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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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30.03.2009
 

„Dekonstruktivistische Geschlechtertheorien“
Sprachwolken

Auf den Internetseiten der Friedrich-Ebert-Stiftung liest man folgendes:

»Was bedeutet "gender" ?
Die englische Sprache kennt Unterscheidungen, die in der deutschen Sprache nicht in gleicher Weise erfaßt werden: sie besitzt einen Begriff für die biologisch definierten Aspekte des Geschlechts in dem Wort "sex" und einen Begriff für die sozialen und kulturell definierten Aspekte des Geschlechts in dem Wort "gender". Eine genaue Übertragung des Begriffs gender ins Deutsche ist in einem einzigen Wort nicht möglich. Gender bedeutet soziale und kulturelle Geschlechterrolle.
(...)
Die dekonstruktivistischen Geschlechtertheorien legitimieren jede Art von Politik, die geschlechtliche Identitäten nicht ausgrenzt oder diskriminiert, sondern eine Vielzahl von Männlichkeit und Weiblichkeit zuläßt. Geschlecht wird als soziales Konstrukt angesehen. Diese Theorien entziehen jeder Form der Geschlechterherrschaft die Legitimation und ermutigen dazu, sich von allen Zuschreibungen aufgrund des Geschlechts zu befreien. Jede Überschreitung der gesellschaftlich definierten Geschlechtergrenzen kann damit zu einer politischen Aktion werden, die auf die prinzipielle Offenheit der Geschlechterrolle hinweist. Gesellschaftskritische Geschlechtertheorien bieten Analyseraster und Erkenntnisse über die je vorhandenen Formen der Geschlechterhierarchie und Frauendiskriminierung. Sie verstehen die Kategorie Geschlecht als äußerst wirksames Instrument, um Differenzen zwischen Individuen zu produzieren. Diese theoretischen Ansätze nehmen die realen Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern ernst, analysieren ihre Ausprägungen, ohne sie jedoch festschreiben zu wollen, im Gegenteil: die genaue Analyse von Herrschaftsstrukturen und Mechanismen wird dazu genutzt, angemessene Veränderungsstrategien zu entwickeln.«

Auf solche Sprachwolken, die sich ebenso auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung und eigentlich überall in unendlicher Menge finden lassen, wird man eines Tages mit Kopfschütteln zurückblicken. Einstweilen schaffen sie Beschäftigung für zahllose Gleichstellungsbeauftragte usw.

Bevor eine Sache wissenschaftlich ausdiskutiert ist, zieht man schon politische Folgerungen, legt kostspielige, u. U. schädliche Programme auf usw. Wir kennen das ja.



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Kommentare zu »„Dekonstruktivistische Geschlechtertheorien“«
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Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 30.03.2009 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#14200

Eines Tages wagen es dann junge Eltern nicht mehr, die Geburt der "kleinen Tochter XXX" bekanntzugeben, sondern verkünden nur noch die Geburt eines "menschlichen Wesens".
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 30.03.2009 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#14201

Der aktuelle Stand auf Google:

"Verbrecherinnen und Verbrecher": 38 Fundstellen.

"Heldinnen und Helden": ca. 10000 Fundstellen.
 
 

Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 30.03.2009 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#14203

Kanzlerkandidatin und Kanzlerinnenpolitik

Ich habe schon länger nicht mehr den KStA zitiert, weil ich mit der Zeit den bestimmten Eindruck hatte, daß dies (negative) Konsequenzen für die Rechtschreibung (wie auch für genannte Personen?) hatte. Allerdings gilt nach wie vor: man muß nicht suchen - in fast jeder Spalte tappt man in eine Lese- bzw. Verständnisfalle. Manchmal ist das so arg, daß man sich kaum zurückhalten kann, etwas zum besten zu geben.

Redaktionelle Spitzenleistung der Ausgabe Nr. 74, 28./29. März 2009, Seite 6, "Kanzlerin zweier Welten":

» Da fordert [...] Oettinger, sie solle lieber als Kanzlerkandidatin Wahlkampf machen statt dauernd Kanzlerinnenpolitik.«

Kanzlerinnenpolitik - was könnte das wohl sein? Daß man sich in den Redaktionen mit den eigenen "Gender"-Ansprüchen offensichtlich nicht wirklich zu helfen weiß, kann man eine Spalte weiter lesen:

» Höhenrausch. Die ganz normale Kanzler(innen)krankheit. Helmut Kohl hatte sie, Gerhard Schröder hatte sie.«

 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 30.03.2009 um 14.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#14204

Aber Herr Bochem, Sie müssen doch erzogen werden, und sei es von einem Käseblatt wie dem Kölner Stadt-Anzeiger! Ich kann Ihnen aber auch eine andere Erziehungshilfe anbieten: Markus Hinterholzer, Alte HeldInnen braucht die Schule. Das Nibelungenlied und der Herr [hoppla!] der Ringe als literaturdidaktische Beispiele für einen gehirn-gerechten Mittelalterunterricht, Frankfurt am Main u. a. 2007. Im Werbetext qualmt die GEW-Ideologie selbst aus jedem Spatium: „Eine wissenschaftstheoretisch fundierte Beispielsammlung bietet LehrerInnen einen Fundus an neuen, konkret anwendbaren Ideen ... kritische Hinterfragung der HeldInnenverehrung ... Die Behandlung der seltenen, aber notwendigen Heldinnen im Unterricht und ein Ausblick auf moderne HeldInnen.“ Selbstverständlich wird auch der gehirn-gerechte Unterricht wissenschaftstheoretisch fundiert dargestellt. Hurz!!
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 30.03.2009 um 14.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#14205

Lieber Herr Stiene,

was bitte ist denn "gehirn-gerechter Unterricht"? Etwa ein neumodisches Synonym für leichtverständlich?

Und was genau sind denn die positiven Eigenschaften der beiden wichtigsten Frauengestalten Kriemhild und Brünhild des "Nibelungenliedes", die sie nun zu "Heldinnen" machen? Es sind in ihrer Widersprüchlichkeit mit Sicherheit interessante Gestalten, für mich deshalb auch spannender als Jung-Siegfried, der gerade in seiner langweiligen Heldenhaftigkeit geradezu ein Prototyp des Helden sein kann (gut, edel, tapfer, furchtlos, unschuldig in finstere Machenschaften verstrickt). In dieser Heldenhaftigkeit bleibt er aber erstaunlich blaß, wogegen die Finsterlinge Hagen und eben auch Kriemhild (schließlich ist sie für das finale Blutbad verantwortlich) vielschichtig und dadurch für Leser interessant sind.

Ein schönes Beispiel für Dekonstruktion der Geschlechterrollen (und damit zugleich einen Einblick in die Spielwiese von Mediävistinnen) bietet der Abschnitt "Geschlechterrollen im Nibelungenlied" im Hauptartikel "Nibelungenlied" von Wikipedia.

