21.01.2008


„Ist das Tagblatt für die Schule noch brauchbar?“

Diskussion um die Empfehlungen der SOK

Zu dem Artikel „Schreiben für die Lesenden“ (8. Januar 2008) sind im St. Galler Tagblatt mehrere Leserbriefe erschienen.


Eine weitere Variante?

Stimmt, die diversen Rechtschreibreformen der letzten Jahre sind missglückt. Und: Ja, die Rechtschreibung soll das Lesen erleichtern. Eine neue Initiative für einen Konsens ist deshalb zu begrüssen.

Ich halte aber auch den Anspruch, das Schreiben zu vereinfachen für berechtigt – im Gegensatz zur Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK). Menschen, die mit der Orthographie Schwierigkeiten haben, werden häufig, aber völlig zu Unrecht, als dumm betrachtet. Wie vielen Menschen wurde durch schwer verständliche Regeln die Freude am Schreiben oder sogar die Freude an der Sprache genommen?

Viele Empfehlungen und Grundsätze der SOK sind nachvollziehbar. Was ich allerdings nicht verstehen kann, ist, dass die Logik für die SOK kein Argument ist. Statt «Bei Varianten die herkömmliche» plädiere ich für «Bei Varianten die logische, im Zweifelsfall die herkömmliche». Einige Beispiele: Die SOK empfiehlt «belemmert» und «aufwendig» (nicht «belämmert» und «aufwändig»). Aussprechen tue ich diese Wörter jedoch mit «ä». Gemäss SOK soll man «As» und «Tip» und «Stop» schreiben, dabei sind die zwei «ss» bzw. «pp» doch deutlich zu hören. Ist es nicht völlig paradox, Wörter anders zu schreiben, als man sie ausspricht?

Vollends Mühe habe ich aber mit der SOK-Regel «heute abend» und «Dienstag morgen» (nicht «heute Abend» und «Dienstag Morgen»). Wie sollen diese Regeln das Lesen erleichtern? Im ersten Fall meint der Schreibende den folgenden Tag, im zweiten Fall aber die Stunden zwischen 6 und 12 Uhr. Dass man «morgen» (den folgenden Tag) und «Morgen» (die Tageszeit) schreibt, wäre doch absolut folgerichtig.

Mir scheint, eine etwas unverkrampftere Einstellung und dazu eine gesunde Portion logischen Menschenverstandes würde der Angelegenheit gut anstehen! Ich frage mich, ob die SOK nicht faktisch einfach eine weitere Variante zu den vielen bisherigen hinzufügt. Es handelt sich ja um eine auf den Deutschschweizer Sprachraum begrenzte Angelegenheit. Wie werden wohl die Rechtschreib-Prüfprogramme von Word & Co mit dieser neuen Situation umgehen?

Christof Rimle, 9523 Züberwangen


Für die Schule unbrauchbar?

Die Darstellung in der Ausgabe Nummer 5 zur Rechtschreibereform weckt doch eine leichte Verwunderung. Klar ist, geschrieben werden kann, Schule und Ämter ausgenommen, wie man will. Dass diese Freiheit genutzt wird, ist nicht zu verurteilen.

Bleibt die Frage, ob das Tagblatt für die Schule noch Verwendung finden kann. Da schreibt die Zeitung beispielsweise über Nachwuchs auf Peter und Paul – dummerweise haben gerade die Gämsen, pardon, die Gemsen Jungtiere im Gehege. Denkt man, der Sportteil wäre dann unverfänglicher, findet man alsbald einen plaziert getretenen Elfmeter – dem FC St. Gallen wird es ziemlich egal sein, ob er seine Elfmeter platziert oder plaziert schiesst, Hauptsache, der Ball zappelt im Tor. Ungültig wäre das Tor freilich, wenn der Schütze beim Anlauf einen Stop einschaltet, ebenso wird der Schiedsrichter auch einen Stopp abpfeifen. . .

Wir erklär ich das meinen Schülern? Warum darf das Tagblatt, was sie nicht dürfen? Ist das Tagblatt für die Schule noch brauchbar?

Karl Duijts-Kronig, 7320 Sargans


Unzählige – ungezählte

Im Beitrag unter dem Titel «Schreiben für die Lesenden» erfuhr ich im Kästchen von der «Arbeitsgruppe Rechtschreibung». Diese habe ein «Vademecum» erstellt, das die Redaktion «als Arbeitsgrundlage» verstehe.

An diese Arbeitsgruppe meine Bitte: Es wäre den Lesenden doch zu gönnen, wenn wenigstens im Tagblatt unterschieden würde zwischen (dem fast nur noch gebrauchten) «unzählige X» und «ungezählte Y».

Ist es nicht so, dass in den meisten Fällen, wo heute das Allerweltswort «unzählige» verwendet wird, man sehr wohl hätte zählen können. Weil man dies jedoch nicht tat, müsste es korrekterweise dann doch «ungezählte» heissen!?

Hanspeter Büchel, 9010 St. Gallen

Link: http://www.tagblatt.ch/index.php?artikelxml=1456095&ressort=tagblattheute/interessen/leserbriefe

Die Quelldatei dieses Ausdrucks finden Sie unter
http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=570