07.02.2008


Linguistische Luftnummer

Bastian Sick und Peter Eisenberg kämpfen gegen den Verfall der deutschen Sprache

Die „Märkische Allgemeine“ läßt Eisenberg gegen Sick und gegen die Rechtschreibreform wettern.

POTSDAM/BERLIN - Erscheint die Lieblingszeitschrift vierzehntägig oder vierzehntäglich? Wann hat man zuletzt die Fenster geputzt – war das am Anfang diesen Sommers oder doch am Anfang dieses Sommers? Und bestellt man seinen Salat mit Scampis oder doch lieber mit Scampi? Wenn es um Fallstricke geht, hat die deutsche Sprache einiges zu bieten. Was Nicht-Muttersprachler und, wenn man ehrlich ist, auch so manchen Ur-Deutschen regelmäßig an den Rande der Verzweiflung bringt, sichert selbsternannten Sprachpolizisten wie Bastian Sick ein erkleckliches Auskommen. Sein Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ ging innerhalb von zwei Jahren mehr als 1,5 Millionen Mal über den Ladentisch. Es gibt Sick-Hörbücher, Sick-DVDs und ein Sick-Gesellschaftsspiel. Und natürlich geht Bastian Sick auch regelmäßig auf Lesereise.

Den großen Saal des Berliner Schiller-Theaters füllt Sick problemlos. Die Atmosphäre an diesem verregneten Abend könnte kaum genitivfreundlicher sein: Sicks Publikum – das sind arrivierte Mittfünfziger, die Tweedjacketts, goldene Brillen und Hochsteckfrisuren tragen und sich sicher sind, dass Hermann Hesse kein Buch mit dem Titel „Der Suppenwolf“ geschrieben hat. Und auch Bastian Sick freut sich riesig, dass das „Berliner Bildungsbürgertum“ so zahlreich den Weg zu ihm gefunden hat. Er, der schon für sein erstes Diktat eine glatte Eins bekommen hat, weiß ganz genau, dass er es hier im Schiller-Theater ausschließlich mit Menschen zu tun hat, „die mit einem gewissen Anspruch hergekommen sind“. Und so amüsiert sich das Publikum zwei Stunden lang köstlich über eine „vermieste Chihuahua-Hündin“, Kater, die sich „am gernsten“ draußen aufhalten und über einen „Lederchef-Sessel“, den ein Supermarkt zum Schnäppchenpreis von 34,99 Euro anbietet. Fehler machen bei Sick immer nur die anderen. Die Supermarktverkäuferinnen, die „Ananässer“ und „Gurgen“ im Angebot haben und auf Plakaten für „frische Kalbsbrust von der Schweinelende“ werben. Aber auch Friseure, die ihre Salons „Vier Haareszeiten“, „Philhaarmonie“ und „Haarem“ nennen, beleidigen Sicks Sprachgefühl. Wer hier lacht, lacht im sicheren Bewusstsein, dass zwischen ihm und der sprachamputierten Unterschicht Universen liegen.

Während der 42-Jährige sich über die mokiert, die mit anderen Problemen zu kämpfen haben als mit gebeugten Verben und Objektsprädikativen, macht Peter Eisenberg, emeritierter Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Uni Potsdam, die Politik für den Verfall der deutschen Sprache verantwortlich. „Die Geschichte der sogenannten Rechtschreibreform ist eine Geschichte politischer Intrigen“, wettert Eisenberg im voll besetzten Hörsaal der Potsdamer Uni. Der älteste Zuhörer trägt Hörgerät, der jüngste kann gerade mal „Mama“ sagen. Für „Gürüstbauer“, die nicht mehr aus dem Orthographie-Dschungel herausfinden, interessiert sich hier niemand. Schließlich tobte der „Rechtschreibkrieg“ ja auch ganz woanders: in der Kultusministerkonferenz und in der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, die Peter Eisenberg im März 1998 wutschnaubend verlassen hat. Die „systematischen Attacken auf eine der besten Orthographien in Europa“ wollte er nicht länger mittragen. Seitdem tut der 67-Jährige alles, was in seiner Macht steht, um wenigstens die schlimmsten Vorstöße der Rechtschreibreformer rückgängig zu machen. Auf Unterstützung von Bastian Sick kann der Professor verzichten. „Sick schaut den Leuten nicht aufs Maul, er will es ihnen verbiegen und verbieten“, schimpft er. Im übrigen sei vieles von dem, was Sick erzählt, aus linguistischer Sicht „völliger Unsinn“. Anders als bei dem Sprach-Fundamentalisten Sick darf bei Eisenberg nicht nur gewinkt, sondern auch gewunken werden. Auch dann, wenn Eisenberg im Unterschied zu Sick auf müde Anneliese-Rothenberger- und Mireille-Mathieu-Parodien verzichtet.
(Von Ariane Mohl)

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