Aber bitte, wenn Lehrerinnen es für ihr seelisches Wohlbefinden brauchen, das "Nibelungenlied" mit der Brille Judith Butlers zu lesen. Nur sollten sie dann vielleicht nicht gleich die Schüler damit zwangsbeglücken. Womöglich gibt es sonst in naher Zukunft Amokläufe von Schülerinnen, die alle Schüler töten, die ihnen den Hof machen und gleichzeitig in sportlichen Disziplinen besser sind. Nach Stockholm kommt dann das Brünhild-Syndrom.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 18.11.2009 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#15291

Wie *Bild* das Problem löst: "Eine BND-Agent hat durch seine Homo-Beziehung zu seinem Dolmetscher einen der größten Spionage-Prozesse Deutschlands ausgelöst." (Bild.de, heute)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.05.2010 um 18.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16277

Dem grammatischen Geschlecht der Substantive werden weitreichende Deutungen gewidmet, auf die ich hier (noch) nicht eingehen will. Jedes Substantiv soll früher grundsätzlich aller drei Genera fähig gewesen sein, und zwar nach semantischen Gesichtspunkten (konkret – abstrakt – kollektiv). Wie vorsichtig man sein muß, geht aus folgender Deutung hervor:

"Extrovertierte Affektbegriffe sind meist mask; introvertierte meist: fem. Besonders interessant: Bildungen auf -mut:
a. Mask: Mut, Hochmut, Übermut, Unmut, Wankelmut, Wagemut
b. Fem: Wehmut, Schwermut, Anmut, Sanftmut, Demut, Langmut"

Hier wäre zu bemerken, daß es sich bei den Femininen gar nicht um Zusammensetzungen mit Mut handelt, sondern um Rückbildungen aus Adjektiven: diemüete, swaermüete (= demütig, schwermütig) > Demut, Schwermut usw.
 
 

Kommentar von Blick, 4. 6. 2010, verfaßt am 22.06.2010 um 15.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16398

»Weder Vater noch Mutter – Beamte sollen künftig das Elter sagen« (www.blick.ch)
 
 

Kommentar von Jean Wüthrich, verfaßt am 22.06.2010 um 17.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16399

Der Blick ist in etwa vergleichbar mit der Bildzeitung. Im Sommer nutzt sie das Loch für skurillen Blödsinn. Das mag noch lustig sein. Niemand wird "das Elter" sagen. Der Fussgängersteifen soll jetzt Zebrastreifen heissen. Darauf gab es Klagen von Männern, sie seien nicht angesprochen, weil sie ja keine Zebras seien.

Ein zitierfähiger Leitfaden, der mit gängigen Vorurteilen aufräumt, wäre schon wünschenswert, weil die Ausmasse der sogenannten geschlechtergerechten Sprache karriereschädigend sind. Wer sprachlich nicht mitzieht, sondern weiterhin Studenten statt Studierende sagt, bekommt den Lehrauftrag nicht. Genau das ist (in der Schweiz) auch der Wille der politischen Linken. Die Genderdiskussion führt also nicht nur zu neuen Stellen, sondern sie verhindert auch, dass Andersdenkende im akademischen Betrieb Fuss fassen können.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 22.06.2010 um 21.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16400

Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß eine Meldung notwendigerweise nicht stimmt, weil sie in einer Boulevardzeitung erschienen ist: 20 Minuten berichtet.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 23.06.2010 um 10.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16401

Warum nicht "ganz normal" Fußgänger- und Fußgängerinnenstreifen?
Oder auch zwei Streifen nebeneinander, einen für Fußgänger, einen zweiten für Fußgängerinnen?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 23.06.2010 um 10.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16402

Auf den meisten Verkehrszeichen werden Fußgänger mit Hosen dargestellt, lediglich Gehweg und Zone zeigen eindeutige Frauenabbildungen (Rock).
Da gibt es noch viel zu tun ...
 
 

Kommentar von Michael Krutzke, verfaßt am 23.06.2010 um 11.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16403

Erstmals hörte ich vom geschlechtergerechten „Elter“ aus dem Munde unserer Bundesmütterversteherin und KOPP-Nachrichtenvorleserin Eva Herman. Da hielt ich es noch für einen verirrten Aprilscherzquerschläger. Nun aber scheint es doch ganz offensichtlich Menschinnen zu geben, denen wirklich nichts buchstäblich zu dämlich ist ... so bekommt dieses Wörtchen gleich eine ganz eigene und tiefe – und irgendwie auch geschlechtergerechte – Bedeutung ...
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 23.06.2010 um 22.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16404

Blick.ch: "Statt Vater oder Mutter sollte man laut Bund besser «der Elternteil» oder «das Elter» schreiben."
Es geht also offensichtlich um die Tilgung der Worte Vater und Mutter, oder verstehe ich das falsch?

Eltern kommt, soweit ich das verstanden habe, doch von die Älteren (im Gegensatz zu den Kindern, die die Jüngeren sind), und daher ist Eltern ein Mehrzahlbegriff.

Man müßte doch dann statt Vater "der Alte" und statt Mutter "die Alte" sagen, oder?

"Das Elter" ist jedenfalls reiner Unsinn!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.06.2010 um 00.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16405

Wenn es das Elter gäbe, könnte man z.B. sagen:
Frage doch mal eines deiner Eltern. Wie praktisch!
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 24.06.2010 um 06.38 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16406

In leicht verständlichem endreformiertem Neudeutsch müßte der bekannte Einleitungsvers aus Wilhelm Buschs „Julchen“ also demnächst lauten:

Älter werden ist nicht schwer,
Älter sein dagegen sehr.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.06.2010 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16407

das Elter gibt es ja, z. B. in der Biologie, und selbst wenn man darin etymologisch noch "das Ältere" erkennt, wäre es in Ordnung, denn wir haben z. B. das Deutsch, ein Junge statt das Deutsche, ein Junger.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 24.06.2010 um 22.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16409

Als Nicht-Biologe ist mir das biologische Elter bisher unbekannt geblieben. Ein biologisches Elter – was soll man sich darunter vorstellen?
Über Google hab ich diese Spur leider nicht gefunden.
Bisher hörte ich von männlichen, weiblichen und Zwitter-Organismen, kann man die alle auch Elter nennen, wenn sie für Nachwuchs sorgen?

Wenn es so ist, schränke ich meine Unsinnsbehauptung weiter unten auf menschliche Organismen ein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2010 um 08.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16683

Noch vor wenigen Jahren wurde eine groteske Bildung wie "Lehrendenschaft" für unmöglich gehalten und als Beispiel zwecks reductio ad absurdum verwendet. Inzwischen ist es reichlich belegt, und wieder einmal fällt auf, daß "Studierende" und theologische Fakultäten besonders eifrig sind, ihre korrekte Gesinnung auch sprachlich zu dokumentieren. So spricht die Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin von "Studierendenschaft und Lehrendenschaft".
 
 

Kommentar von B Janas, verfaßt am 11.08.2010 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16685

Das Bundeskanzleramt heißt immer noch so, hat aber die Web-Adresse www.bundeskanzlerin.de
In der Navigationsleiste gibt es die Punkte
"Aufgaben der Kanzlerin"
"Wahl der Kanzlerin"
In den Texten dann meisterlicher Eiertanz – wo immer sprachlich nicht allzu grotestk, steht ...kanzlerin...
Man wird einige Arbeit haben, wenn wieder mal ein Mann kommt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.08.2010 um 06.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16687

In der Mensa einer politisch korrekten Hochschule sitzt dann wohl die Essendenschaft. Das habe ich zwar erfunden, aber ich sehe nicht, wie man daran vorbeikommen könnte. Es bedürfte einer Revolution, um die Verrücktheit der Leute zu beenden, die all diesen Unsinn durchsetzen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 12.08.2010 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16689

Der neueste Schrei ist der Unterstrich. Ein_e Julia Glathe berichtet:

