30.04.2005


Weltsprache Englisch? Thinkste!

Don

Endlich sagt es einer geradeheraus: Niemand auf der Welt kann richtig Englisch – die Minorität der Oxford-Schnösel zählt nicht in einer globalisierten Gesellschaft, die in der Illusion lebt, in der englischen Sprache zu kommunizieren.

In seiner fast 30jährigen internationalen Karriere bei IBM in New York und als deren europäischer Vizepräsident hat Jean-Paul Nerrière nie die Demütigung verwunden, als ihm bei der Aufnahmeprüfung für die »Ecole Centrale« bescheinigt wurde, er spreche englisch wie ein Hotelportier. In seiner Berufserfahrung suchte und fand er die Bestätigung, daß er im internationalen Business keineswegs der einzige ist, auf den das zutrifft, sondern daß dies für so gut wie alle »Global Players« gilt, sofern sie nicht aus einem englischsprachigen Land kommen – et encore!

Dem »Anglorikanisch«, das man, wie Nerrière meint, anstatt des vorgeblichen Englischen sich in der internationalen Geschäftswelt bemüht mehr schlecht als recht zu radebrechen, hält er das »Globish« entgegen, eine Wortschöpfung aus »global« und »english«. Er hat diese »Sprache«, für die er jetzt das zweite Lehrbuch verfaßt hat, nicht erfunden, sondern sie aus seinen Beobachtungen des pseudo-englischen Sprachgebrauchs »außerhalb der angelsächsischen Sprachwelt« im internationalen Geschäftsleben sozusagen deskriptiv beschrieben. Dieses »Globish« kommt mit 1.500 Wörtern aus, beschränkt sich auf die simpelsten Satzkonstruktionen und beschreibt eine im Umgang unter nicht-muttersprachlichen Englischsprechern beobachtete »wirksam verständliche« Aussprache – was mehr oder weniger auf Nerrières auch nach fast dreißig internationalen Managerjahren wohl ungebrochenes Hotelportiers-Englisch hinauslaufen dürfte.

Die Vorteile des »Globish« sind für Nerrière unübersehbar und sollten nicht nur für die in ihrem Nationalstolz über Jahrhunderte durch die Engländer gedemütigten Franzosen, sondern für jeden, der nicht die Gnade der englischsprachigen Geburt genossen hat, schlagend sein:

»Endlich ein Buch, das den Minderwertigkeitskomplexen aller Nicht-Englisch-Muttersprachler ein Ende setzt.«

Diesen hinwiederum wird mit »Globish«, von dessen Verbreitung mittels seiner Lehrbücher sich Nerrière wohl ein Schnäppchen verspricht, ein Schnippchen geschlagen. Denn die reden unbekümmert mit ihrem angeberischen umfänglichen Wortschatz daher und ahnen gar nicht, daß davon nur die 1.500 Wörter, die er in »Globish« kodifiziert hat, verstanden werden. Ab Wort 1.501 äußern sie sich in einer Fremdsprache und werden zur Minderheit, die Probleme hat, sich international verständlich zu machen, denn welches die 1.500 bekannten Wörter sind, das müßten sie auch erst einmal lernen und sich im internationalen Gedankenaustausch auf diese beschränken. Das ist das Ende des Englischen als Kultur- oder gar Weltsprache.

»Es ist einfacher, populärer und effektiver, ein ›Globiphoner‹ zu sein, der sich seiner sprachlichen Eingeschränktheit bewußt ist und diese durch die [im Globish-Lehrbuch] beschriebenen Methoden kompensiert, als ein des Englischen Kundiger, der über seinen Gewißheiten und seiner Rechthaberei die sprachlichen Realitäten verschlafen hat.«

Damit tröstet auch Nerrière sich über die Tatsache hinweg, daß das Französische seit jenen Jahren gewaltig an Prestige eingebüßt hat, als die Reisepässe des Osmanischen Reiches noch in türkischer und französischer Sprache gehalten waren – von nun an wird es dem englischen Traditionsrivalen nicht besser ergehen, seine Sprache ist dem Untergang geweiht. Und das ungeliebte »Franglais«, die französische Parallelerscheinung zu unserem »Denglisch«, wird seine Anziehungskraft verlieren, denn alle, die es gerne ein bißchen englisch mögen, aber nicht richtig können, kommen bei »Globish« voll auf ihre Kosten.

Siehe auch hier.



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