01.07.2005 Unstrittige GlättungenIckler: Notbremse ziehendpa auf den Spuren von TASS und ADN: Nachdem bereits Teile der Rechtschreibreform für unstrittig erklärt wurden, ist jetzt von Glättungen die Rede.Hier das Neueste vom Tage: »Rechtschreibrat beschließt weitere Änderungen Mannheim (dpa) - Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat weitere Glättungen der Rechtschreibreform beschlossen. Das Expertengremium schloss bei seiner Sitzung am Freitag in Mannheim den Komplex der Getrennt- und Zusammenschreibung ab. «Wir sind auch heute unserer Grundthematik gefolgt», sagte der Ratsvorsitzende Hans Zehetmair. Nicht das Regelwerk, sondern der Sprachgebrauch solle bei der Getrennt- und Zusammenschreibung entscheidend sein. Das bedeute, wieder mehr zusammenzuschreiben. «Im Rat ist der Konsens da, dass man dem Volk aufs Maul schauen muss.» Die fünfte Ratssitzung war die letzte vor der verbindlichen Einführung von Teilen der Rechtschreibreform in Schulen und Behörden am 1. August. Bei dem vergangenen Treffen Anfang Juni hatten die Sprachexperten einen Durchbruch in der kontroversen Debatte um Änderungen des Regelwerks erzielt und sich grundsätzlich auf eine stärkere Orientierung nach dem Sprachgebrauch der Menschen geeinigt.« Über die Verhandlungen des Rats und Theodor Icklers erste Eindrücke schreibt Torsten Harmsen in der Berliner Zeitung. Für die F.A.Z. berichtet Heike Schmoll direkt aus Mannheim (auf S. 1 und S. 5): Beschluß über Getrennt- und Zusammenschreibung Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag in Mannheim die gesamte Getrennt- und Zusammenschreibung neu beschlossen. Der Rat habe fast einstimmig beschlossen, berichtete sein Vorsitzender, der frühere bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU). Es ging um die Getrennt- und Zusammenschreibung. Der Rat habe sich darum bemüht, die Regelungen unmißverständlicher als bisher zu fassen. Zehetmair bekräftigte, daß der Rat seinen eigenen Auftrag habe und sich von den Beschlüssen der Kultusminister nicht irritieren lasse. Der Rat lasse sich nicht von den Ministern diktieren, über welche Bereiche er beraten dürfe. Sicherlich werde der Rat sich auch der Eindeutschung von Fremdwörtern widmen. Unterdessen haben der Bertelsmann-Verlag und der Schulbuchverlag Cornelsen für den 1. August 2005 ein neues Rechtschreibwörterbuch angekündigt. Der Rat beabsichtigt nach Aussage mehrerer Ratsmitglieder, die Groß- und Kleinschreibung noch im Jahr 2005 zu prüfen. Trotzdem wird sie am 1. August 2005 in den Schulen notenverbindlich eingeführt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Kultusminister sich auch dieses Mal von der Allianz der Schulbuch- und Wörterbuchverlage haben beeinflussen lassen. "Ur-instinkt" statt "Urin-stinkt" Rat für Rechtschreibung beschließt Schreib- und Trennweisen Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag in Mannheim die gesamte Getrennt- und Zusammenschreibung neu beschlossen. Dabei hat sich der Rat wiederum vom Sprachgebrauch leiten lassen und nicht vom Regelungsbedarf. Der Rat habe fast einstimmig beschlossen, berichtete sein Vorsitzender, der frühere bayerische Wissenschaftsminister Zehetmair (CSU). Es ging um die Getrennt- und Zusammenschreibung bei Adjektiven, Substantiven und mehrteilige Adverbien, Konjunktionen, Präpositionen und Pronomina. Dazu gehören etwa "von Angst erfüllt" und "angsterfüllt", "durch das Milieu bedingt" und "milieubedingt" und "frühreife Kinder", aber "früh reife Birnen". Insgesamt ist die Tendenz zur Zusammenschreibung zugunsten der Getrenntschreibung zurückgenommen worden. Der Rat habe sich darum bemüht, die Regelungen unmißverständlicher als bisher zu fassen. Beraten wurde auch über die Silbentrennung am Zeilenende. Zehetmair zeigte sich in Mannheim überzeugt davon, daß ein Konsens darüber erzielt wird, daß kein einzelner