Neben der Schreibweise des Binnen-I, zum Beispiel bei »StudentInnen«, durch das beide Geschlechter in einem Wort ausgedrückt werden sollen, hat sich in offiziellen Einrichtungen vor allem das Nennen beider Vollformen etabliert. Diese Varianten werden aber nicht in allen Kreisen als ideal aufgefasst. Queer-Theoretiker_innen, die sowohl das soziale, als auch das biologische Geschlecht als konstruiert ansehen und sich gegen die binare Geschlechterklassifizierung aussprechen, verwenden stattdessen die Unterstrich-Schreibweise »_«. Dadurch sollen sprachlich auch diejenigen repräsentiert werden, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht eindeutig zuordnen lassen wollen. Dieser Ansatz kann als Weiterführung der ersten »Gender«-Bestrebungen betrachtet werden.

http://hastuzeit.de/2010/was-ist-eigentlich-die-weibliche-form-von-nazi/
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 12.08.2010 um 14.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16691

Wie spricht man denn den Unterstrich aus?
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 12.08.2010 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16692

Kaum glaublich, aber das Problem ist gelöst. Wikipedia weiß Bescheid, unter
Gender_Gap_(Linguistik)

Der sprachliche Ausdruck kann nach Baumgartinger durch den beim Binnen-I etablierten Glottisschlag (kurze Pause) realisiert werden [ˈʃyːlɐˌʔɪnən], den man mit einer gleichzeitigen Handbewegung von außen nach innen unterstützt.[2] Die Grenze liegt hier bei seheingeschränkten und blinden Menschen, sowie beim Hörfunk.
 
 

Kommentar von fingerprinz, verfaßt am 12.08.2010 um 16.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16693

Wenn das der gute Bartholomäus Glotti noch hätte erleben müssen – der Schlag hätt' ihn getroffen!
 
 

Kommentar von Paul Westrich, verfaßt am 12.08.2010 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16695

Auch der Schweizer Vogelschutz versucht, politisch korrekt zu sein, hält dies aber nicht konsequent durch.
Heute erhielt ich das aktuelle ORNIS-Heft und stutze bei zwei Bildunterschriften: "Die Site Support Group präsentiert Besuchenden ihr Gebiet" und "Auf der Exkursion in Rheinfelden konnten die Teilnehmenden die Achtbeiner kennen lernen (sic!)". Wären die Schreiber konsequent, würden sie bei einer anderen Bildunterschrift statt "zeigen lokale Führer den Touristen besondere Arten" schreiben "zeigen lokale Führende den Tourenden besondere Arten". Manchmal möchte ich unartikulierte Schreie ausstoßen.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 12.08.2010 um 20.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16696

"Geschlecht wird als soziales Konstrukt angesehen."
Kann man es dann überhaupt noch verantworten, Neugeborenen eindeutige Namen zu geben? Muß man es nicht den Geburtshelfern (pardon: Geburtshelfenden) verbieten, der Mutter freudig mitzuteilen, sie habe gerade einen gesunden Jungen/ein gesundes Mädchen geboren? Oder ist die Mutter gar keine Mutter, sondern nur eine gesellschaftliche Konstruktion?
Fragen über Fragen. Ganz klar, daß es Institute geben muß, die die bisher einfältige Menschheit aufklären.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 12.08.2010 um 21.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16697

Die Wirklichkeit hat RvT bereits überholt. Im Freitag (oder war's die taz) wurde über ein schwedisches Elter-Paar berichtet, die konsequent jedem das Geschlecht ihres Kindes verschweigt, ihr Produkt abwechselnd nach männlicher und weiblicher Mode kleidet etc.

Auch der Achtbeiner ist nicht gender-unverdächtig. Machen wir ihn zum Achtbeinigen, oder noch Plan übererfüllender: 8-Beinigen.
 
 

Kommentar von Paul Westrich, verfaßt am 12.08.2010 um 23.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16698

"Auch der Achtbeiner ist nicht gender-unverdächtig. Machen wir ihn zum Achtbeinigen, oder noch Plan übererfüllender: 8-Beinigen."
Klasse, Glasreiniger! Natürlich gibt es auch weibliche Spinnen mit 8 Beinen. Das hatte ich doch glatt übersehen :-)
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 13.08.2010 um 07.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16699

Als zur niedersächsischen Verfassung eine Präambel mit Gottesbezug nachgeschoben wurde, schlug ich vor, sie korrekt zu formulieren „in Verantwortung vor Gott und/oder Göttin“. Doch das aufzugreifen wagte niemand.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2010 um 09.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16700

Frau van Thiels Bedenken sind berechtigt. In besagtem Wiki-Beitrag heißt es ja:

„Die Idee zu diesem Stilmittel stammt von Steffen Kitty Herrmann, welche es erstmals 2003 im Aufsatz „Performing the Gap – Queere Gestalten und geschlechtlicher Aneignung“ vorstellte. Die explizite Bezeichnung Gender Gap verwendete sie in diesem Aufsatz nicht. Sie verwendet darin auch nicht die Bezeichnung Unterstrich, sondern schreibt nur vom „_“ als einen Ort, der Möglichkeiten offenlässt.“

Auf der Homepage von Steffen Kitty Herrmann ist diese(r) jedoch als Mann ausgewiesen und bezeichnet.

Man sieht hier, wie der Wunsch, sämtliche Spielarten des Sexuellen bei jeder sprachlichen Gelegenheit "sichtbar zu machen" (wie die feministische Parole lautete), in die Sackgasse führt, aus der dann nur Luise F. Pusch den Ausweg weist: völlige Tilgung des Genus aus der deutschen Sprache. Der Hinweis auf die beispiellose Gewaltsamkeit eines solchen Eingriffs ist von Frau Pusch schon vor Jahrzehnten beantwortet worden:

"Die hier vorgeschlagene Umstrukturierung tut dem deutschen Sprachsy­stem nicht mehr Gewalt an, als dieses System uns Frauen antut."

Meine Vorstellung ging immer in die andere Richtung: die Stellung der Frauen weiter verbessern und die deutsche Sprache so lassen, wie sie ist.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 13.08.2010 um 10.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16701

ergänzend zu meinem Beitrag 16697 der Link: http://www.freitag.de/alltag/1025-maedchen-oder-junge
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.08.2010 um 15.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16702

Es trifft ja zu, daß das soziale Geschlecht etwas anderes ist als das biologische. Es fällt weder mit diesem zusammen noch ist es dessen notwendige Implikation. Die Burkha ist ebensowenig in der Natur angelegt wie der Minirock. Fatal ist der relativistische Trugschluß aus der Entdeckung, daß soziale Tatsachen etwas anderes sind als biologische Tatsachen oder sonstige Vorfindlichkeiten: Weil sie nicht notwendig sind, sind sie beliebig, und, im nächsten Schritt, weil sie beliebig sind, stehen sie zur Disposition – und zwar dem je eigenen Gutdünken. Dieses Gutdünken selbst darf jedoch nicht mehr beliebig sein, sondern muß sich als Manifestation einer übergeordneten Notwendigkeit setzen.

Die Denkfigur läßt sich ihrerseits nur als Konstrukt angemessen beschreiben, nämlich politisch gesehen als strukturell totalitär und geistesgeschichtlich als Rückfall in magisches Denken. In Kurzform findet sie sich übrigens auch in Zehetmairs Grußwort auf rechtschreibrat.com:

„Die Rechtschreibung ist von den Menschen gemacht und wird von diesen weiterentwickelt.“

Anders gesagt, weil die Orthographie nicht auf den Bäumen wächst, muß sich der Rat für deutsche Rechtschreibung um ihre Entwicklung kümmern.
 
