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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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27.09.2009
 

Tabu
Irrationaler Sprachgebrauch

(Zum Eintrag von Herrn Riemer im Diskussionsforum: Vermeidung von 14 im Chinesischen)

Über Sprachtabus und das Irrationale im Sprachgebrauch könnte man Bände schreiben und hat sie ja auch schon geschrieben.

Vgl. Dornseiffs Klassiker über das Alphabet in Mystik und Magie.

Auf griechischen Münzen wurde das Theta = 9 vermieden, weil es der Anfangsbuchstabe von "Thanatos" war.

Man wundert sich ja manchmal, was aus den indogermanischen Bezeichungen für Sohn und Tochter im Lateinischen geworden ist: filius und filia bedeuten ja bloß "Säugling" bzw. "Säuglingin" – wahrscheinlich eine Folge von Tabu. Ähnlich ging es dem Bären, der im Altindischen und Griechischen seinen alten Namen behielt, bei uns Germanen zum "Braunen" wurde und bei den Slawen zum "Honigesser".
In der Wortbildung spricht man von "Kopf-, Rumpf- und Endwörtern" (statt "Schwanzwörtern", wie es die Metaphorik erfordert) – albern, aber wahr.
Die ehrwürdige und sehr bedeutende Indogermanistenzeitschrift, die nach ihrem Gründer hundert Jahre lang "Kuhns Zeitschrift" und abgekürzt KZ hieß, wurde umbenannt in "Historische Zeitschrift". Das war nicht gerade souverän und hat viele Indogermanisten geärgert. Aber gewehrt haben sie sich auch nicht, wie eben Wissenschaftler so sind (vgl. Rechtschreibreform).
Den Vermeidungs- oder Hüllwörtern stehen die Kraftausdrücke gegenüber, denen wir z. B. einen raschen Wechsel der Bezeichnungen für Körperteile (Kopf, Hand, Finger) verdanken. Beim Hintern und Penis kommt wohl beides zusammen.



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Kommentare zu »Tabu«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.03.2024 um 06.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#52911

Wer Gott gesehen oder – sei es auch versehentlich – die Bundeslade berührt hatte, mußte sterben. Für lateinisch sacer werden die Bedeutungen „heilig, geweiht, verflucht“ angegeben. Oft entspricht das polynesische tabu. Vgl. das eigentümliche Wort Ehrfurcht. Keineswegs „Gegensinn der Urworte“, sondern ein und dasselbe.
Vgl. Rudol Bilz über den Vagustod (auch Reflextod), der auch psychogen auftreten kann. Hans Blumenberg („Matthäuspassion“) erwähnt den „Vagustod des Tabubrechers“, ohne Bilz zu nennen. Norbert Bischof diskutiert Bilz im „Rätsel Ödipus“ und sieht im Vagustod die „Panne“ eines an sich lebensdienlichen Mechanismus.
In unserer gemäßigten Zone (auch metaphorisch zu verstehen) haben wir kaum noch Sinn für so starke Affekte. Uns stehen ja auch nur noch selten die Haare zu Berge, und wir zerreißen in Trauerfällen weder unsere Kleidung noch unsere Haut, werfen uns nicht mehr schreiend zu Boden usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2024 um 14.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#52857

Wie ich zufällig sehe, ist mir im Haupteintrag vor 15 Jahren ein Lapsus (Lectio facilior?) unterlaufen: Kuhns Zeitschrift wurde in Wirklichkeit natürlich in "Historische Sprachforschung" umbenannt. Oswald Szemerényi vermerkt es einer bitteren Fußnote zum Vorwort der 3. Auflage seiner bekannten "Einführung in die vergleichende Sprachwissenschaft".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2022 um 05.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#50127

An der Tabuisierung einzelner Wörter ist besonders seltsam, wie zufällig die Auswahl scheint. In manchen Familien sollen immer noch "verdammt" usw. den Kindern streng untersagt sein, was natürlich den Reiz des Aussprechens noch erhöht. Jedes Kind, das ich bisher beobachtet habe, konnte zu einer gewissen Zeit dem Drang nicht widerstehen, schlimme Wörter wie pipikakascheiße auszusprechen und mir dabei frech ins Gesicht zu sehen.
Im amerikanischen Fernsehen beept es immer wieder mal.
Die verpönten Wörter werden nicht ausgelassen, sondern ersetzt: "verflixt" usw. – was eigentlich nichts ändert, denn es kommt ja auf den Geist und nicht auf den Buchstaben an. Auch verhunzte Gottesnamen sind Gottesnamen. Aber wir kennen das gleiche aus den Tricks, mit denen man das Fasten umgeht, also die Herrgottsbscheißerle usw, um bei formaler Wahrung der Gesetze (aus dem Levitikus) tüchtig schlemmern zu können. Der Gedanke des Opfers wird ad absurdum geführt. Wenn ich Jesus recht verstehe, hat er dem Geist gegen den Buchstaben wieder Geltung verschaffen wollen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2022 um 06.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#49919

Gerichte haben den Katalog möglicher Beleidigungen nachjustiert. Gollum, Voldemort, Pumuckl können zwei Monate Gefängnis auf Bewährung eintragen. Wie wir seit 100 Jahren wissen, können auch „Sie Alpha, Sie Beta!“ schwer kränken; der Ton macht die Musik. Mit Katalogen ist das Problem nicht zu lösen. Die Richter standen vor der Frage, ob die Absicht oder die Wirkung das entscheidende Kriterium sein soll, und haben sich traditionsgemäß für die Wirkung entschieden. Das „gesunde Volksempfinden“ heißt heute „unvoreingenommenes und verständiges Durchschnittspublikum“, was einnehmend soziologisch klingt. Freilich fehlt die empirische Grundlage, denn niemand macht sich die Mühe herauszufinden, was dieses fabelhafte Publikum mit „Gollum“ verbindet. Aber noch wichtiger ist die Vernachlässigung des Kontextes. Das Gericht könnte die jeweilige aktenkundige Situation heranziehen und dann als Vertreter des Volks selbst nach Gutdünken entscheiden, ob eine strafwürdige Verächtlichmachung des Klägers beabsichtigt war oder nicht. Das klingt sehr subjektiv, ist aber in Wirklichkeit ehrlicher als die Verschanzung hinter einer Pseudosoziolinguistik, wie sie auch in den bekannten, hier schon oft besprochenen Markierungen in den Duden-Wörterbüchern fingiert wird.

