zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Nachrichten rund um die Rechtschreibreform

Die neuesten Kommentare


Zur vorherigen / nächsten Nachricht

Zu den Kommentaren zu dieser Nachricht | einen Kommentar dazu schreiben


17.02.2005
 

Heike Schmoll
Wirrwarr im Rat für Rechtschreibung
Wegweisende neue Ansätze zur Reform sind nicht in Sicht

Knapp ein halbes Jahr vor der Einführung der neuen Schreibregeln in Schulen und Behörden will der Rat für Deutsche Rechtschreibung Vorschläge für Korrekturen des Reformwerkes vorlegen.
Bei der Sitzung des Gremiums an diesem Freitag in Mannheim stehen die besonders strittigen Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Silbentrennung sowie der Groß- und Kleinschreibung auf der Tagesordnung. Die bisherigen Vorschläge der Mitglieder des Rates gleichen einem Wirrwarr. Über die Rechtschreibreform ist so ausführlich diskutiert worden, daß es keine wirklich wegweisenden Neuansätze mehr gibt. Alle Möglichkeiten waren schon einmal vorgebracht worden.
Einige Mitglieder des Rates wollen zunächst eine Bestandsaufnahme der besonders strittigen Fälle herbeiführen, auch die Verlängerung der Übergangszeit wird erwogen. Wenig überrascht der Vorschlag des früheren Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission, Blüml, und einiger anderer Verteidiger der Rechtschreibreform, keine Änderungen an den Regeln vorzunehmen. Der Chef der Dudenreaktion lehnt ebenso jegliche Veränderungen ab. Selbst möglichen Korrekturen bei den Getrennt- und Zusammenschreibungen verweigern sich einige Befürworter. Nachdem der Schweizer Gallmann eigens in einem Aufsatz dargelegt hatte, warum die Schweizer das "ß" nicht wiedereinführen, scheint sein erklärtes Ziel als Mitglied des Rates zu sein, diesen Buchstaben auch in Deutschland aus der Schreibung zu tilgen. Dieser Vorschlag wird sich vermutlich ebenso wenig durchsetzen wie die alte Idee, eine gemäßigte Kleinschreibung einzuführen.
Allerdings halten auch drei Mitglieder des Rates eine Rückkehr zu den bisherigen Regeln in der Getrennt- und Zusammenschreibung für das am ehesten geeignete Verfahren. Selbst bei der umstrittenen Silbentrennung wollen die einen nichts ändern, die anderen eine Rückkehr zu den alten Schreibweisen. Auch zur Arbeitsweise des Rates haben die Mitglieder sich geäußert. Einige Mitglieder bevorzugen eine Aufteilung des Gremiums in Arbeitsgruppen zu den strittigen Themen, die meisten halten es vor allem für nötig, ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. Die Einrichtung von Arbeitsgruppen hieße freilich, die gesamte Rechtschreibreform noch einmal von vorn aufzurollen. Um so erstaunlicher ist, daß nur ein Mitglied des Rates eine Verlängerung der Übergangsfrist für unerläßlich hält, die übrigen wollen die Regeln offenbar zunächst einführen und dann mit möglichen Korrekturen beginnen.
Zu den kritischeren Mitgliedern des Rates gehören vor allem die Vertreter des Bundesverbandes der Zeitungsverleger, des Journalistenverbandes und des Börsenvereins. Eigentlich sollten die neuen Schreibweisen in Schulen und Behörden zum 1. August 2005 als einzig mögliche und bewertungsrelevante eingeführt werden. Die Vorschläge, die noch vor dem Inkrafttreten der Reform vorliegen sollten, werden nach dem Mehrheitsprinzip formuliert. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, der frühere bayerische Kultusminister Zehetmair (CSU). Die Empfehlungen will der Rat an die Kultusministerkonferenz sowie die entsprechenden Gremien in Österreich und der Schweiz weiterleiten. Der Rat für Deutsche Rechtschreibung war nach heftiger Kritik an der Rechtschreibreform ins Leben gerufen worden. Er setzt sich zusammen aus Sprachwissenschaftlern, Vertretern von Verlagen, Schriftsteller- und Journalistenverbänden, Lehrerorganisationen sowie des Bundeselternrates, mehrheitlich aus Befürwortern der Rechtschreibreform. 18 Mitglieder kommen aus Deutschland, je neun aus Österreich und der Schweiz. Vertreter aus Liechtenstein und Bozen-Südtirol nehmen als kooptierte Mitglieder an den Sitzungen teil. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Schriftstellerverband PEN lehnen eine Mitarbeit ab. Beide Institutionen hatten dies vor der konstituierenden Sitzung im Dezember mit der einseitigen Besetzung des Gremiums mit Reformbefürwortern begründet.«

( F.A.Z., 18.02.2005, Nr. 41 / Seite 1 )



Diesen Beitrag drucken.


Kommentare zu »Wirrwarr im Rat für Rechtschreibung«
Kommentar schreiben | neueste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von oll., verfaßt am 17.02.2005 um 21.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#325

»Durcheinander

oll. Wie der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Zehetmair, an diesem Freitag des bunten Durcheinanders der von den Mitgliedern unterbreiteten Vorschläge Herr zu werden versucht, darf mit einiger Spannung erwartet werden. Wer die Vorschlagsliste betrachtet, wird den Eindruck nicht los, daß von einer Rückkehr zu den früheren Regeln bis zum Beibehalten des unveränderten Regelwerks nahezu alles erwogen wird, was in der ermüdenden Rechtschreibdiskussion schon hin- und hergewendet wurde. Die Regeln, die auch von den Deutschlehrern nur zum Teil durchschaut werden, sind dringend reformbedürftig. Doch wenn der Rat von vorn beginnt, über alles zu debattieren, treten diese Regeln in Kraft, und weitere Jahre gehen ins Land. Um das herrschende Durcheinander nicht zu verschlimmern, wird es am Ende vermutlich Mehrheitsentscheidungen geben, so daß alle Reformkritiker mühelos überstimmt werden. Der österreichische Schriftsteller Ludwig Laher ist der einzige wirkliche Reformgegner im Rat. Nun ist Zehetmairs Geschick gefragt. Nichts wäre blamabler als ein fauler Kompromiß, der sprachlichen Vergröberungen und Mißverständnissen freien Lauf läßt.«


