21.07.2005


Tobias Lobe

Sind Sie ein Umfaller, Herr Wulff?

Niedersachsens Ministerpräsident (CDU) im BILD-Interview

»BILD: Herr Ministerpräsident, ausgerechnet Sie, einst Vorkämpfer für die Beibehaltung der klassischen Rechtschreibung, führen jetzt doch die Murks-Reform ein. Sind Sie ein Umfaller?

Christian Wulff: „Nein, es schmerzt mich vielmehr, daß wir in Deutschland nicht wieder zu den bewährten Regeln zurückkehren. Aber wir bekommen die chaotischen Neuregelungen nur weg, wenn wir in der Kultusministerkonferenz und in der Ministerpräsidentenkonferenz Einigkeit erreichen, daß wir uns alle gemeinsam aus diesem Feld wieder zurückziehen – und dem Rat für Rechtschreibung den Vorrang einräumen.“

BILD: Sie haben ihre Kollegen Stoiber und Rüttgers im Stich gelassen! Haben Sie kein Rückgrat?

Wulff: „Natürlich! Aber mit dem Ausscheren einzelner Länder ist dem Problem nicht beizukommen. Auch kleine Schritte zählen, wenngleich ich bei dem Thema Rechtschreibung vorerst verloren habe. Aber: Mit dem Kopf durch die Wand zu wollen, da gewinnt immer die Wand. Für den Stopp der neuen Regeln brauche ich alle 16 Ministerpräsidenten.“

BILD: Vor einem Jahr nahmen sie den BILD-Orden „Retter der deutschen Sprache“ an. Geben Sie ihn wenigstens freiwillig zurück?

Wulff: „Den BILD-Orden gebe ich auf gar keinen Fall her! Ich sehe mich als würdigen Vertreter dieser Auszeichnung. In den vergangenen zehn Jahren habe ich 69 Presseerklärungen gegen die Reform abgesetzt. Ich bin Kämpfer gegen die Reform – und bleibe das auch. Manchmal muß man Umwege gehen, um zum Ziel zu kommen. Jetzt kämpfe ich dafür, dem Rat für deutsche Rechtschreibung statt der Kultusministerkonferenz die Kompetenz für Rechtschreibung zu geben – so wie sie jahrzehntelang bei der Duden-Redaktion in den besten Händen war.“«


( BILD, 21. Juli 2005 )



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