Unabhängig davon sollte der strafrechtliche Tatbestand der Beleidigung so weit wie möglich gefaßt werden. Beleidigen gehört zum Alltag. Einen Verkehrsminister „mäßig intelligent“ zu nennen ist nicht strafbar, trifft aber unter Umständen tiefer als „Schlumpf“ (strafbar).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2022 um 05.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#49412

Die sprichwörtliche Benennungsscheu (Prüderie) der viktorianischen Zeit hat schon Thackeray zu einer geistreichen Beobachtung angeregt:

A polite public will no more bear to read an authentic description of vice than a truly refined English or American female will permit the word breeches to be pronounced in her chaste hearing. And yet, madam, both are walking the world before our faces every day, without much shocking us. If you were to blush every time they went by, what complexions you would have! It is only when their naughty names are called out that your modesty has any occasion to show alarm or sense of outrage...

Zwar sollen auch die "Beine" von Möbeln verhüllt worden sein, damit keine Jungfrau auf den Gedanken käme, es gebe so etwas wie Beine, aber in der Hauptsache ging es um Wörter.

„Nicht die Tatsachen beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinungen über die Tatsachen.“ (Epiktet) Man könnte zeitgemäß abwandeln: „sondern die Worte“.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2021 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#47256

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26925

Scheinbar gegenläufig zur Benennungsscheu finden wir im alten Indien geradezu eine Benennungswut: unzählige Namen für Shiva, für den kultisch verehrten Elefanten usw. Wie bei den altnordischen Kenningar ist die Verrätselung im Laufe der Zeit zu einem eigenen Kunstmittel geworden, so daß ein Ursprung im Tabu sich kaum noch feststellen ließe. Das Ergebnis ist hier wie dort eine Synonymenschar.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.05.2021 um 04.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#45989

Laut Susan Sontag werden Krankheiten umschrieben, solange man sie nicht heilen kann. Interessante Vermutung, die überprüft werden müßte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.11.2020 um 17.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#44761

Amazon bietet mir ungefragt an:

Schneider Sportswear Damen Hose Ischgl

Unterdessen erwägt man, die Skigebiete für diesen Winter zu schließen. Das Skilaufen selbst ist kein Problem, nur der Jagertee après.

Nachtrag: Österreich erwartet von der EU Entschädigungszahlungen wg. entgangener Wintersporteinnahmen. Sehr lustig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.09.2020 um 05.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#44313

Für die euphemistischen Entstellungen blasphemischer Flüche usw. gibt es den englischen Ausdruck "minced oath", aber anscheinend keine deutsche Entsprechung.

Zu Great Scott! verzeichnet Wikipedia eine nicht sehr wahrscheinliche Herleitung:

"...it has been suggested that it may be a corruption of the Austrian greeting Grüß Gott."

Mit Sprachtabu hat sich die ältere, volkskundlich interessierte Sprachwissenschaft stärker beschäftigt. Für die einseitig strukturalistisch ausgerichtete war das kein Thema. Auch in der Semantik stehen Euphemismen usw. sozusagen quer zu den beliebten Wortfeldern. In Deutschland hat sich in neuerer Zeit fast nur Hartmut Schröder auf "Sprachtabu" eingelassen. Die vielen Texte zur Political correctness wissen meistens gar nicht, in welcher Tradition sie stehen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 22.09.2019 um 10.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#42142

https://virchblog.wordpress.com/2016/02/01/gutdeutsch/
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.09.2019 um 06.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#42141

Die Scheu, Menschen mit substantivierten Adjektiven zu bezeichnen und damit ein Attribut zur Substanz zu machen, haben wir an verschiedenen Beispielen besprochen (Jude > Mensch jüdischen Glaubens usw.).

In der Medizin und den medizinischen Hilfsberufen wird das auch diskutiert. Demente sind "Menschen mit Demenz".
Das hat allerdings unbequeme sprachliche Folgen für Ableitungen usw.

(Zum Problem s. etwa: https://malteser-blog.de/demenz-oder-dement-wie-sprache-pragt/)

Bald wird jeder Erfahrungen mit Demenz in der Verwandtschaft haben, was die Angst davor nicht verringern wird. Sprachliche Kosmetik ist ein hilfloser Versuch, mit dem Entsetzlichen umzugehen, verdient aber Anerkennung, wenn dahinter das Bemühen steht, die Würde der kranken Person so lange wie möglich zu wahren. Aus meiner eigenen Erfahrung denke ich, daß die Kranken sehr viel mehr mitbekommen (und darunter leiden), als man bequemerweise meinen möchte. Aber für die pflegenden Angehörigen ist es um so anstrengender.

