06.06.2006


Schweizer Orthographische Konferenz

Communiqué

Lesen Sie hier den Wortlaut der Empfehlung „Herkömmliche Rechtschreibung bei Varianten“ sowie weitere Pressestimmen dazu.


Herkömmliche Rechtschreibung bei Varianten

Zürich, 1. Juni. Die Schweizer Orthographische Konferenz hat an ihrer Tagung vom 1. Juni eine Empfehlung an die Presse und die Buchverlage in der Schweiz verabschiedet, bei Varianten in der Rechtschreibung die herkömmliche Schreibweise zu verwenden.

Die Befolgung des Grundsatzes "Bei Varianten die herkömmliche" ist nach Ansicht der Konferenz die beste Voraussetzung dafür, eine grössere Einheitlichkeit in der Rechtschreibung von Presse und Buchverlagen zu erreichen. Dies ist das Hauptziel der Schweizer Orthographischen Konferenz.

Der Grundsatz bedeutet, dass beispielsweise aufwendig (nicht: aufwändig), kennenlernen (nicht: kennen lernen), fleischfressende Pflanzen (nicht: Fleisch fressende), er hat recht (nicht: Recht) geschrieben wird.

Die Empfehlung wird auch der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK), der Bundeskanzlei und dem Rat für deutsche Rechtschreibung übermittelt.

Die Konferenz wird eine Arbeitsgruppe einsetzen, die Wörterlisten erstellen soll für Fälle, wo der Grundsatz nicht anwendbar ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wo in der neuen Rechtschreibung zwei Varianten bestehen, aber keine der herkömmlichen Schreibweise entspricht. Ebenso sollen Wörterlisten für schweizerische Besonderheiten bei der Eindeutschung von Fremdwörtern erstellt werden. Die Arbeitsgruppe wird sich ausserdem mit den Bereichen befassen, wo herkömmliche Varianten noch nicht wieder zugelassen sind.

An der Konferenz waren unter anderen die Weltwoche, die NZZ, das St. Galler Tagblatt, der Tages-Anzeiger, die Mittelland-Zeitung, der Walliser Bote, die Basellandschaftliche Zeitung und der Zürcher Oberländer, Verlage wie Diogenes, Nagel & Kimche und Schwabe sowie die Nachrichtenagenturen SDA, AP und Sportinformation vertreten. Teilgenommen haben auch die Bundeskanzlei und Vertreter aus Deutschland wie die FAZ und der Sprachwissenschafter Horst Haider Munske (Erlangen).

Die Gesellschaft Schweizer Orthographische Konferenz will die Einheitlichkeit der Rechtschreibung innerhalb der Presse und von Presse und Literatur in der Schweiz fördern. Gründungsmitglieder sind unter anderen Urs Breitenstein (Schwabe Verlag), Filippo Leutenegger (Jean Frey), Robert Nef (Schweizer Monatshefte), Peter Müller (SDA), Rudolf Wachter (Universität Basel) und Peter Zbinden (Sprachkreis Deutsch).


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Neue Zürcher Zeitung
2. Juni 2006

Im Zweifelsfall alte Orthographie empfohlen

Zürich, 1. Juni. (sda) Wo der Rat für deutsche Rechtschreibung Varianten der neuen Rechtschreibung zulässt, soll in der Schweiz inskünftig die herkömmliche Schreibweise verwendet werden. Dies empfiehlt die Schweizer Orthographische Konferenz den Medien und den Buchverlagen. Konkret bedeutet dies, dass inskünftig «aufwendig» statt «aufwändig», «kennenlernen» statt «kennen lernen», «fleischfressende Pflanze» statt «Fleisch fressende Pflanze» und «er hat recht» statt «er hat Recht» geschrieben wird. Eine Arbeitsgruppe der Konferenz wird Wörterlisten erstellen für jene Fälle, in denen dieser Grundsatz nicht anwendbar ist.

Seitens der Medien waren an der Tagung der Orthographischen Konferenz unter anderem die «Neue Zürcher Zeitung», das «St. Galler Tagblatt», der «Tages-Anzeiger» und die «Mittelland-Zeitung» vertreten.


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St. Galler Tagblatt
3. Juni 2006

Alte Schreibweisen bevorzugen

Bei Varianten der neuen deutschen Rechtschreibung soll in der Schweiz inskünftig die herkömmliche Schreibweise verwendet werden. Dies empfiehlt die Schweizer Orthographische Konferenz den Medien und den Buchverlagen. Die Empfehlung wurde auf einer Tagung in Zürich verabschiedet. Die Befolgung des Grundsatzes, bei Varianten die herkömmliche Schreibung zu benutzen, sei die beste Voraussetzung, um eine grössere Einheitlichkeit zu erreichen.

