23.05.2005


Theodor Ickler

leid tun

Ein Fall von GKS und GZS

Ein paar schöne Belege, die sowohl gegen „Groß- und Getrenntschreibung“ als auch gegen „Klein- und Zusammenschreibung“ sprechen:

Warum willst, warum willst du singen nicht mehr?
Das tut mir gar zu leid. (Hoffmann v. Fallersleben: Der Nachtigall Antwort)

Ach, Röslein am Fenster droben,
Du tust uns auch gar zu leid. (Wilhelm Busch: Das traurige Röslein)

Daß ich Dich gestern nicht gesehen habe, tut mir zu leid. (Franziska zu Reventlow an Emanuel Fehling, 2. 3. 91)

Man sieht: „Das tut mir gar zu Leid“ geht nicht, aber „daß es mir gar zu leidtut“ geht auch nicht so recht.

Joachim Jacobs behauptet in seinem neuen Buch „Spatien“ (bei de Gruyter 2005, aber trotzdem in bewährter Rechtschreibung und sehr kritisch gegen Neuregelung und Revision), daß „leid“ in dieser Verbindung heute als Substantiv empfunden werde (und bedankt sich bei mir für den Hinweis, daß es nie eines war), und meint, „zu leid tun“ könne er selbst nicht akzeptieren. Aber wie man sieht, ist es belegbar und mit besonders „gar zu“ völlig normal.

Hier noch einmal eine Übersicht über die Schreibweise der im wesentlichen gleich gebauten Wendungen:

Bisher: leid tun, not tun, wohltun, weh tun, gut tun
Neu 1996: Leid tun, Not tun, wohl tun, wehtun, gut tun
Neu 2004: Leid tun/leidtun, Not tun, wohl tun, wehtun, gut tun

In der bisherigen Norm fiel nur wohltun aus dem Rahmen, wurde aber durch wohltuend gestützt. Die Neuschreibung ist viel inkonsequenter.

Komisch: »Not sein (veraltend für nötig sein)« (DUW)
Noch komischer: »Hilfe dringend Not* (nötig) haben; der hat's Not* (nötig)« (ÖWB)

Das Ganze zeigt auch noch einmal, daß neben der GZS auch die GKS auf die Agenda gehört, man kann das nicht aufschieben.


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