27.09.2009


Theodor Ickler

Tabu

Irrationaler Sprachgebrauch

(Zum Eintrag von Herrn Riemer im Diskussionsforum: Vermeidung von 14 im Chinesischen)

Über Sprachtabus und das Irrationale im Sprachgebrauch könnte man Bände schreiben und hat sie ja auch schon geschrieben.

Vgl. Dornseiffs Klassiker über das Alphabet in Mystik und Magie.

Auf griechischen Münzen wurde das Theta = 9 vermieden, weil es der Anfangsbuchstabe von "Thanatos" war.

Man wundert sich ja manchmal, was aus den indogermanischen Bezeichungen für Sohn und Tochter im Lateinischen geworden ist: filius und filia bedeuten ja bloß "Säugling" bzw. "Säuglingin" – wahrscheinlich eine Folge von Tabu. Ähnlich ging es dem Bären, der im Altindischen und Griechischen seinen alten Namen behielt, bei uns Germanen zum "Braunen" wurde und bei den Slawen zum "Honigesser".
In der Wortbildung spricht man von "Kopf-, Rumpf- und Endwörtern" (statt "Schwanzwörtern", wie es die Metaphorik erfordert) – albern, aber wahr.
Die ehrwürdige und sehr bedeutende Indogermanistenzeitschrift, die nach ihrem Gründer hundert Jahre lang "Kuhns Zeitschrift" und abgekürzt KZ hieß, wurde umbenannt in "Historische Zeitschrift". Das war nicht gerade souverän und hat viele Indogermanisten geärgert. Aber gewehrt haben sie sich auch nicht, wie eben Wissenschaftler so sind (vgl. Rechtschreibreform).
Den Vermeidungs- oder Hüllwörtern stehen die Kraftausdrücke gegenüber, denen wir z. B. einen raschen Wechsel der Bezeichnungen für Körperteile (Kopf, Hand, Finger) verdanken. Beim Hintern und Penis kommt wohl beides zusammen.


Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1219