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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.05.2009
 

deplatzierter Nussbaum
Updike deutsch

Durch eine Rezension in der Süddeutschen Zeitung neugierig gemacht, wollte ich nachprüfen, ob Rowohlt in der deutschen Übersetzung von John Updikes letztem Roman (Die Witwen von Eastwick) tatsächlich deplatziert drucken läßt, was ja wohl eine der dümmsten Eingebungen der Rechtschreibreformer war.
Nun, es steht schon auf der zweiten Seite, wie die Leseprobe auf der Verlags-Website zeigt.

In demselben Text steht aber noch mehr: seine langen Haare – grau, aber immer noch von Strähnen des ursprünglichen sonnengebleichten Nussbaums durchzogen

Wie bitte? Sollte es sich um einen fehlerhaft eingescannten Text handeln? Im Original steht: original sun-bleached auburn.

Auf falsches Scannen deutet auch: einer schwer alkoholisierten, New-Ageabergläubischen Kunstgewerbeclique – aber wer weiß?

Richtig rätselhaft wird es wenig später: Ohnehin gehörten die Miniaturfrauen, denen sie mit einem Zahnstocher oder einer seitwärts gehaltenen Stricknadel kühn eine Schamlippenspalte in den vorgebrannten Ton geritzt hatte, einer unerfreulichen früheren Phase ihres Lebens an.

Ich habe mir vergeblich vorzustellen versucht, wie man das mit der seitwärts gehaltenen Stricknadel (!) anstellen könnte. Im Original steht allerdings:
their vulval cleft boldly dented into the clay with a toothpick or nail file held sideways.



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Kommentare zu »deplatzierter Nussbaum«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2018 um 06.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#38735

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14436

Gestern habe ich zum erstenmal wirklich eine Prozession der oak procession idiots beobachtet, quer über den Waldweg, recht unheimlich anzusehen.

Harmloser ist die Gespinstmotte, über die unsere Zeitung sich in einem bemerkenswert schlecht gebauten Satz äußert:

Vermehrt das Pfaffenhüttchen (!) ist an verschiedenen Stellen in Erlangen besonders von dem Befall betroffen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2010 um 11.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#15503

Wie die meisten von uns damals bemerkt haben werden, ist die Übersetzerin Angela Praesent im vergangenen Sommer gestorben.
Der kurze Nachruf im "Spiegel" vom 29.6.2009 erklärt wohl hinreichend, wie es zu der Übersetzungskatastrophe gekommen ist, aber er entschuldigt nicht das Lektorat des Rowohlt-Verlags:

GESTORBEN

Angela Praesent , 64. Ihre letzte große Romanübersetzung geschah "unter Volldampf": Der von ihr bewunderte US-Autor John Updike war im Januar gestorben, und der Erscheinungstermin für seinen Roman "Die Witwen von Eastwick" wurde vorgezogen. Sie schaffte es sogar "früher als geplant", wie sie stolz aus Südfrankreich wissen ließ, wo sie seit Jahren wohnte. Praesent hat nicht allein als Übersetzerin (von Harold Brodkey, E. L. Doctorow, Toni Morrison), sondern in vielen Rollen geglänzt: als Literaturkritikerin (unter anderem für den SPIEGEL), als Erzählerin ("Au Contraire", 1988) oder als Jurorin (beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt) - und nicht zuletzt als Herausgeberin der einst so erfolgreichen Rowohlt-Taschenbuchreihe "neue frau". Angela Praesent starb am 20. Juni in Heidelberg an Krebs.
 
 

Kommentar von Thomas Dautel, verfaßt am 17.06.2009 um 16.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14633

Im Jahr 2004 erschien bei Rowohlt der Roman "Der Augenblick der Liebe" von Martin Walser. Gleich auf der ersten Seite findet sich die Schreibung "platziert", während die ss/ß-Schreibung noch nicht der Heyse-Regel folgt. Mittlerweile hat Rowohlt Herrn Walser dazu gebracht, die Neue Deutsche Rechtschreibung konsequent anzuwenden.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 12.05.2009 um 11.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14438

Ja. Gar nichts.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 12.05.2009 um 10.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14437

Weiß jemand, wieviel Harry Rowohlt, der für seine Übersetzungen ja so gerühmt wird, im Hause Rowohlt zu sagen hat?
Ich habe neulich irgendwo, ich vermute, es war im Zeit-Magazin, einen aktuellen Beitrag von ihm in tadelloser klassischer Orthographie gelesen. Das hat mir Hoffnung gemacht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.05.2009 um 09.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14436

Die Übersetzungskünste mancher Leute waren schon immer ein Quell der Heiterkeit. Meine schlimmen anglophilen Töchter treiben damit ihren Spott, wenn sie z.B. den hier grassierenden Eichenprozessionsspinner als "oak procession idiot" bezeichnen, was schon lange in unsere Familiensprache eingegangen ist.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 11.05.2009 um 23.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14435

Und wenn Frau Praesent die Trägerin des Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-seligen-Andenkens-Gedächtnis-Übersetzer-Preises-am-güldenen-Bande-mit-silberner-Nadel-und-langer-aufwendiger-Schleppe wäre, lockte mich das noch immer nicht.

Merke: Erhöhte Kopplung steigert den Lesegenuß nicht unbedingt, sieht aber sehr technisch aus.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 11.05.2009 um 22.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14434

Die Übersetzung stammt von Angela Praesent, Trägerin des tapfer durchgekoppelten Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Übersetzer-Preises.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 11.05.2009 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1154#14432

Von Rowohlt lernen, heißt Stricken lernen.

Ich gehe gleich morgen los und kaufe mir Wolle. Mit etwas Geschick bin ich womöglich in der Lage, mit meiner Nagelfeile bis Weihnachten ein Paar Socken zu stricken. Ich bin aber nicht so kühn (boldly!), nun gleich alle Mitlesenden nach Größe und Lieblingsfarbe zu fragen. Ein so schwer alkoholisierter New-Ageabergläubischer Kunstgewerbecliquefreizeitanhänger bin ich dann doch nicht.

Insgesamt waren das wohl so ziemlich alle wesentlichen Argumente, sich diese Übersetzung nicht zu kaufen. Daher danke für die Warnung vor dem Buch, Herr Ickler.
 
 

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