( F.A.Z., 18.02.2005, Nr. 41 / Seite 12 )


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.02.2005 um 08.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#333

Daß der Bundeselternrat im Rat für deutsche Rechtschreibung vertreten sei, scheint aus der APA-Nachricht (Dolomiten) übernommen zu sein. In der offziellen Mitgliederliste habe ich ihn nicht gefunden. Das Ausscheiden von Eltern (und Schülern) ist sogar besonders kennzeichnend für die Neugründung.

Wichtig scheint mir noch folgendes zu sein: Der Rat ist so groß und heterogen, daß die konspirative Atmosphäre, die in der Zwischenstaatlichen Kommission herrschte, sich gewiß nicht mehr einstellen wird. Der "Beirat" war ähnlich groß, mußte sich aber als reines Alibi-Anhängsel vorkommen und konnte bei seinen spärlichen Zusammenkünften kein Selbstbewußtsein entwickeln. Der neue "Rat" ist trotz tendenziöser Besetzung keine geschlossene verschworene Truppe zur Durchsetzung der Reform. Einige Neulinge wie Prof. Besch werden mit der Zeit erkennen, mit was für Leuten sie es zu tun haben, und sich möglicherweise um so entschiedener auf die richtige Seite schlagen.


Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 18.02.2005 um 19.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#348

Die Köpenickiade geht weiter. Jetzt weiß wenigstens jedermann und jedefrau, daß die vagen Hoffnungen in bezug auf Herrn Zehetmairs Rettungsversuch ganz unrealistisch waren. Strictly for the birds, wie Holden Caulfield so schön sagt. "Zehetmair lehnte erneut eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung ab. Der Rat müsse sich bewegen 'und ein paar Zeichen setzen für die Versöhnung mit dem Volk'." (AP am 18. 2. 2005, 16h44) Und dann noch: "Der CSU-Politiker sprach sich dafür aus, dass der Rat seine Empfehlungen zur Reform mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen sollte. Die Entscheidungen sollten auch tragen und nicht durch knappe Mehrheiten entwertet werden." Und schließlich: "Zehetmair sagte, der Medienbereich sei inzwischen auf den Rat zugegangen." Das ist sehr geheimnisvoll gesagt. Dpa (16h57) zerstreut wenigstens hier unsere Befürchtungen: "Bei dem Treffen am Freitag habe aber vor allem der Medienbereich Entgegenkommen signalisiert."

Ein paar Zeichen für die Versöhnung mit dem Volk, diese Formulierung wird hoffentlich den künftigen Historikern der Rechtschreibreform nicht entgehen. Sie offenbart das gleiche defizitäre Demokratieverständnis wie die Forderung des bayerischen Staatsministers aus dem Jahre 1997, die Parlamente sollten Volksbefragungen zur Rechtschreibreform verbieten. Dem "Volk" stellt dergleichen ebenfalls schlechtes Zeugnis aus. Wer die Verhallhornung der Rechtschreibung bis heute phlegmatisch geschluckt hat, würde wahrscheinlich über ein paar Versöhnungsbrosamen glücklich sein. Frau Pasquay und Herr Hein sind offenbar bei ihrer Ablehnung der schlimmsten Auswüchse der Rechtschreibreform geblieben. Aber die im Statut überhaupt nicht vorgesehene Zweidrittelmehrheit wird schon dafür sorgen, daß sich nichts ändert.

Übrigens hat der Rat auf seiner zweiten Sitzung offenbar hart gearbeitet - er hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt: Zehetmair, sagte in Mannheim, eine siebenköpfige Arbeitsgruppe solle bis zur nächsten Sitzung am 8. April eine Vorlage zur Getrennt- und Zusammenschreibung erarbeiten. "Kompensiert Fachleute zusammen zu haben, hilft nicht immer", begründete der Vorsitzende des Rechtschreibrates das Einsetzen der Arbeitsgruppe. Ziel der kleinen Arbeitsgruppe sei, endlich eine diskussionsfähige Grundlage zu schaffen. "Wir müssen die extremen Positionen zu mehr Realitätsnähe zusammenführen." (dpa, 16h57) Der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), Ludwig Eichinger, wurde zum Koordinator der Arbeitsgruppe bestimmt. "Wir werden es sicherlich nicht schaffen, alle strittigen Fälle zu klären", sagte Eichinger. (dpa) Was auch kein Wunder ist. Der Internationale Arbeitskreis für Orthographie rühmte sich bekanntlich, er habe in zwanzigjährigen Beratungen sein bis ins letzte durchdachtes Regelwerk zustande gebracht. Nun soll Herr Eichinger mit seinen sieben anonymen Mitarbeitern in sieben Wochen das kniffligste Kapitel der deutschen Rechtschreibung, zugleich das in der Reform am eindeutigsten mißlungene, zur Versöhnung des Volks in eine zustimmungsfähige Form bringen. Aber mehr als ein paar Zeichen für die Versöhnung mit dem Volk sollen es ja ohnehin nicht sein.