Früher stellten Taubstumme (wie ich immer noch sage) einen Teil der Dorfidioten. Heute verdienen sie als Informatiker usw. ihr Brot. Ein erfreulicher Wandel der Einstellung, den man auch auf anderen Gebieten beobachtet.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2018 um 07.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#39572

Kürzlich schlug jemand vor (ein jüdischer Autor, wenn ich mich recht erinnere), Hakenkreuze usw. in Computerspielen und Comics zuzulassen und zu fördern, weil die Fiktionalisierug der beste Weg sei, die Luft aus solchen Symbolen herauszulassen. Das wäre sicher besser als die künstlich hochgetriebene Angst vor Hitlertassen, Gülle-Hakenkreuzen usw. Es wird doch niemand durch Hakenkreuze aus Scheiße dazu verführt, sich den Rechten anzuschließen, oder? Die Polizei könnte sich anderweitig nützlich machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2018 um 07.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#39571

Ein Landwirt in Niederbayern hat ein Hakenkreuz und einen AfD-Schriftzug aus Gülle auf ein Feld aufgebracht. Mehrere Piloten hatten das beim Überfliegen gesehen und die Polizei alarmiert.

Hermeneutiker sagen ja, daß Texte oft klüger sind als ihre Verfasser.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.08.2018 um 19.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#39260

Gegen den amerikanischen Pastor Brunson führt die türkische Justiz einen Zeugen an, der auf Brunsons Bibel das Emblem der PKK gesehen haben will.

Wahrscheinlich hat er die bekannte Buchstabenverschlingung von X und P mißdeutet, also Chi und Rho = Chr[istos].
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.02.2018 um 14.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#37961

Dazu gleich noch der aktuelle SPIEGEL-Bericht, daß in vielen Kirchen Naziglocken läuten, nämlich solche mit Hakenkreuzen oder NS-Sprüchen drauf. Das ist wie bei den unseligen Hitlertassen. Man darf es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Sehen kann zwar nichts, aber die Glocken prägen der schwingenden Luft mit jedem Schlag ein Muster auf, das in den Ohren der nichtsahnenden Bürger Verheerungen anrichten kann. Welche Partei sie dann wählen, kann sich jeder denken. Da gibt es noch viel zu tun.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2018 um 14.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#37944

Wie hoch die Macht der Sprache früher veranschlagt wurde (aber heute etwa nicht?), zeigt sich auch am Zwölftafelgesetz der alten Römer: Auf ein "malum carmen" stand die Todesstrafe. Das war nicht etwa ein schlechtes Gedicht (wie von Böhmermann), sondern ein Schadenszauber.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.01.2017 um 20.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#34426

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26925

Havers berichtet auch (in der Festschrift Theodor Siebs), daß in manchen Völkern und Kulturen ein "Wohin-Tabu" herrscht: Man fragt andere nicht, wohin sie gehen. Bei Frazer steht das auch schon.

Teils wird dies auf das schon besprochene Jäger-Tabu zurückzugehen: Das Jagdtier könnte mithören und damit das Jagdglück zuschanden werden.

Havers vermutet allgemeiner: „In der Regel tritt aber ein anderes Motiv bei der Geheimhaltung wichtiger Unternehmungen in den Vordergrund, nämlich die Angst, neidische Mitmenschen könnten durch Mißgunst und bösen Blick den Erfolg einer geplanten Handlung in Frage stellen.“

Ich glaube, viele von uns spüren ein leichtes Unbehagen, wenn andere uns nach dem Wohin fragen. Man denkt zwar: "Das geht dich nichts an", aber vielleicht geht die Sache doch tiefer. Neidvermeidung ist am ausführlichsten von Helmut Schoeck besprochen worden ("Der Neid").

Havers meint, daß es sprachliche Reflexe gibt: Ersetzung von lat. quo durch ubi usw.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.07.2016 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#32884

William Jones hat 1789 die erste englische Übersetzung von Kalidasas „Śakuntala“ veröffentlicht: „Sacontala or the Fatal Ring“. So schrieb er den Namen statt Sacuntala, um den anstößigen Teil cunt zu vermeiden.

Jacob Wackernagel macht auf folgendes aufmerksam:

"Cicero im Orator (44,154) meint, dass nobiscum an Stelle von cum nobis nur gesagt worden sei, um den Anklang an cunno zu vermeiden, und dass man diesem nobiscum zuliebe auch mecum, tecum gesagt habe." (Wackernagel Vorl. II:196)

(Cicero: cum autem nobis non dicitur, sed nobiscum? quia si ita diceretur, obscaenius concurrerent litterae)

Wikipedia (Profanity in Latin) führt dazu aus:

"Because the /m/ of cum assimilates to the /n/ of nobis, and because the accent was weaker in Latin than in English, cum nobis (although stressed on the middle syllable) sounds very similar to cunno bis (stressed on the first syllable), meaning "in/from/with a cunt twice". A similar euphemism occurs in French: the avoidance of qu'on, homophone to con (cunt), by the insertion of a superfluous letter: que l'on."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.07.2016 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#32850

Ich hatte schon mehrmals die "Erste Seite" der FAZ erwähnt, die in Auswahl als Nachdruck vorliegt und ein sehr praktisches Hilfsmittel ist, wenn man den Wandel der Schriftsprache untersuchen will. Während in den fünfziger Jahren ein beinahe gravitätischer Ton herrschte, halb amtlich geradezu, bedient sich heute auch eine so verhältnismäßig steife Zeitung aus der Umgangssprache und darunter. Wendungen wie auf Pump, ans Eingemachte sind täglich zu lesen; internationale Abkommen können schon mal Deals genannt werden. Trotzdem bleibt diese Zeitung sprachlich ziemlich schwere Kost, auch abgesehen von Gastbeiträgen. Man merkt es am ehesten, wenn man Jugendlichen oder Ausländern etwas vorlegt, ein heilsamer Schock.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.02.2016 um 05.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#31788

Der aktuelle Anlaß führt dazu, daß in der Presse auch die Nationale Stillkommission wieder mal erwähnt wird.

