03.02.2006 Der Rechtschreibrat leistet nur StückwerkKritik vom Vorsitzenden der FDSDer Rat für deutsche Rechtschreibung tritt heute zu einer seiner wichtigsten Sitzungen zusammen.Seine Empfehlungen sollen Anfang März von den Kultusministern der Länder abgesegnet werden und dann zum nächsten Schuljahr verbindlich gelten. Derzeit gilt in Bayern noch eine Übergangsfrist. Reinhard Markner, Vorsitzender der Forschungsgruppe Deutsche Sprache, übt scharfe Kritik an dem Gremium. Der Rat hat viel Lob für seine Korrekturvorschläge bekommen. Wie sieht Ihre Bilanz aus? Reinhard Markner: Die Arbeit des Rates ist Stückwerk. Die Schriftsprache gleicht derzeit einer Wanderbaustelle. Immer wieder werden einzelne Schlaglöcher ausgebessert, ohne die deutsche Sprache als Ganzes zu betrachten. Der Rat ist angetreten, um möglichst viel von der Reform zu retten. Das Gremium hat daher nur die Paragraphen im Visier, die besonders missraten sind. Ein Beispiel? Markner: Der Rat wird heute wohl beschließen, dass das "Du" in Briefen wieder groß geschrieben werden darf. Die Entscheidung ist eigentlich unsinnig, weil es einen rein privaten Bereich betrifft, der den Staat nichts angeht. Umgekehrt kümmert sich der Rat nicht um die Frage, ob das "Du" zum Beispiel als Anrede in der Werbung groß- oder kleingeschrieben wird. Und bei der Getrennt- und Zusammenschreibung hat der Rat viele Fehler nicht ausgemerzt, sondern sie als Option weiterhin zugelassen. Sie meinen zum Beispiel "kennen lernen", das sowohl zusammen als auch getrennt korrekt ist . . . Markner: Die Empfehlungen des Rates sind oft völlig inkonsequent und gehen sogar noch über die ursprünglichen Reformvorschläge hinaus. So sollen die Schreibweisen "freischaffend" und "frei schaffend" als richtig gelten. Selbst die Reformer hatten hier keine Getrenntschreibung vorgesehen. Die Reform sollte Schülern die Rechtschreibung erleichtern . . . Markner: Dies ist nicht gelungen, weil viele neue Fehlerquellen eröffnet wurden. Ein Beispiel: Reformiert schreibt man "Tipp" mit zwei "p". Viele Schüler schreiben daher fälschlicherweise auch "Slipp" und "hipp". Der Ansatz der Reformer war grundsätzlich falsch: Die Rechtschreibung wird nicht einfacher, weil die Regeln einfacher werden. Sie wird dann leichter, wenn wir überhaupt nicht an die Regeln denken müssen, weil wir intuitiv richtig schreiben. Wie groß sind die Chancen auf eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung? Markner: Die letzten zehn Jahre waren ein einziger Irrweg. 95 Prozent der Reform sind Unfug. Wir Reformkritiker werden daher weiter dafür kämpfen, dass diese Regeln so nicht umgesetzt werden. Was die Chancen betrifft, bin ich optimistisch. Die Reform-Befürworter werden immer weniger. Wir Kritiker sind dagegen quicklebendig. Interview: Steffen Habit (Merkur online, 2. Februar 2006)
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