Bei uns sagt man: "Tego rodzaju uwaga bardzo mnie dziwi." Materieller Wohlstand hebt eben nicht die Intelligenz eines Volkes, und seinen Bürgersinn schon gar nicht.


Kommentar von ddp, verfaßt am 18.02.2005 um 20.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#349

Mannheim - Der neue Rat für deutsche Rechtschreibung will in den nächsten Monaten konkrete Verbesserungsvorschläge für besonders umstrittene Schreibweisen von einem Expertengremium erarbeiten lassen.
Der Vorsitzende des 37-köpfigen Gremiums, der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU), gab am Freitag in Mannheim die Einsetzung einer siebenköpfigen Arbeitsgruppe bekannt. Dabei wolle man "Ungereimtheiten und Beliebigkeiten" in der Schreibweise besonders intensiv angehen, sagte Zehetmair. "Unser Ziel ist eine diskussionsfähige Grundlage für den Rat", betonte der Koordinator der Gruppe, der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig Eichinger.

Zehetmair trat Befürchtungen entgegen, dass die Arbeit des Rates damit entwertet werde. "Sie können nicht mit 37 Leuten das Regelwerk ausarbeiten, das müssen die 7 machen", sagte er. In der Arbeitsgruppe sitzt unter anderem eine Vertreterin des Journalistenverbandes und der Duden-Redaktion.

Bis zum geplanten In-Kraft-Treten der Rechtschreibreform am 1. August 2005 werden nach Zehetmairs Worten zwar nicht alle strittigen Fälle zu klären sein. Es müssten bis dahin aber "Regelhaftigkeiten" formuliert sein. Zehetmair betonte weiter, dass der Medienbereich inzwischen "ein großes Stück" auf den Rat zugekommen sei. "Es gibt ein Aufbruchdenken im Verlagswesen", sagte er. Mehrere Zeitungen hatten im vergangenen Jahr angekündigt, zur alten Rechtschreibung zurückkehren zu wollen.

Der Rat sprach sich nach den Worten von Zehetmair zudem dafür aus, mit einer qualifizierten Zwei-Drittel-Mehrheit Beschlüsse zu fassen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hatte lediglich eine einfache Mehrheit vorgeschlagen. Zehetmair sagte, die Entscheidungen sollten auch tragen und nicht durch knappe und dünne Mehrheiten angreifbar werden. Der Rat wird sich nach der Sitzung in München am 3. Juni und am 1. Juli jeweils in Mannheim erneut treffen.

[Ergänzungen bei ddp gegenüber AP und dpa hervorgehoben]


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.02.2005 um 07.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#354

Meldung Deutsche Presse Agentur vom 2005-02-18 16:57

Rechtschreibrat ohne Vorschläge - Arbeitsgruppe eingesetzt

Mannheim (dpa) - Ohne konkrete Ergebnisse ist die erste inhaltliche Sitzung des neuen Rates für Deutsche Rechtschreibung am Freitag zu Ende gegangen. Das Expertengremium einigte sich bei seinem Treffen am Freitag in Mannheim lediglich auf eine siebenköpfige Arbeitsgruppe, die Regeln für die besonders strittigen Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung ausarbeiten soll. Unter dem Vorsitz des Leiters des Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig Eichinger, sollen bis zur nächsten Konferenz am 8. April in München konkrete Vorschläge für eine Änderung des umstrittenen Reformwerkes vorgelegt werden.

Das Gremium war Mitte Dezember vergangenen Jahres nach heftiger Kritik an der Rechtschreibreform ins Leben gerufen worden. Es setzt sich zusammen aus Sprachwissenschaftlern, Vertretern von Verlagen, Schriftsteller- und Journalistenverbänden, Lehrerorganisationen sowie des Bundeselternrates. Bis zur verbindlichen Einführung der neuen Schreibweisen in Schulen und Behörden zum 1. August 2005 soll sich die Gruppe mit den drei Komplexen Getrennt- und Zusammenschreibung, der Eindeutschung von Fremdwörtern und der Interpunktion befassen.

«Kompensiert Fachleute zusammen zu haben, hilft nicht immer», begründete der Vorsitzende des Rechtschreibrates, der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU), das Einsetzen der Arbeitsgruppe. Ziel der kleinen Arbeitsgruppe sei, endlich eine diskussionsfähige Grundlage zu chaffen. «Wir müssen die extremen Positionen zu mehr Realitätsnähe zusammenführen.» Die Empfehlungen des Rates werden an die Kultusministerkonferenz sowie die entsprechenden Gremien in Österreich und der Schweiz weitergeleitet.

«Wir werden es sicherlich nicht schaffen, alle strittigen Fälle zu klären», sagte Eichinger. Bei dem Treffen am Freitag habe aber vor allem der Medienbereich Entgegenkommen signalisiert. Der Rat sprach sich dafür aus, auch Vertretern aus Liechtenstein und Bozen-Südtirol einen Sitz mit Stimmrecht in dem Gremium zu geben. Bislang sind diese nur als kooptierte Mitglieder vorgesehen. Bislang setzt sich der Rat aus 18 Mitgliedern aus Deutschland sowie je 9 aus Österreich und der Schweiz zusammen. Nach dem Treffen im April würden weitere Konferenzen am 3. Juni und 1. Juli jeweils in Mannheim festgelegt.



Kommentar von Süddeutsche Zeitung, verfaßt am 19.02.2005 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#355

»Unordnung voran
Der Rat für Rechtschreibung tagt


Zum zweiten Mal ist am Freitag in Mannheim der Rat für deutsche Rechtschreibung zusammengekommen, der laut Beschluss der Kultusminister die weitere Reform der Orthografie evaluieren, begleiten und gestalten soll. Konkrete Ergebnisse werden dieses Mal von der Versammlung nicht erwartet, jedoch lässt die Tagesordnung Rückschlüsse auf den gegenwärtigen Stand der Reform wie der Meinungsbildung zu. Auffällig etwa ist, dass der Rat gleich zu Beginn seiner Tätigkeit "Ausschüsse" und "Arbeitsgruppen" einrichten will, was wenig sinnvoll wäre, wenn damit nicht auch Möglichkeiten der weiteren Veränderung der Rechtschreibung verbunden wären.