 

Kommentar von Argonaftis, verfaßt am 14.08.2010 um 00.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16706

Ich komme gerade von Tirol zurück, von einer Gebirgstour im Wilden Kaiser/der Wilden Kaiserin.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.03.2011 um 09.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#18237

Die Lesendenschaft ist zahlreich belegt, ganz ernsthaft.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 13.10.2011 um 08.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#19347

Heute lese und höre ich, die Bundeskanzlerin besuche die Mongolei »als erste deutsche Regierungschefin« (geht offenbar auf eine dpa-Meldung zurück). Seit sechs Jahren steht eine Frau an der Spitze der Bundesregierung, das ist nichts Besonderes mehr und verdient keine Erwähnung. Das Bundeskanzleramt formuliert: »Es ist der erste Besuch eines deutschen Regierungsoberhauptes in dem zentralasiatischen Land.«
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.04.2013 um 15.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#22980

Noch zu #16277:

Anmut ist wohl nicht deshalb feminin geworden, weil man diese Eigenschaft eher mit weiblichen Wesen in Verbindung bringt, sondern weil man es beim besten Willen nicht als Bezeichnung einer Art von Mut auffassen kann, daher lieber anderswo anschließt.

Bei Großmut schwankt das Genus wohl deshalb, weil solche altmodischen Wörter nur noch selten gebraucht werden. Daher:

Kein politischer Großmut – nirgendwo. (FAZ 22.6.09)

Wenn man sich die Tatsachen genauer ansieht, wird man vorsichtig mit Behauptungen über Geschlechterstereotypen in der Sprache.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.07.2013 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#23660

Aus einer Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung:

Die Schreibweise mit dem Unterstrich geht auf einen Vorschlag Steffen Kitty Herrmanns zurück. Sie beendet nicht nur die Unsichtbarkeit weiblicher Personen im generischen Maskulinum, wie es beispielsweise die Binnen-I-Schreibweise leistet, sondern auch die Unsichtbarkeit aller Personen, die sich nicht von den auch in die (deutsche) Sprache eingelassenen binären Geschlechternormen einordnen lassen wollen. Der Unterstrich weist – durchaus in der Form eines sprachlichen Stolpersteins – auf diese Normen hin und zugleich darüber hinaus: «Die Grenze mit ihrer unsichtbaren Bevölkerung wird zum Ort, indem die beengenden Schranken der Zweigeschlechtlichkeit – du Leser auf der einen und du Leserin auf der anderen – auseinander geschoben werden, um dem verleugneten Anderen Platz zu machen: du Leser_in nimmst diesen Platz ein.» (Herrmann, Steffen Kitty (2007): Performing the gap – Queere Gestalten und geschlechtliche Aneignung, S. 196 in: AG Gender-Killer (Hg.): Das gute Leben. Linke Perspektiven auf einen besseren Alltag, Münster: Unrast, S. 195-203. In leicht veränderter Form zuerst erschienen in arranca #28, 2003, S. 22–26, http://arranca.org).

Man beachte das finale um – zu! Und kaum sind die Frauen sichtbar gemacht, sogar überdeutlich wie in Leipzig und Potsdam, verschwinden sie schon wieder im queeren Gap oder neuerdings Stern!

Man kann sich natürlich leicht einen privaten Sprachgebrauch ausdenken und alles mögliche in bestimmte Zeichen hineinlegen. Damit die Leser folgen, bedarf es ausgedehnter Belehrung. Das erinnert an die Hindus, die den Ertrag jahrelanger Studien in die Silbe OM verpacken.

Queere Autoren wie Herrmann lassen den herkömmlichen Feminismus weit hinter sich und scheinen, wie die "Diversity"-Bewegung zeigt, Zukunft zu haben. Bei Herrmann geht es nicht mehr darum, Frauen sichtbar zu machen, sondern die Zweigeschlechtigkeit unserer Sprache wird als besonders perfide Unterdrückungsstrategie entlarvt:

Um die Illusion zweier sauber geschiedener Geschlechter aufrecht zu erhalten, kennt unsere Sprache nur die zwei Artikel „sie“ und „er“ sowie die zwei darauf bezogenen Wortendungen, zumeist das weibliche „...in“ und das männliche „...er“. Alles, was außerhalb dieser Ordnung liegt, wird fortwährend verleugnet, denn der Vorstellungshorizont unserer Sprache ist auf eine binäre Struktur eingegrenzt. usw.
 
 

Kommentar von Andreas Blombach, verfaßt am 13.03.2014 um 00.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#25365

Über das Blog von Felix von Leitner habe ich eben folgenden Text entdeckt: http://akuniwatch.wordpress.com/2014/01/31/februar-2014/
Bizarr und irgendwie faszinierend.

"Was wir* und dixs Studierxs kritisieren, ist zum Beispiel die Re_produktion von problematischen Wörtern wie zwei Be_griffe die mit “W” und “S” beginnen, wir* aber nicht re_produzieren wollen, da diese kolonialrassistisch und somit diskriminierend für Schwarze und People of Color und gleichzeitig privilegierend für weiße Menschen sind."
(Es geht darum, dass "diese Worte" bei Kant, Humboldt und Rousseau vorkommen.)

Die Sprache orientiert sich offenbar an einem "Leitfaden zu antidiskriminierenden Sprachhandlungen" (http://www2.gender.hu-berlin.de/ztg-blog/2014/02/neuerscheinung-ag-feministisch-sprachhandeln-was-tun-sprachhandeln-aber-wie/). Kapitel 4 ist besonders aufschlussreich: http://feministisch-sprachhandeln.org/leitfaden/kapitel4/

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.03.2014 um 07.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#25366

Wer sonst nichts zu bieten hat, kann sich immer noch auf seine höhere Moral berufen, das erleben wir ja auch in wirklich gefährlichem Ausmaß bei zurückgebliebenen Angehörigen gewisser Religionsgesellschaften. Studenten waren schon immer besonders leicht verführbar, und so gönnen sie sich jetzt diese Eskapaden, auf die sie in wenigen Jahren mit einverständlichem Grinsen zurückschauen werden - sobald sie richtig Geld verdienen. Bis auf die wenigen natürlich, die aus der Abwegigkeit einen Beruf machen als Gender- oder Antirassismus-Forscher. Das sind die eigentlichen Unangenehmen, während man die revolutionären Ideen studentischer Gruppen mit Nachsicht behandeln sollte; wir waren auf unsere Weise ja auch nicht anders.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 03.04.2014 um 09.49 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#25538

Unlogisch kann es nach einer Geschlechtsumwandlung werden ("geschlechtsangleichende Maßnahme"), wenn die neue Identität mit Gewalt auf jene Vergangenheit angewendet wird, in der sie noch nicht vorlag. Das sieht man im Wikipedia-Artikel über Andreas Krieger, der als Heidi Krieger geboren wurde und als Frau Spitzensport betrieb.

Der Artikel stellt die sportliche Karriere von Heidi Krieger sprachlich so dar, als habe es sich damals schon um den Mann Andreas Krieger gehandelt. Darüber hat es bei Wikipedia natürlich Auseinandersetzungen gegeben. Offenbar haben sich jene durchgesetzt, die das Recht auf die neue Identität sprachlich verwirklicht sehen wollen.