Die Nationale Stillkommission ist ein dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [!] angegliedertes Gremium, das die Förderung des Stillens von Säuglingen in Deutschland zum Ziel hat.

Es gibt auch eine eigene Website.

Als Laie erwartet man, daß so etwas vielleicht von der Zentrale für gesundheitliche Aufklärung gemacht wird, also nicht zusammen mit Pestiziden und Atomkraftwerken. Aber ich will nicht meckern, wenn es dem guten Zweck dient...
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.02.2016 um 16.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#31765

Neulich hörte ich auf WDR 5 einen treffenden Kommentar zum Thema. Text und Audio-Link hier: http://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/morgenecho/kommentar-stillen-muetter100.html
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.02.2016 um 16.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#31764

Sehr gut! Und es erinnert mich ein wenig an den Fall "Bayerische Staatsregierung gegen Ulpian" (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1042).
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 23.02.2016 um 16.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#31763

Zum Stillen in Restaurants hat ein Kabarettist (ich weiß nicht mehr, wer) schon vor etlicher Zeit das Nötige gesagt:
"Der Verzehr mitgebrachter Getränke ist verboten"!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2016 um 07.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#31707

Zwei Kleinigkeiten aus der Presse:

Papst rüttelt an Verhütungs-Tabu (SZ 19.2.16)

Das ist ein bißchen schief, denn die einzige Person, für die Empfängnisverhütung kein Tabu ist, ist der Papst selbst. Denn er (nicht dieser, ich weiß) hat das Verbot ja erlassen und könnte es aufheben, statt nur daran zu rütteln.

Das zweite Tabu ist nun wieder mal das Stillen in der Öffentlichkeit bzw. in Restaurants usw.
Wenn man die fünfziger Jahre bewußt erlebt hat, staunt man über die Geschwindigkeit, mit der das Zeigen von nackter Haut sich ausgebreitet hat. Bekanntlich mit großen Unterschieden, was die Körperteile und die Geschlechter betrifft.
Dessen eingedenk, bin ich gespalten. Einerseits freue ich mich, wenn eine Mutter ihr Kind stillt. Andererseits sehe ich nicht gern etwas, was kein Hingucker sein sollte.
Nach einer ansprechenden Vermutung von vergleichenden Zoologen hat sich die weibliche Brust beim Menschen im Gegensatz zu den nächsten Verwandten als ausgesprochener Hingucker für den Mann entwickelt, und zwar als Mimikry der beiden Halbkugeln des Gesäßes. Also ein AAM (angeborener Auslöse-Mechanismus). (Näheres bei Desmond Morris: Der Mensch, mit dem wir leben.)
Das verträgt sich nicht so gut mit der heiligen Handlung des Stillens, daher der Zwiespalt. Oder?

Anläßlich eines kleinen Vorfalls in Berlin haben Leser auch beanstandet, daß die stillende Frau Kaffee trank, wo sie doch wissen müßte, daß das Koffein sofort in die Milch geht und den Säugling schädigt...
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 21.12.2015 um 16.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#30968

Zu #30966:
»Nenn mich nicht!« sagte sie (deren Name natürlich hier nicht verraten werden soll).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2015 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#30967

In China bedankt man sich gern und oft, aber nicht unter guten Freunden. Das wäre zu förmlich und würde auf einen Mangel an Nähe und Wärme deuten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.12.2015 um 16.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#30966

In Indien wurde mir berichtet, daß man üblicherweise den Ehepartner nicht mit seinem Namen nennt oder anredet. Man sage er/sie und redet ihn mit du oder eben er/sie an. Wenn es nicht anders geht, baue man den Namen in einen kleinen Vers ein, und das sei zugleich ein Intelligenztest.

Das ist keineswegs einzigartig, wie die völkerkundliche Literatur zeigt.

Mir fällt ein, daß meine Frau und ich uns auch nicht mit dem richtigen Namen anreden, sondern mit wechselnden Kosenamen. Würde meine Frau Theodor zu mir sagen, wüßte ich, daß es zu Ende ist...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.12.2015 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#30810

Das Auge ißt mit. Nachgewiesenermaßen wirken blaue Spaghetti nicht appetitanregend, Blau ist einfach nicht die richtige Farbe für Lebensmittel.

Unsere Apotheke verschenkt zu Weihnachten so nützliche Dinge wie Porzellanbecher. Früher waren Weihnachtsmotive drauf, heuer ist es eine sehr solide Tasse mit Werbung für Mucosolvan. Wie der Name leider sagt, ist es ein Schleimlöser. schleimlösend steht natürlich nicht darauf; das Fremdwort bewahrt die meisten Kaffeetrinker gerade noch davor, sich richtig zu ekeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.08.2015 um 09.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#29725

„Als ein Tasmanier namens Ramanalu (= kleine Möwe), so benannt nach einer bei seiner Geburt vorbeifliegenden Möwe, gestorben war, konnte das Wort rama als Bezeichnung der Möwe nicht weiter in Gebrauch bleiben, so daß ein anderes, von einer Wurzel mit der Bedeutung ‚weiß‘ abgeleitetes Wort erfunden wurde.“ (Alessandro Bausani: Geheim- und Universalsprachen. Stuttgart 1970:16)

Sind wir rationaler?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 29.10.2014 um 08.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#27200

Bei Lufthansa gibt es keine 13. und keine 17. Reihe. Die 17 ist angeblich in Italien und Brasilien eine Unglückszahl.
Allgemein hängt diese Sache aber von der Airline ab, wenngleich die meisten die 13. im Flieger als 14. bezeichnen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.10.2014 um 06.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#27197

Ich fliege nicht oft und habe in letzter Zeit nicht darauf geachtet: Gibt es eigentlich noch Flughäfen, die kein Gate 13 haben, und fehlt die Sitzreihe 13 immer noch in Flugzeugen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.10.2014 um 05.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26925

Nach Wilhelm Havers hatten Waffen und Körperteile ein gewisses Eigenleben und mußten beschwichtigt werden. Daher die seltsamen homerischen Wendungen philon ker, phila gounata (das liebe Herz, die lieben Knie).
Die Hand ist tabu und wird ständig umschrieben, auch durch Kraftausdrücke. Das idg. Wort für den Fuß ist erhalten, das für die Hand nicht.