Tatsächlich liegt dem Rat eine Vielzahl von Vorschlägen aus dem Kreis seiner Mitglieder vor, wie fernerhin mit der Reform umzugehen sei. Einige Mitglieder, darunter vor allem der Leiter der Redaktion des Duden, Wermke, sowie die Autoren dieses Nachschlagwerks lehnen größere Veränderungen ab. Andere, darunter der Sprachdidaktiker Ossner, plädieren für eine konsequentere Zusammenschreibung oder für die Wiedereinführung des Kommas vor "und" und nachfolgendem Hauptsatz. Der Schweizer Gallmann hat es auf das im deutschen Deutsch verbliebene "ß" abgesehen, ja sogar die in den siebziger Jahren beliebte "gemäßigte Kleinschreibung" ist wieder diskussionsfähig geworden. Für eine weitgehende Wiederannäherung an die alte Rechtschreibung plädieren vor allem der Bundesverband der Zeitungsverleger sowie auch Journalistenverband und Börsenverein.

Ein zentraler Punkt auf der Tagesordnung ist die "Öffentlichkeitsarbeit", für die ein eigenes Konzept und eine eigene Arbeitsgruppe geschaffen werden sollen. Eine einheitliche Darstellung des Rates nach außen wird es nun -- vermutlich im Widerspruch zu den Absichten der Initiatoren -- kaum noch geben. Die "Kommission" mochte gelegentlich in beinahe konspirativen Formen gearbeitet haben -- mit dem sechsunddreißig Mitglieder starken Rat wird man Ähnliches nicht erreichen können. Zu heterogen ist die Zusammensetzung, zu unterschiedlich sind die sprachwissenschaftlichen Kompetenzen, und auch Laien zählen dazu. Der überwiegend aus Interessenvertretern und nicht mit Orthografie-Vertretern besetzte Rat wird, so scheint es, das herrschende Durcheinander weiter vergrößern und sich nicht einmal auf eine homogene Darstellung seiner Aufgaben verständigen können.

Um so erstaunlicher ist es, dass offenbar allein der einzige Reformgegner in diesem Rat, der österreichische Schriftsteller Ludwig Laher, eine Verlängerung der Übergangszeit zur verbindlichen Einführung der neuen Rechtschreibung zum 1. August 2005 für nötig hält. Offenbar sind selbst Sprachwissenschaftler bereit, unaromatische Schreibweisen -- "wie Recht du hast" und ähnliche Fälle -- dem Schulunterricht verbindlich vorzuschreiben, wissend, dass eine Korrektur solcher Formen von Seiten des Rates nicht ausbleiben kann.

Wie es tatsächlich mit der Reform weitergehen mag, demonstriert gegenwärtig das Nachrichtenmagazin Der Spiegel, das im vergangenen Spätsommer die Rückkehr zur alten Rechtschreibung angekündigt hatte. Der Spiegel ist in jüngster Zeit, offensichtlich auf Grundlage des neuen "Duden", dazu übergegangen, in jedem Fall, in dem die neue Rechtschreibung die alte als "Variante" zulässt, diese auch zu benutzen. Die Zeitschrift schreibt also wieder "sogenannt" und "eisenverarbeitend". Mit Ausnahme des "ss" wird über lange Texte hinweg eine Angleichung an die Orthografie vor der Reform erreicht. THOMAS STEINFELD«


( Süddeutsche Zeitung vom 19.2.2005, Seite 16 )




Kommentar von Badische Zeitung, verfaßt am 19.02.2005 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#357

»Alles nur Augenwischerei
Der Deutsche Rat für Rechtschreibung geht nach der ersten Sitzung ohne Ergebnis auseinander


Von unserer Redakteurin Bettina Schulte

Die Uhr läuft: Am 1. August soll die Rechtschreibreform an Schulen und Behörden verbindlich in Kraft treten. Der vor zwei Monaten gegründete Rat für Deutsche Rechtschreibung soll das heftig umstrittene Reformwerk noch einmal überarbeiten. Es sieht nicht so aus, als ob das gelänge.

Eine Sitzung hat das aus nicht weniger als 36 Mitgliedern bestehende Gremium - 18 aus Deutschland, je neun aus der Schweiz und aus Österreich - nun glücklich hinter sich gebracht. Mit dem Ergebnis: Es gibt kein Ergebnis. Was machen deutsche Politiker und Expertenrunden, wenn sie um die Entscheidung herumschleichen wie die Katze um den heißen Brei, derweil sie auf der Suche nach dem alle Lobbyinteressen berücksichtigenden Kompromiss sind? Richtig: Sie bilden eine Arbeitsgruppe. So geschehen auch in Mannheim, wo nun eine siebenköpfige Unterabteilung des ominösen Rates sich der besonders kritisierten neuen Regeln für die Getrennt- und Zusammenschreibung annehmen soll. Am 8. April geht es dann auf in die nächste Runde. Diesmal in München. Auch weitere Konferenzen sind schon datiert: auf den 3. Juni und den 1. Juli. Hauptsache, man trifft sich.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Rat für Deutsche Rechtschreibung lediglich dazu ins Leben gerufen wurde, Augenwischerei zu betreiben. Anders gesprochen: den Reformgegnern mit symbolischen Handlungsritualen den letzten Wind aus den Segeln zu nehmen. Denn es wurde umsichtig dafür gesorgt, dass die Befürworter klar in der Vorhand sind. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die nach anfänglicher Schlafmützerei die handfestesten Vorschläge für eine Reform der Reform vorgelegt hat, hat die Mitarbeit in der mit Wissenschaftlern, Journalisten, Verlagsvertretern und Pädagogen besetzten Runde aus diesem Grund ebenso dankend abgelehnt wie der Schriftstellerverband PEN.

