27.02.2006


Forschungsgruppe sieht „schwere Mängel“ bei Rechtschreibreform

Aus Agenturberichten

AP und dpa berichten von Kritikern und Verteidigern des Rechtschreibrats.

Wir dokumentieren stellvertretend zwei der Meldungen:

Berlin (AP) Die in der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) zusammengeschlossenen Gegner der Rechtschreibreform sehen in den am Montag vorgelegten Korrekturempfehlungen «schwere Mängel». FDS-Geschäftsführer Jan-Martin Wagner erklärte, die Revision laufe auf eine weitere provisorische Orthographie hinaus, die wegen dieser Mängel nicht von Dauer sein könne.

Die Einheitlichkeit der deutschen Sprache könne schon deshalb nicht wiedererlangt werden, weil die Einführung unzähliger neuer Schreibvarianten vorgesehen sei, kritisierte Wagner. Nach Schätzungen der FDS solle in einem durchschnittlichen Text etwa jedes tausendste Wort wieder zusammen statt getrennt geschrieben werden dürfen.

Dem Beirat der FDS gehören unter anderem die Schriftsteller Walter Kempowski, Reiner Kunze, Sten Nadolny und Adolf Muschg, der Verleger Michael Klett und der aus dem Rechtschreibrat ausgetretene Sprachwissenschaftler Theodor Ickler an.

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Schriftsteller rügen Vorschläge des Rechtschreibrates

Die Rechtschreibreform soll in einer Reihe von Punkten geändert werden, um bundesweit in Kraft treten zu können. Namhafte Autoren bescheinigen den nun vorgelegten Korrekturempfehlungen des Rates für Rechtschreibung jedoch "schwere Mängel".

Der Rat für Rechtschreibung überreichte am Montag in Berlin der Kultusministerkonferenz der Länder seine Empfehlungen zu Änderungen an dem Regelwerk. Die Kultusministerkonferenz soll die Änderungen Ende der Woche beschließen. Die Minister erhoffen sich durch die Korrekturvorschläge des Rates einen "deutschen Rechtschreibfrieden" und ein Ende des jahrelangen Reformstreits.

Die in der Forschungsgruppe Deutsche Sprache (FDS) zusammengeschlossenen Gegner der Rechtschreibreform sehen in den Korrekturvorschlägen "schwere Mängel". FDS-Geschäftsführer Jan-Martin Wagner sagte am Montag, die Revision laufe auf eine weitere provisorische Orthographie hinaus, die wegen dieser Mängel nicht von Dauer sein könne.

Die Einheitlichkeit der deutschen Sprache könne schon deshalb nicht wiedererlangt werden, weil die Einführung unzähliger neuer Schreibvarianten vorgesehen sei, sagte Wagner. Nach Schätzungen der FDS solle in einem durchschnittlichen Text etwa jedes tausendste Wort wieder zusammen statt getrennt geschrieben werden dürfen. Dem Beirat der FDS gehören unter anderem die Schriftsteller Walter Kempowski, Reiner Kunze, Sten Nadolny und Adolf Muschg, der Verleger Michael Klett und der aus dem Rechtschreibrat ausgetretene Sprachwissenschaftler Theodor Ickler an.

Sprachakademie: "Das läuft wieder auf die alte Rechtschreibung zu"

Dagegen begrüßt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung die vorgelegten Änderungsvorschläge. "Praktisch alles, was gemacht wurde, folgt dem Kompromissvorschlag der Akademie", sagte deren Vertreter im Rat für deutsche Rechtschreibung, Peter Eisenberg, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das läuft wieder auf die alte Rechtschreibung zu", sagte der Potsdamer Germanist. "Was wir jetzt erreicht haben, sind substanzielle Schritte in die richtige Richtung."

Dies gelte insbesondere für die Änderungsvorschläge zur Getrennt- und Zusammenschreibung. Mit den Änderungsvorschlägen sei hier "weitgehend die alte Schreibung wiederhergestellt". Als zu zaghaft kritisierte der Germanist die Änderungsvorschläge zur Zeichensetzung. Auch bei der Groß- und Kleinschreibung seien wegen des Widerstands der Kultusminister nur "ein paar wenige Änderungen" gelungen. "Da hätten wir gerne mehr gemacht."

Lehrerverband VBE begrüßt korrigierte Rechtschreibreform

Zustimmung kam auch vom Verband Bildung und Erziehung (VBE). Der Vorsitzende Ludwig Eckinger sagte, er stehe voll hinter den Vorschlägen des Rates für deutsche Rechtschreibung. Der VBE vertritt nach eigenen Angaben etwa 140.000 Lehrerinnen und Lehrer. Eckinger ist im Rechtschreibrat offizieller Vertreter für die deutschen Lehrerorganisationen.

Die ursprüngliche Rechtschreibreform basiert auf Beschlüssen von 1996, die nach einer Übergangsfrist im August 2005 Pflicht werden sollten. Wegen Streitigkeiten unter Experten und Politikern entschieden sich aber die Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen kurzfristig, die Regelungen noch nicht verbindlich in Kraft zu setzen. Einige Verlage richten sich sogar wieder nach der alten Rechtschreibung.

Der Rat für Rechtschreibung, ein Expertengremium unter Leitung des früheren bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair (CSU), war eingerichtet worden, um die Einheitlichkeit der Rechtschreibung weiterhin zu gewährleisten. Den Empfehlungen zufolge sollen sich Groß- und Kleinschreibung sowie Zusammen- und Getrenntschreibung nun stärker nach der Betonung und der Gesamtbedeutung des Begriffes richten.

Zustimmung der Kultusminister erwartet

Zehetmair sagte, das Gremium sei "keinen leichten Weg" gegangen. Man habe dabei die Auseinandersetzungen mit "den Puristen" der verschiedenen Lager führen müssen. Während die eine Seite den alten Zustand vor der Rechtschreibreform wiederherstellen wollte, habe die andere Seite an jeder Neuerung der Reform festhalten wollen. Doch weder die eine noch die andere Auffassung seien mehrheitsfähig gewesen. Demokratie lebe vom Kompromiss und von Mehrheitsentscheidungen, sagte Zehetmair.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave (SPD) sagte am Montag bei der Entgegennahme der Expertenempfehlungen, sie wolle dem Votum der Minister zwar nicht vorgreifen. "Voraussehbar" werde es aber Zustimmung für die Vorschläge geben. Verbindlich eingeführt werden die Nachbesserungen an allen deutschen Schulen am 1. August. Während einer einjährigen Übergangsfrist sollen sie jedoch bei der Notengebung noch nicht berücksichtigt werden.

Link: www.ftd.de/pw/de/52130.html



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