Die altnordischen Kenningar können teilweise auch als Sprachtabu verstanden werden (Vermutung von Wolfgang Krause)
Epitheton ornans als Captatio benevolentiae? (Vermutung von Bonfante)

Bei vielen Völkern dürfen Eheleute in der Öffentlichkeit keinerlei Interesse aneinander zeigen. (Havers S. 20) Geburt und Eheschließung sind als gefährdete Übergänge vielfach von Tabus umstellt.

Namenmeidung innerhalb der Familie ist weithin bekannt. Hierher gehört auch die erst neuerdings durchbrochene Sitte, die Eltern nicht beim Vornamen zu nennen.

Der Plural der Anrede könnte teilweise der Verundeutlichung dienen.

Jagdtiere jeder Art, nicht nur gefährliche, werden nicht beim Namen genannt, weil sie das verstehen und fliehen könnten.

Dies und vieles andere in Wilhelm Havers: Neuere Literatur zum Sprachtabu. Wien: Sitzungsberichte, Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophische Klasse, Bd. 223, 5. Abh. 1946.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.09.2014 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26882

Von mehreren Seiten habe ich in den letzten Tagen gehört oder gelesen, das Inzesttabu müsse bleiben. Für mein Gefühl hört sich das etwas schräg an. "Tabu" gehört ja zu den appellativen Begriffen, wie "Krankheit". Es bezeichnet etwas Irrationales, und das kann man ja nicht wollen. Außerdem ist es kein Beitrag zur aktuellen juristischen oder rechtspolitischen Diskussion. Über gesetzliche Verbote kann man diskutieren, über Tabus eigentlich nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2014 um 16.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26786

Ich war beim Recherchieren noch auf weitere Dinge gestoßen, die ich nicht wußte. Für Reiter wird das alles banal sein, aber haben Sie gewußt, daß ein Pferd einen "trockenen" Kopf usw. haben kann? Der Schweif wächst auf einer "Rübe". Weiteres unter "Exterieur".
"Trockener" Wein ist ja saurer Wein. Merkwürdig diese Synästhesien!
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 18.09.2014 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26784

Tatsächlich ist die Haartracht falsch benannt. Anatomisch korrekt ist das Vorbild der Schweif, also das Haarbüschel, das am Schwanze, dem von der verlängerten Wirbelsäule durchzogenen Körperanhang, ansetzt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.09.2014 um 08.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#26781

Ein Pferdeschwanz (auch Rossschwanz) ist eine Frisur, bei der lange Haare durch ein Band, einen Haarreif oder ein Haargummi am Hinterkopf zusammengehalten werden.
Diese Frisur ähnelt normalerweise dem Schweif eines Pferdes.
(Wikipedia)

Dann müßte sie "Pferdeschweif" heißen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 18.01.2014 um 23.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#24880

Neckarsulm bekommt gewiß demnächst ein anderes Unterscheidungszeichen, und alle, die einen NSU (ob Prinz, Spider, Ro 80 oder ein Moped) fahren, gelten als Nazis.
In Oberhausen ist gerade OB-EY modern; das ist staatskonform. OB-FA ist ebenso unkritisch.
Die Emsköppe haben sich seltsamerweise noch nie beklagt, daß sie mit EL für "Entwicklungsland" herumfahren müssen.

Ich habe mal ein Kennzeichen mit "AH 5333" gesehen; das fand ich allerdings unglücklich.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 18.01.2014 um 15.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#24876

Es sei denn, der Spediteur Heinrich Hasch ist aus Hamburg, dann steht auf seinem Nummernschild doch HH!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.01.2014 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#24875

S-EX und SE-X dürfte auch auf diesem eigenwilligen Index stehen. Aber was ist mit 69?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2014 um 13.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#24874

Zur Verbannung bestimmter Buchstaben von den Nummernschildern habe ich einige Fragen. Ist es denkbar, daß jemand mit "KZ" für Konzentrationslager wirbt? Wofür wirbt jemand mit "J" und "Z"? Hat das Ministerium dafür irgendwo eine Erklärung?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2014 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#24868

Noch einmal zu den Autokennzeichen (http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#21461)

Wie die Zeitungen berichten, darf ein Spediteur namens Heinrich Hasch kein HH auf seinem Nummernschild tragen. Wikipedia schreibt über die einschlägigen Rechtsgrundlagen:


Nach § 8 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung sind Unterscheidungszeichen, Erkennungsnummern sowie Kombinationen aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummern, die gegen die guten Sitten verstoßen, unzulässig. Die Verwaltungsvorschrift zur Fahrzeug-Zulassungsverordnung empfiehlt den Zulassungsstellen, keine Abkürzungen zu vergeben, die auf nationalsozialistische Organisationen Bezug nehmen. Dies sind: HJ (Hitlerjugend), KZ (Konzentrationslager), NS (Nationalsozialismus), SA (Sturmabteilung) und SS (Schutzstaffel). AH (Adolf Hitler), HH (Heil Hitler) und SD (Sicherheitsdienst) werden nur von wenigen Zulassungsbehörden nicht ausgegeben. Weiterhin sind Kombinationen mit dem Zulassungsbezirk unerwünscht, wenn diese eine der o. g. Kombinationen ergibt. Für Stuttgart werden beispielsweise die Erkennungszeichen „A“, „S“, und „D“, für Köln wird „Z“ nicht vergeben. Allerdings wurden in Einzelfällen diese Kombinationen von Zulassungsstellen vergeben. So war im Zulassungsbezirk der Region Hannover „J“ ein zulässiger und vom zuständigen Minister nicht weiter beanstandeter Erkennungsbuchstabe. Zwischenzeitlich wurden Kennzeichen mit „J“ nicht mehr vergeben, aktuell erfolgt wieder eine Vergabe. Weitere nicht vergebene Buchstabenkombinationen sind in Stuttgart S–ED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), in Nürnberg N–PD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) und N–SU (Nationalsozialistischer Untergrund) im Kreis Warendorf WAF–FE, im Kreis Steinburg IZ–AN („Nazi“ rückwärts gelesen), im Kreis Dithmarschen HEI–L. Die Stadt Regensburg in Bayern vergab entgegen den Weisungen der Bundesregierung bis Anfang Oktober 2012 noch das Buchstabenkürzel NS. Erst nachdem eine lokale Zeitung die Behörde darauf aufmerksam gemacht hatte, wurde die Vergabe eingestellt. Der Landkreis Schwandorf hat nach der Wiedereinführung des Unterscheidungszeichens BUL die Buchstabenkombination BUL-LE als mögliche Beleidigung für anstößig befunden und gibt diese nicht aus.



Also eine Grauzone und ein Tummelplatz für Wohlgesinnte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2013 um 08.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#23880

"Tchibo zeigte sich einsichtig" und nahm Kinder-Sportschuhe mit der Aufschrift 18 aus dem Sortiment. (Meldung 10.8.13).

Es gibt noch viele Möglichkeiten, sich einsichtig zu zeigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 02.06.2013 um 08.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#23326

In der Selbstbezeichnung HIAG fehlt das entscheidende Wort, denn es handelt sich um die "Hilfsorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.01.2013 um 06.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#22384

Dornseiffs Buch "Das Alphabet in Mystik und Magie" ist nachgedruckt und kann zur Zeit bei Amazon für sehr wenig Geld erworben werden. Sehr interessant!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2012 um 16.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#22085

Als das Goethe-Institut in München seine neuen Räumlichkeiten bezog, gab es seine Anschrift als "Helene-Weber-Allee" an; dort befand sich ein Hintereingang. Erst 1998 bekannte es sich zur "Dachauer Straße", wo es in Wirklichkeit liegt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.09.2012 um 12.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#21461

In der Zeitung stand etwas über das Verbieten und Vermeiden von Autokennzeichen, die entweder geradezu NS-Abkürzungen enthalten oder von Neonazis erst mit NS-Bedeutungen aufgeladen worden sind wie AH und das numerologisch zu deutende 18 bzw. 88. Das ist ja, wie ich sehe, eine ganze Wissenschaft für sich und erinnert an den Entwicklungswettlauf von Säbelzahntiger und Riesenschildkröte. Oder auch daran, daß ausgerechnet in Bayreuth ein Russe mit verwischter Hakenkreuz-Tätowierung nicht singen darf.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 26.12.2011 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#19778

Meine Kinder haben während ihrer gesamten Schulzeit keinen nennenswerten Religionsunterricht erhalten. (Das mag am Bundesland liegen.) So ist ihnen einerseits christliches Gefrömmel erspart geblieben, andererseits ist ihr Wissen über den religiösen Hintergrund selbst des eigenen Kulturkreises dürftig. Die herrschende Konfession an unseren Schulen ist wohl am ehesten die des Gutmenschen (siehe hier).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.12.2011 um 11.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#19773

Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung steht ein umfangreicher Beitrag über interkulturelle und interreligiöse Erziehung im Kindergarten. Verfasser ist ein katholischer Religionspädagoge.

Meine Erfahrung nach jahrzehntelanger Beschäftigung ist, daß Texte, in deren Titel das Wort "interkulturell" vorkommt, in der Regel nicht lesenswert sind. (Einige Ausnahmen kenne ich.) Die Verfasser trauen sich einen Meta-Standpunkt zu, den sie aber nicht haben.

Nun zu "interreligiös". Das ist ein besonders fragwürdiger Ausdruck. Wenn ein christlich getauftes Kind erfährt, daß zum Beispiel ein jüdisches Kind kein Schweinefleisch ißt (ähnliches wird in jenem Artikel erwähnt), würde man das normalerweise nicht "interreligiöse Erfahrung" nennen. Das ist viel zu hoch gegriffen. Unterrichtung der Kinder über verschiedene Religionen ist zweifellos wichtig, besonders nachher für die Schule. Kindergartenkinder interessieren sich ja noch nicht sehr dafür, glücklicherweise.

