22.01.2013

Deutschstunde

Opa wollte nur einmal kurz Hallo sagen

Peter Schmachthagen kann es nicht lassen, auf die Reformgegner einzudreschen – und sich selber dabei vorzuführen:


Sagen oder besser schreiben wir eigentlich Hallo oder hallo ? Groß oder klein? Beides ist möglich. Hier haben wir es wieder einmal mit einer der unsäglichen fakultativen Schreibweisen zu tun, was bedeutet: Sie ist der freien Wahl überlassen. Oder ein wenig flapsiger ausgedrückt: Schreib es doch, wie du willst! Einen Fehler darf man dir dafür so oder so nicht anstreichen.

Das Gegenteil von fakultativ (wahlfrei) ist obligatorisch (verbindlich). Ein Ziel der Rechtschreibreform ab 1996 sollte es sein, zu obligatorischen Schreibweisen zu gelangen mit der Absicht, Substantivierungen nach Möglichkeit groß- (gestern [am] Abend), eigenständige Verben und Partizipien getrennt zu schreiben (sitzen bleiben, bekannt machen) sowie Wortfamilien und Analogien (Ähnlichkeiten) anzugleichen (nummerieren und platzieren statt \"numerieren\" und \"plazieren\").

Bis zum Juni 2004 konnte man in Schulen und Medien gut damit leben, sodass die Kultusminister nach fünfjähriger Probephase die neue Rechtschreibung für verbindlich erklärten. Die Ministerpräsidenten ließen sich jedoch von einigen lautstarken Stimmen einschüchtern und setzten einen zusammengewürfelten Rat für deutsche Rechtschreibung ein, um die Reform überprüfen zu lassen. Man darf unterstellen, dass das nicht aus Sorge um das Kulturgut der deutschen Sprache geschah, sondern einfach aus Angst um die Wählerstimmen. Wer eine durchaus verständliche Unsicherheit bei der Rechtschreibung spürt, sucht als vermeintliche Ursache gern einen Schuldigen, wofür sich die Rechtschreibreform anbot - obwohl es in diesem Fall egal war, ob man die alte oder die neue Rechtschreibung nicht beherrschte.

Was der (Un-)Rat der Kultusministerkonferenz am Rosenmontag des Jahres 2006 als Ergebnis seiner Arbeit vorlegte, glich den vielen Narrenzügen jenes Tages, doch die Minister wollten den Streit endlich beenden und segneten alles ab. Die Reformschreibweise wurde nicht etwa abgeschafft, sondern blieb bestehen, doch Altes wurde wieder zum Leben erweckt und ganz Neues geschaffen. Die Möglichkeiten haben seitdem Konjunktur und die Wörterbücher sogar Hochkonjunktur.

Wenn beide Schreibweisen, egal, welche man wählt, richtig sind, können die Deutschfehler nicht zugenommen haben, aber die Einheitlichkeit leidet. Das mag in privaten Briefen nicht schlimm sein, aber Firmen und Redaktionen sollten sich jeweils dauerhaft für eine Form entscheiden. Am besten, wir halten uns an den Duden, der seine Empfehlungen gelb unterlegt.

Um auf das Hallo zurückzukommen: Der Duden empfiehlt bei Gruß- und Anredeformeln mit \"sagen\" die Großschreibung: Opa wollte nur einmal kurz Hallo sagen . Bei ähnlichen Wendungen sollte man das erste Wort großschreiben (muss es aber nicht unbedingt): Die Kinder haben artig Guten Tag gesagt. Die Piraten sagen ihrer Zukunft Auf Wiedersehen . Hinter Buxtehude sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Die Frage lautet: Was sagen sie? Lässt sich eine Frage mit was? beantworten, deutet das auf Großschreibung hin, wie? hingegen auf Kleinschreibung. Beispiel: Wir machen Pleite (was?), aber: Wir gehen pleite (wie?).

In Hamburg sagt man Tschüs, und zwar mit großem \"T\" und kleinem \"s\", obwohl beim Streit über die richtige Schreibweise schon Freundschaften zerbrochen und Urheberrechtsprozesse angedroht worden sind. Angeblich hat Heidi Kabel \"In Hamburg sagt man Tschüss\" mit Doppel-s gesungen, wobei ich mich frage, wie man ein Doppel-s singen kann. Als der Duden noch die alleinige Entscheidung über die Schreibweisen hatte, war nur tschüs! möglich. Die Reformer ließen auch Tschüss zu, was nicht nachvollziehbar ist, denn das \"ü\" wird ja nicht kurz, sondern ganz lang gesprochen.

Dieser norddeutsche Abschiedsgruß ist aus der Form atschüs! gekürzt worden, die durch Erweichung des \"j\" aus niederdeutsch adjüs (kurz: tjüs ) entstanden ist, logischerweise hinten mit einem einfachen \"s\". Fremde Seeleute gebrauchten häufig das spanische adiós (lat. ad deum - Gott befohlen, frz. adieu, span. a diós - zu Gott).

Übrigens werden Anredeformeln durch Komma abgetrennt: Hallo, Heike, wie geht es dir? Guten Tag, Papa, ich grüße dich. Tschüs, lieber Winter, nun wird es wieder warm!


(Peter Schmachthagen ist \"Hamburgisch\"-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts.)


Quelle: Hamburger Abendblatt
Link: http://www.abendblatt.de/hamburg/article113033621/Opa-wollte-nur-einmal-kurz-Hallo-sagen.html

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=186