Zum Zustand vor der Operation heißt es verwirrenderweise über die damalige Frau: "Andreas Krieger hatte Schwierigkeiten, sich in eine weibliche Geschlechtsrolle zu finden. Seine Geschlechtsidentität, so wurde ihm im Laufe der Jahre klar, war männlich."

Teilweise ist es wirklich vertrackt. Wie soll der erste Satz lauten: "Andreas Krieger (* 20. Juli 1965 in Berlin als Heidi Krieger) ist eine ehemalige deutsche Kugelstoßerin"? Das geht auch nicht. Man müßte ausführlicher formulieren, um eine akzeptable Fassung zu erzielen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.09.2014 um 15.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#26635

In den letzten Wochen gibt es immer mal Neuigkeiten über den Bardarbunga. (Ich schreibe ein d für das isländische runde d.)
Über "den" Bardarbunga?

Auf Wikipedia wird er durchgehend die Bardarbunga genannt. Na ja, bunga (Ausbuchtung, Wölbung) ist im Isländischen feminin, aber ist das Grund genug, sozusagen gegen die restliche Welt auch im deutschen Text das "die" zu behaupten?

Google:
"die Bardarbunga": 310 (Nom. und Akk.)
"der Bardarbunga": 65600
Darunter werden allerdings evtl. auch ein paar weibliche Genitive und Dative sein, also noch diese Probe:

"des bardarbunga": 8190
"dem Bardarbunga": 9660
"den Bardarbunga": 1600

"aus der Bardarbunga": 2
"unter der Bardarbunga": 1
(Diese 3 treffen aber alle nicht zu, z. B. "... sahen spektakulär aus. Der Bardarbunga ist ...")

"aus dem Bardarbunga": 1530
"unter dem Bardarbunga": 29000

Also insgesamt eine überwältigende Mehrheit für "der Bardarbunga"!
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 01.09.2014 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#26636

Die gefundenen Zahlen schwanken recht stark, z.B. finde ich jetzt:
"aus dem Bardarbunga": 9740
"unter dem Bardarbunga": 58100
Die kleineren Zahlen sind aber konstant, die Größenordnung des Verhältnisses männlich zu weiblich ist eindeutig.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 23.09.2014 um 11.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#26839

(Anschluß an meinen letzten Beitrag unten)

Noch so ein Fall, Darstellung einer Person nach Geschlechtsumwandlung, diesmal umgekehrt: Chelsea Manning. Wikipedia formuliert außer ganz am Anfang so, als habe es sich immer schon um eine Frau gehandelt, obwohl die Umwandlung erst kurz zurückliegt und das meiste während der Zeit als Bradley Manning stattfand.

Spontan neige ich zu der Meinung, man sollte in so einem Fall das Geschlecht so darstellen, wie es jeweils (nach außen hin) gegolten hat. Man mutet doch sonst den Lesern eine ständige Übersetzungsarbeit zu, also das Hinzudenken von "Es war damals noch ein Mann". So wie bei dem Bild, das den Mann Bradley Manning im Jahr 2009 zeigt, und darunter steht der Name Chelsea.

Interessant wäre, wie es die Betreffenden selber handhaben würden. Wenn es nur um das Berichten von Empfindungen ginge, könnte man das Geschlecht rückwirkend umdefinieren, warum nicht. Aber die Person hat doch im realen Leben Rollen ausgefüllt, sie ist mit einem bestimmten Geschlecht wahrgenommen und angesprochen worden (und fotografiert worden). Das kann man doch nicht alles sprachlich leugnen, ohne die Texte in Schieflage zu bringen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.12.2015 um 06.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#30820

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#16277

Zur Zeit wird aus gegebenem Anlaß der Langmut des Rechtsstaats getadelt, der Sanftmut Merkels gelobt. Diese Vermännlichung ist nicht aufzuhalten.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 10.12.2015 um 20.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#30829

»Der Sanftmuth« findet sich schon bei Jacob Böhme.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.11.2017 um 11.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36908

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu einer dritten Geschlechts-Option fürs Geburtsregister usw. toben sich etwa bei der WELT erstaunlich viele Wutbürger aus (wahrscheinlich dieselben Giftzwerge wie auch sonst). Dabei entsteht ja niemandem ein Nachteil. Für die schlichte Anerkennung der Homosexualität konnte man in der Generation meiner Eltern auch noch kein Verständnis erwarten, und Studien über "sexuelle Zwischenstufen" gab es schon vor über 100 Jahren.

Aber sprachlich sind wir für dieses ganze Gebiet noch nicht gerüstet. Weder allgemeine Bezeichnungen noch Anredeformen haben sich bisher ohne Zwang und Krampf durchgesetzt. Was tun?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.11.2017 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36911

Sexuelle Zwischenstufen gab es immer schon; die Fiktion, man könne einen Mann zur Frau umoperieren oder umgekehrt, ist hingegen neueren Datums.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.11.2017 um 20.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36913

Es gibt ja solche Bezeichnungen, sie müssen nur benutzt werden:

männlich – weiblich – unbestimmt (oder doppelgeschlechtlich)
Mann – Frau – Zwitter

Meine sehr geehrten Damen, Herren und Zwitter!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 04.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36914

Die NZZ kommentiert das Urteil zum „dritten Geschlecht“ sehr ungnädig:

Schliesslich erstaunt vor allem, welche Bedeutung das Gericht dem Staat bei der Definition der persönlichen Identität beimisst. Durch das fehlende Feld für inter/divers sei, so heisst es in der Begründung, die selbstbestimmte Entwicklung und Wahrung der Persönlichkeit spezifisch gefährdet. Doch braucht man wirklich ein staatlich sanktioniertes Symbol im Pass für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung? Diese Vorstellung wirkt doch ziemlich anachronistisch. Oder sehr staatsgläubig – und damit sehr deutsch.

Der polemische Schlenker gegen das Deutsche sieht darüber hinweg, daß Deutschland nicht gerade ein Pionier dieser Geschlechterpolitik ist. Sogar Pakistan und viele andere Länder sind schon weiter. (Zuvor erinnert der Verfasser daran, daß das Geschlecht ein soziales Konstrukt sei, benutzt dieses Argument aber, um vor einer uferlosen Vermehrung der Geschlechter zu warnen.)

Das einzige ernstzunehmende Gegenargument wäre wohl, daß entsprechende Einträge im Reisepaß in manchen Ländern zu Schwierigkeiten führen könnten.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.11.2017 um 08.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36917

Das Bundesverfassungsgericht hat also entschieden, daß es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Witzig ist die Konsequenz für die politisch korrekte Sprache: Das allgegegenwärtige Gendern stellt sich in seiner bisherigen Form als unzureichend heraus. Bis jetzt haben alle Politiker die Wählerinnen und Wähler gesagt, aber ab sofort ist das wohl nicht mehr korrekt. Für Millionen Texte gilt dasselbe. Dreierformeln würden den Eindruck der Lächerlichkeit verstärken.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 09.11.2017 um 08.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36919

Lieber Professor Ickler, ich hätte Lust, mit Ihnen zu wetten, weil Sie so vieles klar sehen oder auch voraussehen können. In welche Richtung wird sich der Sprachgebrauch bei den Politikern entwickeln?

Möglichkeit 1: Sie sagen weiterhin die Wählerinnen und Wähler.
Möglichkeit 2: Sie kehren zurück zu die Wähler.
Möglichkeit 3: Sie werden die Wählenden sagen.
Möglichkeit 4: Sie werden sich eine Dreierformel abringen.
Oder gibt es etwa noch mehr Möglichkeiten?