Der Verfasser vermeidet in auffälliger Weise den Ausdruck "Religionskunde". Dieses scheinbar harmlose und naheliegende Wort ist nämlich hochgefährlich für die Vertreter des konfessionellen Religionsunterrichts. Religionen ebenso objektiv zu behandeln wie andere Bereich der Kultur verträgt sich nicht mit der "hinkenden Trennung" (also Nicht-Trennung) von Kirche und Staat hierzulande. Der Ausgangspunkt des Unterrichts an öffentlichen Schulen ist immer schon christlich konfessionell, daher ist die Ausweitung auf andere Religionen "interreligiös" und nicht einfach religionskundlich, wie es bei gleichmäßiger Behandlung aller Religionen der Fall wäre.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.03.2011 um 17.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#18307

Der Eintrag "Tabu" in der deutschen Wikipedia endet so:

Besonders in Deutschland ist der Holocaust ein gesellschaftliches Tabu. Prof. Dr. Robert Hepp schreibt: „Während sie auf andere Stimuli überhaupt nicht ansprachen, reagierten 'aufgeklärte' mitteleuropäische Studenten, die keine Tabus mehr kennen wollten, auf die Konfrontation mit 'revisionistischen' [leugnenden] Texten über die Gaskammern in Auschwitz genau so 'elementar' (auch mit vergleichbaren physiologischen Symptomen) wie Mitglieder primitiver polynesischer Stämme auf eine Tabuverletzung reagierten. Sie gerieten förmlich 'außer sich' und waren offenbar weder bereit noch fähig, über die dargebotenen Thesen nüchtern zu diskutieren.“



Über Hepp kann man sich, falls nötig, auch kundig machen. Wie lange dieser Text schon ungerügt dasteht, kann ich leider nicht sagen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.05.2010 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16196

Natürlich ist die Bezeichnung Taiwan nicht unüblich. Sie ist aber nicht nur an die Stelle von Formosa getreten, sondern auch an die von Nationalchina, während gleichzeitig Rotchina obsolet wurde. So folgt der deutsche Sprachgebrauch den Vorgaben Nixons.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2010 um 17.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16195

Der Gebrauch der Bezeichnung "Taiwan" impliziert meiner Erfahrung nach gar nichts. Ich verwende beliebter Eindeutigkeit wegen sehr oft diesen Namen, ebenso tun es Studenten, die dort ein Jahr verbringen, und auch sonst ist es nicht unüblich.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 08.05.2010 um 14.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16194

Nicht zu unterschätzen ist zumindest für den Sprachgebrauch der westdeutschen Politik und Berichterstattung das 1953 zuerst erschienene Buch „A bis Z. Ein Taschen- und Nachschlagebuch über den anderen Teil Deutschlands“, hrsg. vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen.

Mir liegt der Band nur in der 11., überarbeiteten und erweiterten Auflage von 1969 vor. Ganz abgesehen von der Verschleierung des Ländernamens im Titel hat der Band auf Seite 542 folgenden Eintrag zu „SBZ“:

»Abk. für sowjetische Besatzungszone. Teil Deutschlands, der auf Grund der Vereinbarungen der Alliierten nach der Kapitulation 1945 von sowjetischen Truppen besetzt wurde. Das Gebiet der SBZ war nicht identisch mit dem durch die Sowjets militärisch eroberten Gebiet. Ein großer Teil des von den Engländern und Amerikanern eroberten Raumes wurde im Sommer 1945 der SU abgetreten (s. Grafik S. 137). Der sowjetische Sektor von –> Berlin gehörte nicht rechtlich, wohl aber verwaltungsmäßig zur SBZ und wird heute als Hauptstadt der „DDR“ beansprucht.«

Und im Eintrag „Deutsche Demokratische Republik“ liest man auf Seite 147:

»Abgekürzt DDR, der Name des Staates, der durch die –> SED im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone am 7.10.1949 errichtet wurde. Der Kampf um die völkerrechtliche Anerkennung ist eines der wichtigsten Ziele der Regierung. Im Sprachgebrauch der SED ist die DDR der einzig rechtmäßige deutsche Staat. […]«
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.05.2010 um 12.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16193

Hannappel und Melenk vergessen in ihrer Aufzählung die wahrscheinlich wichtigste Ersatzbezeichnung, nämlich »SBZ«.

Die Republik China als »Taiwan« zu bezeichnen impliziert übrigens schon ihre Nichtanerkennung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.05.2010 um 12.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16192

So habe ich es auch immer verstanden, wobei das Absprechen der staatsrechtlichen Legitimität natürlich mit der völkerrechtlichen Nichtanerkennung zusammenhing.
Ich habe auch nicht vergessen, daß in der BRD gerade um dieses Kürzel auch allerlei Brimborium veranstaltet wurde. Der Begriff "Tabu" paßt hier sogar besser. Die Sache wurde bald aufgeklärt, und durch die Wiedervereinigung ist sowieso die Luft raus.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.05.2010 um 18.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16190

Die "freie" Presse in der DDR – eine Tageszeitung im Bezirk Karl-Marx-Stadt, der heutigen Chemnitzer Gegend, nannte sich sogar schon damals Freie Presse – schimpfte vor allem immer auf die Springer-Presse, wenn es um die Anführungszeichen am Namen DDR ging.