Sie scheinen gut daran getan zu haben. Von diesem Gremium können, wie es aussieht, keine neuen Impulse ausgehen. Im Gegenteil: Seine Mitglieder scheinen mit Nachdruck daran zu arbeiten, das ohnehin schon nicht mehr regulierbare Chaos von nebeneinander existierenden Schreibweisen noch vergrößern zu wollen. Ein Schweizer Mitglied plädiert wieder einmal dafür, das "ß", das in der Schweiz nicht existiert, auch aus der deutschen Orthografie zu tilgen. Die diesen Buchstaben betreffende neue Regel ist allerdings die einzige, die inzwischen wohl fast jeder verstanden hat. Andere Experten packen die alte Idee einer gemäßigten Kleinschreibung wieder aus. Wieder andere wollen gar nichts ändern. Noch andere wollen wenigstens zu den alten Regeln der Getrennt- und Zusammenschreibung zurückkehren. Das sind schlechte Voraussetzungen für konstruktive gemeinsame Vorschläge. Und das bis zum 1. August.«


( Badische Zeitung, Samstag, 19. Februar 2005 )


Kommentar von Mannheimer Morgen, verfaßt am 20.02.2005 um 02.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#362

»Künftig soll noch deutlicher werden, worum es geht
RECHTSCHREIBUNG: Getrennt oder zusammen? Arbeitsgruppe will Regeln definieren


Von unserem Redaktionsmitglied Uwe Rauschelbach

Wie immer, wenn der Rat für Deutsche Rechtschreibung zusammentritt, ist ihm die Aufmerksamkeit in den Medien gewiss. Und wie immer erweisen sich die Erwartungen an eine grundsätzliche Kurskorrektur in Sachen Rechtschreibreform als unbegründet. Was jene Blätter, die zuvor beflissen grelle Schlagzeilen produzieren, natürlich einkalkulieren. Aber ihnen - besonders jenen, die eine Rückkehr zu den herkömmlichen Regeln erzwingen wollen - geht es um die Festigung ihrer oppositionellen Haltung. Das sind sie sich und ihren Lesern vermeintlich schuldig. Und deshalb dürfen im Vorfeld ruhig schon einmal Späne fallen.

Gestern nun hat er wieder getagt, der Rat. Dass der Berg lediglich gekreißt habe, um eine Maus zu gebären, dürften ihm nur jene Beobachter unterstellen, die wider besseres Wissen eine Elefantengeburt prophezeit hatten. Nichts davon. Im Gebäude des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache (IDS) wurde stattdessen beschlossen, was man in Zeiten öffentlich angeheizter Erwartungen gewöhnlich zu tun pflegt: eine Arbeitsgruppe zu gründen. Das siebenköpfige Gremium setzt sich unter Federführung von IDS-Direktor Ludwig M. Eichinger zusammen aus dem Leiter der Duden-Redaktion, Matthias Wermke, einer Vertreterin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) sowie zwei österreichischen und einem schweizerischen Sprachwissenschaftler. Die Gruppe wird komplettiert durch einen externen Sachverständigen, den Potsdamer Linguisten Peter Eisenberg.

Mit Rücksicht auf den 1. August, an dem nach siebenjähriger Bearbeitungsfrist das reformierte Regelwerk in Kraft treten soll, will die Arbeitsgruppe drei Mal in rascher Folge tagen: am 8. April in München sowie am 3. Juni und 1. Juli jeweils in Mannheim. Die Aufgaben dieses Gremiums sind klar definiert: es soll sich um die Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung kümmern. Hat die Öffentlichkeit nach Einschätzung des Vorsitzenden des Rates, Hans Zehetmair, doch besonders empfindlich auf Fragen in diesem Zusammenhang reagiert. Sich mit etwas auseinandersetzen sei eben auch formal zu unterscheiden von den geschwätzigen Schülern, die der Lehrer auseinander setze. Die Schreibweise müsse schon deutlich machen, worum es jeweils geht, erklärte Zehetmair gestern zum Abschluss der Tagung. Der semantische Gehalt eines Satzes dürfe nicht durch die Vereinheitlichung von Schreibweisen verschleiert werden.

Einen Zuwachs an Einheitlichkeit verspürt Zehetmair unterdessen innerhalb des Rates. Das Bedürfnis nach einer Aufgabe extremer Positionen unter den 37 Mitgliedern dieses Gremiums ist auch nach Ansicht von IDS-Chef Eichinger gewachsen. Die Notwendigkeit eines Konsenses werde immer deutlicher erkannt, je lauter die Forderung nach einheitlichen Bildungsvoraussetzungen erhoben werde. Als ein Zeichen der Konsensbestrebungen darf man mithin den Beschluss des Rates interpretieren, künftige Entscheidungen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit herbeizuführen; bislang genügte die einfache Mehrheit.

Die Ratsmitglieder haben sich ferner darauf verständigt, den bislang kooptierten Mitgliedern Liechtenstein und Südtirol je einen Sitz mit Stimmrecht zu gewähren.«


( Mannheimer Morgen, 19.02.05 )


Kommentar von Reinhard Markner, verfaßt am 20.02.2005 um 02.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#363

Die Hofberichterstattung des Mannheimer Morgens hat immerhin ihr Gutes: so erfahren wir, daß Peter Eisenberg nun doch noch seinen Sitz im Rat einnimmt. Es ist nicht zu fassen.


Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.02.2005 um 05.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#364

Aus Kreisen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung war mir versichert worden, Eisenberg habe sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, in den Rat entsandt zu werden. Geglaubt habe ich es natürlich nicht, wir kennen ja unseren Kandidaten mittlerweile sehr gut.
Angesichts der miserablen Qualtät des von ihm vorgelegten Kompromisses und der gespannten persönlichen Beziehungen zu den verbliebenen Rest-Reformern aus unseren Nachbarländern ist allerdings anzunehmen, daß Eisenbergs Wirken die Reform endgültig gegen die Wand fahren wird. Vielleicht wird er wieder mal "Türen schlagend" ausscheiden. Insofern können wir sehr zufrieden sein. Aber erheiternd bleibt das Ganze natürlich doch.


Kommentar von F.A.Z., verfaßt am 20.02.2005 um 19.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#375

Auf Biegen und Brechen
Arbeitsgruppenzwang der Rechtschreiber

Was zu befürchten war, ist eingetroffen: Die erste inhaltliche Sitzung des neuen Rates für Deutsche Rechtschreibung hat als einziges konkretes Ergebnis die Einrichtung eines neuen Gremiums erbracht. Beim Treffen am Freitag in Mannheim (F.A.Z. vom 19. Februar) einigte man sich lediglich auf eine siebenköpfige Arbeitsgruppe, die Regeln für die besonders strittigen Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung ausarbeiten soll. Unter dem Vorsitz des Leiters des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache, Ludwig Eichinger, sollen bis zur nächsten Konferenz am 8. April in München dann konkrete Vorschläge für eine Änderung des umstrittenen Reformwerkes vorgelegt werden. "Fachleute zusammenzuhaben hilft nicht immer", begründete der Vorsitzende des Rechtschreibrates, der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU), das Vorgehen: "Wir müssen die extremen Positionen zu mehr Realitätsnähe zusammenführen." Eichinger sagt selbst, daß die Zeit zur Klärung der zahlreichen strittigen Punkte nun knapp werde. Dennoch wird offenbar auf Biegen und Brechen daran festgehalten, die von weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnten Reform zum 1. August in Kraft zu setzen.

F.A.Z., 21. 2. 2005 / Seite 35



Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 20.02.2005 um 23.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#377

Herr Eisenberg hat sich am 21. 2. 2004 - genau vor einem Jahr - im Deutschlandfunk zur Lage der deutschen Rechtschreibung geäußert. Vielleicht sollte man sich auch daran erinnern, daß er schon einmal von einem Kultusminister als Retter in der Not nach Mannheim geholt wurde - von Herrn Wernstedt bei der Gründung der Zwischenstaatlichen Kommission. Vermutlich war Herr Eisenberg die treibende Kraft hinter den "unumgänglich notwendigen" Korrekturen vom Dezember 1997, die dann aber an den Ministerialräten der Rechtschreibkommission der KMK scheiterten. In einer Fernsehdiskussion mit Herrn Denk verteidigte er die Regeländerungen noch am 11. 2. 1998. Originalton Eisenberg, Februar 2004:

Die Neuregelung würde ich nicht - in ihren schlechtesten Teilen - als Ausdruck von Sprachverfall, sondern eben von bewußter Sprachzerstörung ansehen. Das heißt: Etwas, was nicht zum Deutschen gehört, was es einfach nicht gibt und noch nie gegeben hat, wird den Schreibern durch die Neuregelung aufgezwungen. Sie sollen etwas schreiben, was sie eigentlich gar nicht schreiben wollen, was ihrem Sprachgefühl auch nicht entspricht. Ja, die bekannten Beispiele dafür sind ja Wortzerstörungen. Sie kennen die berühmten Beispiele von "sogenannt" und "ratsuchend". Das sind Hunderte von Wörtern, die es nicht mehr geben soll. Ein Teil dieser Wörter wird nun, nachdem man die deutsche Sprach- und Schreibgemeinschaft sieben Jahre damit gequält hat, endlich wieder zugelassen, aber eben nur ein Teil von ihnen, ein Teil bleibt noch nach wie vor verboten, und man fragt sich natürlich, warum man diese fehlerhaften Schreibungen, die ja gleich erkannt worden sind, sechs Jahre in Kraft gelassen hat.


Kommentar von Helmut Jochems, verfaßt am 21.02.2005 um 13.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#379

Am 11. 2. 1998 stritten sich in 3Sat Herr Denk und Herr Eisenberg über die Vorschläge der Zwischenstaatlichen Kommission zur Änderung des 96er Regelwerks. Damals war schon bekannt, daß die KMK nicht mitziehen würde. Immerhin liegen die unumgänglich notwendigen Korrekturen ja noch in der Schublade, und Herrn Zehetmairs Arbeitskreis könnte versucht sein, darauf zurückzugreifen. Mit Blick auf diese Möglichkeit interessiert der Schlagabtausch zwischen Herrn Denk und Herrn Eisenbeis heute noch. In der Fernsehaufzeichnung schreibt Herr Denk die beiden Sätze mit "schlecht machen/schlecht machen" auf eine Tafel, und die beiden Diskutanten verweisen in der Folge jeweils auf die Variante, die sie meinen. Die Leser werden hier hoffentlich keine Schwierigkeiten damit haben, daß das Bild fehlt.

