14.04.2008


Theodor Ickler

Geschichtsklitterung

Was war der Auftrag der Zwischenstaatlichen Kommission?

"Spannende Rechtschreibreformdiskussion in Greifswald"

(Bericht von Birte Arendt im Sprachdienst 2/07)

"Zweig Greifswald. Ist das Ende des Rechtschreibkrieges in Sicht? Auf diese Frage gab Prof. Dr. Peter Eisenberg am 22. Januar 2007 in Greifswald interessante und fundierte Antworten. Die gemeinsam von der GfdS und dem Krupp-Kolleg organisierte Veranstaltung zog mehr als 200 Zuhörerinnen und Zuhörer an, die im Anschluss an die Ausführungen des Potsdamer Professors und renommierten Germanisten noch geraume Zeit über das Für und Wider debattierten. Hierbei zeichnete sich klar eine auch von Eisenberg selbst favorisierte Tendenz wider die ursprünglichen Reformvorschläge von 1998 ab. In seinem Vortrag stellte Eisenberg, der selbst Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung ist, zunächst deutlich heraus, dass es sich bei den nach 1998 unternommenen »Reformreformen« keineswegs um ein chaotisches Hin und Her handelte, sondern dass von Anfang an der Rückbau der 98er Reformvorschläge das Ziel der Neubearbeitungen war. An zahlreichen Beispielen der Groß- und Kleinschreibung etwa im Bereich der Eigennamen verdeutlichte er die Notwendigkeit der aktuellen Reformvorschläge. So muss ein Schwarzes Brett nicht unbedingt schwarz sein, als Teil einer Nominalphrase ist das Adjektiv aber untrennbar mit dem Substantiv verbunden. Die Phrase erlangt dadurch den Status eines Eigennamens, somit ist das Adjektiv in diesem Fall nun groß zu schreiben. Zur Silbentrennung zeigte er die Absurdität verschiedener »reformierter« Formen auf, wie etwa die sinnentstellenden Trennungen Ölo-fen und Buche-cker. Als besonders interessant erwiesen sich Eisenbergs Ausführungen zur Verflechtung von Politik und Rechtschreibreform, beginnend mit den Vereinbarungen über derartige Reformen der deutschen Sprache bereits zu DDR- und BRD-Zeiten bis hin zu den Durchsetzungen der Reformen trotz vehementen wissenschaftlichen Widerstandes. Mit den derzeitigen Ergebnissen, die sich am weitesten wieder der »vorreformierten« Orthographie und Grammatik angenähert haben, scheint ein Ende der Diskussionen und damit des Rechtschreibkrieges in Sicht und man darf hoffen, dass nun nicht mehr jährlich neue Regeln zu lernen sind."

Wenn Eisenberg sagt, "dass es sich bei den nach 1998 unternommenen »Reformreformen« keineswegs um ein chaotisches Hin und Her handelte, sondern dass von Anfang an der Rückbau der 98er Reformvorschläge das Ziel der Neubearbeitungen war", befindet er sich in klarem Gegensatz zu allen Verlautbarungen der Kommission selbst sowie ihrer politischen Auftraggeber. Das heimliche Ziel mag er immerhin zutreffend charakterisiert haben.
Aus meinem Buch "Regelungsgewalt":
"Der Reformer Sitta erklärt im Anschluß an die zitierte Stelle aus der Absichtserklärung: 'Mir ist dieser Wortlaut wichtig: Die Kommission soll ihrem Aufrag nach nicht – wie seitens der Reformgegner behauptet wird – das angeblich schlechte Reformwerk optimieren. Sie soll auf der Grundlage des beschlossenen Regelwerks die Einführung der Neuregelung begleiten.' (in Eroms/Munske [Hg.]: Die Rechtschreibreform – Pro und Kontra, Berlin 1997, S. 222) – In einem oben bereits angeführten Standardbrief der Mannheimer Kommission heißt es: 'Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung in Wien weitere Änderungen vorerst grundsätzlich nicht mehr möglich sind.' – Am 23.1.1997 gaben Zeitungen eine Mitteilung des IDS wieder, wonach die Aufgabe der Kommission 'keineswegs die Korrektur des beschlossenen Reformwerks' sei. 'Die ‚von Reformgegnern erzeugte Sorge‘, die Rechtschreibreform werde schon vor der endgültigen Umsetzung ‚repariert oder korrigiert‘, sei gegenstandslos. (Fränkischer Tag vom 23.1.1997)"

Die Pressemitteilung des IDS vom 22.1.1997 hat folgenden Wortlaut:
"Das Institut für Deutsche Sprache teilt mit, dass in Kürze die Kommission gebildet wird, die sich im staatlichen Auftrag um die wissenschaftliche Beobachtung und Weiterentwicklung der Rechtschreibung zu kümmern hat, wie dies zwischen den deutschsprachigen Staaten am 1. Juli 1996 vereinbart wurde. Anders als in gerade verbreiteten irreführenden Meldungen behauptet wird, hat diese Kommission nicht den Auftrag das beschlossene Reformwerk zu korrigieren. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, auf die Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum hinzuwirken. Sie wird die Einführung der Neuregelung begleiten und die künftige Sprachentwicklung beobachten. Falls erforderlich, wird sie, gestützt auf diese Beobachtungen, dem Staat Vorschläge zur Weiterentwicklung des Regelwerks machen. Zu der von Reformgegnern erzeugten Sorge, die beschlossene Rechtschreibrefom werde schon vor ihrer endgültigen Umsetzung repariert oder korrigiert, besteht also kein Anlass."
Wie aus anderen Mitteilungen und der Wiener Erklärung deutlicher hervorgeht, waren nur Anpassungen an die künftige Sprachentwicklung ins Auge gefaßt, was selbstverständlich eine Angelegenheit von Jahrzehnten sein würde.

Auch in der Wiener Absichtserklärung wird der Kommission kein Korrekturauftrag zugewiesen, wohl aber werden in der ersten Fassung des ersten Berichts der Kommission Korrekturen für unumgänglich erklärt.

Die Bremser-Rolle der Gesellschaft für deutschen Sprache bei den Korrekturen ist bekannt. Hier noch ein weiteres Dokument aus dem Sprachdienst 4/05:

"Niederschrift über die 42. ordentliche Sitzung des Gesamtvorstandes der Gesellschaft für deutsche Sprache am 21. Mai 2005 in Lorsch
TOP 9: Verschiedenes
Professor Hoberg informiert über den Stand der Rechtschreibreform. Auf Antrag von Professor Rainer Wimmer beschließt der Gesamtvorstand einstimmig, darauf hinzuwirken, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Rechtschreibreform in der Fassung vom November 2004 nicht verändert werden soll, um genügend Zeit für die Erprobung zu haben. Professor Hoberg informiert weiterhin über die Arbeitsvorhaben des Deutschen Sprachrats.
Der Vorsitzende schließt die Sitzung um 11.25 Uhr.
Wiesbaden, 30. Mai 2005"

Hoberg hat bei jeder Gelegenheit gesagt, man soll die Neuregelung erst einmal erproben, d. h. die bereits als falsch durchschauten Regeln sollten sich in den Köpfen der Schüler festsetzen, bevor man eine Änderung erwäge. Er war gegen die Korrekturen von 2004 und plädierte dann im Rechtschreibrat unentwegt gegen jede weitere Änderung.


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