24.07.2007


Theodor Ickler

Verrückte Welt

Notizen vom Wochenende

Als ich am Samstag laut kreischend mit dem neuen "Harry Potter" zur Kasse der Thalia-Buchhandlung stürzte, pries ich mich glücklich, nicht auf die deutsche Übersetzung angewiesen zu sein.
Hat jemand sich schon mal die Rechtschreibung in den bisherigen sechs deutschen Bänden angesehen? Es muß ja lustig sein, die Reformversionen mitzuverfolgen.

Erheiternd waren übrigens auch die ebenso krampfhaften wie vergeblichen Versuche der Literaturkritik, mit dem Phänomen puren Lesefutters fertigzuwerden. Das meiste läuft auf den Vorwurf an Frau Rowling hinaus, das geschrieben zu haben, was sie geschrieben hat, und nicht etwas anderes, was sie auch hätte schreiben können (z. B. über Probleme der Globalisierung usw.). Aber lassen wir das.

Um unserer Gesundheit willen sollen wir zu Vorsorgeuntersuchungen gezwungen werden - ein Milliardengeschäft für die Gesundheitsindustrie, das nur deshalb noch nicht recht in Gang kommt, weil die Ärzte selbst nicht viel davon halten.

Um unserer Sicherheit willen sollen wir unsere Festplatten sowie Schlafzimmer für die staatlichen Ermittler öffnen.

Dazu paßt es, daß wir ohne den Staat einfach nicht richtig schreiben können. Diese Einsicht ist in den Köpfen schon längst fest verwurzelt.

In der Süddeutschen Zeitung wurden die Mitglieder des spanischen Königshauses gestern als "die Royals" bezeichnet. Das kommt mir nicht spanisch vor. Französisch ist unzweifelhaft der Name einer Initiative des französischen Gaststättenverbandes: "Service en tête". Die SZ übersetzt: "Dienstleistung im Kopf". Ist denn das richtig? Oder ist es so etwas wie Eminems "Ich hol die Scheiße aus dem Klo" (Cleaning up my closet)?

Beim Blättern in dem Schülerduden "Wortgeschichte" stieß ich auf den "springenden Punkt: "... eine Lehnübersetzung von lat. 'punctum saliens' und bezieht sich auf die antike Vorstellung, im Weißei des Vogeleis befinde sich ein Blutfleck als hüpfender Punkt, der das Herz des werdenden Vogels bildet."

"Antike Vorstellung"? Aber ich habe als kleiner Junge selbst Hühnereier angebrütet und beim Aufschlagen den hüpfenden Punkt mit eigenen Augen gesehen, und es war in der Tat das künftige Herz.


Den Beitrag und dazu vorhandene Kommentare finden Sie online unter
http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=877