03.09.2014

Deutsche Sprache, irre Sprache?

Einmal Tunfisch mit Ketschup, bitte!

Christian Stang und die absurden Auswirkungen der Rechtschreibreform

Seit 2006 sind die erneuerten Rechtschreibregeln in Deutschland verbindlich. Das sind acht Jahre, in denen wir uns eigentlich an Begriffe wie Flussschifffahrt, Schrimps und Balletttänzerin gewöhnt haben müssten. Aber das fällt vielen schwer angesichts merkwürdig aussehender Begriffe wie Portmonee (statt Portemonnaie) oder Spagetti (statt Spaghetti).

Zur kompletten Verwirrung sind dann laut Duden oft auch noch beide Schreibweisen erlaubt. Sie können also eine Schiff-Fahrt auf eine Hawaii-Insel machen oder eine Schifffahrt auf eine Hawaiiinsel. Und auch eine Schiff-Fahrt auf eine Hawaiiinsel. Wer blickt da noch durch?

Rechtschreibexperte und Orthografie- (bzw. Orthographie)-Dozent Christian Stang: „Die gesamte Sache ist wirklich etwas verzwickt, da im Jahre 2011 einige Schreibvarianten, die im Jahre 2006 noch erlaubt waren, aufgrund der Empfehlungen des Rechtschreibrates wieder zurückgenommen wurden.“

Dafür sollten übrigens alle, die etwas Sympathie für die deutsche Sprache haben, dem Rechtschreibrat dankbar sein. Sonst würden Sie heute vielleicht ein Kupee-Kabrio fahren, dem Scharm eines Mannes erliegen oder in einer Butike einkaufen...

Rechtschreibexperte Stang kennt die Probleme, die die Deutschen mit ihrer Sprache haben, aus seiner täglichen Praxis. In seinem Buch Die neue Rechtschreibung – kurz und einfach (Anaconda Verlag, 4,95 Euro) hat er u. a. 300 Neuschreibungen aufgelistet, an die sich die Deutschen nur schwer gewöhnen können. BILD zeigt einige davon:

Alte Schreibung / Neue Schreibung
Montag abend / Montagabend
im allgemeinen / im Allgemeinen
belemmert / belämmert
Bettuch / Betttuch oder Bett-Tuch
bißchen / bisschen
ebensogut / ebenso gut
der, die, das erste / der, die, das Erste
Fluß / Fluss
Greuel / Gräuel
Happy-End / Happyend oder Happy End
irgend etwas / irgendetwas
Karamel / Karamell
auf dem laufenden sein / auf dem Laufenden sein
1mal / 1-mal
numerieren / nummerieren
des öfteren / des Öfteren
probefahren / Probe fahren
Quentchen / Quäntchen
schneuzen / schnäuzen
statt dessen / stattdessen
Stop / Stopp
ungewiß / ungewiss
wieviel / wie viel
zur Zeit / zurzeit (im Sinne von „derzeit“)

Für die Uni Regensburg ist Stang als Orthografie-Dozent tätig. Das größte Problem seiner Studenten sind Kommata.

Stang: „Die meisten Fragen, die mich erreichen, drehen sich um die Zeichensetzung – im Speziellen den Gebrauch des Kommas bei Infinitivgruppen – also um Fälle, in denen – sehr vereinfacht gesagt – das Wörtchen \'zu\' auftaucht. Beispiel: \'Es wäre besser, ein Komma zu setzen\'. Hier muss wegen des Wörtchens \'es\' ein Komma nach \'besser\' stehen, da \'es\' ein hinweisendes Wort ist, auf das die Infinitivgruppe folgt.“

Generell sollen Kommata die Lesbarkeit eines Satzes verbessern und Missverständnisse vermeiden, wie in dem bekannten lustigen Beispiel „Wir essen, Opa“ vs. „Wir essen Opa“.

Sprach-Experte Stang ist natürlich nicht nur mit Kommaregeln vertraut, sondern kennt sich auch mit Worttrennungsproblemen, Bindestrich-Schwierigkeiten und Getrennt- und Zusammenschreibungsfehlern aus. In seinem Buch nennt er einige Beispiele:

Wie trenne ich Wörter richtig?

– „Trenne nie das s vom t, denn es tut den beiden weh“ – dieser Merksatz aus der Schule gilt nicht mehr! Kas-ten, ros-ten, meis-tens – alles erlaubt.

– Die Buchstabenfolge ck wird beim Trennen auf die neue Zeile gesetzt: Bä-cker, We-cker, lo-cken.

– Buchstabenverbindungen aus Konsonant plus l, n oder r können getrennt werden: Tab-lett, Feb-ru-ar, neut-ral.

Wann setze ich einen Bindestrich?

– Im Zusammenhang mit Zahlen wird ein Bindestrich gesetzt: 12-jährig, 100-prozentig, 6-Zylinder.

– Wenn Zusammensetzungen unübersichtlich sind, hilft ein Bindestrich: Eishockey-Länderspiel statt Eishockeyländerspiel.

– Zur besseren Lesbarkeit bei mehrgliedrigen Fremdwörtern: Assessment-Center statt Assessmentcenter, Midlife-Crisis statt Midlifecrisis.

Zusammen- oder getrennt schreiben?

– Verbindungen aus Substantiv und Verb werden in der Regel getrennt geschrieben: Rad fahren, Maschine schreiben, Hof halten.

– Aber: Wird das Substantiv als verblasst angesehen, werden die Wörter zusammengeschrieben: eislaufen, standhalten, kopfstehen.

– Verbindungen aus einem Verb im Infinitiv und einem zweiten Verb werden getrennt geschrieben, z. B. spazieren gehen.

– Verbindungen mit bleiben oder lassen können getrennt oder zusammengeschrieben werden: liegen bleiben oder liegenbleiben, stehen lassen oder stehenlassen.

Aber auch der größte Experte ist nicht fehlerlos.

Stang: „Natürlich muss auch ich hin und wieder selbst in einem Wörterbuch nach dem Rechten sehen. Meistens sind es immer die gleichen Fälle, die mich verunsichern, z. B. \'zurechtkommen\'. Hier zweifle ich oft, ob man diese Verbindung wirklich zusammenschreibt. Natürlich sollte aber gerade ich damit zurechtkommen...“

Quelle: BILD online
Link: http://www.bild.de/ratgeber/2014/bildung/rechtschreibung-reform-absurde-auswirkungen-irre-sprache-37418518.bild.html

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=199