19.07.2013

Deutschstunde

Ein paar Stolpersteine der Rechtschreibung

Diesmal will Peter Schmachthagen die Reform beseitelassen – und tut nicht nur konsequent so, als wäre bezüglich \"steht kopf\", \"geht pleite\", \"läuft eis\" nie was gewesen, sondern spricht auch den Wörterbüchern eine eigene Kompetenz in der Beurteilung der Rechtschreibung zu. Und er ist sich sicher: „Fest steht: Ab und zu sollten auch Erwachsene ins Wörterbuch schauen, sonst könnten sie leicht Pleite machen oder pleitegehen.“


Jedes Wort hat seine Geschichte, und jedes Wort hat seine Aussprache – das heißt, wenn wir nicht gerade einem Sachsen, Bayern oder Schwaben aufs Maul schauen. Ein reines Hochdeutsch wurde vor dem Krieg angeblich im Raum Hannover gesprochen, weil das Hochdeutsche dem Niederdeutschen, in Hannover dem Ostfälischen, wie eine Fremdsprache übergestülpt worden ist, die man Vokabel für Vokabel lernen musste.

Und jedes Wort hat seine Verschriftung. Aus der etymologischen (historischen), phonetischen (gesprochenen) und systematischen (grammatischen oder analogen) Herkunft erschließt sich seine Rechtschreibung, die Antwort auf die Frage: Was schreibt man wie?

Lassen wir an dieser Stelle nach Reform und Reform der Reform einmal beiseite, dass es heute häufig zwei amtlich richtige Antworten auf eine solche Frage gibt. Es geht darum, wenigstens eine richtige Form herauszufinden. Dazu kann selbst bei Erwachsenen der Griff zum Wörterbuch nicht immer vermieden werden. Wenn ich jetzt den Duden erwähne, höre ich im Geiste das Naserümpfen einiger Bildungsbürger, die den Duden nicht benutzen, aber genau wissen, was sie von den Leuten zu halten haben, die das tun. Wer eine vermeintlich höhere Marke fahren will, darf auch den Wahrig aufschlagen. Nur: Auch im Wahrig steht\'s nicht anders.

Nehmen wir die Pleite, den umgangssprachlichen Ausdruck für die Zahlungsunfähigkeit, den Bankrott. Als Substantiv schreibt man das Wort groß, als Adjektiv klein. Also: Er ist pleite (wie?). Zudem führen das Hilfsverb sein und alle seine Formen als Prädikat immer zur Kleinschreibung. Aber: Er macht Pleite (was?).

Ebenso: Er geht \"Pleite\" – könnte man meinen. Doch jetzt wird es kompliziert: pleitegehen schreibt man zusammen, da die Wörterbücher, die schließlich verkauft werden wollen, hier \"pleite\" als Verbzusatz sehen. Das Erstglied und der verbale zweite Bestandteil bilden auch bei Distanzstellung eine inhaltliche Einheit mit kleinen Buchstaben: eislaufen/ sie läuft eis; feststehen/ fest steht, dass; achtgeben/ gib acht!; wundernehmen/ es nimmt wunder; kopfstehen/ alles stand kopf; leidtun/ es tut mir leid – und eben: Er geht pleite, jedoch: Er macht Pleite.

Der Ausdruck \"Pleite\" ist Gaunersprache aus jiddisch plejte (Flucht vor den Gläubigern), aber selbst bei deutschen Erb- und Lehnwörtern müssen wir häufig nach der Herkunft forschen, um die korrekte Schreibweise festzustellen – oder eben nachschlagen.

Das Adjektiv hanebüchen (grob, derb, klotzig; skandalös) hat nichts mit dem Hahn auf dem Hühnerhof zu tun und schreibt sich deshalb ohne \"h\". Es kommt vom mhd. hagenbüechin (aus dem knorrigen Holz der Hainbuche bestehend). Dagegen hat der Hahnrei mit \"h\", der Ehemann, den seine Frau mit einem anderen Mann betrogen hat, durchaus etwas mit dem Hahn gemeinsam, und zwar mit einem kastrierten Exemplar, dem man, um es aus der Hühnerschar herauszufinden, die abgeschnittenen Sporen in den Kamm setzte, wo sie sich zu einer Art von Hörnern auswuchsen. Dem armen Tier wurden also Hörner aufgesetzt wie im übertragenen Sinne auch dem gehörnten Ehemann.

Das Eigenschaftswort selig hat historisch nichts mit der Seele zu schaffen, weshalb wir bei ihm mit einem einfachen \"e\" auskommen. Es geht auf das ahd. sälig (gut, glücklich, gesegnet, heilig) zurück.

Wenn wir etwas aus dem Stegreif (unvorbereitet) machen, sollten wir das \"h\" weglassen. Wir greifen nicht \"im Stehen\" nach einer Gelegenheit, sondern im Gegenteil: Wir bleiben sitzen, und zwar im Sattel. Der Begriff kommt vom ahd. stegareif für Steigbügel.

Die Verben kreischen und kreißen stammen beide vom mhd. krizen für \"schreien, stöhnen\" ab, nur dass kreischen (schrillen Lärm machen) und kreißen (in den Geburtswehen liegen) heute eine unterschiedliche Bedeutung haben. Demnach heißt der Geburtsraum in einem Krankenhaus Kreißsaal mit \"ß\".

Analog zu miteinander wird auch das Adverb ohneeinander zusammengeschrieben: Sie konnten ohneeinander nicht mehr leben. Handelt es sich aber um die Konjunktion ohne mit dem Pronomen einander, müssen wir zwei Wörter benutzen: Sie verabschiedeten sich, ohne einander die Hand zu geben.



Quelle: Hamburger Abendblatt
Link: http://www.abendblatt.de/meinung/article118208164/Ein-paar-Stolpersteine-der-Rechtschreibung.html

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=191