Vokal abgetrennt werden kann (E-sel, Reu-e). Als Beispiel für eine sinnwidrige Trennung nannte Zehetmair das Wort "Urinstinkt" mit den Trennweisen "Ur- instinkt" oder "Urin-stinkt". Im Unterschied zu den bisherigen Regeln wird jetzt die sinnvolle Silbentrennung zur Entscheidungsgrundlage. Sprache sei ein lebendiger Organismus. Über die Interpunktion hat der Rat nicht diskutiert. Zehetmair wiederholte, daß der Rat seinen eigenen Auftrag habe und sich von den Beschlüssen der Kultusminister nicht irritieren lasse. Der Rat lasse sich nicht von den Ministern diktieren, über welche Bereiche er beraten dürfe. Sicherlich werde der Rat sich auch der Eindeutschung von Fremdwörtern widmen. Zehetmair zeigte sich überzeugt, daß sich die Schreibweise "Spaghetti" im Unterschied zu "Spagetti" durchsetzen wird. Beide Schreibweisen sind derzeit möglich. Die Stimmung im Rat habe sich erheblich stabilisiert, anfangs habe seine Aufgabe der eines Dompteurs geähnelt, sagte Zehetmair, davon könne nun keine Rede mehr sein. Die beiden nächsten Sitzungen werden am 28. Oktober und 25. November in diesem Jahr stattfinden. Der Rat ist für sechs Jahre bestellt, eine Wiederwahl ist möglich. Von 2006 an rechnet Zehetmair mit zwei Sitzungen pro Jahr. Vom 1. August an werden als allein richtige Schreibweisen gelten: "im Allgemeinen, des Öfteren, im Voraus, im Einzelnen, der Letztere, heute Abend, zu Eigen machen, in Sonderheit, jenseits von gut und böse, Primus inter Pares, behände, Stängel, einbläuen, Quäntchen, Zierrat, deplatziert, nummerieren, dass, Missstand, Tipp, Stopp, 30-jährig". Als Fehler gelten die bisher richtigen Schreibweisen "heute abend, jeder einzelne, wie recht du doch hattest, jedesmal, Zierat, behende, Stengel, einbleuen, Gemse, greulich, numerieren, deplaziert, der letztere, das folgende, im voraus, im allgemeinen". Zulässige Formen sind etwa "bei Weitem, seit Langem, die Meisten, du tust mir sehr Leid, Schikoree, Katarr". Unterdessen haben der Bertelsmann-Verlag und der Schulbuchverlag Cornelsen für den 1. August 2005 ein neues Rechtschreibwörterbuch angekündigt. Es berücksichtige die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz vom 3. Juni 2005 und führe "in den unstrittigen Bereichen Laut- Buchstaben-Zuordnung, Groß- und Kleinschreibung sowie Bindestrich-Schreibung alle Schreibweisen des amtlichen Regelwerks in der Fassung von 2004 auf. In den strittigen Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung und Worttrennung verzeichnet der Wahrig darüber hinaus die alten Schreibweisen, die laut KMK weiterhin toleriert werden sollen", heißt es in einer Erklärung der Verlage. Sie entspricht bis in den Wortlaut hinein dem Wunsch der Kultusminister, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Laut-Buchstaben-Zuordnungen - beide sind sehr umstritten - nicht mehr zur Diskussion zu stellen, da sie für "unstrittig" erklärt wurden. Unter Mißachtung etwaiger Vorhaben des Rechtschreibrates hatten KMK und Ministerpräsidenten bekräftigt, hier seien Änderungsvorschläge des Rates nicht zu erwarten. Der Rat scheint jedoch mehrheitlich anderer Ansicht zu sein, auch sein Vorsitzender hat mehrfach festgestellt, daß das Gremium kein Anhängsel der KMK sei. Der Rat beabsichtigt nach Aussage mehrerer Ratsmitglieder, die Groß- und Kleinschreibung noch im Jahr 2005 zu prüfen. Trotzdem wird sie am 1. August 2005 in den Schulen notenverbindlich eingeführt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Kultusminister sich auch dieses Mal von der Allianz der Schulbuch- und Wörterbuchverlage haben beeinflussen lassen. Kritiker der Reform sehen sich an das Jahr 1996 erinnert, als die Kultusminister die Wiener Absichtserklärung erst unterzeichneten, als ein Anwesender darauf hinwies, daß Bertelsmann schon gedruckt habe.
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