Leider kann ich derzeit nicht mit Ihnen wetten, weil ich mich mit einer Vermutung schwertue. Wer will einen Tip abgeben?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.11.2017 um 11.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36920

Meiner Meinung nach ergibt sich daraus, daß das Geschlecht einer Person nicht eindeutig geklärt werden kann, noch keine Dreigeschlechtlichkeit der Menschheit. Es gibt nach wie vor zwei Geschlechter, was biologische Gründe hat. Manchmal ist es eben nicht bestimmbar.

Im Geburtsregister oder im Reisepaß sollte dieser Fakt irgendwie vermerkbar sein. Das Feld einfach freizulassen, wie es bisher wohl üblich war, kann zu Irritationen führen. Aber um das klar zu kennzeichnen, muß man kein drittes Geschlecht erfinden.

Das ist wieder einer der typisch deutschen Schildbürgerstreiche. Indem man in die neue Registriermöglichkeit ein drittes Geschlecht hineininterpretiert, schießt man über das Ziel hinaus. Wenn ich mich zwinge, ernst zu bleiben, dann tippe ich bei Herrn Wrase auf Möglichkeit 1.

Aber das Problem lädt natürlich wieder zu allerlei Witzchen ein. So läßt sich wohl schon jetzt vermuten, daß besonders stolze und militante Zwitter nicht sehr glücklich darüber sein werden, daß es "der Zwitter" heißt. Aber wir sind ja im Deutschen bereits sehr komfortabel mit 3 grammatischen Geschlechtern ausgerüstet, sagen wir eben von nun an "das Zwitter" und beziehen uns auf "sie" im Singular mit dem Pronomen "es".

Nur im Genitiv und Dativ, liebes Zwitter, weiß ich leider auch keine Unterscheidungsmöglichkeit zum männlichen Geschlecht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 12.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36922

Ich kritisiere ja hier seit Beginn das "Gendergaga", wie die AfD sich ausdrückt, und stehe nicht im Verdacht, dem Ungeist der Zeit leichtfertig das Wort zu reden.

Nein, Herr Riemer, es gibt nicht nur zwei Geschlechter, weder biologisch (Chromosomen) noch im Sinne der "sexuellen Orientierung". Letzterer sind wir eher entgegengekommen als der biologischen Andersartigkeit, was sicher auch mit dem Bevölkerungsanteil zu tun hat. "Zwitter" mache ich mir auch nicht zu eigen, das ist wahrscheinlich auch biologisch zu eng, aber davon verstehe ich zu wenig.

Vor Jahren trafen wir mal im Eisenbahnabteil einen Mann, der ununterbrochen von seiner gerade erfolgten Operation sprach, dem letzten Schritt der Geschlechtsumwandlung. Er wirkte enorm aufgewühlt, und mir wir mußten noch oft an ihn denken. s. auch hier: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1437#33423

Die Logopädie, mit der ich seit einigen Jahren versippt bin, gehört zu den Disziplinen, die sich auch um Transsexuelle kümmern. An der Länge der Stimmlippen und damit an der Grundfrequenz ändert die Geschlechtsumwandlung nichts, aber die Patienten wollen natürlich insgesamt eine weibliche Sprechweise erwerben. Dazu gibt es noch sehr wenig Forschung und Anleitung.

Ich erwähne dies alles, um zu erklären, warum ich denn doch Verständnis für Menschen habe, die unter großem Leidensdruck leben, obwohl sie niemandem etwas getan haben. Wenn nun die Wutbürger in Leserbriefen schimpfen, daß bei uns die Perversen die Macht übernehmen, werde ich selber wütend.

Zu Herrn Wrases Frage: Wenn man bedenkt, wie wenig Erfolg die Genderei in der Belletristik und auch in Zeitungen bisher gehabt hat, könnte alles beim alten bleiben. Die Politiker freilich und die Beflissenen werden wohl erst mal wie bisher "Bürgerinnen und Bürger" schreiben und "Bürger und Bürger" sagen.

Es gibt auch eine winzige Möglichkeit, daß man zum generischen Maskulinum zurückkehrt, nicht aus Einsicht, sondern weil die Diskussion sich einerseits entspannt, andererseits mit immer weiteren Differenzierungen ad absurdum führt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 09.11.2017 um 12.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36923

Die Anerkennung der Tatsache, daß es hermaphroditische Erscheinungen gibt, ist völlig in Ordnung, allerdings politisch nur ein Hebel. Ziel ist die völlige Freistellung der jeweiligen Geschlechtsidentität.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.11.2017 um 13.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36924

Mir ist nicht klar, ob das Verfassungsgericht nun sagt, daß jeder sein Geschlecht selbst festlegen kann, oder ob es nicht doch darum geht, zunächst einmal das Geschlecht nach den biologischen Merkmalen unabhängig von der Psyche des Menschen festzulegen. Ich meine, letzteres ist der Fall.

Ich wüßte nicht, was es außer den bekannten zwei biologischen Geschlechtern noch für ein drittes geben sollte, außer daß die jeweiligen Merkmale unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Dadurch entsteht aber kein drittes Geschlecht, sondern Mischformen der zwei Geschlechter.

Geschlechtsumwandlungen, Transsexualität usw. bedeuten auch nur Umwandlung bzw. Orientierung innerhalb dieser zwei Geschlechter.

Sexuelle Orientierung, d.h. welches Geschlecht sollte der Partner haben, zu dem man sich hingezogen fühlt, ist meiner Ansicht nach ein Thema, welches mit diesem sowieso nichts zu tun hat. Hier geht es darum, zu welchem Geschlecht man selbst biologisch (nicht psychisch) gehört.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 09.11.2017 um 13.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36926

Man sollte nicht soviel Trubel um die Frage machen wieviele Geschlechter es gibt, ob sie biologisch, sozial, juristisch, grammatisch oder sonstwie zu definieren sind. Mir persönlich ist das vollkommen egal. Wäre ich auf Partnersuche, würde es mich schon interessieren. Oder wenn ich nochmal ein Kind in die Welt setzen würde. Im Notfall würde ich auch eine Damentoilette benutzen. Ist in Zukunft wahrscheinlich weniger gefährlich. – Um das ganze ein wenig aufzulockern: Treffen sich zwei Kühe nach ihrem Urlaub. Die eine: "Wir hatten dort einen tollen Stier!" Die andere: "Wir leider nur einen Ochsen, der den ganzen Tag von seiner Operation erzählte."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 13.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36927

Ich habe das Urteil noch nicht studiert, aber soviel ich weiß, ergibt sich das "Dritte" einfach dadurch, daß das Gericht im Sinne des Persönlichkeitsrechts neben die Dichotomie, wie eben in etlichen anderen Ländern auch, eine weitere Möglichkeit stellen will. Niemand soll gezwungen werden, sich zu männlich oder weiblich zu bekennen, wenn er es nicht ist.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 09.11.2017 um 14.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36928

Mark Twain in "Die schreckliche deutsche Sprache": "Jedes Substantiv hat ein Geschlecht, und in dessen Verteilung liegt weder Sinn noch System... Im Deutschen hat ein Fräulein kein Geschlecht, während eine weiße Rübe eines hat."
Mir scheint die deutsche Sprache die einzige indogermanische zu sein, in welcher Verkleinerungen ihr Geschlecht verlieren. Vernünftig ist das nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 15.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36929

Auch im Griechischen sind die Diminutiva neutrum, im Lateinischen bekanntlich nicht.
Das sind einfach grammatische Techniken, von "Vernunft" kann man da nicht sprechen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.11.2017 um 16.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36931

Was heißt "wenn er es nicht ist"?
Ich nehme an, Sie meinen: wenn er glaubt, es nicht zu sein. Denn wer beurteilt das?

