29.07.2011

Schreibe, wie du sprichst!

Konrad Duden, der Wortverbesserer

Am 1. August 1911 starb Konrad Duden. Er hinterliess das wichtigste Wörterbuch deutscher Sprache und mit ihm eine ganze Industrie.

Babyklappe, Klimakiller, Komasaufen, Zickenalarm: Die «Wörter des Jahrzehnts 2000–2010», mit denen der Duden-Verlag jetzt den 100. Todestag von Konrad Duden feiert, hätten den «Vater der deutschen Rechtschreibung» vermutlich erbleichen lassen und jedenfalls nachhaltig verwirrt. Aber der Duden ist ein «work in progress», das den Sprachwandel nicht bewerten, normieren oder gar blockieren will. Er registriert nur leidenschaftslos, was über längere Zeit hinweg und in verschiedenen Textsorten «in aller Munde» ist.

Jeder deutsche Sprecher (um von den Sprachschützern zu schweigen) hat seine Hasswörter und Favoriten. Im «Lieblingswörterbuch der Prominenten», der zweiten Jubiläumspublikation aus dem Hause Duden, haben gerade berühmte Deutsche wie Joachim Löw («höchste Konzentration»), Jürgen Trittin («Umweltverträglichkeitsprüfung») und Ilse Aigner («Waldeslust») ihre Lieblingswörter genannt.

Der Duden selber aber ist zu staatsmännischer Zurückhaltung verpflichtet, auch wenn er seit der Rechtschreibreform 1996 seinen Sonderstatus als letzte Instanz in allen orthografischen Zweifelsfragen verloren hat. Nach einem Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts sind die Regeln der amtlichen Rechtschreibung nur für Teile der Schriftproduktion bindend; alle andern, auch die traditionell dudenkritischen Schriftsteller, dürfen schreiben, wie ihnen der Schnabel oder die KorrekturSoftware gewachsen ist. Damit herrscht im deutschen Sprachraum wieder eine fast so grosse Verwirrung wie damals, als Konrad Duden mit seinem «Vollständigen orthographischen Wörterbuch der deutschen Sprache» erstmals Ordnung zu schaffen versuchte.

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Anders als die meisten seiner Kollegen liess Duden sich weder vom Scheitern der Ersten Orthographischen Konferenz 1876 noch von politischen Widerständen entmutigen: In mühevoller vergleichender Kleinarbeit stellte er aus allen deutschen Orthografien ein Kompromisswörterbuch zusammen, das bei der Zweiten Orthographischen Konferenz 1901 angenommen und für fast hundert Jahre die Bibel aller Lehrer, Buchdrucker, Redaktoren und Beamten wurde: Noth, Sopha und todt hiessen künftig Not, Sofa und tot.

Seither schwillt der Duden von Ausgabe zu Ausgabe an. Der Ur-Duden führt auf 187 Seiten 28\'000 Wörter auf, die 25. Auflage von 2009 schon 135\'000 (darunter 5000 neue) auf 1216 Seiten. Vom grossen Traum Dudens sind wir heute freilich weiter denn je entfernt: Die einheitliche, einfache, vernunftgemässe Rechtschreibung ist im Gestrüpp der Lobby- und Interessengruppen, Ressentiments, Privilegien und lieb gewordenen Traditionen noch schwerer durchzusetzen als eine Steuerreform.

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Quelle: Basler Zeitung
Link: http://bazonline.ch/kultur/diverses/Konrad-Duden-der-Wortverbesserer/story/28036291

Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=thorheiten&id=177