31.08.2004 Schlussstrich oder Schlußstrich?Die Reform wankt, und ihre Gegner geben nach (manche von ihnen)Die reformierte ss/ß-Schreibung ist nicht nur schlechter lesbar, sondern auch schlechter lehrbar: Grundschüler, die in ihr unterrichtet werden, machen bei s, ss und ß von Jahr zu Jahr mehr Fehler. Gleichwohl signalisieren Reformgegner die Bereitschaft, sie zu übernehmen.Die Süddeutsche Zeitung erwägt, »vernünftige Neuerungen - etwa die ß- und ss-Schreibweise -« beizubehalten. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung schlägt einen von Peter Eisenberg ausgearbeiteten Kompromiß »Zur Reform der deutschen Rechtschreibung« vor, weil sie eine vollständige Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung zwar für besser hielte, aber nicht mehr an sie glaubt. Auch dieser Kompromißvorschlag erklärt die reformierte ss/ß-Schreibung wenn nicht für vernünftig, so doch für »hinnehmbar«. Die Akademie macht ihn schon zum zweiten Mal; einmal ist sie mit ihm bereits gescheitert. Und sie wird wieder scheitern. Die Kultusministerkonferenz erklärt die neue Rechtschreibung für nicht mehr verhandelbar, und auch unter ihren Gegnern sind längst nicht alle zum Nachgeben bereit. 37 Mitglieder der Akademie für Sprache und Dichtung erklären anläßlich des zweiten Kompromißangebots postwendend, daß sie es nicht unterstützen. Im Wortlaut: Zwangslage für literarische Verlage 37 Akademiemitglieder zur Rechtschreibreform Wulf Kirsten, 99423 Weimar, den 30. August 2004 Pressemitteilung Anläßlich der Pressekonferenz der Orthographie-Kommission der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung am Montag, 30.8., in der Berliner Akademie der Künste weisen die 37 unterzeichnenden Mitglieder der Berliner Akademie und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung darauf hin, 1. daß die Rechtschreibreform im Verlagswesen nicht nur die Schulbuchkonzerne betrifft, die wegen häufiger Lehrplanänderungen die Schulbücher ohnehin immer wieder neu drucken müssen und können, sondern auch die Literaturverlage. Diese geraten bei einer endgültigen Durchsetzung der „Neuregelung“ in die Zwangslage, Neuauflagen ihrer Bücher entweder in der bisherigen, dann von Amts wegen fehlerhaften Schreibung nachzudrucken oder mit hohen Kosten neu zu setzen; 2. daß die Rechtschreibreform seit 1996 zur Aussonderung zahlloser Kinder- und Jugendbücher aus Bibliotheken geführt hat und am Ende der Übergangsfrist zu einer schlagartigen Wertminderung aller privaten wie öffentlichen Buchbestände führen wird, die als orthographisch „fehlerhaft“ und für Schüler nicht empfehlenswert gelten werden; 3. daß der vernünftigste Weg aus der verfahrenen Situation, in die die zwischenstaatliche Rechtschreibkommission der Kultusminister die Sprachgemeinschaft gebracht hat, eine völlige Rücknahme der überflüssigen, inhaltlich verfehlten und sehr viel Geld und Arbeitskraft kostenden Rechtschreibreform ist. Eine Rücknahme der Reform, die viel leichter wäre als ihre trotz aller Maßnahmen noch immer nicht gelungene Einführung, entspräche dem erkennbaren Willen der großen Mehrheit der Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz und wäre deshalb ein wichtiger Beitrag zur demokratischen Kultur. Wulf Kirsten, Michael Krüger, Reiner Kunze, Guntram Vesper (Erstunterzeichner); Hans Bender, Elisabeth Borchers, Vicco von Bülow, Karl Dedecius, Tankred Dorst, Ralph Dutli, Prof. Joachim Fest, Christoph Geiser, Georges-Arthur Goldschmidt, Günter Grass, Prof. Walter Grasskamp, Prof. Peter Gülke, Erich Hackl, Michael Hamburger, Peter Hamm, Ludwig Harig, Thomas Hürlimann, Elfriede Jelinek, Prof. Joachim Kaiser, Prof. Friedhelm Kemp, Thomas Kling, Günter Kunert, Siegfried Lenz, Prof. Hans Maier, Prof. Odo Marquard, Christoph Meckel, Oskar Pastior, Arnold Stadler, Martin Walser, Michael Walter, Prof. Harald Weinrich, Hans Wollschläger, Prof. Bernhard Zeller
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