Im übrigen kommt mir das so vor wie:
Kein Rothaariger soll sich zu seinen roten Haaren bekennen müssen, wenn er glaubt, schwarze zu haben.

Das Geschlecht wird bei der Geburt des Menschen nach dessen physischen Geschlechtsmerkmalen bestimmt und ins Geburtsregister eingetragen. Das Neugeborene wird nicht gefragt, wozu es sich bekennt. Später kann es evtl. korrigiert werden, aber ich nehme an, wenigstens nur anhand eines medizinischen Attests. Wenn jeder Mensch nach Belieben behaupten kann, eines von drei möglichen Geschlechtern zu haben, wird die Geschlechtsangabe bald obsolet sein. Dann wird man bald nach dem wirklichen Geschlecht fragen, z. B. bei sportlichen Wettkämpfen.
Oder soll man die künftig auch in drei Kategorien austragen, oder nur in einer?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2017 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36933

Lieber Herr Riemer, ich kann Ihnen leider nicht folgen. In allen Zeitungen wurde doch erklärt, worum es geht, z. B. so:

Bei intersexuellen Menschen sind nicht alle geschlechtsbestimmenden Merkmale wie Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen oder äußere Geschlechtsorgane eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen. Bei ihnen kommen gleichzeitig – vollständig oder teilweise – Geschlechtsmerkmale vor, die sich typischerweise entweder bei Frauen oder bei Männern finden. Intersexuelle besitzen nur ein X-Chromosom, ein zweites Chromosom, das sie als weiblich (X-Chromosom) oder als männlich (Y-Chromosom) ausweisen würde, fehlt.

Es gibt weitere damit verwandte Themen, aber im Augenblick ist es dies. Das ist auch weit entfernt von den "dekonstruktivistischen" Auswüchsen, also etwa Judith Butler usw. – Vor allem geht es nicht darum, aus Jux und Dollerei ein beliebiges Geschlecht zu wählen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 09.11.2017 um 18.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36936

Aber das ist doch genau, was ich auch sage:
"die jeweiligen Merkmale [sind] unterschiedlich stark ausgeprägt" (#36924), das heißt auch, daß teilweise männliche oder weibliche Merkmale fehlen oder gleichzeitig vorhanden sind.

Gerade beim Sport gab es schon Betrugsfälle bzgl. des Geschlechts. Natürlich nicht nur so aus einer Laune heraus, es geht immer um Sieg und Geld.

Das Verfassungsgericht will ja die Rechte Betroffener stärken. Ich kann mir nur nicht vorstellen, daß Betroffene immer sehr glücklich darüber sind, sich öffentlich als Zwitter (oder wie man sie auch immer nennen mag) outen zu müssen.
Ich habe noch nicht gehört, wie sie selbst genannt werden möchten. "Schwul" war mal ein Schimpfwort, bis Homosexuelle das Wort selbst benutzten und damit allgemein gesellschaftsfähig machten. Vielleicht gibt es ja mit "Zwitter" eine ähnliche Entwicklung. Ich könnte mir aber vorstellen, daß die meisten das gar nicht an die große Glocke hängen möchten und sich im Alltag so kleiden und schminken, daß man sie entweder für Mann oder für Frau hält. Aber das ist allein ihre Sache, ich habe gar nichts gegen einen klaren Eintrag im Ausweis.
Ich meine nur, daß die Definition als drittes Geschlecht falsch ist.

Ich weiß nicht, ob Zwitter fortpflanzungsfähig sind, nehme aber an, daß das möglich sein kann. Wenn ja, dann werden sie im konkreten Fall entweder die männliche oder die weibliche Rolle einnehmen. Es gibt kein Drittes.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 09.11.2017 um 22.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36938

Wann wird es wichtig und unumgänglich, sein Geschlecht öffentlich zu bekunden? Das ist die entscheidende Frage. Genaugenommen nur gegenüber staatlichen Stellen. Und die sind zur Verschwiegenheit nach außen verpflichtet. Wenn ich also will, kann mein Geschlecht, wie auch immer bestimmt, lebenslang meine Privatsache bleiben. M.a.W.: es geht erst einmal niemanden etwas an. Genausowenig wie z.B. meine Erzeugung als "Retortenbaby". Das Geschlecht bestimmt zwar wie nichts anderes unsere Persönlichkeit, aber wirklich auf die Bühne tritt es nur bei geschlechtlicher Betätigung.

Ich erwähnte schon die Partnersuche. Auch da könnte man sich spezielle Börsen vorstellen, so daß von vornherein Irrungen und Wirrungen ausgeschlossen wären. – Mich hat eigentlich immer gestört, wenn Politiker ihre Homosexualität gewissermaßen vor sich hertrugen à la Wowereit. Ich will das gar nicht wissen. Zu meinem politischen Urteil trägt es nichts bei.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2017 um 04.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36940

Lieber Herr Riemer, soviel ich weiß, muß niemand sich outen, er kann aber (wie kratzbaum treffend sagt). Gerade darum ging es bei der Klage. Und ich halte "drittes Geschlecht" für eine bloße journalistische Ausdrucksweise. Über die "Rolle", die jemand beim Geschlechtsverkehr einnimmt, braucht man sich keine Gedanken zu machen, das ist ja auch sonst ein Schlafzimmergeheimnis.

In der gestrigen FAZ erklärt ein Jurist die Sache so:

„In das Belieben des Einzelnen ist die Geschlechtszuordnung damit nicht gestellt. Die Entscheidung betrifft lediglich Menschen, deren Geschlecht bei der Geburt biologisch nicht eindeutig identifizierbar ist (...)
Keine Gültigkeit hat der Beschluss für Menschen, die biologisch eindeutig Mann oder Frau sind, sich psychologisch aber dem anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Diese meist als transsexuell bezeichnete Personengruppe hat schon nach derzeitiger Rechtslage die Möglichkeit, ihren Namen und ihre Geschlechtsangabe beim Standesamt zu ändern (...)“ (FAZ 9.11.17)

Wo ist das Problem? Ich hatte den Fall nur eingebracht, weil es sprachlich interessant sein dürfte.

Ich bemühe mich, meine Meinung über Personen nicht davon beeinflussen zu lassen, ob sie homosexuell oder was auch immer sind (eigentlich ein anderes Thema, s. o.). Das gelingt mir aber nicht ganz. Geschlecht ist selbstverständlich auch politisch. Wenn Posten nach Geschlechterproporz verteilt werden, wäre es ja widersinnig, anschließend davon nichts mehr wissen zu wollen. Die Quotenfrau bleibt eine Frau. Es ist nicht irrelevant, daß die Genderei von lesbischen Frauen durchgesetzt wurde. Pädophile Programmpunkte wie seinerzeit bei den Grünen sind nicht unabhängig von namentlich bekannten Personen zu beurteilen. Justitia mag eine Binde vor den Augen haben, der Bürger und Wähler muß das nicht. Gewählt werden schließlich auch Personen, und sie werben ja ausdrücklich mit ihrer ganzen "Persönlichkeit".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2017 um 05.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36944

Man sollte nicht vergessen, daß auch eine hochgezüchtete Geschlechtergerechtigkeit auf längere Sicht ihre "biologische Lösung" finden wird. Die Deutschen und die Weißen überhaupt sterben aus. Niemand glaubt doch im Ernst, daß die Geburten jemals wieder auf ein "nachhaltiges" Maß steigen werden. In jeder Minute werden 260 Kinder geboren, die meisten in Afrika. Man wundert sich, mit welcher Gelassenheit die Leute das hinnehmen und sich weiterhin über den Schwanz des Hundes des Alkibiades ereifern. Zugleich wissen wir ja, daß die "Endlager" für Atommüll 100.000 Jahre und mehr bewacht und gepflegt werden müssen. Irgendwie scheint niemand recht zu glauben, daß es dann überhaupt noch jemanden gibt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 10.11.2017 um 07.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36946

Es gibt gute Gründe für die Bewertung, das Urteil des Verfassungsgerichts sei richtig und notwendig. Denn tatsächlich gibt es schon biologisch nicht nur Wesen, die (eindeutig) männlich oder weiblich sind. Es gibt auch gute Gründe für die Annahme, daß die "Dritten" besonders unter Diskriminierung zu leiden haben. Sie müssen noch mehr Angst haben, sich zu offenbaren, als etwa Homosexuelle. Und man kann die Redeweise die Bürgerinnen und Bürger durchaus als Diskriminierung der Dritten bewerten.

Die Genderfreunde haben immer behauptet, die Redeweise die Bürger ohne ausdrückliche Nennung der Frauen setze diese sprachlich herab. Dann werden sie sich schlecht gegen die Behauptung wehren können, die Redeweise die Bürgerinnen und Bürger setze wiederum die Dritten durch Nichtbeachtung herab.

Die Frage ist also: Was passiert, wenn die Beflissenen dieses neue sprachliche Aktionsfeld für sich erschließen? Irgendwelche Diskriminierungsbekämpfer werden sich das nicht entgehen lassen. Sei es, weil sie sich sozusagen wegen der Logik dazu verpflichtet fühlen, sei es, um sich innerhalb der Gender-Gemeinde zu profilieren oder um der Genderforschung eine neue Möglichkeit zu verschaffen, "Forschungen" zu betreiben.

R. M. sagte: "Ziel ist die völlige Freistellung der jeweiligen Geschlechtsidentität." Genau: Es soll irgendwann möglichst keine Geschlechter-Einteilung mehr geben, jedenfalls ist diese zu kritisieren, zu relativieren, zu dekonstruieren. Ähnlich wie auch die Einteilung in Rassen keine Gültigkeit mehr haben soll. Dekonstruktion des Geschlechts, stattdessen "eine Vielzahl von Männlichkeit und Weiblichkeit" zulassen (vgl. Haupteintrag oben).

Einige Vorreiter werden es also versuchen, schätze ich mal. Wenn sie sich dann an Politiker etwa der Grünen oder der Linken wenden, dann könnte doch der eine oder andere Politiker schwach werden und auf den Zug aufspringen. Und dann wird eben eine neue Korrektheitswelle angeschoben. Ich halte es für denkbar, daß der bisherige politisch korrekte Redestandard die Bürgerinnen und Bürger auf diese Weise dauerhaft unter Druck gerät.

Was aus meiner Sicht gegen den Erfolg einer solchen Kampagne spricht, ist, daß zwar die Idee an sich naheliegt, aber eine überzeugende sprachliche Lösung ist nicht in Sicht. Unnatürliche sprachliche Konstruktionen werden wohl keinen Erfolg haben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2017 um 08.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36947

Grundproblem bleibt der Widerspruch zwischen den beiden Maximen: Das Geschlecht immer zu verschweigen oder es bei jeder Gelegenheit herzuvorheben (dann aber in jeder möglichen Spielart). Wie man da rauskommt, ist nicht unser Problem, wir beobachten ja nur.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 10.11.2017 um 08.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36948

Der Geburtenüberschuß in Afrika ist das große Problem, völlig richtig. Ihm steht ein Geburtenmangel in den wohlhabenden Ländern (kurz: im Westen)gegenüber. Der Druck auf deren Grenzen wird immer stärker werden. Was tun? Alle aufnehmen? Dann brechen Sozial- und in der Folge Rechtsstaat zusammen. Wir erleben ja schon die Anfänge davon: Stadtviertel, in die nicht einmal die Polizei mehr geht. Explodierende Kosten der Sozialkassen durch Zuwanderer, die zum ganz großen Teil nie ihren Lebensunterhalt werden verdienen können. Der Familiennachzug ist schon in Sicht mit Elterngeld, Kindergeld. "Deutschland schafft sich ab" – schneller und gründlicher, als der Verfasser ahnen konnte. – Ganz bestimmt nicht werden die Deutschen nun beginnen, sich eifriger fortzupflanzen. Die Wirkung würde sich sowieso erst nach Jahrzehnten zeigen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.11.2017 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36950

Das habe ich allerdings nicht gemeint und sehe es großenteils anders, will aber hier nicht darauf eingehen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 10.11.2017 um 15.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#36955

zu #36940 und #36936:
Bei "outen müssen" ist mir die Formulierung etwas verrutscht, ich hatte mehr gemeint, daß sich wahrscheinlich viele der Betroffenen gar nicht outen wollen.
Zur Rolle, da hatte ich weniger an die Rolle im Schlafzimmer gedacht als daran, wer im Falle der Zeugung Lieferant von Spermien und Eizellen ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 30.07.2020 um 15.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1130#44005

In einem seiner lichtvollen Aufsätze zur "Kulturethologie" schreibt Otto Koenig:

Bedenkt man noch, daß heute fast die gesamte Frauenmode von Männern entworfen wird und Frauen eigentlich überall das tragen, was Männer an ihnen sehen möchten... (In „Kreatur Mensch“. München 1973:121)

Schon recht, aber man müßte hinzufügen: meistens von homosexuellen Männern.

Während man allgemein davon ausgeht, dass nur rund fünf bis zehn Prozent der Gesamtzahl der Männer in westlichen Ländern homosexuell sind (eine Umfrage von Eurogay ergab vor etwas mehr als zehn Jahren nur gerade vier Prozent), sind in der Modebranche geschätzte 85 Prozent der Männer gleichgeschlechtlich orientiert. (NZZ 23.8.14)

Im gleichen Beitrag wird erwähnt, daß ein "androgynes" Aussehen angestrebt wird, von dem anscheinend ein besonderer Reiz ausgeht. Das wird auch in der Literatur oft beschrieben: Jungenhafte Mädchen, mädchenhafte Jungen. Unter dem Aspekt der Fortpflanzung eigentlich widersinnig. (Für Trachten gilt das nicht, man denke an das Dirndl!)

Aber eigentlich bin ich darauf nur nebenbei gestoßen, weil ich unter "Kulturethologie" schon alles finde, was die "Mem-Theorie" in neue Schläuche gefüllt hat, und auch der Gegenstand der Kulturethologie hätte seinerzeit keinen neuen Titel gebraucht. Die hochinteressante Entwicklungsgeschichte der Trachten und Uniformen zum Beispiel (bei Koenig a.a.O.) ist auch früher schon bearbeitet worden, und das wird bei Koenig auch erwähnt. Die Analogie zur Phylogenese sollte Analogie bleiben, sonst gerät man in die spekulativen Gewässer der Lorenz-Schule, in denen die Richtung ja auch entstanden ist.

S. auch zu Hughes: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1240#41123
 
 

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