E. Das einzige, das die Kommission getan hat, ist, daß sie bestimmte Wörter wieder ins Lexikon zurückgeholt hat. [...]

D. [...] Und nehmen Sie zum Beispiel dieses Wort, "Du hast diese Arbeit schlecht gemacht" das ist die Schreibung, die nach der Rechtschreibreform vorgeschrieben ist, auch wenn ich damit meine, "Du hast die Arbeit schlechtgemacht" im Sinne von "heruntergemacht". Jetzt erlauben Sie, die Variante schlechtmachen im Sinne von "heruntermachen" darf man entweder zusammen wie bisher oder getrennt schreiben. [...] Und hier muß ich sagen, wenn einer in Zukunft schlechtgemacht getrennt schreibt, weiß ich nicht, meint er jetzt die Variante 1 der Rechtschreibreform oder die Variante 2, das heißt, ich kann nicht mehr unterscheiden, ob es ein progressiver Rechtschreibreformer ist, ein wildgewordener Befürworter, der also unter allen Umständen bei dieser Schreibung bleibt, die 1996 vorgeschrieben war, oder ob er vielleicht doch diese Variante meint, das heißt, ich blicke nicht mehr durch, ich kann es nicht mehr unterscheiden, das heißt, es gehen auch mit diesen neuen Vorschlägen Differenzierungsmöglichkeiten verloren, und es ist ein Eingriff in die Sprache, und das werden auch die Richter zu würdigen wissen.

E. Herr Denk, das ist nicht richtig, was Sie sagen. Faktum ist, daß das Verb schlechtmachen wieder im Wörterbuch des Deutschen vorhanden ist. Das Verb schlechtmachen ist 1996 abgeschafft worden, jetzt ist es wieder da. Das ist der entscheidende Zug, der hier gemacht worden ist. Und ich möchte mal hier einen Satz zur Auffassung von Orthographie äußern, die hinter diesem Vorhaben bzw. diesem Vorschlag, das nun so zu regeln, steht. Wir sind der Auffassung, daß jemand, der schlechtmachen - "... weil du deine Arbeit schlechtmachst" oder "die Arbeit deines Kollegen schlechtmachst" - daß jemand, der das schreiben möchte, das auch in einem Wort schreiben können muß. Das konnte er nach der 96er Regelung nicht, jetzt kann er es. Insofern sind wir der Kritik, die von Ihnen und anderen - von mir ja auch - geäußert worden ist, entgegengekommen. Nun sagen Sie, daß in dieser speziellen Bedeutung aber die Auseinanderschreibung verboten werden muß, und damit gehen Sie einen Weg, der ein prinzipiell problematischer Weg ist. Sie sagen nämlich, "Wenn du eine bestimmte Bedeutung schreiben willst, dann mußt du auch eine bestimmte Form schreiben, dann mußt du zusammenschreiben. Wenn du eine andere Bedeutung schreiben willst, mußt du auseinander schreiben", während wir sagen (ich sage jetzt mal im Augenblick, ich sage, weil ich hier nicht für andre mitsprechen möchte), daß wir im Deutschen zwei Schreibungen haben, nämlich einmal die Schreibung schlechtmachen, und dann haben wir natürlich die syntaktische Konstruktion, wie ich das vorhin gesagt habe, schlecht und machen. Beide Möglichkeiten hat es immer gegeben, beide Möglichkeiten gibt es auch in Zukunft, und der Lehrer, der einen Orthographiefehler danach anstreichen will, was der Schüler meint, ist von vornherein auf dem Holzweg. Er muß den Schüler nämlich fragen, "Was hast du hier genau gemeint? - die Bedeutung oder die? Hast du die gemeint, dann hast du falsch geschrieben." Das ist die Spitze eines Eisbergs, den wir lieber mal gnädig mit Nordseewasser bedeckt sein lassen wollen in Zukunft, wie es auch in der Vergangenheit gewesen ist. Das heißt, worauf es hier im Augenblick ankommt, ist doch nur, daß die Schreibungen, die traditionell möglich gewesen sind, in Zukunft weiter möglich sind, und das ist genau das, was bei dem Vorschlag herauskommt.

D. Wenn Sie sagen, die Spitze eines Eisbergs, wollte ich fast schon ein Wortspiel machen, die Spitze eines Eisenbergs. Hier steht in dem Papier, [...] gerade für diesen Fall, bei Betonung auf dem ersten Teil - schlechtmachen- kann auch zusammengeschrieben werden, daß heißt, hier steht drin, daß man auch zusammenschreiben darf, das heißt, der Schüler und auch der Lehrer kann sagen, "Du kannst es auch so schreiben, wenn du dies meinst", und dann nehme ich dem Schüler die Möglichkeit, es deutlich zu differenzieren. Das ist kein Fehler, das ist mir klar, aber es ist für den Leser etwas undeutlicher geworden, Sie greifen ein bißchen ein...

E. Nein, wir greifen nicht ein, wir lassen im Augenblick nur die notwendigen Schreibungen zu, und wenn Sie mal den Wortakzent angucken, dann werden Sie sofort sehen, daß, wenn jemand sagt "...weil du die Arbeit von Karl schlechtmachst", dann wissen Sie nicht genau, was er gemeint hat, und deswegen müssen Sie beide Schreibungen zulassen. Es geht gar nicht anders.

D. "Du hast diese Arbeit schlechtgemacht", aber wollen wir darüber mal gar nicht reden. Ich meine , wenn die bisherige Variante, nämlich die Getrenntschreibung, mit der gleichen Bedeutung hier zugelassen wird, geht eine Differenzierungsmöglichkeit verloren.

Vermutlich zeichnet sich hier auch ab, wie der Vorschlag des Rats für deutsche Rechtschreibung zum 1. August 2005 aussehen wird. Wie schon für den § 36 werden auch für den § 34 die üblichen Schreibungen als Varianten zugelassen. Der Eintrag im Duden wird also so aussehen: "schlecht machen, a. schlechtmachen", womit die orthographische Differenzierung wahlfrei würde, obwohl man sie im gesprochenen Satz (in den meisten Fällen jedenfalls) hört.

