08.02.2008 Theodor Ickler Hohe LatteWolfgang Steinig erklärt uns die WeltSteinig, Wolfgang (2006): Als die Wörter tanzen lernten. Ursprung und Gegenwart der Sprache. Heidelberg: Spektrum.Wovon das Buch handelt, ist schwer zu sagen, denn es gibt fast nichts, wovon es nicht handelt. Es handelt also auch von der Rechtschreibreform, wenn auch nur auf einer einzigen Seite (aber im Klappentext wird es ausdrücklich erwähnt). „Hier wurde versucht, die Signalkosten behutsam zu senken, indem man rechtschriftliche Handicaps, die besonders für Schreibanfänger, aber auch für weniger versierte Schreiber und Lerner des Deutschen als Fremdsprache eine ständige Fehlerquelle sind, zu entschärfen und durch logische, nachvollziehbare und leichter zu erlernende Regeln zu ersetzen. Ein Beispiel dazu: Beim Plural Flüsse muss man nach der neuen Regel im Singular die beiden Man wundert sich, daß ein nicht unintelligenter Autor heute noch diese Froschperspektive einnimmt und auch so lächerliche Beispiele anführt. Nun, Steinig ist Germanistikprofessor in Siegen und nennt im Vorwort Clemens Knobloch seinen Freund. So einfach ist es manchmal. (Man beachte – abgesehen von den unbegründeten Vermutungen über Fehlerquellen – die tautologische Argumentation: Der Wechsel vom ss zum ß ist sinnlos, weil man dabei vom ss zum ß wechseln muß!) Mit dem Begriff des „Handicaps“ bereichert Steinig übrigens auch die Theologie: „Nach den Berichten der Evangelisten ist Gott das denkbar größte Handicap eingegangen, als er seinen eigenen Sohn auf qualvollste Weise sterben ließ. (...) Man nahm es Jesus ab, dass er tatsächlich meinte, was er sagte, und es ihm mit seiner Botschaft wirklich ernst war. Sein Handicap war so überzeugend, dass seine Botschaft nicht vergessen wurde.“ (398f.) Darum ist wohl auch die christliche Handicap-Malerei vom Mittelalter bis zur Gegenwart so beliebt.
Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
|