09.02.2006


In den Orkus! Schluß damit!

Eine Nachlese

Die Rechtschreibreform im allgemeinen und der Rechtschreibrat im besonderen hatte dieser Tage keine besonders gute Presse.

Zwar rührte der unverwüstliche Bernd Glebe (dpa) wie üblich die Trommel für die KMK. Der Bonner General-Anzeiger druckte seinen Vorabtext am 2. Februar unter dem Titel »Mit dem Urinstinkt fürs Machbare«. »Im jahrelangen Streit um die umstrittene Rechtschreibreform rückt ein Happyend in greifbare Nähe«, frohlockte Glebe. »Durchgängig sprach sich der mit Gegnern und Befürwortern der Rechtschreibreform besetzte Rat dafür aus, künftig das Lesen wieder zu erleichtern«, wußte er ferner zu berichten. Beruhigend!

Andere Redakteure rochen aber den Braten. In der Hannoverschen Allgemeinen vom 4. Februar schrieb Simon Benne unter dem Titel »Aus dem Reformhaus Rechtschreibung wird wieder wie früher - jedenfalls ein wenig«: »Die Aufgabe ist eigentlich kaum zu bewältigen: Der Rat für deutsche Rechtschreibung, gegründet Ende 2004 als Reaktion auf die anhaltende Kritik an der Rechtschreibreform, soll die einheitliche Orthographie im deutschen Sprachraum bewahren. Ein mittlerweile praktisch aussichtsloses [Unterfangen.]«

Ähnlich skeptisch zeigte sich der Leitartikler der Rheinischen Post (»Rückschreibung«, ebenfalls 4. 2.): »Wird die Rechtschreibreform also doch noch ein Erfolg? Ganz und gar nicht. Längst geht ein Riss durch die deutschsprachige Welt.«

Die naheliegende Konsequenz forderte Claudia Nauth vom Wiesbadener Kurier: »Schluss damit«: »Gut, dass es in der deutschen Orthographie (auch: Orthografie) angesichts der erneuten Reform der Rechtschreibreform noch ein paar Konstanten gibt, zum Beispiel die Wörter Konfusion, Hin und Her sowie Flickwerk. Ansonsten wäre es gar nicht möglich, die Kritik am Rat für deutsche Rechtschreibung, seinen Vorgängergremien und den Kultusministern in einer allgemein akzeptierten Schreibweise zu Papier zu bringen. Ein grandioses Durcheinander haben alle Beteiligten mittlerweile angerichtet, anstatt die Rechtschreibung und das Leben kommender Schülergenerationen zu vereinfachen.

Deshalb muss jetzt Schluss sein mit kontraproduktiven Neuregelungen. Die Rechtschreibreform ist gescheitert und sollte nicht mit immer neuem sprachlichem Firlefanz dekoriert und damit verschlimmbessert werden. Es bringt das Land und seine Menschen nicht voran, dass wir künftig statt erste Hilfe wieder Erste Hilfe schreiben werden. Das Kind ist bereits in den Brunnen gefallen.«

Ihr sekundierte Eckart Hoog in der Aachener Zeitung bzw. den Aachener Nachrichten: »In den Orkus kippen! Rechtschreibrat offenbart: "Unstrittig" ist nichts. Auch die achte Sitzung des Rechtschreibrates offenbart nachdrücklich den unheilvollen Charakter der Rechtschreibreform: Sie ist das pure Flickwerk, selbst für Experten ein undurchschaubarer Wust überflüssiger Regeln.«

Die Stellungnahme der FDS wurde von mehreren Agenturen und zahlreichen Zeitungen zitiert.

Rechnet man die an dieser Stelle bereits dokumentierten kritischen Stellungnahmen in FAZ, SZ, Welt, Berliner Zeitung und Münchner Merkur hinzu, muß man zu dem Schluß kommen, daß die von der Kölnischen Rundschau gewählte Überschrift »Zehetmair rechnet nicht mit Widerstand« nicht sehr geschickt gewählt war.

Trost spendte vorsorglich die FTD (3. 2., »Kopf hoch, Hans Zehetmair« (von Daniela Kroker): »Am Freitag ruft Bayerns Ex-Kultusminister Hans Zehetmair seinen Club - pardon - Rat für Rechtschreibung zusammen.

Thema: die Groß- und Kleinschreibung. Der Rat besteht aus 38 Intellektuellen aus fünf Ländern. Bei so einem Kompetenzteam kann eigentlich nichts schief laufen, schon gar nicht, wenn der größte Fan Edmund Stoiber heißt. Nach anfänglicher Skepsis, ob ein halbjährlich tagender Rat die angeschlagene Rechtschreibreform optimieren kann, zeigen sich erste Erfolge. Schließlich ist Herr Dr. h. c. mult. Hans Zehetmair ausgebildeter Philologe. Deshalb keine Angst: Wenn doch alles schief läuft, kann er immer noch den Club der toten Dichter gründen.«



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