Das wirft die Frage auf, was die Schreibgemeinschaft bestenfalls von Herrn Zehtmairs Aktivitäten zu erwarten hat. Im Idealfall wird der Duden hinter allen Reformschreibungen nach Komma und "auch" die üblichen Schreibungen zeigen. Dann hätten wir den Zustand, daß Schulen und Behörden die Verballhornungen weiter praktizierten, das übrige Schreibvolk aber mit ministerieller Genehmigung die üblichen Schreibungen benutzte. Das wäre eine sehr deutsche Lösung, aber sitzen wir nicht alle in diesem Boot?


Kommentar von R. M., verfaßt am 21.02.2005 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#380

Aus einer Mitteilung des IdS geht hervor, daß bei Prof. Eisenberg lediglich angefragt worden ist.


Kommentar von Der Tagesspiegel, verfaßt am 27.02.2005 um 22.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=204#400

Für eine sinnvolle Orthografie
Rat für Rechtschreibung sucht neuen Kompromiss

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist uneins über eine mögliche Korrektur der Rechtschreibreform. Einige der 33 stimmberechtigten Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wollten zur alten Orthografie zurückkehren, andere die im Jahr 2004 leicht modifizierte Neuregelung beibehalten, sagte die Geschäftsführerin des Rates, Kerstin Güthert, nach der ersten Konferenz des Rates am Freitag. Die „ganz große Mehrheit“ sei jedoch für eine Regelung, die der Sprachbedeutung vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung mehr Gewicht verleihe. Ein Beispiel: Der Lehrer muss Schüler auseinander setzen, wenn sie sich untereinander streiten. Aber er muss sich mit ihnen auseinandersetzen dürfen, wenn es Meinungsverschiedenheiten gibt.

Eine siebenköpfige Arbeitsgruppe werde jetzt bis zur nächsten Konferenz am 8. April einen Kompromissvorschlag ausarbeiten, der dem Votum der starken „Konsens-Gruppe“ im Rat gerecht werde, sagte Güthert dem Tagesspiegel. Die Arbeitsgruppe soll paritätisch mit den verschiedenen Strömungen im Rat besetzt sein, als auswärtigen Experten wolle man den Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg gewinnen. Eisenberg ist einer der profiliertesten Kritiker der Rechtschreibreform; er hatte die „Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung“ 1998 unter Protest verlassen.

Nach immer wieder aufflammender Kritik an der Reform löste der neue Rat für deutsche Rechtschreibung die „Zwischenstaatliche Kommission“ im Oktober 2004 ab. Sie hatte seit 1996, als Deutschland, Österreich, die Schweiz und andere deutschsprachige Regionen die Rechtschreibreform beschlossen, kleinere Anpassungen vorgeschlagen. Im Rat für deutsche Rechtschreibung sitzen weiterhin Wissenschaftler aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, darunter aber auch Reformkritiker aus Schriftstellerverbänden, Akademien, Verlagen und dem Buchhandel. Die Akademie für Sprache und Dichtung und das P.E.N.-Zentrum Deutschland aber haben aus Protest gegen die Reform bislang keine Vertreter entsandt. Peter Eisenberg, den der Rat jetzt als externen Experten berufen will, ist Mitglied in der Akademie für Sprache und Dichtung, soll aber laut Güthert „als Individuum“ berufen werden.

Kritiker der Reform stören vor allem die Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung. Warum, fragten sie, muss es jetzt heißen: weit gereist, Dienst habend, allein Erziehende oder Leid tun? Es muss schon jetzt nicht mehr so heißen. Nach den neuesten amtlichen Regeln, die die KMK im Juni 2004 beschloss, ist die Zusammenschreibung als Variante wieder erlaubt. Alleinerziehende können einem jetzt wieder leidtun. Den Reformgegnern reichten diese Zugeständnisse nicht. „Was ist mit den unsinnigen vermehrten Großschreibungen (des Öfteren, vor Kurzem, der Eine, der Andere), was mit den Etymogeleien (gräulich, Stängel, verbläuen), was mit der s-Schreibung?“, fragt etwa der Erlanger Sprachwissenschaftler Horst Haider Munske.

Wie weitgehend die Änderungen sein werden, die der Rat für deutsche Rechtschreibung der KMK vorschlägt und ob es lediglich um die Zulassung weiterer Varianten gehe, sei noch nicht abzusehen, sagte Geschäftsführerin Güthert. Auf jeden Fall aber wolle der Rat die wesentlichen Streitpunkte vor allem bei der Getrennt- und Zusammenschreibung bis zum 1. August 2005 ausgeräumt haben. Dann tritt die Rechtschreibreform nach einer langen Übergangsfrist offiziell in Kraft und wird für die Schulen verbindlich. Amory Burchard

(Der Tagesspiegel, Wissen & Forschen, 21.02.2005)



nach oben


Als Schutz gegen automatisch erzeugte Einträge ist die Kommentareingabe auf dieser Seite nicht möglich. Gehen Sie bitte statt dessen auf folgende Seite:
www.sprachforschung.org/index.php?show=newsC&id=204#kommentareingabe
Kopieren Sie dazu bitte diese Angabe in das Adressenfeld Ihres Browsers. (Daß Sie diese Adresse von Hand kopieren müssen, ist ein wichtiger Teil des Spamschutzes.)
Statt dessen können Sie auch hier klicken und die Angabe bei „news“ von Hand im Adressenfeld ändern.


Zurück zur vorherigen Seite | zur Startseite


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM