29.11.2004 PolitikberatungFDS schreibt AbgeordnetenZur Einstimmung auf die Bundestagsdebatte über die Rechtschreibreform wird den Abgeordneten heute ein Schreiben der FDS zugestellt.Der Brief hat folgenden Wortlaut: » Sehr geehrter Herr . . ., sehr geehrte Frau . . ., der Bundestag wird sich in dieser Woche mit zwei Anträgen zur deutschen Rechtschreibung und ihrer Reform befassen. Ich möchte Ihnen empfehlen, dem Gruppenantrag der Abgeordneten Otto, Lengsfeld und Winkler zuzustimmen. Der Antrag nennt die Sprache einen »Grundtatbestand von gesamtstaatlicher Bedeutung«. Das ist zweifellos zutreffend. Aus der Kulturhoheit der Länder folgt nicht, daß der Bund hinsichtlich der deutschen Rechtschreibung kompetenzlos wäre. Schon die Orthographische Konferenz von 1901, welche die deutsche Einheitsrechtschreibung beschloß, war vom Reichsamt des Innern einberufen worden. Folgerichtig sind die Reformbetreiber späterer Jahre stets bemüht gewesen, für ihre Vorhaben die Billigung des Innenressorts zu gewinnen. Die Wiener Absichtserklärung vom 1. Juli 1996 trägt auch die Unterschrift des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium des Inneren. Der Bundestag muß sich daher nicht darauf beschränken, Appelle an die Kultusminister der Länder zu richten, wie es der Antrag der CDU/CSU-Fraktion vorsieht. An die Kultusminister sind in dieser Sache schon viele Appelle gerichtet worden. Zuletzt haben auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse die bedeutendsten deutschsprachigen Verleger und Schriftsteller gefordert, aus dem Scheitern der Rechtschreibreform endlich die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Die von der Kultusministerkonferenz im Juni beschlossenen Korrekturen am Reformregelwerk und die Ankündigung, einen »Rat für deutsche Rechtschreibung« einzuberufen, in dem institutionelle Befürworter der Reform unter Führung der Schul- und Wörterbuchverlage eine erdrückende Mehrheit besitzen, haben der Rechtschreibreform nicht die Akzeptanz verschaffen können, die für einen dauerhaften Sprachfrieden nötig wäre. Im Gegenteil hat sich mit Axel Springer ein weiterer großer Verlag von den neuen Regeln abgewandt. Die amtliche deutsche Rechtschreibung ist nicht konsensfähig. Diese Tatsache anzuerkennen ist der Deutsche Bundestag aufgerufen, gerade weil die Mehrzahl der Landesregierungen nicht dazu bereit ist. Die Gegner einer Beendigung der sogenannten Reform haben in der Diskussion der letzten Monate vor allem auf die Situation an den Schulen und auf die Kosten verwiesen. Zur Schule ist zu sagen: Die Schülerinnen und Schüler müssen aufgrund der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz jetzt ohnehin umlernen. Und es ist zur Genüge gezeigt worden, daß diesen Änderungen in absehbarer Zeit weitere folgen müssen. In Frage steht also nur der Umfang der Umstellung. In einem Schritt zu einer vernünftigen Rechtschreibregelung zurückzukehren ist sinnvoller als eine fortwährende Reform der Reform. Ein Umlernen in den von der Reform betroffenen Bereichen darf nicht mit einem Neubeginn verwechselt werden, der alles zuvor erworbene Wissen entwertet. Es ist den Schülern um so mehr zumutbar, als die Reform ihnen nachweislich keine Erleichterungen gebracht hat und die Hauptschwierigkeiten der deutschen Orthographie von ihr nicht einmal berührt werden. Bezeichnenderweise hat kein Kultusministerium eine Vergleichsstudie zu den Rechtschreibleistungen an deutschen Schulen vor und nach Umsetzung der Reform durchgeführt. Der langjährige Vorsitzende der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Professor Gerhard Augst, sagte am 29. Januar 2004 dem Rheinischen Merkur: »Die Leistungen wurden schlechter, jetzt sind sie wieder gleich; und sie werden besser werden.« Diese Erwartung ist durch nichts gedeckt. Zur Geldfrage: Der Verband der deutschen Schulbuchverleger (VdS Bildungsmedien) hat vor den Kosten einer neuerlichen orthographischen Umstellung der Schulbücher gewarnt. Dazu ist festzustellen, daß eine solche Umstellung aufgrund der Beschlüsse der Kultusministerkonferenz ohnehin bevorsteht und im Rahmen der üblichen redaktionellen Überarbeitungen von Auflage zu Auflage problemlos vollzogen werden kann. Michael Klett, Inhaber des größten deutschen Schulbuchverlages, sagte kürzlich: »Daß die Politiker sich bei der Überlegung, die sogenannte Reform zurückzunehmen, von fadenscheinigen Kostenargumenten der Interessensgruppen haben beeindrucken lassen, ist unbegreiflich.« Ich empfehle Ihnen, mit dem Gruppenantrag einer für die Schule vernünftigen, für das Gemeinwesen erschwinglichen und für das Ansehen der deutschen Kulturnation dringend nötigen Lösung zuzustimmen. Die beiliegende Broschüre, die auf der Frankfurter Buchmesse verteilt wurde, beleuchtet die Problematik vor allem im Hinblick auf die deutsche Literatur und ihre Leser. Für weitere Auskünfte stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen Reinhard Markner«
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