Die Empfehlung werde auch der Erziehungsdirektorenkonferenz, der Bundeskanzlei und dem Rat für deutsche Rechtschreibung übermittelt. Die Konferenz will eine Arbeitsgruppe einsetzen, die Wörterlisten für Sonderfälle erstellt. Seitens der Medien waren unter anderem die «Neue Zürcher Zeitung», das «St. Galler Tagblatt», der «Tages-Anzeiger», die «Mittelland Zeitung» und der «Zürcher Oberländer» vertreten, von Verlagsseite nahmen Nagel & Kimche, Diogenes und Schwabe teil, dazu die Nachrichtenagenturen sda, ap und si. (sda)


(www.tagblatt.ch)

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Mittelland-Zeitung
2. Juni 2006

Die Rechtschreibreform soll reformiert werden
Vorschläge Schweizer Orthographische Konferenz an der Arbeit


Die Nöte mit der Reform der deutschen Rechtschreibung sind noch nicht ausgestanden. Klar ist bloss: Besonders sinnlose Änderungen sollen rückgängig gemacht werden. Doch wer garantiert Verbindlichkeit?

Hans Fahrländer

1996 wurde, erstmals in der Geschichte, ein revidiertes Sprachregelwerk von oben diktiert, von den deutschen Kultusministern sozusagen politisch verordnet, und es ist, wie man weiss, nicht gut herausgekommen. Neben sinnvollen Anpassungen standen nicht nachvollziehbare Zurechtbiegungen - und überfällige Vereinfachungen fehlten. Trotzdem, es war nun mal so und auch Schweizer Schulen und Verwaltungen übernahmen auf Weisung der Erziehungsdirektorenkonferenz und der Bundeskanzlei die meisten Änderungen. Auf Distanz gingen grosse deutsche Zeitungsverlage und in der Schweiz die NZZ-Gruppe: Sie führten ihre eigenen «Hausorthografien» ein oder verweigerten sich der Reform zum Teil ganz. Die Verlage der Mittelland Zeitung lehnten sich an das Regelwerk der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» an - das hiess: Übernahme von 80 bis 90 Prozent der Änderungen.

Varianten stiften Verwirrung

Nachdem im gesamten deutschen Sprachraum die Kritik nicht verstummen wollte, konstituierte sich 2004 unter dem Vorsitz des ehemaligen bayrischen Staatsministers Hans Zehetmair ein 36-köpfiger Rat für deutsche Rechtschreibung, welcher die Reform auf Reformbedarf hin untersuchte. Zum grossen Teil sassen darin allerdings die Reformer von 1996, auch in der Schweizer Delegation. Entsprechend kamen aus dem Rat bisher überwiegend zweideutige Signale - beziehungsweise Varianten: Neben der neuen soll in bestimmten Fällen auch wieder die alte Schreibweise gelten. Anhörungen bei betroffenen Kreisen fanden nicht statt. Das Ergebnis sind eine grosse Unsicherheit, fehlende Verbindlichkeit und fehlende Legitimation.

In dieser Situation trafen sich auf Initiative von Peter Zbinden, Präsident des Vereins Sprachkreis Deutsch, und von Filippo Leutenegger, CEO des Verlags Jean Frey, in Zürich sprachbesorgte Bürgerinnen und Bürger zur Schweizer Orthografischen Konferenz: Schriftsteller, Gymnasiallehrer, Buchhändler, Vertreter von Zeitungsverlagen und Redaktionen, von literarischen Verlagen, von Nachrichtenagenturen, aus der Bundeskanzlei - im Kreis der geballten Sprachkompetenz fehlten bloss die Volksschullehrkräfte und die Schulbuchlobby.

Bei Varianten die herkömmliche

Nach Referaten von zwei eher konservativ ausgerichteten Sprachwissenschaftern, Rudolf Wachter von der Universität Basel und Horst H. Munske von der Universität Erlangen, diskutierte die Konferenz einen Vorschlag von Peter Müller, bei der Schweizerischen Depeschenagentur (SDA) zuständig für Rechtschreibung: Wo gemäss dem Rat für Rechtschreibung mehrere Varianten erlaubt sind, sollen sich die Schreibenden in der Schweiz stets für die herkömmliche, das heisst die vor 1996 gültige entscheiden.

«Früh reif» oder «frühreif»?

Gymnasiallehrer Stefan Stirnemann zeigte, wie orthografische (oder orthographische) Änderungen im Reformeifer zu Bedeutungsänderungen geführt haben. Kommt «behände» wirklich von «Hand»? Und «aufwändig» von «Aufwand»? Nicht von «aufwenden»? Soll man «Fleisch fressend» oder «fleischfressend» schreiben? Und «früh reif»? Ist «nahe stehend» dasselbe wie «nahestehend? Ist der «Zierrat» ein Rat?

An einem abschliessenden Podium gab es auch Stimmen, die zur Zurückhaltung mit eigenen Regeln und Wortlisten gemahnten. «NZZ»-Chefredaktor Markus Spillmann warnte davor, im deutschen Sprachraum eine Sprachinsel Schweiz zu schaffen, und Autor und Gymnasiallehrer Pirmin Meier erinnerte an die Schüler, für welche die neue Rechtschreibung nicht die neue, sondern die einzig gelernte und gültige ist.





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