27.06.2008 Pro: Besseres VerstehenContra: Buchstabe von geßternMatthias Lohr hält das ß für charakterlich verdorben, Bettina Fraschke wünscht sich dagegen Stolz auf die deutsche Schrift-Besonderheit. Ein Patt bei HNA online.Pro: Besseres Verstehen Bettina Fraschke wünscht sich Stolz auf die deutsche Schrift-Besonderheit Was ist schon Nutella gegen Eszet-Schnitten? Bis die quietschsüße Nougatcreme sich in den 70er-Jahren auf den Frühstücksstullen der Nation durchgesetzt hatte, gab es aufs Brot Schokotäfelchen, die 1933 von der Untertürkheimer Firma Staengel & Ziller (daher Eszet) erfunden wurden - und bis heute existieren. Mit den Schnitten ist es fast wie mit dem Buchstaben: das ß ist eine altmodische Besonderheit unserer Sprache. Eine historische Marke unserer deutschen Geschichte, nicht anders als, sagen wir, das Hambacher Schloss. Und warum sollte man das abreißen wollen? Außerdem erfüllt das ß natürlich auch einen Zweck. Bei der Diskussion um die Rechtschreibreform von 1996 wurde als Beispiel folgender Satz angeführt: \"Busse für Walesa\". Transportmittel oder Sühne - was ist hier gemeint? Das Eszet hilft also beim Verstehen und ist zudem eine Hilfe bei der Aussprachefrage kurzer Vokal oder langer Vokal? Wenn man es je abschafft, dann nur bei einer Fundamentalreform. Dann sollte man die schon von Jacob Grimm befürwortete Kleinschreibung einführen. fra@hna.de Contra: Buchstabe von geßtern Matthias Lohr hält das ß für charakterlich verdorben. Um die Schönheit des großen ß zu demonstrieren, hat die Deutsche Presse-Agentur ein Foto mit drei Beispielwörtern gesendet, von denen zwei falsch waren. BAßSEITEN etwa schreibt man BASSSEITEN. Selbst Sprachprofis macht das ß das Leben schwer. Wir brauchen darum kein neues großes ß, sondern gar keins mehr. Schon im Kleinen hält sich das ß für besonders groß. Es erhebt sich über alle anderen Buchstaben und ragt aus dem Schriftband heraus, als sei es etwas Besseres. Wäre es ein Mensch, würden wir ihn arrogant finden. Auch das große ß wird nicht dadurch menschlicher, dass es aussieht wie ein kleines ß, das die Nacht durchgefeiert und am nächsten Morgen einen Kater hat. Wer seinem deutschprachigen Freund in den USA per E-Mail schreibt, wie sehr er sich über den EM-Finaleinzug der deutschen Fußballer freut, wird ihn vor Rätsel stellen. Die allermeisten Rechner auf der Welt können das ß nicht darstellen. Das ß ist ein Buchstabe von geßtern. Die Schweizer haben dies verstanden und es abgeschafft. Wir sollten von ihnen lernen. mal@hna.de
Die Quelldatei zu diesem Ausdruck finden Sie unter |