17.02.2005


Heike Schmoll

Wirrwarr im Rat für Rechtschreibung

Wegweisende neue Ansätze zur Reform sind nicht in Sicht

Knapp ein halbes Jahr vor der Einführung der neuen Schreibregeln in Schulen und Behörden will der Rat für Deutsche Rechtschreibung Vorschläge für Korrekturen des Reformwerkes vorlegen.
Bei der Sitzung des Gremiums an diesem Freitag in Mannheim stehen die besonders strittigen Fälle der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Silbentrennung sowie der Groß- und Kleinschreibung auf der Tagesordnung. Die bisherigen Vorschläge der Mitglieder des Rates gleichen einem Wirrwarr. Über die Rechtschreibreform ist so ausführlich diskutiert worden, daß es keine wirklich wegweisenden Neuansätze mehr gibt. Alle Möglichkeiten waren schon einmal vorgebracht worden.
Einige Mitglieder des Rates wollen zunächst eine Bestandsaufnahme der besonders strittigen Fälle herbeiführen, auch die Verlängerung der Übergangszeit wird erwogen. Wenig überrascht der Vorschlag des früheren Vorsitzenden der Zwischenstaatlichen Kommission, Blüml, und einiger anderer Verteidiger der Rechtschreibreform, keine Änderungen an den Regeln vorzunehmen. Der Chef der Dudenreaktion lehnt ebenso jegliche Veränderungen ab. Selbst möglichen Korrekturen bei den Getrennt- und Zusammenschreibungen verweigern sich einige Befürworter. Nachdem der Schweizer Gallmann eigens in einem Aufsatz dargelegt hatte, warum die Schweizer das "ß" nicht wiedereinführen, scheint sein erklärtes Ziel als Mitglied des Rates zu sein, diesen Buchstaben auch in Deutschland aus der Schreibung zu tilgen. Dieser Vorschlag wird sich vermutlich ebenso wenig durchsetzen wie die alte Idee, eine gemäßigte Kleinschreibung einzuführen.
Allerdings halten auch drei Mitglieder des Rates eine Rückkehr zu den bisherigen Regeln in der Getrennt- und Zusammenschreibung für das am ehesten geeignete Verfahren. Selbst bei der umstrittenen Silbentrennung wollen die einen nichts ändern, die anderen eine Rückkehr zu den alten Schreibweisen. Auch zur Arbeitsweise des Rates haben die Mitglieder sich geäußert. Einige Mitglieder bevorzugen eine Aufteilung des Gremiums in Arbeitsgruppen zu den strittigen Themen, die meisten halten es vor allem für nötig, ein Konzept für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln. Die Einrichtung von Arbeitsgruppen hieße freilich, die gesamte Rechtschreibreform noch einmal von vorn aufzurollen. Um so erstaunlicher ist, daß nur ein Mitglied des Rates eine Verlängerung der Übergangsfrist für unerläßlich hält, die übrigen wollen die Regeln offenbar zunächst einführen und dann mit möglichen Korrekturen beginnen.
Zu den kritischeren Mitgliedern des Rates gehören vor allem die Vertreter des Bundesverbandes der Zeitungsverleger, des Journalistenverbandes und des Börsenvereins. Eigentlich sollten die neuen Schreibweisen in Schulen und Behörden zum 1. August 2005 als einzig mögliche und bewertungsrelevante eingeführt werden. Die Vorschläge, die noch vor dem Inkrafttreten der Reform vorliegen sollten, werden nach dem Mehrheitsprinzip formuliert. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende, der frühere bayerische Kultusminister Zehetmair (CSU). Die Empfehlungen will der Rat an die Kultusministerkonferenz sowie die entsprechenden Gremien in Österreich und der Schweiz weiterleiten. Der Rat für Deutsche Rechtschreibung war nach heftiger Kritik an der Rechtschreibreform ins Leben gerufen worden. Er setzt sich zusammen aus Sprachwissenschaftlern, Vertretern von Verlagen, Schriftsteller- und Journalistenverbänden, Lehrerorganisationen sowie des Bundeselternrates, mehrheitlich aus Befürwortern der Rechtschreibreform. 18 Mitglieder kommen aus Deutschland, je neun aus Österreich und der Schweiz. Vertreter aus Liechtenstein und Bozen-Südtirol nehmen als kooptierte Mitglieder an den Sitzungen teil. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Schriftstellerverband PEN lehnen eine Mitarbeit ab. Beide Institutionen hatten dies vor der konstituierenden Sitzung im Dezember mit der einseitigen Besetzung des Gremiums mit Reformbefürwortern begründet.«

( F.A.Z., 18.02.2005, Nr. 41 / Seite 1 )



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