieren, ist schon sehr putzig.)
Das alberne, zur Beruhigung der Öffentlichkeit nachgeschobene 19-Punkte-Programm spielt offenbar keinerlei praktische Rolle. Kein Wunder, daß es kaum einer kennt.
"Der sächsische Verfassungsschutz und auch die linke Zeitung "Junge Welt" schreiben davon, daß es weder der NPD gelungen ist, bei Pegida Tritt zu fassen, noch rechtsradikalen Kameradschaften oder Einzelpersonen." Ein Musterbeispiel für selektives und dazu verfälschendes Zitieren. Das mit den Einzelpersonen stammt offenbar vom Verfaschungsschutz (der ja auch vom "NSU" nichts wußte). Was die junge Welt von Pe-, Bo-, Kö-, Dü- und Sonstwasgida hält, daran läßt sie keinen Zweifel. Daß das klassisch organisierte Dumpfbackentum derzeit keine Rolle spielt, ändert daran nichts.
Der Wahlspruch der jungen Welt lautet übrigens: "Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen." Und seit Jahr und Tag schon heißt es "Bild lügt" oder "taz lügt". Parolen, die seit jeher unbeanstandet blieben. Das ist eben etwas anderes als "Lügenpresse, Lügenpresse".
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.01.2015 um 16.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27802

Der historische Wendepunkt zur sogenannten "Lügenpresse" war die Rechtschreibreform: Vorher hatten wir eine kritische Presse, sonst hätte die Reform nicht im Geheimen vorbereitet werden müssen und wäre schon vor ihrer Einführung in der Luft zerrissen worden, wie die Reformer selbst gesagt haben. Die Durchsetzung der Reform geschah dann durch Ausschaltung und Unterdrückung aller kritischen Stimmen. Ab da hatte die Presse ihren Ruf und ihr Ansehen verspielt. Jetzt wissen wir nicht mehr, wo überall sonst noch die Staatsraison dahintersteht.

Außerdem sollten wir darüber nachdenken, ob "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" für alle Menschen oder nur für Staatsbürger gelten. In Frankreich galten sie zuerst auch nur für die Bürgerschicht und in den USA lange nur für Weiße.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2015 um 15.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27801

Wörter an sich sind weder gut noch schlecht, erst die Anwendung auf einen bestimmten Gegenstand macht diese Frage möglich. Ohne Pegida zu kennen, habe ich mich schon über den beinahe abgestimmt wirkenden Umgang sehr verschiedener Medien mit diesen Parias gewundert und geärgert, und ich gebe Herrn Mahlmann recht (immer noch ohne nähere Kenntnis des Gegenstandes), daß es so nicht geht.
Gestern brachte die FAZ einen sehr vernünftigen Aufsatz von Jens Alber (Soziologe, Politologe). Er tat mit Recht die gebetsmühlenartige Unterscheidung zwischen guter Religion und schlechtem Mißbrauch als Unsinn ab und ging dann der Verschiedenheit der Islame in den einzelnen Ländern nach, ebenso den Ursachen der Radikalisierung in einigen von ihnen. Er empfiehlt, die gemäßigten Kräfte zu stärken, denn die Zivilisierung dieser zum Teil barbarischen Kräfte kann nur von innen kommen.
Interessant war noch seine Auflistung von Koran und Bibelstellen über den Umgang mit Ungläubigen. Das ist ja alles Holz vom selben Stamm. Die Lehren müssen historisch-kritisch hinterfragt werden, wie es das Christentum (halb gezwungen) hinter sich hat. Einfacher wäre das Argumentieren natürlich, wenn auch bei uns Staat und Religion wirklich getrennt wären. Wie die Dinge liegen, kann man eine solche Trennung den Muslimen nicht abverlangen; es bleibt nur der Weg nach vorn (also nach hinten...): den anderen Religionsgesellschaften dieselbe staatliche Förderung zuteil werden zu lassen wie bisher den Kirchen: theologische Fakultäten, Religionslehrerausbildung, konfessioneller Schulunterricht, Militärseelsorge, evtl. Beitragsinkasso usw.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.01.2015 um 14.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27800

"Lügenpresse" meint nicht "jede kritische Presse".
Ob das Wort diffamierend ist, hängt davon ab, ob der Vorwurf stimmt oder nicht.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 14.01.2015 um 13.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27799

Der Begriff "Lügenpresse" bezieht sich eben nicht auf eine kritische Presse, die den demokratischen Prozeß der Pluralität und eine Diskussionskultur befördert, sondern gegen Medien, die unkritisch alles, was von Regierungsseite kommt, nachplappern, Medien, die alles besser wissen und sich deshalb nicht bemühen, etwas herauszufinden, Medien, die sich im Besitz der alleinseligmachenden allumfassenden Wahrheit wähnen, die sich für moralisch überlegen halten und jeden, der nur ein Jota von ihrer Meinung abweicht, Mores lehren.

Nehmen Sie irgendein Thema, das über einen gewissen Zeitraum viel mediale Aufmerksamkeit hatte (muß mit Pegida gar nichts zu tun haben). Sehen Sie sich auf youtube oder so Filmschnipsel dazu an, gehen Sie in die Online-Archive der Zeitungen. Sie werden mit einiger Treffsicherheit mit Masse so einhellige Berichte finden, daß Sie sich fragen, ob sie wirklich von unterschiedlichen Autoren stammen.
Zudem wird Ihnen auffallen, daß auch ganz normale Nachrichten – keine Kommentare – vor Meinungen und Wertungen strotzen, die dem Leser sagen, was er von der Sache halten soll.
"Lügenpresse" ist nicht die Kritik an einer freien Presse, sondern die Klage, daß es keine freie Presse gibt.

Zu Pegida: Es fällt mir auf, daß kaum jemand das 19-Punkte-Papier kennt. Bringe ich es im Kollegenkreis in's Spiel, wird es von denen, die zuvor freimütig bekannt haben, es nicht zu kennen, als Feigenblatt und als unglaubwürdig abgetan (wobei allenthalben zugegeben wird, daß die Posten für sich genommen unanstößig, ja sogar vernünftig sind).
Zu einer sachlichen Auseinandersetzung gehört es, daß man sich mit den Pegida-Zielen vertraut macht und dann vergleicht, wie Selbstauskunft und Wort und Tat von Pegida zueinander stehen. Das kommt in den Medien überhaupt nicht vor und im privaten Kreis nur unter großem Bemühen.

Der sächsische Verfassungsschutz und auch die linke Zeitung "Junge Welt" schreiben davon, daß es weder der NPD gelungen ist, bei Pegida Tritt zu fassen, noch rechtsradikalen Kameradschaften oder Einzelpersonen.
Augenzeugen wie Monika Maron (Welt online) beschreiben Pegida als fernab jeden "braunen Sumpfs".

Was den Begriff "Islamisierung" angeht, war es vor Pegida Usus, ihn als "islamistische Unterwanderung", "islamistische Umgestaltung des Rechts- und Gesellschaftsrahmens" oder so zu definieren. Seit Pegida herrscht die Definition "Ausbreitung des Islams" vor – so kann man natürlich viel einfacher davon sprechen, daß Pegida unanständig sei.
Aber wie man es auch nennt: Daß auf Deutschlands Straßen Islamisten "Juden in's Gas!" rufen, daß mit muslimischen Friedensrichtern das deutsche Justizsystem unterlaufen wird, daß in Deutschland geborene Mädchen zwangsverheiratet werden und dergleichen mehr, das darf man kritisieren. Und daß Juden aus Malmö, Antwerpen und Paris nach Israel und in die USA fliehen, weil sie sich von Islamisten bedrängt fühlen, das darf man beklagen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 14.01.2015 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27798

Hier wird in Umrissen ein neues Zensuswahlrecht erkennbar, das in der alternativlosen Zukunft an die Ablegung einer Demokratietauglichkeitsprüfung bei der Bundeszentrale für politische Bildung geknüpft sein wird.
 
 

Kommentar von Andreas Grimm, verfaßt am 14.01.2015 um 11.59 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27796

Verstehe ich Sie recht, dass Sie die zitierten Medien tatsächlich als "Lügenpresse" ansehen. Dann scheinen Sie auch im braunen Sumpf zu stecken, dem das Wort entstammt, unabhängig von der Tatsache dass es vor der nationalsozialistischen Terrorherrschaft geprägt wurde. Wer jede kritische Presse generell diffamiert und nicht mit Hinterfragen des eigenen Standpunktes umgehen kann, ist nicht demokratietauglich und wird gerne dogmatischen Welterklärern hinterher laufen. Die Wahl zum Unwort ist das Beste, was zu diesem Wort gesagt werden konnte.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 14.01.2015 um 11.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27795

Lieber Herr Schaefer,

damit möchte ich auch nichts zu tun haben.

Nur bestreite ich, daß es so ist. Wo lesen Sie im Programm von Pegida, daß sie sich gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe richten? Das ist ja genau das, was, noch ein bißchen gemeiner formuliert, die Medien ihr ständig unterstellen. Einzelne Idioten gibt es überall, es kommt aber darauf an, was die Grundidee ist und was die Masse will.

Ich habe es an anderer Stelle schon geschrieben, dann müßte ja auch die ganze Bundesrepublik mindestens bis in die neunziger Jahren rechtsextrem gewesen sein, weil es da noch offiziell hieß, daß sie KEIN Einwanderungsland ist und daß eine konsequente Zuzugsbegrenzung "unverzichtbar" sei.

Pegida richtet sich nicht gegen die schon nach Deutschland Eingewanderten, diese sollen besser integriert werden, sondern Pegida richtet sich gegen eine Regierung, die nichts dagegen tut, daß immer mehr Menschen mit fremder Kultur einwandern und so unsere Gesellschaft, Normen, Traditionen, Werte langsam aber sicher verändern.

Wieso müssen wir uns das antun? Haben Sie Buschkowsky gelesen, sind Ihnen die Zustände z.B. in Berlin-Neukölln bewußt? Nach Zahlen, die das ZDF kürzlich sendete, soll der Anteil Muslime bis 2030 von jetzt 5% auf 7,1% steigen, und das sei ja überhaupt nicht viel. Aber es ist ein Anstieg um fast die Hälfte des jetzigen Anteils. Die sozialen Brennpunkte, die wir jetzt schon haben, werden, wenn es so weiter geht, bis dahin also noch um die Hälfte zunehmen.

Es heißt immer, unsere Geburtenrate sei zu klein, wir kämen ohne Einwanderung nicht aus. Meiner Meinung nach tut man aber noch lange nicht alles, um größere Familien zu fördern. Können wir unsere Nachwuchsprobleme wirklich nicht anders als über eine ungezügelte muslimische Einwanderung lösen?
Es wird immer behauptet, wir werden die Integration schon besser in den Griff kriegen. Warum tut man es dann nicht, BEVOR die anstehenden Probleme noch weiter vergrößert werden?
Es heißt immer, die Realität sei jetzt eben, daß wir ein Einwanderungsland sind. Richtig, aber das kann man doch augenblicklich wieder ändern bzw. zumindest in geordnete Bahnen bringen, d. h. begrenzen.

Die Gefahr von Rechtsextremismus ist wohl gewachsen. Schuld daran sind die jetzigen Regierungsparteien. Sie treiben die Menschen, die eine andere Ansicht zur Lösung des Bevölkerungsnachwuchsproblems haben, direkt in die Arme der Radikalen. Ich hoffe, daß sich vielleicht die CDU/CSU noch eines besseren besinnt oder daß es der AfD gelingt, auf demokratischer Grundlage diese neuen Strömungen aufzufangen und in die richtige Richtung zu lenken.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 14.01.2015 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27792

Lieber Herr Riemer,

ob man "Pegida" nun pauschal das eine oder andere Verwerfliche zur Last legt, ist eine Sache. Fest steht wohl, daß es sich insgesamt um eine trübe Brühe handelt, in der sich Neonazis und andere Rechtsextreme tummeln.

Wenn die Demonstranten lediglich gegen die Herrschsucht, Arroganz und Inkompetenz der Behörden (d.h. eine weitaus größe Gefahr für unsere Demokratie – siehe RSR) protestierten, hätten sie mich auf ihrer Seite. Dem ist aber nicht so, denn die Demonstrationen richten sich gezielt und pauschal gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Damit möchte ich nichts zu tun haben.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.01.2015 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27787

Wenn Wahltermine nahen oder es sonst irgendwie ans Eingemachte geht, werden die Frankfurter genauso wie die Springer-Blätter immer die Union unterstützen. Als Dank dafür wird es in absehbarer Zeit eine staatliche Zeitungsfinanzierung geben.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 13.01.2015 um 19.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27785

Die Rufe "Lügenpresse" kamen erst auf, nachdem Funk und Presse der Pegida-Demonstration permanent pauschal Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit, Ausländerhaß, Rechtsextremismus unterstellten. Dagegen verwahrt sich Pegida zu Recht, und so lange sie das glaubhaft tut, bin ich auf ihrer Seite.

Das Wort "Lügenpresse" hatte eine ganz klare Ursache und Zielgruppe. Damit ist weder die allgemeine Meinungsfreiheit noch eine Satireredaktion in Paris gemeint. Gemeint sind die deutschen Massenmedien, und zwar darunter genau die, die sich davon am meisten getroffen fühlen und am lautesten bellen.

Die letzte FAS (11.1.2015) zeigt als Titelbild einen angreifenden Dschihadisten in voller Kampfmontur mit Sturmgewehr im Anschlag. Ihm legt sie das Wort "Lügenpresse" in den Mund. Ist die FAZ-/FAS-Redaktion eigentlich noch bei Trost? Sie stellt damit zehntausende friedliche Demonstranten mit mordenden Islamisten auf eine Stufe. Ich habe sofort die Kündigung meines Abos geschrieben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2015 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27783

Hab ich's nicht gesagt?

Sehr zutreffend, überraschend zutreffend ist diese Wahl. "Lügenpresse" ist zweifellos ein Begriff, der die Wahl zum "Unwort des Jahres" durch die "sprachkritische Aktion" verdient. (Tagesspiegel 13.1.15)

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßte die Jury-Entscheidung. (ND 13.1.15)

Dass es als "Unwort" verurteilt wird, ist wichtig, meint Sarah Hofmann. Erst Recht nach den Anschlägen von Paris. (DW 13.1.15)

Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Entscheidung begrüßt, den Begriff „Lügenpresse“ als Unwort des Jahres zu ächten.

Als Wort wünschen wir der „Lügenpresse“ das baldige Ableben, aber als „Unwort des Jahres 2014“ – zu dem es jetzt ausgerufen wurde – möge es Bestand haben. (Berliner Zeitung 13.1.15)

Usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.01.2015 um 14.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#27782

Die Unwortwahl "Lügenpresse" scheint mir nicht gerade mutig, denn dieselbe wird derselben gern zustimmen.

"Mit dem Ausdruck "Lügenpresse" werden Medien pauschal diffamiert", sagte Janisch [= Janich]. "Eine solche pauschale Verurteilung verhindert fundierte Medienkritik und leistet somit einen Beitrag zur Gefährdung der für die Demokratie so wichtigen Pressefreiheit."

Nein, mit dem Ausdruck "Lügenpresse" werden nicht die Medien pauschal kritisiert, sondern nur die Lügenpresse. Daß es sie nicht gebe, wird auch Frau Janich kaum behaupten wollen, sie versteht sich ja selbst als medienkritisch. Aber hier ist jedes Wort zuviel, man hat es wieder mal in die Hauptnachrichten geschafft. (Sechs Leute tun sich zusammen, nennen sich Unwortjury und geben einmal im Jahr den Sittenwächter. Immerhin ist die Lügenpresse entgegenkommend genug, den Unsinn zu verbreiten.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.03.2014 um 05.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#25382

Die Große Koalition will den Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen (Armutszuwanderern, Sozialtouristen) vom Balkan eindämmen. Wo bleibt denn jetzt die Unwort-Jury? Wenn sie schon Politik macht, kann sie es doch nicht mit der Brandmarkung eines einzelnen Wortes bewenden lassen? Die Jury-Vorsitzende Nina Janich hatte gesagt: "Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu." Ein solches Recht, in beliebige Staaten einzuwandern, weil man sich dort ein besseres Einkommen verspricht, gibt es nicht. Damals konnte man die angeblich menschenfeindliche Sprache und Politik wieder einmal der CSU zuschreiben (wie denn die ganze Unwort-Polemik sozialdemokratisch geprägt ist), aber inzwischen reden auch andere Klartext. Nur die beamteten Sprachwissenschaftler, für die das Geld aus der Leitung kommt und die auch einmal – gratis – etwas Gutes tun wollen, sind verstummt und denken schon über den nächsten Gag nach.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.01.2014 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24846

Die Jury hat wohl kalte Füße bekommen, weil Armutszuwanderung ein mehr oder weniger international üblicher, rein deskriptiver Begriff ohne erkennbaren "menschenverachtenden" Ton ist. Sozialtourismus ist dagegen ein polemischer Begriff und viel besser geeignet, die Gegenwehr der Wohlgesinnten hervorzurufen. Danke! Jetzt sind wir den Sozialtourismus los und brauchen uns nur noch um die Armutszuwanderer zu kümmern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2014 um 09.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24824

Armutsmigration (Auswanderung, Einwanderung, Zuwanderung) ist in der ganzen Welt ein großes Problem und wird von Soziologen seit langem erforscht. Nur den Deutschen gelingt es, dieses Problem schnell und kostengünstig zu lösen: Man ernennt "Armutszuwanderung" zum Unwort des Jahres.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.01.2014 um 05.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24811

Diesmal haben es die Wichtigtuer der Unwort-Jury geschafft, schon vor ihrer Entscheidung in die Presse zu kommen – mit der bloßen Ankündigung, unter welchen Einsendungen sie ihre (zugegeben willkürliche) Wahl treffen werden. Unverdrossen sozialdemokratisch, nennen sie „Armutszuwanderung“ und „Supergrundrecht“ (das dem damaligen Innenminister Friedrich einmal entschlüpfte). Sie beziehen sich in beiden Fällen ausdrücklich auf die CSU, deren Position sie mit ihrer Unwort-Kennzeichnung treffen wollen.

Wieder was zum Fremdschämen
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 09.10.2013 um 19.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24209

www.zvab.com/displayBookDetails.do?itemId=205852361&b=1
Gruß Argonaftis
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 09.10.2013 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24208

Da ich mir als Student der Uni Bielefeld genau vorstellen kann, wovon Frau Römer schreibt, würde ich ihr Buch gerne lesen. Gibt es das irgendwo günstiger als für die saftigen 35 Euronen, die Amazon dafür aufruft?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2013 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24202

Ruth Römer, die Herr Markner gerade erwähnt hat, schrieb sich in hohem Alter ihren Ärger über die linke Unterwanderung der Universität Bielefeld von der Seele ("Geistige Brandstifter von Links") und erwähnt auch ein Pamphlet der Landesschülervertretung NRW:

... haben sich Denken und Handeln der Menschen so einzurichten, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, nichts Ähnliches geschehe. Diese Forderung geht so sehr allem politischen Handeln voran, dass es Frevel wäre, sie zu begründen.

Das war 1999 von einem gewissen Daniel Loick geschrieben (der inzwischen weitergeschrieben hat). Man findet das Zitat auch hier: http://www.bsv-rhein-berg.lsvnw.de/uploads/media/SO-1999-02.pdf.

Was Römer nicht eigens vermerkt und auch der junge Herr Loick verschweigt, ist die Vorlage dieses sonderbaren Abschnitts, also Adorno:

Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen. (Erziehung nach Auschwitz, in: Erziehung zur Mündigkeit. Frankfurt 1971:88)

Den pseudoreligiösen Frevel hat Loick hinzugefügt, durchaus im Geiste des Meisters. Dieser Jargon galt einmal vielen als nachahmenswert. In der FAZ schrieb Stephan Wackwitz vor einigen Tagen:

„Adornos Werk ermüdet seine Leser erfahrungsgemäß durch den irgendwann übermächtig werdenden Eindruck, dass er auf hochgescheite und stilistisch perfekte Weise immerfort dasselbe sagt.“ (FAZ 5.10.13)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.09.2013 um 21.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24153

Auch Klemperers LTI ist natürlich kein »Standardwerk«. Es ist ein Buch mit unsystematischen Bemerkungen eines aufmerksamen Zeitgenossen, die mal treffend sind und mal nicht. Standardwerke könnte man nennen, was Ruth Römer und Christopher Hutton zur Sprachwissenschaft unter Hitler vorgelegt haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.09.2013 um 17.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24152

Hier also meine Anmerkungen zu:

Horst Dieter Schlosser: Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus. Köln u. a. (Böhlau) 2013.

Das Buch ist eine weitere, aber entgegen dem Untertitel keine „andere“ Geschichte des Nationalsozialismus. Die bekannten Tatsachen werden einfach aufs neue nacherzählt: die forschreitende Entrechtung, schließlich Vernichtung der Juden, der Verlauf des Krieges usw. (Der Verfasser ist kein Historiker, ich bin es auch nicht, werde daher auf die sachliche Richtigkeit nicht eingehen.)

Über weite Strecken gerät das Thema „Sprache“ völlig aus dem Blick, in anderen Teilen wird nur beiläufig auf die bekannte Rhetorik der Nazis eingegangen. Ob und wie die Ausdrucksweise der Propaganda tatsächlich gewirkt hat, ist natürlich nicht mehr festzustellen und wird auch nicht diskutiert. Zur Lenkung der Presse durch das Propagandaministerium sagt Schlosser, der "grundsätzliche Erfolg dieser Form von Sprachlenkung (sei) kaum zu bezweifeln." (148) Vielleicht war es so, wir wissen es nicht.

„Nicht vergessen sei, dass scheinbar indeologiefreie Entspannungs- und Vergnügungsprogramme wie die der Organisation 'Kraft durch Freude' komplexe Propagandamaßnahmen waren.“ (401) Das ist sicher nicht falsch, aber auch keine umwerfend neue Einsicht, ganz abgesehen von dem kraftlosen Attribut „komplex“, mit dem eigentlich gar nichts gesagt ist.

Unzählige Anführungszeichen im ganzen Text suggerieren, daß von Sprachlichem die Rede sei, aber das liest sich dann ungefähr so:

„1939 wurden schließlich 'Lebensmittelkarten' eingeführt. 'Lebensmittelmarken', 'Bezugsscheine', die Fristen für bestimmte 'Zuteilungen' sowie 'Abgabemengen' waren im Alltagsgespräch unvermeidliche Themen (...) So gab es etwa Karten für 'werdende/stillende Mütter' oder für 'Schwerstarbeiter' sowie 'Reisemarken' oder 'Rauchermarken'.“ (328)

Je nun, irgendwie mußten die Dinge ja genannt werden, die es damals gab und heute nicht mehr. Das war nicht Sprache, sondern Leben unterm Hakenkreuz.

Zum Schluß ein etwas längeres Zitat, das die wenig überzeugende Darstellungsweise illustrieren möge:

„Auch die frühe Sprachwissenschaft hat – obwohl meist unbeabsichtigt – das Ihre dazu beigetragen, eine biologisch begründete Definition von 'Herrenrasse' endgültig ins Irrationale zu steigern. Schon bei Jacob Grimm (1785-1863) gehen die Termini 'deutsch' und 'germanisch' munter durcheinander; eine Differenzierung von politischen und Sprachgrenzen findet bei ihm überdies kaum statt. Und schließlich erweitert die Indogermanistik den Horizont der Rassenideologien mit ihrem Terminus 'arisch' um eine riesige Sprachenfamilie. Die Praktiker der Rassenideologie kümmert es dann wenig, dass es sich bei 'arisch' im Wesentlichen nur um einen Terminus für Sprachverwandtschaften handelte, der inzwischen weitgehend durch 'indoeuropäisch' ersetzt worden ist.“ (25)

Dieser Abschnitt folgt auf die Darstellung „rassenhygienischer“, auf die Vernichtung „minderwertiger“ Menschen zielender Pamphlete des frühen 20. Jahrhunderts. Es ist nicht zu erkennen, wieso Grimms Sprachgebrauch dazu beigetragen haben soll, den biologischen Begriff „Herrenrasse“ ins Irrationale zu steigern, und ebenso unklar ist der Vorwurf mangelhafter Unterscheidung von politischen und Sprachgrenzen. Der Begriff „arisch“ schließlich entspricht der Selbstbezeichnung der Indoiranier, und da man diese im ersten Überschwang teilweise für die ältesten indogermanischen Völker hielt, wurde der Begriff auch auf alle verwandten Sprachen ausgedehnt (wie man heute noch von den lateinischen oder romanischen Völkern spricht). Mit Rassenideologie hat das nichts zu tun.

Die eigentliche nationalsozialistische Sprachwissenschaft und deren „völkische“ Wegbereiter kommen in dem Buch gar nicht vor.
Man vermißt auch einen Blick auf andere Länder. Antijudaismus und Antisemitismus waren ja keine deutschen Besonderheiten. Das gilt auch für den Sprachwandel. Technische Metaphern wie „aufladen“, „auf Hochtouren laufen“ usw. drangen in die Alltagssprache ein (nach einer Beobachtung Klemperers zitiert), aber war das nur im Deutschen so?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.09.2013 um 11.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#24129

Horst Dieter Schlosser hat ein neues Buch geschrieben:

Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus. Böhlau Verlag 2013.

In der WELT schrieb ein Rezensent:

"Fast gleichzeitig waren 1945/46 Viktor Klemperers "LTI. Die unbewältigte Sprache" in Ost- und Sternbergers/Storz'/Süskinds "Wörterbuch des Unmenschen" in Westdeutschland als fundamentale Sprachkritiken über die Sprache des Nationalsozialismus erschienen, beides sind Standardwerke. Es mussten fast 70 Jahre vergehen, bis sich Horst Dieter Schlossers NS-Sprachgeschichte als weiteres Standardwerk hinzugesellt hat."

Mit Verlaub: das ist Unsinn. Erstens ist das "Wörterbuch des Unmenschen" mit Recht kritisiert worden und kann wirklich nicht als Standardwerk bezeichnet werden. Zweitens ist es riskant, Schlossers Buch, kaum erschienen, schon als Standardwerk einzuordnen. (Nach den bisherigen Inhaltsangaben ergibt sich ein anderes Bild, ich werde es aber erst besprechen, wenn ich es gelesen habe.) Drittens ist die Sprache des Nationalsozialismus seit Jahrzehnten ein Modethema der Germanistik und die Bibliographie dazu entsprechend umfangreich. Das meiste taugt natürlich nichts: hilflos wirkende Versuche, das Furchtbare mit den unzulänglichen Mitteln der Linguistik zu "bewältigen". Immer wieder läuft es auf das Urteil "Mißbrauch der Sprache" hinaus und auf die Erkenntnis, daß die Nazis auch vor Lügen nicht zurückgeschreckt sind. Hätten Sie's gewußt?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.04.2013 um 09.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#22930

Die Unwort-Jury titelt auf ihrer Website:

Das Auswahlverfahren der Unwörter

(www.unwortdesjahres.net/index.php?id=3)

Soviel Unbeholfenheit versöhnt mich schon fast wieder mit diesen unverschämten Leuten.

Nachtrag: Unwörter werden ausgewählt u. a., „weil sie gegen Prinzipien der Demokratie verstoßen (z. B. alternativlos als Haltung/Position in der politischen Diskussion, um eine solche zu vermeiden und sich der Argumentationspflicht zu entziehen)“.

Wenn also ein Politiker sagt daran führt kein Weg vorbei, ist er schon ein Verfassungsfeind? Das ist wohl nicht zu Ende gedacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.01.2013 um 07.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#22436

In der FAZ macht sich ein Altphilologe die Mühe nachzuweisen, daß die Unwort-Jury den Interviewtext, in dem Kachelmann und seine Frau sich über "Opfer-Abo" geäußert haben, philologisch unzulänglich interpretiert haben. Das hat etwas Rührendes. Natürlich graust es uns Philologen, wenn wir sehen, wie diese Unwortjäger vorgehen. Aber sie würden jederzeit sagen: Selbst wenn alles falsch ist, was wir vortragen, haben wir doch wenigstens das Publikum für die Sprache sensibilisiert.

Die eigentliche Kritik sollte den Medien gelten, die diesen alljährlichen Unfug zuverlässig verbreiten. Die Nichtigkeit dieser moralisierenden Sprachkritik und der fünf oder sechs Wichtigtuer liegt doch offen zutage. Aber das scheint den Medien ganz unmöglich zu sein: eine Nachricht einfach mal nicht zu bringen.

(Manchmal beneide ich die englischsprachigen Zeitgenossen, die in jedem Satz dreimal das Wort fucking unterbringen.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2013 um 18.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#22431

Die Marotte der Chomsky-Schule, Wortbildungen auf Kernsätze zurückzuführen bzw. transformationell aus ihnen herzuleiten, ist zwar in besseren Kreisen wieder aufgegeben worden, aber gelegentlich findet man sie noch:

„Zwillingsformel (FORMELN sind ZWILLINGE)“ (Christine Römer: Morphologie der deutschen Sprache. Tübingen 2006:355)

(Das Buch hatte ich schon kurz besprochen.)

Das ist natürlich haarsträubender Unsinn. Das hier erwähnte Mutterkuchen könnte man ebenso herleiten aus Mutter ist ein Kuchen.

Guten Appetit!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.01.2013 um 12.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#22360

Die Berichterstattung über das neue "Unwort des Jahres" (Opfer-Abo) läuft z. B. bei der ZEIT unter "Sprachwissenschaft". Wieso eigentlich? Mit der Berufstätigkeit der Juroren hat das Ganze hoffentlich nichts zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2012 um 18.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#22083

Als vor einigen Jahren jemand den menschlichen Embryo im Anfangsstadium mit einer Himbeere verglich, trachteten ihm die Lebensschützer nach eben diesem. Sie wußten nicht, daß die Mediziner vom Morula-Stadium sprechen. Inzwischen liest man sogar im BR-Wissens-Lexikon:
Am Anfang besteht der zukünftige Mensch nur aus einer Zelle, die sich immer wieder teilt und schon am ersten oder zweiten Tag sieht dieser "Zellklumpen" aus wie eine kleine Himbeere. Diese "Himbeere" heißt dann Embryo.
Recht so!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.10.2012 um 06.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#21657

Die SPD möchte Merkels Begriff "marktkonforme Demokratie" (sie hat sich etwas anders ausgedrückt) als Unwort des Jahres gewürdigt wissen, und da die Unwortjury sozialdemokratisch geprägt ist, könnte das gelingen. Es wäre aber kurzsichtig. Die moderne Demokratie beruht anders als die antike tatsächlich auch auf den marktwirtschaftlichen Theorien der schottischen Nationalökonomie usw. Ich brauche das nicht weiter auszuführen, es hat sich ja auch empirisch immer wieder erwiesen. Aber die moralisierende Kritik denkt bei "Markt" automatisch an "Spekulanten" und andere Schrecknisse und nicht an die täglich genossene Freiheit, wirtschaftliche Entscheidungen selbst zu treffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.05.2012 um 13.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20591

Wie sehr die "Unwort"-Diskussion politischen Streit auf die sprachliche Ebene verschiebt und damit einer sachgerechten Erörterung entzieht, war auch vor 18 Jahren deutlich, als Überfremdung von der GfdS angeprangert wurde. Ein Leser der FAZ erinnerte daran, daß niemand anders als Hildegard Hamm-Brücher ungerügt gefordert hatte, die Überfremdung Tibets durch die Han-Chinesen rückgängig zu machen. Die Forderung ist zwar wohlfeil und kann keine weiteren Folgen haben, aber man sieht doch, daß es in Wirklichkeit nicht um Wörter, sondern um politische Sachverhalte geht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2012 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20194

Auch über das Kompositum Ehrensold braucht man sich nicht aufzuregen, denn es kann durchaus bedeuten: Sold statt Ehre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2012 um 09.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20144

Mit der Verschiebung auf einen Genitiv (als Attribut, nicht wahr?) ist nicht viel gewonnen, weil der Genitiv fast ebenso unbestimmt ist wie die Komposition. (Aus diesem Grunde weigert sich Panini, die Funktion des Genitivs zu definieren, was er bei allen anderen Kasus tut.) Die wirkliche lexikalische Bedeutung geht sowieso immer noch weiter. Wer z.B. einen explodierenden Motor zeichnen wollte, käme bestimmt nicht zu einer Explosionszeichnung. (Wozu mir wieder der alte Witz einfällt: Eine Fabrik in Texas war so verwahrlost, daß ein Tornado Verbesserungen im Wert von 6 Mill. Dollar anrichtete.)
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.02.2012 um 23.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20143

Die Explosionszeichnung ist die Zeichnung einer angenommenen Explosion einer Maschine. Der Juwelendieb ist der Dieb der oder von Juwelen. Beide Male ist das Bestimmungswort ein Genitiv-Objekt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 22.02.2012 um 22.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20142

Man könnt die Gedanken noch weiter spinnen:

Wen beherrscht denn das Volk in der Volksherrschaft? Anscheinend sich selbst. Ist das aber Herrschaft? Und warum heißt Demokratie dann nicht Autokratie, auf gut deutsch Selbstbeherrschung?

Oder beherrscht jeder im Volk nur sich selbst? Das wäre aber Anarchie.

Oder beherrscht die Mehrheit des Volkes die Minderheit? Gibt es dafür eigentlich auch ein schönes griechisches Wort? Wäre es dann auch demokratisch, wenn die Mehrheit die Minderheit versklavt?

Usw.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.02.2012 um 20.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20141

Wieso denn die gewählten Vertreter? Es heißt doch nicht Volksvertreterherrschaft. Demokratie oder Volksherrschaft ist die Staatsform, bei der das Volk die Herrschaft ausübt. Wie das konkret geschieht, zum Beispiel über gewählte Vertreter, ist zweitrangig. Und es ist doch klar, daß das ein Ideal ist. Wer von Demokratie spricht, meint das Ideal.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.02.2012 um 18.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20140

Oh, vielen Dank vor allem an Herr Metz. Ich hatte eine Weile im Netz gesucht, um auf die Information zu stoßen, wie hoch der Anteil von Schülern an den Schülerlotsen ist, war aber nicht fündig geworden. Da hat mich womöglich meine Wahrnehmung getäuscht – oder meine Erinnerung.

Die Frage bleibt, was unter einem Schülerlotsen zu verstehen ist: ein älterer Schüler, der jüngere Schüler lotst (dann ist das Kompositum in jeder Hinsicht berechtigt, andererseits ist die Mehrdeutigkeit etwas verwirrend); oder schlicht jemand, der Schüler lotst (dann ist das Kompositum erfreulicherweise eindeutig zu verstehen).

Das hat auch mit der Frage zu tun, ob eine Definition die Realität abbilden muß. Nicht selten wird stattdessen mehr oder weniger ein Ideal beschrieben. Was ist, wenn ein Wörterbuch bei Demokratie als Bedeutung "Volksherrschaft" angibt? Duden gibt die bessere Erläuterung "Staatsform, in der die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben". Aber das ist immer noch ein Ideal. Die Realität sieht anders aus. Schon der Kürze wegen muß sich das Wörterbuch an die ursprüngliche Idee halten. Realistischer wären zum Beispiel folgende Formulierungen:

Staatsform, die von der Idee getragen ist, daß die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben
Staatsform, bei der in der Verfassung steht, daß die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben
Staatsform, bei die vom Volk gewählten Vertreter die Herrschaft ausüben sollen
Staatsform, bei die vom Volk gewählten Vertreter im Idealfall die Herrschaft ausüben

Ich behaupte, daß es der Wörterbuchbenutzer gar nicht so genau wissen will. Er rechnet damit, daß die Realität anders aussehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.02.2012 um 18.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20139

Das ist eben der Punkt, an dem ich die übliche Darstellung nicht teile. Den Akkusativ hat man in mancher Paraphrase, aber das Kompositum selbst enthält nichts davon, auch nicht verborgenerweise. Die Auflösung in eine syntaktische Gruppe scheint manchmal ganz glatt zu gehen, aber wie ist es mit folgender Gruppe:

Dreckskerl, Göttergatte, Ersatzkaffee, Protestnote, Flächenstaat, Beziehungskiste,Wohngift, Beitragsehrlichkeit, Waldhonig, Problembär, Weihnachtspapier, Mutterkuchen, Behindertensportler, Strafverfolgung, Egosozialist, Explosionszeichnung, Ausdauerszene, Spiegeltrinker, mannstoll, besenrein, schlüsselfertig

Schon der berühmte Juwelendieb ist ja ein Rätsel: Er stiehlt Juwelen (also Akkusativ?), aber vom Stehlen ist gar nicht die Rede.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 22.02.2012 um 17.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20137

Das ist nur das alltägliche Problem mit den zusammengesetzten Substantiven: Man muß den Kasus oder die verlorengegangene Präposition richtig erraten, sonst kann es ein Scherzartikel werden. Bei Schülerlotse ist der Akkusativ zu erraten.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 22.02.2012 um 15.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20135

Man sollte nicht sagen "Ein Schülerlotse ist ein Schüler, der ...", sondern "Ein Schülerlotse ist jemand, der Schüler durch den Verkehr lotst."
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 22.02.2012 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20134

Das Urteil »falsch« erscheint mir etwas zu hart, denn die Dudendefinition beschreibt immerhin den Normalfall. Man könnte sie aber ergänzen, da sich inzwischen tatsächlich in zunehmender Zahl auch Erwachsene als Schülerlotsen betätigen. In einer Broschüre der Deutschen Verkehrswacht von 2005 (Verkehrshelfer-Lotsen.pdf) wird der Anteil der »Erwachsenenlotsen« (auch ein schönes Kompositum) mit rund einem Viertel angegeben. In einer aktuelleren Mitteilung zum Bundeswettbewerb der Schülerlotsen 2011 (siehe hier) heißt es (Unterstreichung von mir):

»Bundesweit sind rund 50.000 Menschen als „Schülerlotsen“ tätig. Es handelt sich in der Regel um ältere Schüler, die für ihre jüngeren und unerfahrenen Mitschüler an gefährlichen Stellen den Schulweg sichern und ihnen so sicher über die Straße helfen. Aber auch Eltern, ältere Geschwister oder andere Erwachsene nehmen die Aufgabe als „Schülerlotse“ wahr. Der Einsatz ist freiwillig, erfolgt ehrenamtlich und unentgeltlich.«

Übrigens scheint es große regionale Unterschiede zu geben.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 22.02.2012 um 12.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20132

Laut Duden ist ein Schülerlotse ein "Schüler, der als Verkehrshelfer eingesetzt ist".

Dann ist ein Pfeifenreiniger womöglich eine Pfeife, die saubermachen soll. Interessant, vor diesem Hintergrund über Tortenheber und Büstenhalter nachzudenken.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 22.02.2012 um 11.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20130

Laut Duden ist ein Schülerlotse ein "Schüler, der als Verkehrshelfer eingesetzt ist". Diese Definition ist geradezu falsch. Ich kann mich kaum an den Anblick von Jugendlichen erinnern, die als Schülerlotsen wirken. Seit Jahren sehe ich fast nur Erwachsene, meist Senioren.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2012 um 10.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#20076

Für den "Vorwärts" ist Vahrenholt ein "verantwortungsloser Klimaleugner". Der Mann muß wirklich verrückt sein, wie kann man das Klima einfach leugnen!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.02.2012 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19999

In Stuttgart wurde ein Parkplatzmörder verurteilt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.01.2012 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19982

Zum Thema Verfassungsschutz gibt es bei SPIEGEL Online eine witzige Besprechung der gestrigen Talkrunde bei Günther Jauch: "Staatsfeinde unter sich".

www.spiegel.de/kultur/tv/0,1518,812123,00.html
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 29.01.2012 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19979

Laut Kommentar von Heribert Prantl in der Südd. Zeitg. vom 28./29. Jan. 2012 schützt der Verfassungsschutz die Regierung vor der Verfassung und ist "FDGO" (Freiheilliche demokratische Grundordnung) zum Schimpfwort verkommen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2012 um 06.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19978

An meinem persönlichen Unwort des Jahres kann man noch einmal sehen, wie unbestimmt die semantische Beziehung zwischen Grund- und Bestimmungswort in deutschen Zusammensetzungen ist: Verfassungsschutz. Inzwischen hat sich folgende Deutung durchsetzt: Der Verfassungsschutz schützt uns vor der Verfassung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.01.2012 um 08.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19961

Als "Peanuts" das Unwort war, schrieb die Jury:

Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, bezeichnete im April 1994 auf einer Pressekonferenz Verluste in Höhe von ca. 50 Mio DM, die durch den Bankrott des Bau- und Immobilienkonzerns Schneider entstanden waren, als »Peanuts«, also als unwichtige Größe. Da es sich dabei aber vor allem um Gelder handelte, die kleineren und mittleren Firmen für schon erbrachte Leistungen zustanden, war diese Qualizifizierung (!) außerordentlich zynisch, weil die Außenstände etliche Firmen an den Rand des Ruins brachten.
Die Entschuldigung Koppers auf einer Aktionärsversammlung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass finanzielle Probleme, die für den Durchschnittsbürger existenzbedrohend wären, in Finanzkreisen auch sonst gern als »Peanuts« abgetan werden, wobei zu bedenken ist, dass Banken zu einem wesentlichen Teil von geliehenem Geld, auch von Kleinsparern, leben, die sich durch einen derartigen Wortgebrauch zutiefst missachtet fühlen müssen. Der verbale Ausrutscher Koppers war also nur im Hinblick auf die Höhe der Verluste einmalig; er hat durchaus seine Basis im kaltschnäuzigen Umgang mit Problemen anderer und offenbart damit eine grundsätzlich inhumane Haltung.


Mit dem Ausdruck grundsätzlich inhumane Haltung wird nicht nur die Äußerung, sondern der ganze Mensch Kopper als inhuman qualifiziert. Wissen die Leute, was sie da tun, oder sollten sie nicht ihren eigenen Sprachgebrauch einmal überdenken?

Das gilt ganz abgesehen von den volkswirtschaftlichen Belehrungen, die sich einer genaueren "Qualizifizierung" entziehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2012 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19915

Die Jury hat ausnahmsweise das Unwort ausgewählt, auf das auch die meisten Einsendungen entfallen waren: ungefähr jeder achte Einsender hatte "Döner-Morde" vorgeschlagen. Letzteres ist allerdings weniger erstaunlich, wenn man erfährt, daß auf Facebook dafür geworben worden war, die Einsendung war also organisiert (Tagesspiegel vom 18.1.12).
Was hinter der hohen Quote für "Tagesrandzeit" steckt, weiß ich nicht, es kann sich aber auch nicht einfach so ergeben haben.

Das Wort "Gutmensch" ist von intelligenteren Menschen bereits kritisiert worden, die Jury hat aber besonderen Grund dazu, denn sie besteht aus Gutmenschen. Das sind Menschen, die, ohne selbst den Finger zu rühren, für das Gute plädieren. Die von Gutheit triefenden Begründungen für die Unwortkritik bestätigen es.

Mich wundert es immer wieder, daß sich Sprachwissenschaftler für so etwas hergeben, schließlich fällt der Unfug auf die ganze Disziplin zurück.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 21.01.2012 um 10.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19907

Schweineschnitzel, Jägerschnitzel – gottseidank haben Sie nicht das Zigeunerschnitzel genannt, das allenfalls Sinti-und-Romaschnitzel heißen dürfte.
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 20.01.2012 um 21.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19905

Vielleicht sollten wir auch eine "unabhängige" Jury gründen und dann jeweils mit dem zugehörigen Pomp und Trara die "Schlechtschreibung des Jahres" küren. Das wäre zwar auch nur gequirlter Quark, könnte aber für zwei Tage einige Medienaufmerksamkeit bringen, wenn auch wohl nur auf dem Niveau des "Ringelwurm des Jahres" und was derlei Inflationäres mehr sich über uns ergießt.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 20.01.2012 um 19.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19903

Die "Sprachexpertin" meint sicher auch, daß "Schweineschnitzel" und "Jägerschnitzel" nach exakt dem gleichen System gebildet werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2012 um 10.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19901

(Ich habe mir erlaubt, ein paar offensichtliche Versehen in den letzten Einträgen zu korrigieren.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 20.01.2012 um 00.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19900

Ähnlich auch Gewinnwarnung, das es zwar nicht in Deutschland, aber in Österreich 2008 zum "Unwort des Jahres" und in Deutschland schon 2001 zum "Börsenunwort des Jahres" geschafft hat. In der Begründung der österreichischen Jury heißt es:

"Darüber hinaus ist es aus sprachlicher Sicht interessant, das [sic] es scheinbar vor Gewinnen warnt, tatsächlich aber Verluste bzw. verminderte Gewinne meint. Es ist damit ein Wort, das die wahren Sachverhalte in höchstem Maße verschleiert und so sowohl in Inhalt als auch in seiner Verwendung für jene undurchsichtigen Vorgänge steht, die derzeit in der Finanz- und Bankenwelt vor sich gehen."

Noch schlimmer: Man könnte das Wort ja auch als Warnung an den Gewinn verstehen.

Diese Juries scheinen uns Deutschsprechende (Deutsche, Österreicher, Schweizer) für wahre Sprachdeppen zu halten.

Und Badewannen-Mord ist auch sonst zweideutig: war nun der Täter oder das Opfer in der Badewanne? Darüber sagt uns auch "l' omicidio nella vasca da bagno" nichts.

Zu Mark Twain: Die Gewinnwarnung ist ja wohl die Lehnübersetzung von profit warning.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 19.01.2012 um 21.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19899

Na, die von Herrn Ickler zitierte »Sprachexpertin« (#19891) hat sich doch daran gestört, daß das Kompositum Dönermord »rein begrifflich« den Mord an einem Döner bezeichne und damit einen Menschen zu einem Gericht degradiere …
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 19.01.2012 um 18.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19898

Was haben denn die grundsätzlichen Regeln der Kompositabildung im Deutschen mit der Debatte um das sogenannte Unwort des Jahres zu tun?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 19.01.2012 um 18.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19897

Mark Twain nannte es die Zusammensetzungsseuche. In italienisch wäre es "l' omicidio nella vasca da bagno", und jeder wüßte, was gemeint ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2012 um 17.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19894

In München wird ja gerade wegen Badewannenmord verhandelt. Das müßte die Unwortjäger stören, denn bisher ist die Ermordung von Badewannen nicht strafbar. Oder werden die Opfer auf Badewannen reduziert und damit entwürdigt? Es gibt viel zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2012 um 12.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#19891

Die Unwort-Wahl ist zu blöd, als daß man sie kommentieren möchte. Interessanter ist schon die breite Beachtung, die man damit alljährlich finden kann.

"Döner-Morde" das ist es diesmal.

"„Die Verbrechen werden mit dieser Begrifflichkeit verharmlost und die Opfer diskriminiert“, betont die Integrationsbeauftragte. Dass ermordete Menschen auf ein Imbissgericht reduziert werden, hält sie für ignorant. „Menschenschicksale stecken hinter der Mordserie“, betont Dalkilinc. Aus Respekt vor den Verstorbenen sei der Begriff sprachlich und moralisch unhaltbar." usw.

Kein Kommentator läßt sich die scharfsinnige Beobachtung entgehen, daß keine Döner ermordet worden seien.

" „Rein begrifflich wird der Mord an einem Gericht und nicht an einem Menschen begangen“, erklärt die Sprachexpertin und ergänzt: „Das stört mich besonders.“"

Breiten wir den barmherzigen Mantel des Schweigens über soviel Unverstand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.03.2011 um 12.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#18263

Der Unwort-Quatsch wird künftig von Nina Janich geleitet, die schon bisher in der Jury saß. Schade, daß sich ausgerechnet Germanisten und Sprachwissenschaftler dafür hergeben und zwangsläufig ihr Fach in Mißkredit bringen! (Die Frankfurter Rundschau sieht im Wechsel des Vorsitzes dieser völlig belanglosen Veranstaltung den Beginn einer neuen Ära!)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2011 um 19.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17865

Immer wieder ist von "Entscheidungen" der Jury die Rede, und ihr Vorsitzender Schlosser wird als keineswegs konfliktscheu gerühmt. Also haben nun die Einsender durch ihre Mehrheit entschieden, oder hat die Jury entschieden, und welche Rolle spielten die Einsendungen dabei?
Darüber war nie etwas Deutliches zu lesen. Es scheint aber auch keiner nachgefragt zu haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.01.2011 um 10.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17859

"Die gemeinsame Beschlusslage der Länder sieht vor, dass die seit nunmehr fast neun Jahren in den Schulen gelehrte Reform zum 1. August alternativlos in Kraft tritt." (Verband der Schulbuchverleger 2005)

Ich weiß gar nicht, was an dem Gebrauch dieses Wortes so schrecklich sein soll. Natürlich wollen die sechs Jurymitglieder einmal im Jahr auch ein bißchen Politik machen. Eigentlich ist es ja gleichgültig, was diese paar Leute als ihre Privatmeinung zum besten geben. In den Medien werden sie stets "eine unabhängige Jury" genannt. Ihre Unwortwahl ist scheinbar ein Ereignis von der gleichen Art wie die Bekanntgabe der Geburtenzahl oder der Durchschnittstemperatur. Kaum jemand weist auf die Belanglosigkeit hin.

Politiker und andere Entscheider haben schon immer die Rhetorik der Unausweichlichkeit ihrer Entschlüsse genutzt, das ist doch etwas völlig Normales. Da es hier um eine Kritik der Griechenlandpolitik geht: Die Kanzlerin könnte sagen und hat ja auch gesagt, daß an der Rettung Griechenlands kein Weg vorbeiführe. Dann hätte sie sich in Übereinstimmung mit fast der gesamten Wirtschaftsjournalistik befunden. Vielleicht ist diese Meinung falsch, aber sie ist nicht verwerflich, ganz gleich, wie man sie ausdrückt. Jeder hat doch jederzeit gewußt, was die Kanzlerin meint. Wie kommt man plötzlich dazu, die Wörter auf die Goldwaage zu legen und auf ihren buchstäblichen, kontextfreien Sinn festzunageln? Wie kommen ausgerechnet Germanisten dazu?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 19.01.2011 um 21.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17852

Wieso heißt es eigentlich alternativlos?
Müßte es nicht eher alternativenlos heißen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 19.01.2011 um 12.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17848

Das mag schon so sein, deutet dann aber auf eine Kampagne hin, vermutlich gegen die Bundeskanzlerin.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.01.2011 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17847

dpa meldet: "Mit 140 Nennungen war 'alternativlos' der Renner unter den 1123 Einsendungen für das Unwort."

Mit Verlaub, das glaube ich nicht. Außerdem stellt sich die Frage, ob die Jury neuerdings nur noch die Einsendungen auszählt – wozu braucht es dann eine Jury? Das hat sie doch bisher auch nicht getan. Ziemlich undurchsichtig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2011 um 12.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17843

Die Unwort-Jury übertrifft sich selbst. Ihre diesjährigen Entscheidungen sind mir zu blöd, als daß ich sie kommentieren möchte.
Das Hamburger Abendblatt schreibt:
Das Unwort des Jahres 2010 heißt "alternativlos". Es war der Renner unter den 1123 Vorschlägen.
Wieso denn? Die Einsendungen spielen keine Rolle, die Jury bestimmt das ganz allein.

Die NZZ schreibt:
Einen Monat nach dem deutschen «Wort des Jahres» wurde jetzt auch das «Unwort des Jahres» gekürt. Es heisst «alternativlos». Es war zunächst von Bundeskanzlerin Merkel zur Begründung der Griechenlandhilfe gebraucht worden, tauchte dann auch in der Diskussion um «Stuttgart 21» auf.
In Wirklichkeit ist das Wort uralt, es war sogar ein Lieblingsausdruck von Kanzler Schröder, was die Jury mit ihrer deutlichen Vorliebe für SPD und DGB wohl nicht gern hört:
Bundeskanzler Gerhard Schröder hat seinen Reformkurs als alternativlos verteidigt. (Sept. 2004 usw.)

Schlosser will jetzt abtreten, sein Nachfolger wird Schiewe, der Aufhübscher von Reiners' "Stilkunst". Für Kontinuität ist also gesorgt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2010 um 11.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#17592

Bei TV Blitz kann man sich an der Wahl der "Unperson des Jahres" beteiligen. Orwellsch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.01.2010 um 10.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15605

Die Unwortwahl wird vielerorts als Unterstützungsaktion für die anstehenden Betriebsratswahlen verstanden. Auch orthographisch bemerkenswert ist folgender Bericht:

Das Unwort des Jahres ist "betriebsratsverseucht". Zu Recht sagt Ulrich Praefke, Geschäftsführer des ver.di Bezirkes Lübeck/Ostholstein. Die Wahrnehmung eines gesetzlich geregelten Anspruchs auf eine Beschäftigtenvertretung in Form eines Betriebsrat mit einer Seuche gleichzusetzen sei verräterisch.
Wer so etwas sage sei demokratiefeindlich und decke seine Einstellung gnadenlos auf. "Ich bin froh, das [!] mit der Kür zum Unwort des Jahres, auf ein brennend heißes Thema aufmerksam gemacht wurde," so Ulrich Praefke. "Wir stehen unmittelbar vor den turnusmäßigen Betriebsratswahlen von März bis Mai diesen Jahres und ich hoffe das [!] die Wahl von 'betriebsratsverseucht' als Unwort des Jahres 2009 den Unternehmensvertretern, die zur Prägung beigetragen haben, die Schamesröte ins Gesicht treibt und vor allem, dass die Wahlvorstände die Betriebsratswahlen reibungslos durchführen können."

(http://www.hl-live.de/aktuell/textstart.php?id=58383)

Sachlich nicht ganz im Bilde ist ein SPD-Abgeordneter:

„Das von der Gesellschaft für deutsche Sprache für das Jahr 2009 als „Unwort des Jahres“ bestimmte Adjektiv „betriebsratsverseucht“ macht erschreckend deutlich welches Klima in manchen Unternehmen Deutschlands herrscht“, so SPD-MdB Franz Thönnes.

Die GfdS hat mit der Unwortwahl schon lange nichts mehr zu tun.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.01.2010 um 12.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15601

Lieber Herr Frieling,

Ihr Gerechtigkeitsgefühl ehrt Sie, aber es sollte uns bei der Besprechung des Unwort-Wesens nicht darum gehen, unser gutes Menschentum zu dokumentieren; noch weniger sollten wir uns durch ethische Bedenken zu einer schiefen Argumentation verleiten lassen.

Daß bei der aktuellen Finanzmarktkrise fette Banken durch die weltweite Verflechtung und die Anhäufung von faulen Krediten in Zig-Milliarden-Höhe systemrelevant geworden waren, die Stadtsparkasse Sprockhövel jedoch nicht, ist nahezu unstrittig. Die Manipulation bestand in den Machenschaften der Erfinder und Vertreiber jener faulen Kredite, zunächst auf dem US-Immobilienmarkt. Als man das Unheil zur Kenntnis nehmen mußte, war es relativ heilsam, daß Politiker und Medien die Tatsachen wenigstens beim Namen nannten. Der Begriff systemrelevant diente dabei der Erklärung und nicht der Verschleierung. Es waren schließlich nicht nur gierige Banker, sondern Wirtschaftsexperten aller Art, die dringend davor warnten, auf die Rettung der großen Finanzinstitute zu verzichten.
 
 

Kommentar von Thomas Frieling, verfaßt am 21.01.2010 um 11.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15600

Systemrelevant ist in der Tat ein treffender Begriff. Leider wurde er im Zusammenhang mit "Der Krise" in mehrerlei Hinsicht manipulativ genutzt. Und genau das macht ihn für mich zur ersten Wahl als Unwort:

Auch "Entartet" oder "Staatssicherheit" sind übrigens treffende Begriffe, oder – eine Nummer kleiner – "Verzögerungen im Betriebsablauf" und "Umweltprämie". So wie sie verwendet wurden, verschleierten sie aber die Tatsachen und verfolgten das Ziel, die Menschen für dumm zu verkaufen, ihnen ein Ei ins Nest zu legen.

Wenn die ganze Chause irgendeinen tieferen Zweck haben soll, dann doch bitte den, solche Sprachkniffe anzuprangern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.01.2010 um 11.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15599

Das Unangenehmste an der Unwortaktion ist jedenfalls für mich, daß in der Jury diese vier Sprachwissenschaftler sitzen. Dadurch muß – und das ist nun wirklich eine Parallele zur Rechtschreibreform – bei vielen Menschen der Eindruck entstehen, daß sich die Sprachwissenschaft mit solchem Unfug beschäftigt. Auch die Journalisten fragen seltsamerweise nicht, welche sprachwissenschaftliche Kompetenz man erworben haben muß, um sprachkritisch verkleidete Gesellschaftskritik dieser unbedarften Art zu treiben. Das Niveau liegt noch weit unter dem des "Wörterbuchs des Unmenschen", über das heute sämtliche Sprachwissenschaftler den Kopf schütteln, falls sie es überhaupt noch lesen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.01.2010 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15598

systemrelevant ist ein überaus sinnvoller und treffender Begriff. Man kann zum Beispiel einen Finger einbüßen, ohne daß der Organismus (das "System") daran zugrunde geht, während andere Körperteile lebensnotwendig sind. Dasselbe gilt für andere Systeme wie die Weltwirtschaft oder ein Unternehmen oder ein Ökosystem. Es mag geschmacklos sein, Island oder Griechenland als "nicht systemrelevant" zu bezeichnen, wenn man ausdrücken will, daß ein Staatsbankrott dieser Länder nicht gleich die ganze Welt in den Abgrund stürzt; richtig ist es trotzdem.

Es wäre Unsinn, etwa Affe oder Schachtel als Unwörter zu brandmarken, nur weil diese Begriffe auch zum Zweck der Beleidigung verwendet werden. Unschön sind Beleidigungen, nicht aber die Werkzeuge, die dafür eingesetzt werden.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.01.2010 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15597

Die Rechtschreibreform ist wohl systemrelevant. Folglich helfen gegen sie auch keine Parteien-Schmier- oder -Bestechungsgelder. Gegen staatliche Dummheit gibt es keine Abhilfe.
 
 

Kommentar von Thomas Frieling, verfaßt am 21.01.2010 um 08.31 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15596

Auch die "Notleidenden Banken" im vergangenen Jahr waren eine miserable Wahl. Dieses Wort wurde niemals ernsthaft verwendet sondern nur als satirische Verzerrung des Fachbegriffs "Notleidender Kredit", üblicherweise durch notleidende Kabarettisten, denen nichts einfiel, notleidende Journalisten, die es nicht besser wußten oder notleidenden Gewerkschaftern, die schon zu oft mit Desinformation Stimmung gemacht haben.

Ein echtes Unwort des Jahres war "systemrelevant". Es kommt wohlklingend daher, diffamiert aber zugleich alle anderen – verzichtbaren – Unternehmen mit ihren Millionen verzichtbaren Mitarbeitern. Es soll zudem jeder Einwand niedergehalten werden, wieso Milliarden an öffentlichem Geld ohne Garantie an bestimmte Unternehmen ausgezahlt werden. Unwortiger geht es kaum.
 
 

Kommentar von DLF (Burkhard Müller-Ullrich), verfaßt am 20.01.2010 um 14.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15590

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/1109265/
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 20.01.2010 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15589

Da bleibt nur noch, Unwort als Unwort vorzuschlagen. Ich nehme an, daß dieser Vorschlag regelmäßig bei der Jury eingeht. Schade, daß er nicht geeignet ist, die Jury zu entzücken. Dabei täte eine Runde Selbstironie dieser bierernsten Veranstaltung nicht schlecht.
 
 

Kommentar von derwesten.de, 19. Januar 2010, verfaßt am 20.01.2010 um 14.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15588

Sprache
Wer ein Unwort kürt, macht weitere erst möglich

Essen. „Betriebsratsverseucht“ ist Unwort des Jahres - ein Zeitgeist-Dokument: Es zeigt, wie viel Unverschämtheit sich der Kapitalismus leistet. Doch auch die, die den Begriff ausgewählt haben, verdienen Kritik: Wer ein Unwort wählt, erzwingt die Erfindung weiterer Unwörter.

Es ist ja wahr, das Wort „betriebsratsverseucht” sagt mit einem bösen, zynischen Grinsen, wieviel Unverschämtheit sich der real existierende Kapitalismus heute leisten kann. Der Begriff lässt sich als Chiffre für die fortschreitende Entsolidarisierung lesen, als Zeitgeist-Dokument: Cool ist heute nicht mehr der Kampf für die Rechte von Arbeitnehmern, cool ist heute, sich darüber lustig zu machen. Das Wort „betriebsratsverseucht” haben sich ja nicht irgendwelche Raubtierkapitalisten am grünen Tisch ausgedacht, es kommt aus einer Baumarktkette, aus der Praxis von Abteilungsleitern, die ihre Kollegen vor gewerkschaftlich engagierten Mitarbeitern warnen wollen.

Dabei weiß jeder, dass es nur die Knappdenker unter den Kapitalisten sind, die glauben, sie würden besser fahren ohne solchen Firlefanz wie Sozialpartnerschaft. Spätestens dann, wenn Unternehmen am Abgrund stehen, erinnern sie sich ja plötzlich wieder an solche Begriffe wie „Solidargemeinschaft” oder „Gesellschaft”...

Ein Hauch von Pharisäertum

Und doch: Wir haben all das auch schon gewusst, ohne vom „Unwort des Jahres” zu wissen. Denn nicht zum ersten Mal hat die Jury um den Frankfurter Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser ein Wort aus den vielen Hundert Vorschlägen ausgesucht, von dessen Existenz die allermeisten Menschen überhaupt nicht wussten. So bekommt der Vorgang, ein „Unwort des Jahres” zu küren, einen Hauch von Pharisäertum - die Jury macht es bekannt, um darüber herfallen zu können.

Da war es schon sinnvoller, die „notleidenden Banken” zum Unwort des Jahres 2008 zu machen: Dieser seinerzeit oft benutzte Begriff verschleierte tatsächlich die Realität, indem er Täter wie Opfer dastehen ließ. An dieser Stelle hatte Sprachkritik noch einen echten Sinn.

Neue Unwörter - nur unauffälliger

Aber aus Wörtern wie dem monierten „betriebsratsverseucht” oder auch der zweitplatzierten „Flüchtlingsbekämpfung”, die Angela Merkel bei einer Veranstaltung der Bertelsmann-Stiftung herausgerutscht ist, spricht ja die nackte Ideologie, sie sind verräterisch auf eine völlig unverblümte Art.

Was erreicht man da, wenn man sie zu „Unwörtern des Jahres” ausruft? Diejenigen, die sie benutzen, werden sich erschrocken den Mund mit der Hand zuhalten. Und sich sofort neue Wörter ausdenken, die das, was sie meinen, etwas unauffälliger, vielleicht sogar verschleiernd umschreiben. Mit anderen Worten: Sie denken sich neue Unwörter aus.

(Link)
 
 

Kommentar von B Janas, verfaßt am 20.01.2010 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15586

Daß es Sprachwissenschaftler andererseits nicht schaffen, einen publikumswirksamen und dennoch fundierten Jahresbericht zum Stand der Dinge im deutschen Sprachgebrauch zu produzieren, also etwas wie einen Umwelt-Zustandsbericht, stimmt schon mißmutig. Auch könnte ein Germanisteninstitut den Usus und die Qualität des Schreibgeschehens beobachten – und dem "Rat" mal zeigen, was in der Hinsicht eine Harke ist. Statt dessen nur so ein Unfug, und alles Wichtige überläßt man umtriebigen Flaneuren.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 19.01.2010 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1270#15583

Immerhin ein lehrreiches Wort, wenn ich an den von Frau Pfeiffer-Stolz entdeckten "Maulwurf geplagten Gartenbesitzer" denke.
(http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=105#4650)
 
 

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