Ich habe diese Anführungszeichen stets weniger als Zeichen der Nichtanerkennung des Staates wahrgenommen, auch nicht als Ausrede, um ein Tabuwort zu gebrauchen, sondern ich hielt das vor allem für eine ironische Distanzierung von den Wörtern demokratisch und Republik im Staatsnamen. Die Zeichen wurden aus dem gleichen Grund gebraucht, aus dem ich sie gerade für das Wort "freie" benutzt habe. So konnten Gänsefüßchen Mut machen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.05.2010 um 15.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#16189

»Dies zeigt z.B. der Umgang im Westdeutschland der 50er und 60er Jahre mit dem tabuisierten Zeichen DDR: Statt DDR mußte man ”Ostzone”, ”Mitteldeutschland”, ”sogenannte DDR” oder ”Phänomen” (Kiesinger) sagen. (Hannappel & Melenk 1984, 252).
Und die konservative Presse in Westdeutschland setzte bis 1989 DDR in Anführungsstriche. Die damals durchaus real existierende DDR wurde also nicht als solche mit ihrem Eigennamen bezeichnet; tabuisiert war nicht nur das Land selbst, sondern unter das Tabu fielen auch Bezeichnungen, die auf eine negative Wertung der DDR verzichteten. Nach der Wende entfielen dann die Anführungsstriche und andere Zusätze, d.h., nach dem Verschwinden des Denotats (durch das Ende des Staates DDR) ist der Signifikant keineswegs mehr tabu. Die DDR in den 50er und 60er Jahren aber als DDR zu bezeichnen, bedeutete nicht einfach eine Aussage, daß sie ein Staat sei, sondern die Anerkennung, daß sie ein Staat sei – völkerrechtliche Wortmagie– wie Hannappel & Melenk (1984: 252) es treffend zum Ausdruck bringen.« (Hartmut Schröder: Semiotisch-rhetorische Aspekte von Sprachtabus; semiot-rheto.pdf)

Soweit ich mich erinnere, war das nur die Springer-Presse. Die FAZ, die man doch wohl das führende konservative Blatt nennen darf, hat DDR ohne Anführungszeichen geschrieben. Ich habe die älteren Ausgaben in Auswahl vor mir ("Die erste Seite").
Außerdem scheint mir die Einordnung des ganzen Vorgangs unter "Wortmagie" nicht ohne weiteres treffend, auch nicht der damals beliebte Zusatz "sogenannte". Die Nichtanerkennung der DDR als Staat war eine politische Position, die man durchaus vertreten konnte, vielleicht mit besseren Gründen als heute die Nichtanerkennung von Taiwan. Ich will nicht die ganze Geschichte hier noch einmal aufrollen, könnte es auch gar nicht, aber "Tabu" ist sicher nicht der richtige Begriff, um den offiziellen und privaten Umgang mit dem "Phänomen" zu beschreiben.

Wer heute den Anspruch auf die früheren deutschen Ostgebiete nicht aufgeben will, nennt die neuen Bundesländer "Mitteldeutschland". Das ist ein politisches Programm und soll auch so wirken, aber gerade deshalb würde ich nicht von "Wortmagie" sprechen. (Ich weiß, daß es inzwischen auch noch eine andere Bedeutung von "Mitteldeutschland" gibt, was wohl gerade deshalb möglich geworden ist, weil die revanchistische obsolet geworden ist.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 30.09.2009 um 18.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15041

Im Italienischen heißen die Toiletten (auch dies natürlich eine verhüllende Bezeichnung) sehr vornehm servizi igienici, was dazu führt, daß über manchen modernen Kloschüsseln die Mitteilung steht, questo servizio, dieser Dienst also, werde nach Gebrauch automatisch desinfiziert.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 29.09.2009 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15032

zu Bären und Wölfen (auch zum Honigwisser): www.babylonia-ti.ch/BABY305/PDF/weber.pdf
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 29.09.2009 um 10.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15031

Vielleicht sollten wir mal den russischen Präsidenten fragen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.09.2009 um 08.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15029

"Honigwisser"? Ist das möglich? Ich bin leider in der slavischen Lautgeschichte nicht bewandert. Üblicherweise sieht man in dem Wort doch den u-Stamm medu- (idg. medhu-, sanskrit madhu-, gr. methy- usw.) und die Wurzel ed- 'essen'.
 
 

Kommentar von Y.N., verfaßt am 28.09.2009 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15027

Im Japanischen werden die Zahlen 4 und 9 möglichst zu vermeiden – diese klingt wie "Leiden" und jene wie "Tod" – beide übrigens nach chinesischen Zählweisen. In manchen Krankenhäuser fehlen deswegen Zimmer mit diesen Ziffern.
Dagegen ist 8 (#65288; chinesisches Schriftzeichen: 八 [#20843;]) eine Glückszahl, weil sie sich nach unten verbreitet, was eine unbegrenzte Zukunft bedeutet.
In Japan versuchte man im übrigen kurz nach dem Krieg die Zahlen der chinesischen Schriftzeichen (=Kanjis) zu reduzieren, da man glaubte, das Lernen vieler Schriftzeichen wirke sich nachteilig für die nicht gut begüterten Kinder aus. So enthielt die Liste der für den täglichen Gebrauch zugelassenen Kanjis 1850 Schriftzeichen. Danach durfte man "Hund" mit Kanji schreiben, aber "Katze" nicht.
Im Laufe der Zeit hat sich Japan zu einem wirtschaftlichen erfolgreichen (und erst in diesem Jahr durch den Regierungswechsel zu einem richtigen demokratischen) Land entwickelt. Da kam es darauf an, die Ausdrucksmöglichkeiten zu erweiten und die Persönlichkeit freier zu entwickeln. Die Restriktion sollte gelockert werden. So wurde die Zahl im Jahr 1981 um 95 auf 1945 Zeichen. Der Charakter der Auflistung hat sich auch von einer Anordnung zur Empfehlung gemildert.
Zur Zeit ist eine abermalige Liberalisierung geplant, wobei um öffentlichen Meinungen gebeten werden, was in einem demokratischen Land selbstverständlich ist.

Wann hören die Deutschen auf, den orthographischen "Sonderweg" zu gehen?
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 27.09.2009 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219#15022

Bär, slaw. "Honigwisser" (der weiß, wo der Honig ist).
Kaum jemand denkt bei "Arktis" an "die Gegend unter den Sternbildern des großen und kleinen Bären" nach griech. "arktos" Bär.
 
 

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